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Vom Alltagsgeräusch zum individuellen Störschall: Ergebnisse aus einem zweistufigen Hörexperiment
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Veröffentlicht: | 18. März 2025 |
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Hörexperimente im Labor müssen zentrale Momente des Alltagshörens möglichst gut abbilden, wenn ihnen ein hoher Grad an ökologischer Validität zukommen soll. Vor diesem Hintergrund wurden zahlreiche Ansätze entwickelt. Dazu zählen komplexe Störschallszenarien, die Einbeziehung audio-visueller Integration sowie umfassende Aufgabenstellungen, die über das einfache Wiederholen verstandener Worte und Sätze hinausgehen. Auch das Projekt „Good auditory ecology for active and healthy aging“ (AudEc) startete in diesem Forschungskontext.
Das Projekt umfasste zunächst eine mehrtägige Alltagsmessphase mit Ecological Momentary Assessment und darauf aufbauend im zweiten Teil verschiedene Laborexperimente. Dafür wurden Erwachsene mit alterstypischem Hörvermögen in Schweden rekrutiert. In der EMA-Feldphase wurde das smartphonebasierte System olMEGA [1] genutzt. Das System stellt eine Fragebogen-App bereit, die fortlaufend akustisch-technische Parameter, aber keine Audioaufnahmen speichert. Die Privatheit und die Vertraulichkeit des Worts bleiben gewahrt. Für die Labortests wurden in den EMA-Daten jedes Teilnehmers eine besonders schwierige und eine einfache Alltagssituation bestimmt, in denen Sprache als Zielsignal und mindestens ein Hintergrundgeräusch angegeben waren. Sodann wurden unterabgetastete und geglättete Spektren aus dem jeweiligen Befragungszeitraum von der Eigensprache der EMA-Nutzer befreit und individuelle Störschallsignale für Laborexperimente synthetisiert [2]. Die synthetisierten Signale weisen die räumlichen und spektralen Strukturen des Originals auf, sind aber keine direkte Wiederholung der Aufzeichnung und in der Länge unbeschränkt. Da die gespeicherten Parameter keine Phaseninformationen enthielten, klingen die synthetisierten Daten rauschhaft und bilden durch die zeitliche Mittelung nicht die Feinstruktur des originalen Hintergrundgeräuschs ab.
Da die Feldphase von AudEc mit der Covid-19-Pandemie zusammenfiel, kam es zu Verzögerungen und methodischen Anpassungen, u.a. bei den Labormessungen. Statt dialogischer Kommunikationssituationen wurde ein konventionelles sprachaudiometrisches Testsetting mit dem schwedischen HINT-Sprachmaterial genutzt. Dabei wurden den EMA-Teilnehmern die aus ihren individuellen EMA-Daten synthetisierten Störschalle, aber auch der stationäre HINT-Störschall und der fluktuierende ICRA5-Störschall präsentiert. Messgrößen waren das prozentuale Sprachverstehen bei verschiedenen Pegeln sowie diverse perzeptive Bewertungen. Zusätzlich zu den EMA-Teilnehmern wurden weitere Probanden für die Labortests rekrutiert, sodass insgesamt 34 Probanden an den sprachaudiometrischen Tests teilnahmen. Der Konferenzbeitrag vergleicht die spektralen und zeitlichen Merkmale der verschiedenen Störschalle und stellt sie in Zusammenhang mit dem erzielten prozentualen Sprachverstehen und den perzeptiven Messgrößen.
Literatur
- 1.
- Kowalk U, Franz S, Groenewold H, Holube I, von Gablenz P, Bitzer J. olMEGA: an open source android solution for ecological momentary assessment. GMS Z Audiol-Audiol Acoust. 2020:2:Doc08.
- 2.
- Adrian JA, Gerkmann T, van de Par S, Bitzer J. Synthesis of perceptually plausible multichannel noise signals controlled by real world statistical noise properties. Journal of the Audio Engineering Society. 2017;65(11):914-28.