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3. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V.

12.02.2016, Fulda

Aktive Gestaltung der Schwangerschaft und Einflüsse auf das Wohlbefinden

Meeting Abstract

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  • corresponding author Ivonne Rauer - Hochschule für Gesundheit Bochum, Deutschland
  • Rainhild Schäfers - Hochschule für Gesundheit Bochum, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 3. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Fulda, 12.-12.02.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dghwiP8

doi: 10.3205/16dghwi12, urn:nbn:de:0183-16dghwi127

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2016/16dghwi12.shtml

Veröffentlicht: 5. Februar 2016

© 2016 Rauer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die Schwangerschaft wird in der Psychologie, Soziologie und Ethnologie ausführlich als Übergangsphase beschrieben [1][2][3][4]. Bisher wurden Veränderungen während der Schwangerschaft psychologisch in eine Verunsicherungs-, eine Anpassungs-, eine Konkretisierungsphase und eine Phase der Antizipation und Vorbereitung unterteilt [1]. Ethnologisch ist die Schwangerschaft eine Abtrennungsphase von der vorherigen Rolle [4], die in 3 Trimester unterteilt wird [3]. Soziologisch wird die Schwangerschaft auch in Stationen eingeteilt, aber ebenso als ein Werden beschrieben und somit nicht als ein abgeschlossener Zustand definiert [2]. Die soziale Rolle als Schwangere wird von den schwangeren Frauen allerdings nicht nur passiv ertragen, sondern gleichsam aktiv von ihnen mitgestaltet. Somit ist zu klären, ob die bisherigen Theoriemodelle ausreichen, um die Schwangerschaft zu beschreiben.

Ziel: Ziel der Studie ist es sowohl das Ausmaß von körperlichem und emotionalem Wohlbefinden der Schwangeren als auch die sozialen Rahmenbedingungen, Umstrukturierungen und die aktive Gestaltung der Schwangerschaft zu untersuchen.

Methode: Bei der Studie handelt es sich um eine prospektive, longitudinale Kohortenstudie. Sie ist angegliedert an ein fortlaufendes Projekt im Rahmen des Studiums im Bachelorstudiengang Hebammenkunde an der Hochschule für Gesundheit Bochum. Studienteilnehmerinnen erhalten zu drei Zeitpunkten (t1, t2, t3) während der Schwangerschaft einen für das 3. Trimenon validierten Fragebogen [5] zum aktuellen Wohlbefinden und Coping. Ein vierter Fragebogen (t4) zum Geburtserleben und einzelnen Aspekten des Geburtsverlaufs wird ab der 10. Lebenswoche des Kindes zugesendet. Der Aufruf zur Projektteilnahme an die Schwangeren erfolgt über die lokale Presse. In der Datenauswertung wird das körperliche, emotionale und soziale Wohlbefinden, sowie die aktive Gestaltung der Schwangerschaft analysiert.

Ergebnisse: Der vorliegende Datensatz beinhaltet die Angabe von 38 Frauen zu allen vier Erhebungszeitpunkten, die im Frühjahr 2014 oder 2015 geboren haben. Auffallend ist, dass während der drei Erhebungszeiten zunächst 89 Prozent (t1), dann 100 Prozent (t2) und zuletzt 97 % (t3) mit ihren Partnern und Partnerinnen zusammen leben. Zu t1 verfügten 59 Prozent der Teilnehmerinnen über einen Hochschulabschluss, zu t3 waren es 61%. Drei Viertel (74%) der Befragten gaben zum ersten Erhebungszeitraum (t1) an, Stress in den letzten 12 Monaten gehabt zu haben. Der Anteil der Frauen, die Stress noch im letzten Trimenon hatten (t3), reduzierte sich auf 45 %. Die Gründe für den hohen Anteil an Stress waren hauptsächlich die Erkrankung oder Tod eines nahestehenden Menschen, die Arbeit, Fehlgeburten, Hochzeit, Umzüge und Prüfungen, und auch familiäre Konflikte. Nach der Geburt (t4) gaben 45 % der 38 Frauen an von der Geburt begeistert zu sein. 52% der Frauen, die Stress im letzten Trimenon erlebt hatten, berichteten auch positiv über ihre Geburt.

Fazit: Schwangere sind nicht nur mit bio-psycho-sozialen Veränderungen konfrontiert, sondern nehmen auch selber Umstrukturierungen in ihrem Leben vor. Besonders auffällig ist dies bezüglich der Wohn- und Lebensverhältnisse, da die Schwangeren mit Umzügen und Hochzeiten neue soziale Beziehungen kreieren. Auch familiäre Konflikte deuten darauf hin, dass soziale Beziehungen in der Schwangerschaft neu verhandelt werden. Zudem beenden Schwangere ihr Studium oder müssen in ihrem Beruf Übergabearbeiten oder Mutterschutzzeiten aushandeln. Die häufige Angabe der Stressoren einer Erkrankung oder Tod eines nahestehenden Menschen zeigt, dass Schwangerschaft in einem sozialen Netzwerk stattfindet und das Wohlbefinden der Schwangeren stark beeinflusst.


Literatur

1.
Gloger-Tippelt G. Schwangerschaft und erste Geburt. Psychologische Veränderungen der Eltern. Stuttgart: Kohlhammer; 1988.
2.
Hirschauer S, Heimerl B, Hoffman A, Hofman P. Soziologie der Schwangerschaft. Exploration pränataler Sozialität. Stuttgart: Lucius & Lucius; 2014.
3.
Mozygemba K. Die Schwangerschaft als Statuspassage. Das Einverleiben einer sozialen Rolle im Kontext einer nutzerinnenorientierten Versorgung. Bern: Verlag Hans Huber; 2011.
4.
Villa P, Moebius S, Thiessen B, Hrsg. Soziologie der Geburt. Diskurse, Praktiken und Perspektiven. Frankfurt am Main: Campus Verlag; 2011.
5.
Ayerle G. 'Schwanger wohlfühlen': Psychometrische Erfassung des aktuellen subjektiven Wohlbefindens und Copings in der Schwangerschaft. Dissertation zur Erlangung des akademisches Grades Doctor rerum medicarum (Dr. rer. medic) für das Fachgebiet Gesundheits- und Pflegewissenschaften. Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät; 2009.