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Lernen zu begleiten und begleitet zu werden. Doing bodies in der Hausgeburtshilfe in Deutschland
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Veröffentlicht: | 13. Februar 2018 |
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Hintergrund: In der Hebammenforschung und in der anthropologischen Forschung werden Körper in Zusammenhang mit Hausgeburt als ‚natürlich‘ und damit als biologisch determiniert beschrieben [1]. Die ‚soziale‘ Unterstützung der Hausgeburt durch Hebammen ermöglicht dem ‚natürlichen‘ Körper gut zu funktionieren [2]. Gleichzeitig wird die Begleitung durch Hebammen in Opposition zur medizinisch-technologischen Geburtshilfe beschrieben [3]. Zum einen ist Hebammenarbeit auch in Hausgeburtssettings weder a-medizinisch noch a-technisch [4], zum anderen suggeriert die Vorstellung von einem sozial unterstützten, biologisch determinierten Körper, Hausgeburtshilfe bestünde vornehmlich aus dem Bewahren des Körpers vor (medizinisch-technischen) Störungen [5].
Fragestellung: Ich möchte anhand meines ethnographischen Materials aufzeigen, dass Hausgeburten stattdessen komplexe sozio-materielle Praktiken sind. Dabei gehe ich der Frage nach, welche Art von Körpern in welchen sozio-materiellen Hausgeburtspraktiken entstehen.
Methodisches Vorgehen: Zwischen Februar 2015 und März 2016 begleitete ich Hebammen in einer Klinik, zwei Geburtshäusern und privaten Wohnungen in Deutschland. Ich beobachtete teilnehmend und führte ethnographische Gespräche sowie leitfadengestützte Interviews durch. Den Erhebungs- und Auswertungsprozess gestaltete ich nach der Grounded-Theory-Methodologie und der Situationsanalyse [6].
Ergebnisse: Ich beschreibe, wie Hebammen, Frauen und Kinder befähigt werden zu begleiten und begleitet zu werden. Begleitbar werden findet in spezifischen, nämlich intimen, hausgeburtlichen Umgebungen statt und schließt bestimmte Techniken (Tasten, Deutung des Körpers, Herztonhören), Technologien (Dopton-Gerät) und Dinge (Stühle, Matten, Bälle) ein. In diesen Praktiken, die ich beschreibe, entstehen - stets vorläufige - wahrnehmende, entgegenwirkende und ambivalente Körper.
Schlussfolgerung: Hebammenspezifische Praktiken zu untersuchen, in denen Körper situiert und in eine materielle Umgebung eingebettet werden, ermöglicht, weniger normative und dafür eher deskriptive Zugänge zur Hebammenarbeit zu finden und damit handlungsorientiert zu forschen [7].
Ethik und Interessenkonflikt: Diese Studie wurde einer Ethikkommission vorgelegt. Sie wird gefördert durch ein Promotionsstipendium Studienstiftung des deutschen Volkes. Es liegt kein Interessenkonflikt vor.
Literatur
- 1.
- Johnson C. The Political “Nature” of Pregnancy and Childbirth. Can J Polit Sci. 2008;41(4):889–913. DOI: 10.1017/S0008423908081079
- 2.
- Mansfield B. The social nature of natural childbirth. Soc Sci Med. 2008;66(5):1084-94. DOI: 10.1016/j.socscimed.2007.11.025
- 3.
- Rooks JP. The midwifery model of care. J Nurse Midwifery. 1999;44(4):370–4. DOI: 10.1016/S0091-2182(99)00060-9
- 4.
- Westfall RE, Benoit C. The rhetoric of “natural” in natural childbirth: Childbearing women’s perspectives on prolonged pregnancy and induction of labour. Soc Sci Med. 2004;59(7):1397–408. DOI. 10.1016/j.socscimed.2004.01.017
- 5.
- Aune I, Hoston MA, Kolshus NJ, Larsen CEG. Nature works best when allowed to run its course. The experience of midwives promoting normal births in a home birth setting. Midwifery. 2017;50:21-6. DOI: 10.1016/j.midw.2017.03.020
- 6.
- Clarke AE, Friese C. Grounded Theorizing Using Situational Analysis. In: Bryant A, Charmaz K, editors. The SAGE handbook of grounded theory. Los Angeles: SAGE Publication; 2008. p. 363–97.
- 7.
- Ceci C, Pols J, Purkis ME. Privileging Practices: Manifesto for “New Nursing Studies". In: Foth T, Holmes D, Hülsken-Giesler M, Kreutzer S, Remmers H, editors. Critical Approaches in Nursing Theory and Practice and Nursing Research: Implications for Nursing Practice. Osnabrück: V&R Unipress; 2017. p. 51–68.