gms | German Medical Science

4. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

16.02.2018, Mainz

Ramadan in der Schwangerschaft in Deutschland: eine Umfragestudie zu Fastenverhalten und Kommunikation mit dem Fachpersonal

Meeting Abstract

  • corresponding author Fabienne Pradella - Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Lehrstuhl für Statistik und Ökonomie, Mainz, Deutschland
  • Birgit Leimer - Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Lehrstuhl für Statistik und Ökonomie, Mainz, Deutschland; Graduate School of Economics, Finance and Management, Frankfurt, Deutschland
  • Anja Fruth - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit, Mainz, Deutschland
  • Annette Queißer - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Mainz, Deutschland
  • Reyn van Ewijk - Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Lehrstuhl für Statistik und Ökonomie, Mainz, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 4. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Mainz, 16.-16.02.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dghwiV03

doi: 10.3205/18dghwi03, urn:nbn:de:0183-18dghwi038

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2018/18dghwi03.shtml

Veröffentlicht: 13. Februar 2018

© 2018 Pradella et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die kontinuierlich steigende Anzahl muslimischer Bürgerinnen in Deutschland macht es unabdingbar, Islam-spezifische Themen in der Schwangerschaftsvorsorge zu berücksichtigen. In muslimischen Ländern fasten die meisten Schwangeren im Ramadan; die Gebräuche schwangerer Muslimas in Europa wurden bislang kaum untersucht. Gezeigt wurde allerdings, dass Ramadan während der Schwangerschaft dazu führt, dass das Kind ein größeres Risiko für schlechtere kognitive Leistungen, Behinderungen und – im Erwachsenenalter – Symptome von Typ II Diabetes und koronare Herzkrankheiten hat [1], [2], [3], [4], [5].

Ziel/Fragestellung: Wir erheben erstmals Daten zum Ramadan-Verhalten schwangerer Muslimas in Deutschland. Dabei untersuchen wir unter anderem, wie sich schwangere Muslimas über Ramadan in der Schwangerschaft informieren und welche Ratschläge sie vom medizinischen Fachpersonal erhalten.

Methodisches Vorgehen: Von Oktober 2016 bis Januar 2017 (Pilot) und seit Mai 2017 (Hauptstudie) werden schwangere und frisch entbundene Muslimas in den Mainzer Krankenhäusern (Universitätsklinikum, Katholisches Krankenhaus Mainz) zu ihrem Ramadan-Verhalten befragt. Neben Fragen zum Fasten erheben wir Daten zu Schlafrhythmus und sonstigen Änderungen in der Ernährung (bspw. (un)gesünderes Essen, Trinkverhalten), die einen Effekt darauf haben können, ob und wie Ramadan während der Schwangerschaft das Kind beeinflusst. Zusätzlich erheben wir Kontrollvariablen wie Ausbildungsstatus und Geburtsland. Anschließend findet eine Verknüpfung mit medizinischen Daten der geburtshilflichen Abteilungen statt. Die Befragungen finden auf Deutsch, Arabisch, Türkisch und Englisch statt.

Ergebnisse: In der Pilotstudie wurden 116 Frauen befragt. 43% haben mindestens einen Tag gefastet, davon 54% 20–30 Tage. Fastende Frauen sind signifikant jünger als nicht fastende Frauen und tendieren zu einem niedrigen Bildungsstand. Die Meinung des Partners hat nur einen beschränkten Effekt auf die Fasten-Entscheidung der Frauen. 67% der nicht fastenden Frauen erwarten negative Effekte von Fasten in der Schwangerschaft auf die Gesundheit ihres Kindes. Negative Effekte werden jedoch auch von 20% der fastenden Frauen erwartet.

Eine Minderheit der Frauen bespricht ihr Verhalten im Ramadan mit Gynäkologin oder Hebamme (49% der fastenden und 38% der nicht fastenden Frauen). Nur zwei Frauen gaben an, proaktiv vom Fachpersonal auf den Ramadan angesprochen worden zu sein. Während 73% des Fachpersonals vom Fasten in der Schwangerschaft abraten, weist über ein Viertel nicht auf mögliche negative Auswirkungen hin.

Relevanz: Etwa 5% der deutschen Bevölkerung sind Muslime – mit steigender Tendenz. Die gesundheitlichen Auswirkungen von pränataler Exposition zu Ramadan und die Sensibilisierung des Fachpersonals sind daher für eine relevante Gruppe von Interesse.

Schlussfolgerung: Viele schwangere Muslimas in Deutschland fasten während des Ramadan. Die meisten Muslimas besprechen dieses Thema jedoch nicht mit dem Fachpersonal. Eine Sensibilisierung von Gynäkologinnen und Hebammen für die möglichen negativen gesundheitlichen Konsequenzen ist daher empfehlenswert.

Ethik und Interessenkonflikt: Die Studie wurde einer Ethikkommission vorgelegt und wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG: EW 139/2-1) gefördert. Es besteht kein Interessenkonflikt.


Literatur

1.
Almond D, Mazumder B. Health Capital and the Prenatal Environment: The Effect of Ramadan Observance During Pregnancy. American Economic Journal: Applied Economics. 2011;3(4):56–85. DOI: 10.1257/app.3.4.56 Externer Link
2.
Almond D, Mazumder B, van Ewijk R. In Utero Ramadan Exposure and Children’s Academic Performance. The Economic Journal. 2015;125(589):1501-33. DOI: 10.1111/ecoj.12168 Externer Link
3.
Majid M F. The persistent effects of in utero nutrition shocks over the life cycle: Evidence from Ramadan fasting. Journal of Development Economics. 2015;177:48–57.
4.
Van Ewijk R. Long-term health effects on the next generation of Ramadan fasting during pregnancy. Journal of Health Economics. 2011;30(6):1246-60. DOI: 10.1016/j.jhealeco.2011.07.014 Externer Link
5.
Van Ewijk R J G, Painter R C, Roseboom T J. Associations of prenatal exposure to Ramadan with small stature and thinness in adulthood: results from a large Indonesian population-based study. Am J Epidemiol. 2013;177(8):729-36. DOI: 10.1093/aje/kwt023 Externer Link