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„Motivated attention“ bezüglich stark untergewichtiger Frauenkörper bei Patientinnen mit Anorexia nervosa – Ereigniskorrelierte Potentiale vs. subjektive Angaben
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Veröffentlicht: | 18. Februar 2016 |
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Hintergrund: Bei Patientinnen mit Anorexia nervosa (AN) wurde mittels verschiedener Methoden eine sogenannte „Cue reactivity“ in Reaktion auf untergewichtige Frauenkörper beobachtet und mit der hohen motivationalen Bedeutung dieser Körper für AN-Patientinnen begründet. In der aktuellen Studie wurde diesem Phänomen mittels Bildern von Frauenkörpern verschiedener Gewichtskategorien bei einer Jugendlichen- und einer Erwachsenenstichprobe nachgegangen. Das Late Positive Potential (LPP), ein ereigniskorreliertes Potential im EEG, das häufig im Kontext von emotionalen und Motivationsprozessen gesehen wird, wurde untersucht und ein Zusammenhang mit subjektiven Bewertungen der Körperbilder geprüft.
Methoden: 19 jugendlichen Mädchen (12-18 Jahre) und 13 erwachsenen Frauen (19-33 Jahre) mit der Diagnose AN (ICD-10 F50.0) sowie einer Kontrollgruppe (n = 36) mit vergleichbarer Altersstruktur wurden standardisierte Fotografien von Frauen in Unterwäsche, die in 5 Gewichtskategorien eingeteilt waren, präsentiert und währenddessen ein EEG (10-20-System) abgeleitet. Die maximale Amplitude des LPP wurde in einem früheren (450-700ms nach Stimuluspräsentation; parietale Elektroden P3, Pz, P4) und einem späteren Zeitfenster (1000-1300ms nach Stimuluspräsentation; zentrale Elektroden C3, Cz, C4) bestimmt. Weiterhin wurden subjektive Bewertungen der Attraktivität der Frauenkörper abgefragt.
Ergebnisse: In beiden Zeitfenstern zeigte ich ein differentielles Muster des LPP bei AN-Patientinnen und Kontrollprobandinnen, im früheren Zeitfenster auch Unterschiede zwischen Jugendlichen und Erwachsenen: Bei AN-Patientinnen fanden sich vor allem im späteren Zeitfenster die höchsten LPP-Amplituden bei stark untergewichtigen Körperbildern; die Kontrollprobandinnen – Jugendliche stärker ausgeprägt als Erwachsene – zeigten im früheren Zeitfenster höchste Werte bei Bildern von stark übergewichtigen Frauen. In den subjektiven Angaben wurden von beiden Gruppen mäßig untergewichtige Körperformen als am attraktivsten eingeschätzt.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse bezüglich des LPP können im Einklang mit früheren Befunden im Sinne einer erhöhten Salienz und Relevanz von Bildern sehr untergewichtiger Frauen („motivated attention“) interpretiert werden. Bei den subjektiven Angaben hingegen zeigt sich zwar eine positivere Bewertung stark Untergewichtiger durch AN-Patientinnen, jedoch – ggf. im Zuge einer sozialen Erwünschtheit – die Einschätzung mäßig untergewichtiger Frauen als am attraktivsten.