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5. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

13. - 14.02.2020, Bochum

Die Gewissensentscheidung von Hebammen am Beispiel von „abortion-related care“ – Einblicke in hebammenwissenschaftliche Forschung in einem komplexen Forschungsfeld

Meeting Abstract

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  • corresponding author Beate Ramsayer - Liverpool John Moores University, Liverpool, United Kingdom
  • Valerie Fleming - Liverpool John Moores University, Liverpool, United Kingdom

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 5. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Bochum, 13.-14.02.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dghwiP22

doi: 10.3205/20dghwi38, urn:nbn:de:0183-20dghwi389

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2020/20dghwi38.shtml

Veröffentlicht: 11. Februar 2020

© 2020 Ramsayer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Weltweit werden jährlich geschätzte 56 Millionen Schwangerschaften abgebrochen [1]. Hebammen wird aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund des Fachkräftemangels eine Schlüsselrolle zugesprochen, die Betreuung und Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu leisten [1]. In Deutschland, wie den meisten anderen europäischen Ländern, haben Hebammen, Gesundheits- und KrankenpflegerInnen sowie ÄrztInnen das Recht selbst zu entscheiden, ob sie an einem Schwangerschaftsabbruch mitwirken oder nicht [2], in der Praxis zeigen sich jedoch große Unterschiede und Probleme in der Umsetzung. Das Recht auf eine Verweigerungshaltung aus Glaubens- und Gewissensgründen wurde in den vergangenen Jahren aufgrund einer Vielzahl von Gründen, Gerichtsurteilen und Einflussfaktoren kontrovers diskutiert.

Ziel: Kritische Reflektion der Verweigerungshaltung aus Gewissensgründen aus Hebammenperspektive

Methodik:

1.
Documentary analysis: Dokumentaranalyse der Fallberichte von drei Hebammen aus drei europäischen Ländern (Schottland, Kroatien, Schweden), die eine Verweigerungshaltung aus Gewissensgründen eingenommen hatten [3], [4]
2.
Systematic review of reasons: Systematische Übersichtsarbeit vorliegender Argumente für und gegen die Einnahme einer Verweigerungshaltung aus Gewissensgründen. Evaluiert wurden philosophische, rechtliche, medizinische, hebammenwissenschaftliche und pflegewissenschaftliche Argumente, die in wissenschaftlicher Fachliteratur aufgeführt wurden [5].
3.
Evaluation of European statistical data: Sekundärdatenanalyse von Lebendgeburten, Schwangerschaftsabbrüchen, späten Schwangerschaftsabbrüchen und der Anzahl tätiger Hebammen pro Land in 32 europäischen Ländern.

Ergebnisse: Die Dokumentaranalyse zeigte, dass Hebammen individuell unterschiedliche Erfahrungen mit der Verweigerungshaltung aus Gewissensgründen gemacht haben. Die zugrundeliegenden Rechtsprechungen in den verschiedenen europäischen Ländern sowie eine Vielzahl individueller Einflussfaktoren hatten Auswirkungen auf die Berufsbiografien der einzelnen Hebammen. Die systematische Übersichtsarbeit vorliegender Argumente in wissenschaftlicher Fachliteratur zeigte eine Vielzahl verschiedener Gründe sowohl für als auch gegen eine Verweigerungshaltung auf. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass Hebammen als Berufsgruppe in der wissenschaftlichen Literatur zur Gewissensentscheidung in Bezug auf eine Verweigerungshaltung bisher häufig ignoriert oder wenig berücksichtigt wurden. Die Europäische Sekundärdatenanalyse für das Jahr 2016 zeigte, dass die Betreuung später Schwangerschaftsabbrüche weniger als 1% des gesamten Arbeitspensums von Hebammen umfasste.

Relevanz: Der Themenkomplex einer Verweigerungshaltung aus Gewissensgründen hinsichtlich der Betreuung von Schwangerschaftsabbrüchen ist für Hebammen relevant, weil sie in der Praxis mit der Entscheidung konfrontiert sind, Frauen zu betreuen oder ihre Betreuung zu verweigern.

Empfehlungen/Schlussfolgerung: Die Verweigerungshaltung aus Gewissensgründen sollte hebammenwissenschaftlich weiter erforscht werden, da diese für die Praxis relevant ist, jedoch die Diskussion auf wissenschaftlicher Ebene bislang zumeist durch berufsfremde Personen geführt wurde.

Ethik und Interessenkonflikte: Die Forschung wurde durch Eigenmittel finanziert. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.


Literatur

1.
World Health Organization (WHO). Health worker roles in providing safe abortion care and post-abortion contraception. 2015 [Zugriff Apr 2019]. Verfügbar unter: https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/181041/9789241549264_eng.pdf;jsessionid=89BD200DB7D402F19A527C03FF12C70B?sequence=1 Externer Link
2.
Bundesministerium der Justiz und für den Verbraucherschutz. Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz). 1992 [Zugriff Jun 2019]. Verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/beratungsg/index.html ; https://www.destatis.de/DE/Methoden/Rechtsgrundlagen/Statistikbereiche/Inhalte/565_SchKG.pdf?__blob=publicationFile Externer Link
3.
Fleming V, Ramsayer B, Škodič Zakšek T. Freedom of conscience in Europe? An analysis of three cases of midwives with conscientious objection to abortion. J Med Ethics. 2018; 44(2):104-8. DOI: 10.1136/medethics-2016-103529 Externer Link
4.
Fleming V, Frith L, Ramsayer B. Tensions Between Ethics and the Law: Examination of a Legal Case by Two Midwives Invoking a Conscientious Objection to Abortion in Scotland. HEC Forum. 2019. DOI: 10.1007/s10730-019-09378-4 Externer Link
5.
Fleming V, Frith L, Luyben A, Ramsayer B. Conscientious objection to participation in abortion by midwives and nurses: A systematic review of reasons. BMC Medical Ethics. 2018 Apr 27;19(1):31. DOI: 10.1186/s12910-018-0268-3 Externer Link