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Antenale Corticosteroid-Gabe bei Schwangerschaften mit erhöhtem Risiko für Frühgeburten – Wie häufig wird das relevante Zeitfenster erreicht?
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Veröffentlicht: | 11. Februar 2020 |
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Hintergrund: Frühgeburtlichkeit gehört in Deutschland mit einer geschätzten Prävalenz von ca. 9% zu den häufigen schwangerschaftsbezogenen Risiken [1]. Bei einem erhöhten Frühgeburtsrisiko vor der 34. Woche werden Cortikosteroide zur fetalen Lungenreife verabreicht, durch welche ein IRDS verhindern werden soll [2]. Die Wirkung von Corticosteroid kann jedoch nur entfaltet werden, wenn das Anwendungsintervall zwischen Gabe und Geburt mindestens 24 Stunden, jedoch nicht mehr als 7 Tage beträgt [3]. Es deutet sich an, dass das ideale Zeitfenster nur selten erreicht wird [4], weswegen die standardmäßige Corticosteroid-Gabe bei erhöhtem Frühgeburtsrisiko vor der 34. Woche aufgrund der zu erwartenden Nebenwirkungen in Frage [5] zu stellen ist.
Ziel/Fragestellung: Ziel dieser Arbeit war es zu untersuchen, wie oft Corticosteroid bei Frauen mit erhöhtem Frühgeburtsrisiko-Risiko bei unterschiedlichen Diagnosen (PPROM, Plazentablutung, Oligohydramnion, AIS, Präeklampsie, vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz) und Risikofaktoren (höheres Lebensalter (>35 Jahre), vorherigem Abbruch oder Frühgeburt, Mehrlingsschwangerschaft, Gestationsdiabetes, Hypertension, Nikotinabusus) innerhalb des optimalen Zeitrahmens verabreicht wurde. Insbesondere sollte analysiert werden, bei welchen Patienten die Steroide innerhalb oder außerhalb des definierten idealen Zeitrahmens verabreicht werden konnten und ob es Unterschiede in Bezug auf die Diagnose und die Risikofaktoren gab. Auch wurde untersucht, ob zwischen Patienten innerhalb und außerhalb des idealen Zeitrahmens statistisch signifikante Unterschiede hinsichtlich soziodemografischer Faktoren, Diagnosen und Risikofaktoren bestehen und ob sich das Odds Ratio (OR) zur Erreichung des idealen Zeitfensters in Abhängigkeit von den Diagnosen und Risikofaktoren erhöht. Schließlich sollte untersucht werden, nach wie vielen Tagen nach der Verabreichung von ACS eine Geburt in Bezug auf Diagnose und Risikofaktoren eingetreten ist.
Methodik: Die Studie war als retrospektive Kohortenstudie konzipiert, in der die Daten aller im Bundesland Rhein-land-Pfalz stattfindenden Geburten (ca. 38.000 Geburten pro Jahr) für das Jahr 2016 ausgewertet wur-den. Aus diesem Datensatz wurden die Daten all jener Mütter (n = 1.544) entnommen, die 2016 auf-grund einer drohenden Frühgeburt ins Krankenhaus eingeliefert und mit Corticosteroid versorgt wurden. In der statistischen Berechnung wurden Frequenzanalysen, Subgruppenanalysen (Chi-Quadrat-Tests und Friedman-Tests) und logistische Regressionen durchgeführt.
Ergebnisse: Nur bei etwa einem Viertel aller schwangeren Frauen, die wegen eines erhöhten Frühgeburtsrisikos mit Corticosteroiden behandelt werden, erfolgt eine Geburt innerhalb des idealen Zeitfensters, das am häufigsten bei Patienten mit AIS (34,85%), Präeklampsie (33,83%) sowie bei Hypertonie (32%) und bei Mehrfachdiagnosen (40,14%) erreicht wurde. Bei Patienten mit PPROM, AIS und Präeklampsie ergab sich innerhalb des idealen Zeitrahmens ein OR> 1 für ein Geburtsereignis, während bei Patienten mit Gebärmutterhalsinsuffizienz kein Nutzen zu verzeichnen war.
Relevanz: Es kann festgestellt werden, dass bei Frauen, bei denen das Risiko einer Frühgeburt vor der 34. Schwangerschaftswoche erhöht ist, zunächst das individuelle Risikoprofil ermittelt werden sollte.
Empfehlungen/Schlussfolgerung: Bei Frauen mit Frühgeburts-Risiko sollte vor Beginn des Corticosteroid-Managements zunächst das individuelle Risikoprofil ermittelt werden.
Ethik und Interessenkonflikte: Das Einholen eines Ethikvotums war nicht erforderlich. Es wurden Routinedaten ausgewertet, für welches kein Ethik-Votum notwendig ist. Die Forschung wurde durch Eigenmittel finanziert. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.
Literatur
- 1.
- AQUA – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH. Bundesauswertung zum Verfahrensjahr 2010 16/1 – Geburtshilfe. [Zugriff Jul 2019]. Verfügbar unter: https://sqg.de/front_content.php?idart=119
- 2.
- Freeman CI, Hezelgrave NL, Shennan AH. Antenatal steroids for fetal lung maturity: Time to target more frequent doses to fewer women? Obstet Med. 2015; 8(4):172-6. DOI: 10.1177/1753495X15601772
- 3.
- Roberts D, Dalziel S. Antenatal corticosteroids for accelerating fetal lung maturation for women at risk of preterm birth. Cochrane Database Syst Rev. 2006;(3):CD004454.
- 4.
- Razaz N, Skoll A, Fahey J, Allen VM, Joseph KS. Trends in optimal, suboptimal, and questionably ap-propriate receipt of antenatal corticosteroid prophylaxis. Obstet Gynecol. 2015; 125:288-96. DOI: 10.1097/AOG.0000000000000629
- 5.
- Khalife N, Glover V, Taanila A, Ebeling H, Järvelin MR, Rodriguez A. Prenatal glucocorticoid treatment and later mental health in children and adolescents. PLoS One. 2013; 8(11):e81394. DOI: 10.1371/journal.pone.0081394