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3. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V.

12.02.2016, Fulda

Die Wahl des Geburtsortes – eine freie Wahl?

Meeting Abstract

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Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 3. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi). Fulda, 12.-12.02.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dghwiP5

doi: 10.3205/16dghwi09, urn:nbn:de:0183-16dghwi096

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2016/16dghwi09.shtml

Veröffentlicht: 5. Februar 2016

© 2016 Kunes.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Es gilt als erwiesen, dass außerklinische Geburten für Low-Risk Schwangere genauso sicher sind wie Klinikgeburten und sogar weniger medizinische Interventionen mit sich bringen [1][2]. Trotzdem ist die Rate an außerklinischen Geburten in Deutschland sehr gering. Dies wirft die Frage auf, warum sich nur so wenige Frauen dafür entscheiden, Zuhause oder im Geburtshaus zu gebären und ob tatsächlich eine freie Wahl des Geburtsortes innerhalb der derzeitigen Schwangerenvorsorge möglich ist.

Ziel: Ziel der Studie ist es herauszufinden, ob Frauen eine freie Wahl des Geburtsortes haben und die Faktoren zu ermitteln, die sich beeinflussend auf die Wahlfreiheit auswirken.

Methodik: Bei vorliegender Studie handelt es sich um einen Survey. Basis der Untersuchung bilden Daten von 292 erst- und mehrgebärenden Schwangeren, die mittels Online-Fragebogen erhoben wurden. Die Auswertung erfolgte mit Hilfe des Chi-Quadrat-basierten Unabhängigkeitstests unter Anwendung des Statistik-Programms SPSS.

Ergebnisse: Weniger als die Hälfte der Frauen gibt an, über die verschiedenen Möglichkeiten des Geburtsortes aufgeklärt worden zu sein. Frauen, die eine außerklinische Geburt planen, haben eine 2,7fach größere Chance, ein Aufklärungsgespräch inkl. Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Settings zu bekommen (OR 0,31 [95% KI 0,15-0,61]; p<0,001). Eine gemeinsame Entscheidung mit der Fachperson getroffen zu haben, geben 29,7% aller Schwangeren an. Dies trifft auf signifikant weniger Frauen mit geplanter Klinikgeburt zu (OR 0,48, [95% KI 0,25-0,92]; p<0,05). Jede sechste Frau gibt an, von der Meinung ihrer Frauen-ärztin/ihres Frauenarztes beeinflusst worden zu sein. Mehr als 2/3 der Frauen stellten nie in Frage, woanders als am geplanten Geburtsort zu gebären. Etwa jede zehnte Frau gibt an, Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Hebamme gehabt zu haben und ca. jede fünfte Frau gibt finanzielle Barrieren an.

Relevanz: Wahlfreiheit steht eng in Verbindung mit persönlicher Kontrolle. Es bedeutet, Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das Geschehen in der Schwangerschaft sowie im Geburtsprozess zu haben, was wiederum mit einem positiven Geburtserleben korreliert. Das Ausmaß der Selbstbestimmung wird durch das Gefühl, informiert zu sein sowie durch das aktive Treffen von Entscheidungen beeinflusst [3]. Wahlfreiheit hinsichtlich des Geburtsortes ist ein zentrales Frauenrecht, welches in Deutschland mehrfach gesetzlich geregelt ist [4][5]. Betreuungsperson und Schwangere müssen auf Augenhöhe kommunizieren können und gemeinsam eine Entscheidung treffen, die beide Parteien verantworten können.

Schlussfolgerung: Die vorab generierten Hypothesen können den Ergebnissen der Studie nicht standhalten. Es findet kein bzw. kein hinreichendes Shared Decision Making hinsichtlich der Wahl des Geburtsortes statt, daher ist es Frauen nicht möglich, informiert und gemeinsam mit der Fachperson zu entscheiden, wo sie ihr Kind gebären möchten. Auch wird die Wahl des Geburtsortes durch eine Reihe von externen Einflussfaktoren limitiert. Eine Generalisierbarkeit der Untersuchungsergebnisse kann aufgrund der gewählten Methodik jedoch nicht garantiert werden. Trotz alledem ist eine Verbesserung der Betreuung innerhalb der Schwangerenvorsorge durch eine Optimierung der Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Geburtsortes ist angezeigt. Die außerklinische Geburt sollte vor dem Hintergrund der aktuellen wissenschaftlichen Evidenzen eine reelle Option für gesunde Frauen mit unkompliziert verlaufenden Schwangerschaften darstellen.

Ethische Kriterien: Die Teilnehmerinnen des Online-Fragebogens wurden über das Ziel der Studie informiert sowie darüber, dass die Umfrage Teil einer Bachelorarbeit ist und die Daten ausschließlich für diese verwendet werden. Um Datenschutz und Rücktrittmöglichkeit gewährleisten zu können, wurden die Daten pseudonymisiert.


Literatur

1.
Birthplace in England Collaborative Group, Brocklehurst P, Hardy P, Hollowell J, Linsell L, Macfarlane A, McCourt C, Marlow N, Miller A, Newburn M, Petrou S, Puddicombe D, Redshaw M, Rowe R, Sandall J, Silverton L, Stewart M. Perinatal and maternal outcomes by planned place of birth for healthy women with low risk pregnancies: the Birthplace in England national prospective cohort study. BMJ. 2011 Nov 23;343:d7400. DOI: 10.1136/bmj.d7400 Externer Link
2.
Campbell R, Macfarlane A. Where to be born: The debate and the evidence. Oxford, England: National Perinatal Epidemiology Unit; 1987.
3.
Bauer NH. Der Hebammenkreißsaal: ein Versorgungskonzept zur Förderung der physiologischen Geburt. Göttingen: V&R unipress, Univ.-Verl. Osnabrück; 2011.
4.
Bundesministerium der Justiz. Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBI. I S. 2477), zuletzt geändert durch Art. 2a G v. 17.12.2014. I 2222.
5.
Bundesministerium der Justiz. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBI. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. April 2015 (BGBI. I S. 610) geändert worden ist.