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4. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

16.02.2018, Mainz

Geburtshilfliche Interventionsraten in Abhängigkeit von Fallzahl und Tageszeit

Meeting Abstract

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  • corresponding author Rainhild Schäfers - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Bochum, Deutschland
  • Björn Misselwitz - Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen, Eschborn, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 4. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Mainz, 16.-16.02.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dghwiV05

doi: 10.3205/18dghwi05, urn:nbn:de:0183-18dghwi052

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2018/18dghwi05.shtml

Veröffentlicht: 13. Februar 2018

© 2018 Schäfers et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Geburtshilfliche Interventionen sind wichtige Hilfsmittel, wenn es um die Gesundheit von Mutter und Kind in Zusammenhang mit einer Geburt geht. Gleichwohl sind sie nicht immer medizinisch indiziert und geschehen auch nicht immer zwingend zum Wohle von Mutter und Kind. So werden beispielsweise ein häufiger Wehenmitteleinsatz oder auch Sectiones als Faktoren gesehen, die eine maternale, postpartalen Hämorrhagie begünstigen [1], [2]. Eine kritische Auseinandersetzung um Faktoren, die Interventionsraten beeinflussen können, ist deshalb notwendig. Interessant in der Auseinandersetzung sind dabei vor allem systemimmanente Faktoren wie die Größe einer Klinik oder Tageszeiten als mögliche Einflussgrößen, da hier gesundheitspolitische Maßnahmen zur Senkung von Interventionsraten ansetzen können. Ziel der vorliegenden Studie ist deshalb die Darstellung von Interventionsraten in unterschiedlich großen Kliniken und deren Bezug zur Tageszeit.

Methodisches Vorgehen: Retrospektive Kohortenstudie. Datenbasis bilden 305.980 Geburten, die in der hessischen Perinatalerhebung zwischen 2005 und 2015 erfasst wurden. Einschlusskriterien: reifer Einling (37+0 bis 41+6 SSW) in Schädellage. Ausschlusskriterien: Einleitung, primäre Sectio caesarea, Plazenta praevia, (Prä-) eklampsie, HELLP, IUFT. Datenanalyse mittels Verfahren der deskriptiven und Interferenzstatistik (Chiquadrat-basierte Unabhängigkeitstests, Regressionsanalysen). Abhängige Variablen: Wehenmittelgabe sub partu, Episiotomie, vaginal operative Geburt und sekundäre Sectio. Unabhängige Variablen: Tages-und Nachtzeit (8.01h-20.00h bzw. 20.01h-8.00h) und Klinikgröße (Kategorie 1: bis 500 Geburten jährlich, Kategorie 2: 501 bis 1000 Geburten jährlich, Kategorie 3: 1001 bis 1500 Geburten jährlich, Kategorie 4: über 1500 Geburten jährlich).

Ergebnisse: Gegenüber Kliniken mit bis zu 500 Geburten werden in Kliniken mit über 1500 Geburten signifikant weniger Wehenmittel sub partu verabreicht (OR 0,52 CI 95% [0,50-0,53], p<0,01) sowie Episiotomien (OR 0,58 CI95% [0,56-0,60], p<0,01) und sekundäre Sectiones (OR 0,84, CI95% [0,81-0,87], p<0,01) durchgeführt. In allen vier Klinikkategorien ist ein signifikanter Unterschied zwischen Tag- und Nachtzeiten in der Anwendung von Interventionen zu verzeichnen, wobei tagsüber deutlich mehr Episiotomien, Wehenmittelgaben sub partu, vaginal operative Geburten sowie sekundäre Sectiones stattfinden. Die Unterschiede zwischen Tag- und Nachtzeiten hinsichtlich der Raten an Wehenmitteln sub partu, an Episiotomien sowie an sekundären Sectiones erscheinen in Kliniken mit bis zu 500 Geburten gegenüber den drei anderen Klinikkategorien besonders prominent.

Schlussfolgerung: Obwohl es sich bei der Stichprobe um eine Low-Risk Klientel handelt, lassen sich in allen vier Klinikkategorien deutliche Unterschiede zwischen Tages- und Nachtzeiten in der Anwendung von Interventionen erkennen. Die Tatsache, dass nachts deutlich weniger Interventionen durchgeführt werden, lässt einen systemimmanenten Faktor als Einflussgröße vermuten. Die rein quantitative Erfassung der Interventionsraten vor dem Hintergrund von Klinikgröße und Tageszeit scheint zudem die derzeitigen Zentralisierungsbestrebungen und die damit einhergehenden Schließungen kleiner geburtshilflicher Abteilungen zu unterstützen. Aufgrund des Studiendesigns können jedoch keine Kausalzusammenhänge hergestellt werden. Weitere Forschung zum Zusammenhang zwischen Interventionsraten und systemimmanenten Faktoren ist notwendig.

Ethik und Interessenkonflikt: Diese Forschungsarbeit wurde einer Ethikkommission vorgelegt. Sie ist selbstfinanziert und es liegt kein Interessenkonflikt vor.


Literatur

1.
Belghiti J, Kayem G, Dupont C, Rudigoz RC, Bouvier-Colle MH, Deneux-Tharaux C. Oxytocin during labour and risk of severe postpartum haemorrhage: a population-based, cohort-nested case-control study. BMJ Open. 2011;1(2):e000514. DOI: 10.1136/bmjopen-2011-000514 Externer Link
2.
Kramer MS, Berg C, Abenhaim H, Dahhou M, Rouleau J, Mehrabadi A, et al. Incidence, risk factors, and temporal trends in severe postpartum hemorrhage. Am J Obstet Gynecol. 2013;209(5):449.e1-7. DOIi: 10.1016/j.ajog.2013.07.007 Externer Link