gms | German Medical Science

5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V.

03.03. - 05.03.2016, Essen

Emotionsregulation und Inhibitionskontrolle bei der Binge-Eating-Störung – Evidenz aus Eyetracking-, Elektroenzephalographie- und Genotypisierungsdaten

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Elisabeth J. Leehr - Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • author Kathrin Schag - Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • author Thomas Dresler - Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen, Deutschland; LEAD Graduate School, Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • author Ann-Christine Ehlis - Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • author Vanessa Nieratschker - Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • author Martin Hautzinger - Abteilung für klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • author Stephan Zipfel - Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • author Katrin E. Giel - Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen, Deutschland; Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg, Tübingen und Heidelberg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). 5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen. Essen, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dgess035

doi: 10.3205/16dgess035, urn:nbn:de:0183-16dgess0358

Veröffentlicht: 18. Februar 2016

© 2016 Leehr et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Essanfällen bei der Binge-Eating-Störung (BES) werden Emotionsregulationsdefizite und eine erhöhte Impulsivität diskutiert. Unter Verwendung verschiedener, sich ergänzender experimenteller Methoden wurde die Beziehung der beiden Konzepte erstmals tiefergehend bei der BES erforscht.

Methoden: N=83 Probandinnen wurden untersucht, darunter übergewichtige Frauen mit BES und über- und normalgewichtige Frauen ohne BES. In einer Längsschnitt-Studie mit und ohne Induktion negativer Stimmung wurde die behaviorale (Eyetracking) und psychophysiologische (Elektroenzephalographie/ EEG) Verarbeitung von Nahrungsreizen in einem Antisakkaden-Paradigma erhoben. Die Probandinnen wurden instruiert, von einem neutralen oder Nahrungsreiz wegzuschauen. Als abhängige Variablen wurden im Eyetracking fehlerhafte Sakkaden und im EEG die ereigniskorrelierten Potentiale N2 für Konfliktverarbeitung und Error-related negativity (ERN) für Fehlermonitoring analysiert. Pilothaft wurde anhand einer Genotypisierung der Zusammenhang zwischen Impulsivität und dem impulsivitätsassoziierten COMT Val(108/158)Met Polymorphismus untersucht.

Ergebnisse: Behavioral zeigte sich eine generell verminderte Inhibitionskontrolle bei Frauen mit BES, die zeitlich länger ausgeprägt für Nahrungsreize war. Auf pyschophysiologischer Ebene zeigten Frauen mit BES keinen Unterschied zur normalgewichtigen Gruppe hinsichtlich der Konfliktverarbeitung, während die übergewichtigen Frauen ohne BES deutlich längerer N2-Latenzen aufwiesen. Die Induktion negativer Stimmung bewirkte bei allen Gruppen eine Beeinträchtigung der ERN. Frauen mit BES und einem COMT Met/Met homozygoten Gentyp zeigten die größten Inhibitionskontrolldefizite.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse bestätigen eine verminderte Inhibitionskontrolle bei Frauen mit BES. Explorative Ergebnisse geben Hinweise, dass COMT Met/Met homozygote Frauen mit BES eine Untergruppe darstellen, die eine erhöhte behaviorale Impulsivität zeigt. Auf psychophysiologischer Ebene zeigt sich, dass übergewichtigen Frauen ohne BES durch eine verlängerte Konfliktverarbeitungslatenz Inhibitionskontrolldefizite kompensieren können, während bei Frauen mit BES keine Kompensation stattfindet. Negative Stimmung scheint das Fehlermonitoring in allen Gruppen zu beeinträchtigen. Aus den Ergebnissen kann ein vorläufiges Modell hinsichtlich einer Beziehung von Emotionsregulation und Inhibitionskontrolle bei BES abgeleitet werden.