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3. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V.

12.02.2016, Fulda

Gesundheitsversorgung und Geburtshilfe im Umbruch: was berichten Frauen über Defizite und Potenziale in Deutschland? – Die Babies Born Better User Survey

Meeting Abstract

  • corresponding author Marina Weckend - Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
  • Soo Downe - University of Central Lancashire, United Kingdom
  • Marie-Claire Balaam - University of Central Lancashire, United Kingdom
  • Luise Lengler - Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
  • Sabine de Wall - Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
  • Hanna Gehling - Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
  • Susanne Grylka-Bäschlin - Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
  • Mechthild Groß - Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 3. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Fulda, 12.-12.02.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dghwiP14

doi: 10.3205/16dghwi18, urn:nbn:de:0183-16dghwi187

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2016/16dghwi18.shtml

Veröffentlicht: 5. Februar 2016

© 2016 Weckend et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die Gesundheitsversorgung von Frauen und Familien während der Schwangerschaft, des Gebärens und im Wochenbett befindet sich in Deutschland gegenwärtig im Umbruch. Steigende Haftpflichtprämien und eine zunehmende Zentralisierung und Privatisierung der Geburtshilfe haben vielerorts Engpässe in der Versorgung verursacht [1]. Gleichzeitig kann eine Individualisierung der Versorgung nur schleppend verzeichnet werden.

Ziel: Diese Studie möchte anhand von Erfahrungsberichten von Frauen aufzeigen, welche Defizite gegenwärtig am stärksten wahrgenommen werden. Gleichzeitig soll verdeutlicht werden, in welchen Bereichen ein tägliches Engagement besonders positive Auswirkungen hat.

Methode: Die Studie ist ein Teil der Babies Born Better (B3) User Survey. Es handelt sich um eine gemischt-methodische online-Umfrage mit Selbstselektion der Stichprobe. Diese steht gegenwärtig in 23 Sprachen zur Verfügung und wird in 31 Ländern von Landeskoordinatorinnen und Landeskoordinatoren repräsentiert. Die deutschsprachige Studie begann am 1. März 2014 und sammelt laufend Daten. Deutschsprachige Daten des ersten Halbjahres wurden mit Hilfe von deskriptiver Statistik, bivariablen Analysen und Geo-Mapping ausgewertet.

Ergebnisse: Die deutschsprachige Stichprobe betrug Ende August 2014 3050 Teilnehmerinnen. Für Frauen spielten die Zeit und Verfügbarkeit von Hebammen (40.6%, n=1.002) und der Umfang der eigenen Autonomie (36.3%, n=897) eine übergeordnete Rolle. Auch eine durch Hebammen erfolgte Vorsorge (5.4%, n=133) und die Einbeziehung einer Beleghebamme zur Geburt (6.5%, n=160) konnten die Erfahrung positiv beeinflussen. Ausschließlich positive Erfahrungsberichte waren mit Multiparität (χ²=25.70, df=4, p<0.001), unkomplizierter Schwangerschaft (χ²=12.37, df=1, p<0.001) und außerklinischer Geburt (χ²=85.968, df=4, p<0.001) assoziiert. Wesentliche Kritikpunkte waren ein Hebammenmangel, insbesondere in der außerklinischen Versorgung (7.1%, n=175), sowie eine unzureichende Kooperation zwischen den Berufsgruppen (7.7%, n=191).

Relevanz: Die Ergebnisse sind aufgrund der Gelegenheitsstichprobe nur bedingt generalisierbar. Die Sichtweisen von Frauen, die außerklinisch geboren haben sind dabei überrepräsentiert. Vor diesem Hintergrund spiegelt die B3 User Survey in Deutschland die gegenwärtige Krise im Gesundheitswesen mit einem anhaltend sinkenden Angebot in der außerklinischen Geburtshilfe wieder. Die von Frauen hervorgehobenen Themen sind vielfach in der Literatur benannt und zentrierten sich um die Schaffung einer ruhigen und sicheren Atmosphäre [2][3]. Aufgrund personeller Engpässe und mangelnder Kontinuität der Betreuung in Kliniken und wegen starker Einschnitte in der außerklinischen Versorgung, kann diese häufig nicht gewährleistet werden. Weiterhin besteht in einigen Regionen bereits ein Versorgungsengpass, wodurch das Recht auf Wahlfreiheit des Geburtsortes und der Geburtsumstände gravierend beschnitten wird [4][5].

Empfehlungen: Durch den Erhalt dezentraler Versorgungszentren und durch verbesserte interprofessionelle Zusammenarbeit kann einer zunehmenden Entmündigung von Frauen und Familien entgegengewirkt werden. Weiterhin sollte berufsübergreifend in die Vermittlung einer ruhigen und sicheren Atmosphäre investiert werden. Dies kann nur gelingen, wenn die Individualität von Frauen und Familien anerkannt wird.

Ethische Kriterien: Die Studie wurde durch die ethische Kommission der University of Central Lancashire (UK) autorisiert.

Finanzierung: Die B3 User Survey wurde im Rahmen der EU-geförderten COST Aktion (European Cooperation in Science and Technology) IS0907 (‚iresearch4birth‘) entwickelt. Nach Abschluss der COST Aktion am 13. Juni 2014 wurde die Arbeit an der Studie ohne Drittmittelfinanzierung fortgesetzt. Die Auswertung der deutschsprachigen Daten fand im Rahmen einer Masterarbeit statt.


Literatur

1.
Deutscher Hebammen Verband. Landkarte der Unterversorgung. 2015. Verfügbar unter: https://www.unsere-hebammen.de/mitmachen/unterversorgung-melden/ [Zugriff 07.01.2016] Externer Link
2.
Huber US, Sandall J. A qualitative exploration of the creation of calm in a continuity of carer model of maternity care in London. Midwifery. 2009 Dec;25(6):613-21. DOI: 10.1016/j.midw.2007.10.011 Externer Link
3.
Byrom S, Downe S. The roar behind the silence: why kindness, compassion and respect matter in maternity care. London: Pinter & Martin; 2015.
4.
European Court of Human Rights. Second section: Case of Ternovszky v. Hungary. Judgment. 2010; Application no. 67545/09.
5.
Dimond B. The human rights act 1998: Implications for practice. BJM. 2000;8(10):616-8. DOI: 10.12968/bjom.2000.8.10.8062 Externer Link