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5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V.

03.03. - 05.03.2016, Essen

Die therapeutische Wohngemeinschaft für Essgestörte – Klientel und Entwicklung

Meeting Abstract

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). 5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen. Essen, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dgess098

doi: 10.3205/16dgess098, urn:nbn:de:0183-16dgess0988

Veröffentlicht: 18. Februar 2016

© 2016 Czabok et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Bisher gibt es fast keine Untersuchungen zu therapeutischen Wohngemeinschaften von Patientinnen mit Essstörungen. Daher wurde die therapeutischen Wohngruppe „Sonnen-WG“ in München beforscht. Es sollte u.a. untersucht werden, welche Patientinnen in die WG kommen, wie lange sie bleiben und wie sie sich entwickeln.

Die WG besteht aus einer Jugend- und einer Erwachsenengruppe. Die Bewohnerinnen gehen zur Schule oder Arbeit und nehmen in ihrer Freizeit die Therapieangebote wahr. Diese umfassen psychologische und sozialpädagogische Einzelgespräche, Gruppentherapie und Ernährungsberatung. Wichtiger Bestandteil des Therapieplans ist das begleitete Essen.

Methoden: Zunächst wurden die Akten von 63 Patientinnen ausgewertet, die zwischen 2012 und 2014 in der WG lebten. Danach wurde eine Katamnese mit Telefoninterviews oder Online-Befragung durchgeführt. Die durchschnittliche Katamnesedauer betrug 7,6 Monate. Trotz intensiven Bemühens konnten jedoch nur 11 ehemaligen Patientinnen für die Katamnese gewonnen werden.

Ergebnisse: Von den 63 Bewohnerinnen der Stichprobe litten 36 an Anorexia nervosa und 22 an Bulimia nervosa, die übrigen hatten eine atypische Essstörung. Bei 79% der Bewohnerinnen lagen Komorbiditäten vor (Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, selbstverletzendes Verhalten). 73% nahmen regelmäßig Medikamente ein. 85% waren zuvor in stationärer Behandlung. Die familiären Hintergründe der Patientinnen waren problematisch (Trennungen, Gewalt und psychische Erkrankungen). Die Patientinnen lebten durchschnittlich 32,4 Wochen (SD 23,0) in der WG. Etwa die Hälfte der Patientinnen verließ die WG vorzeitig (aus eigenem Antrieb oder aufgrund von Regelverstößen).

Hinweise auf eine günstige Entwicklung liefert der BMI der Anorexie-Patientinnen (bei Einzug 17,6 (SD 1,2), bei Auszug 18,1 (SD 1,5)).

Die 11 in der Katamnese Erreichten äußerten sich überwiegend positiv, neun Patientinnen würden die WG weiterempfehlen.

Schlussfolgerung: In der Wohngruppe werden schwer erkrankte Patientinnen, überwiegend aus problematischen familiären Bedingungen, behandelt, für die ein ambulantes Setting vermutlich nicht ausreichend wäre. Die WG bietet so eine Übergangsform nach stationärer Behandlung wie auch eine Wohnform außerhalb der Familie. Die vorzeitigen Beendigungen wie auch die schlechte Rücklaufquote der Katamnese sind auch vermutlich auf dieses problematische Klientel zurückzuführen.