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Handlungsrollenzuweisung bei der Verarbeitung von mehrdeutigen Relativsatzsätzen: Eine Elektroenzephalographie-Studie bei Hörgerätetragenden und Normalhörenden
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Veröffentlicht: | 18. März 2025 |
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Fragestellung: „Wer tut was mit wem?“ Mit zunehmender Komplexität der Satzstellung wird die Zuordnung der Handlungsrolle anspruchsvoller. Wahrnehmungseinschränkungen aufgrund von Hörverlust können diese kognitive Herausforderung noch verstärken. Die resultierenden Unterschiede in der Satzverarbeitung zwischen Normalhörenden und Hörgerätetragenden lassen sich mittels Elektroenzephalographie (EEG) untersuchen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob alle grammatikalischen Informationen sofort in die Handlungsrollenzuweisung übersetzt werden können. Dies soll erstmals anhand von deutschen Relativsätzen im Vergleich zwischen Hörgerätetragenden und Normalhörenden untersucht werden.
Methode: Jeweils 10 Hörgerätetragende und 10 Normalhörende wurden untersucht. Es wurden Relativsätze des „Oldenburg Corpus of Linguistically and Audiologically Controlled Sentences“ (OLACS) [1] binaural präsentiert, während an 64 Elektroden ein EEG aufgezeichnet wurde. Die Sätze beinhalten eine temporäre Mehrdeutigkeit der Rollenzuweisung, welche je nach Satztyp am Anfang oder Ende des Relativsatzes aufgelöst wird. Zur Überprüfung des Satzverständnisses wurden zu jedem Satz zeitgleich zwei Bilder mit vertauschten Handlungsrollen gezeigt, wobei das zutreffende ausgewählt werden sollte. Die ereigniskorrelierten Potentiale wurden zwischen den Hörgerätetragenden und den Normalhörenden verglichen.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Zu Beginn des Relativsatzes zeigte sich ein langanhaltendes negatives Potential, welches als Indikator für eine erhöhte Aufmerksamkeit für die folgenden grammatikalischen Hinweise gedeutet werden kann. Am Ende des Relativsatzes bildete sich ein P600-artiges positives Potential, welches als Re-analyse der grammatikalischen Informationen interpretiert wird. In Bezug auf den Zeitpunkt der Rollenzuweisung konnte ein Unterschied zwischen den beiden Teilnehmergruppen beobachtet werden. Hierbei zeigte sich, dass die Normalhörenden früher mit der Rollenzuweisung begannen als die Hörgerätetragenden. Letztere schienen aufgrund ihrer Wahrnehmungsdefizite alle verfügbaren grammatikalischen Informationen abzuwarten. Die Verständnisaufgabe wies hingegen keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen auf. Dies lässt vermuten, dass die Hörgerätetragenden die auftretenden Wahrnehmungsschwierigkeiten hinreichend kompensieren können.