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4. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

16.02.2018, Mainz

Die Betreuung einer Folgeschwangerschaft durch die Hebamme nach dem Verlust eines Kindes

Meeting Abstract

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  • corresponding author Kerstin Pinnecke - Vinzenzkrankenhaus Hannover gGmbH, Hannover, Deutschland
  • Claudia Hellmers - Hochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Osnabrück, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 4. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Mainz, 16.-16.02.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dghwiP29

doi: 10.3205/18dghwi35, urn:nbn:de:0183-18dghwi353

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2018/18dghwi35.shtml

Veröffentlicht: 13. Februar 2018

© 2018 Pinnecke et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Familien, die den prä-, peri-, oder postpartalen Tod eines Kindes erleben, sind potentielle Nutzer von Hebammenleistungen. Allen Frauen steht während und nach einer Schwangerschaft – auch nach einer Fehl- oder Totgeburt oder einem Schwangerschaftsabbruch – laut deutscher Hebammenvergütungsvereinbarung eine Betreuung in gleichem Umfang zu. Viele verwaiste Eltern erleben nach dem Tod eines Kindes eine Folgeschwangerschaft. Studien kommen zu dem Ergebnis, dass betroffene Frauen ihre Folgeschwangerschaft mit ambivalenten Gefühlen erleben und sich meist emotional distanzieren und nicht vollkommen auf die Schwangerschaft einlassen können [1]. Spezielle Angebote wie Selbsthilfegruppen werden als große Unterstützung beschrieben [2]. Interaktionen mit den Leistungserbringern im Gesundheitswesen stellten für Befragte eine wichtige Quelle der Unterstützung dar.

Ziel/Fragestellung: Die ausgewertete Literatur stammte größtenteils aus den USA, Kanada und Australien. Bislang unerforscht waren die Fragen, wie Frauen in Deutschland eine Folgeschwangerschaft nach dem Tod eines Kindes erleben, welche Erfahrungen sie mit speziellen Angeboten machen und wie aus ihrer Sicht die professionelle Betreuung verbessert werden kann. Ziel war es, das Erleben einer Folgeschwangerschaft nach dem Verlust eines Kindes aus der Sicht der Betroffenen zu ermitteln und Handlungsempfehlungen für die Hebammenbetreuung abzuleiten.

Methodik: Es wurden zwölf betroffene Frauen mittels qualitativem Forschungsdesign befragt. Die Rekrutierung erfolgte über den Verein „Leere Wiege Hannover e.V.“, der Angebote für verwaiste Eltern anbietet. Es fand eine Methodenkombination aus einer Fokusgruppe mit schwangeren Frauen sowie retrospektiven halbstandardisierten Leitfadeninterviews mit Müttern nach einer Folgeschwangerschaft statt. Die Datenauswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz [3].

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen ein komplexes Bild aus der Sicht betroffener Frauen. Die Herausforderung einer Folgeschwangerschaft liegt zum einen darin, dass durch den zuvor erlebten Verlust Ängste, ambivalente Gefühle und ein verzögertes Einlassen auf die Schwangerschaft entstehen, zum anderen Betroffene häufig in ihrem sozialen Umfeld nicht ausreichend Verständnis und Unterstützung erfahren. Der Tod eines Kindes und die umfassenden Auswirkungen auf die Familien scheinen in der Gesellschaft immer noch weitgehend tabuisiert zu sein. Die Frauen wünschen sich eine individualisierte Begleitung unter Einbezug des Partners/der Partnerin und des verstorbenen Kindes.

Relevanz: Eine professionelle familienorientierte Begleitung der Folgeschwangerschaft sowie das Schaffen spezieller Angebote sind wichtig, um dem Bedarf der Frauen zu entsprechen. Hebammen können dazu maßgeblich beitragen. Die Ergebnisse verhelfen zu einem besseren Verständnis der Situation betroffener Frauen und Familien.

Empfehlungen/Schlussfolgerung: Jede Hebamme ist gefordert die eigene Arbeit zu reflektieren, sich fortzubilden und eigene Grenzen wahrzunehmen. Mit dem Ziel einer frauen- und familienorientierten Versorgung sollte eine einfühlsame und genaue Anamnese erhoben werden, um die individuellen Bedürfnisse der Frauen zu erkennen. Die Betreuung sollte von Verständnis und Empathie geprägt sein, Sicherheit vermitteln, möglichst ohne Berührungsängste erfolgen, von den Betroffenen aktiv mitgestaltet werden und auch die Erfahrungen mit dem verstorbenen Kind in die Kommunikation einbeziehen. Zudem sollten eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gefördert und Beratungsangebote für Hebammen geschaffen werden.

Ethik und Interessenkonflikt: Die Forschungsarbeit wurde einem Ethikkommission vorgelegt und durch Eigenmittel finanziert. Es liegt kein Interessenkonflikt vor.

Das PDF des für die Tagung eingereichten Posters ist in deutscher Sprache als Anhang 1 [Anh. 1] verfügbar.


Literatur

1.
Mills TA, Ricklesford C, Cooke A, Heazell, AEP, Whitworth M, Lavender T. Parents’ experiences and expectations of care in pregnancy after stillbirth or neonatal death: a metasynthesis. BJOG. 2014;121(8): 943-50.
2.
Côté-Arsenault D, Marshall R. One foot in – one foot out: weathering the storm of pregnancy after perinatal loss. Res Nurs Health. 2000;23(6): 473-85.
3.
Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 1st ed. Weinheim: Beltz Juventa; 2012.