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5. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

13. - 14.02.2020, Bochum

Bedürfnisse schwangerer Frauen mit großer Angst vor der Geburt – empirische Grundlage für eine Nutzerinnen-orientierte Versorgung

Meeting Abstract

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  • corresponding author Sabine Striebich - Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Deutschland
  • Gertrud M. Ayerle - Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 5. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Bochum, 13.-14.02.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dghwiV09

doi: 10.3205/20dghwi10, urn:nbn:de:0183-20dghwi107

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2020/20dghwi10.shtml

Veröffentlicht: 11. Februar 2020

© 2020 Striebich et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Schwangere Frauen mit großer Angst vor der Geburt (gAvG) sind eine vulnerable Gruppe im geburtshilflichen Versorgungssystem. Die Prävalenz von gAvG, operationalisiert durch ≥85/165 Punkten W-DEQ A, beträgt zwischen 6 und 15 Prozent in Europa, USA und Australien mit regionalen Unterschieden [1]. Da die Identifikation von Bedürfnissen spezieller Nutzerinnengruppen und deren Beachtung in der geburtshilflichen Versorgung heute eine hohe Priorität haben [2] und sozio-kulturelle Einflüsse bei der Bewältigung von gAvG eine Rolle spielen [3], sind Kenntnisse darüber hilfreich, welche Erlebnisse und Erfahrungen für schwangere Frauen in der geburtshilflichen Versorgung im Zusammenhang mit gAvG hierzulande typisch sind. Daraus lassen sich Bedürfnisse und Wünsche der Nutzerinnen ableiten, deren Beachtung in der Hebammen- und ärztlichen Betreuung bei der Bewältigung von gAvG unverzichtbar sind, um zu einer positiven Schwangerschafts- und Geburtserfahrung beizutragen.

Ziel/Fragestellung: Welche Erlebnisse und Erfahrungen im persönlichen Umfeld und in der medizinischen Versorgung sind für schwangere Frauen mit gAvG bedeutungsvoll im Hinblick auf ihre Angst? Welche Bewältigungsstrategien nutzen sie?

Methodik: In der interpretativ-hermeneutischen Promotionsstudie wurden – ausgehend von problemzentrierten Einzelinterviews mit zwölf schwangeren Frauen, die von sich angaben, von gAvG belastet zu sein – mithilfe der Dokumentarischen Methode nach Bohnsack kollektive Orientierungsmuster und handlungsleitende Orientierungen rekonstruiert. Die kollektiven Orientierungen der Befragten zur Entwicklung der Angst vor der Geburt in der Schwangerschaft, zur Schwangerenvorsorge und Geburtsvorbereitung, ihre Orientierung zur Geburt und drei Typen von Bewältigungsressourcen wurden zu einer Basistypik „schwangere Frauen mit großer Angst vor der Geburt“ zusammengefasst [4], [5].

Ergebnisse: Die Befragten sehen weder im privaten noch im professionellen Umfeld Gelegenheit für bestärkende Gespräche über Geburt. Sie wünschen sich eine physiologische Geburt und benötigen eine engmaschige, vertrauensvolle Betreuung durch eine qualifizierte Hebamme, die das Thema Angst vor der Geburt beizeiten anspricht und Unterstützung anbietet. Einzel-/Gruppen-Psychoedukation mit Entspannung und ergänzende psychotherapeutische Gespräche sind effektive Interventionen bei gAvG. Evidenzbasierte Informationen über die Geburt und die Versorgung in Kliniken, eine qualitätsgesicherte Geburtsvorbereitung mit körperbezogenen Atem- und Entspannungsübungen sowie eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch eine vertraute Hebamme während der Geburt haben das Potenzial, zu einer positiven Geburtserfahrung bei Schwangeren mit gAvG beizutragen.

Relevanz: Diese Dissertation informiert sowohl Hebammen, Ärztinnen und Ärzte als auch gesundheitspolitische Stakeholder über die besonderen Bedürfnisse und Ressourcen von schwangeren Frauen mit gAvG in Deutschland.

Empfehlungen/Schlussfolgerung: Hebammen, die Schwangere mit gAvG betreuen, benötigen spezielle Kenntnisse und Kompetenzen, um den Betreuungsprozess angemessen zu gestalten. Diese Arbeit identifiziert strukturell-organisatorische und inhaltlich-konzeptionelle Maßnahmen, die das Potenzial haben, schwangere Frauen mit gAvG bei der Bewältigung ihrer Angst zu unterstützen und zu einem positiven Geburtserlebnis beizutragen. Diese Maßnahmen sollten in ein sektorenübergreifendes Versorgungskonzept zur Betreuung schwangerer Frauen mit gAvG aufgenommen werden.

Ethik und Interessenkonflikte: Die zuständige Ethikkommission erteilte ein positives Votum. Die Forschung wurde durch Fremdmittel unterstützt. Die Promotion wurde mit einem Forschungsstipendium in Höhe von 1500€ durch die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) gefördert; die Hebammengemeinschaftshilfe förderte mit 500€. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.


Literatur

1.
Nilsson C, Hessman E, Sjoblom H, Dencker A, Jangsten E, Mollberg M, et al. Definitions, measurements and prevalence of fear of childbirth: a systematic review. BMC Pregnancy and Childbirth. 2018; 18(1):28. DOI: 10.1186/s12884-018-1659-7 Externer Link
2.
Kennedy HP, Yoshida S, Costello A, Declercq E, Dias MA, Duff E, et al. Asking different questions: research priorities to improve the quality of care for every woman, every child. The Lancet Global Health. 2016; 4(11):e777-e9. DOI: org/10.1016/S2214-109X(16)30183-8 Externer Link
3.
Fisher C, Hauck Y, Fenwick J. How social context impacts on women’s fears of childbirth: a Western Australian example. Social Science & Medicine. 2006; 63(1):64-75. DOI: 10.1016/j.socscimed.2005.11.065 Externer Link
4.
Striebich S, Ayerle GM. Große Angst vor der Geburt bei schwangeren Frauen in Deutschland: Erfahrungen und Orientierungen in Bezug auf die Schwangerenbetreuung und die Geburtsvorbereitung – eine rekonstruktive Studie. Zeitschrift für Hebammenwissenschaft. 2019; 7(1):35-43.
5.
Striebich S, Ayerle GM. Fear of childbirth (FOC): pregnant women’s perceptions towards the impending hospital birth and coping resources – a reconstructive study. J Psychosom Obstet Gynaecol. 2019. DOI: 10.1080/0167482X.2019.1657822 Externer Link