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Schwellenvergleich zwischen Tonaudiometrie und Auditory Steady State Response bei Menschen mit geistiger Behinderung
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Veröffentlicht: | 18. März 2025 |
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Hintergrund: Menschen mit geistiger Behinderung (gB) haben ein 5–10-fach erhöhtes Risiko für Hörstörungen gegenüber der Allgemeinbevölkerung, die jedoch oft unbemerkt bleiben, und meist unterdiagnostiziert und -versorgt sind [1]. Die Kohorten-Studie HEID („Hearing Evaluation of people with Intellectual Disabilities“) zielt auf die Identifizierung geeigneter audiologischer Testverfahren für Hörtestungen bei Menschen mit gB in ihrer Lebensumgebung ab. Dieser Beitrag vergleicht die mittels subjektiver Tonaudiometrie und objektiver Auditory Steady State Response (ASSR)-Messung [2] erhaltenen Hörschwellen, gemessen bei Menschen mit gB in deren Lebensumfeld.
Material und Methoden: Bei 31 Teilnehmenden (62 Ohren) der HEID-Studie im Alter von 27 bis 64 Jahren (15 weiblich, 16 männlich; mittleres Alter 50,5 Jahre) wurden beide audiometrische Testverfahren mit dem Handheld-Audiometer Sentiero Advanced® (PATH MEDICAL) und circumauralen Luftleitungs-Kopfhörern durchgeführt. Die ASSR wurde bei 0,5, 1, 2 und 4 kHz simultan auf beiden Ohren durchgeführt, die seitengetrennt gemessene Tonaudiometrie zusätzlich bei 0,25, 6 und 8 kHz. Waren die Teilnehmenden nicht auf einen Rollstuhl angewiesen, wurden diese gebeten, während der ASSR-Messung zu liegen, um die Nackenmuskulatur zu entspannen. Die Messungen wurden in einem ruhigen Büro einer anerkannten Werkstatt realisiert. Die Inferenzstatistik wurde mittels Mann-Whitney-U-Test-Analyse der gepoolten Daten mit RStudio durchgeführt.
Ergebnisse: Die gepoolten Hörschwellen der Tonaudiometrie lagen bei 0.5, 1, 2 und 4 kHz im Median zwischen 25 und 30 dB HL, die Hörschwellen der ASSR im Median zwischen 30 und 40 dB eHL, beide mittleren Hörschwellen waren für die einzelnen Testfrequenzen statistisch nicht signifikant unterschiedlich (p0.5 kHz = .1666, W0.5 kHz = 2.128; p1 kHz = . 8768, W1 kHz = 1.891; p2 kHz = .0747, W2 kHz = 2.276, p4 kHz = .0888, W4 kHz = 2.260,5). Der gemittelte Zeitaufwand für die Tonaudiometrie betrug 8,2 Minuten und für die ASSR 46,0 Minuten, statistisch signifikant (W = 2, p < .001).
Diskussion: Die aus der subjektiven Tonaudiometrie ermittelten Hörschwellen bei Menschen mit gB unterschieden sich nicht signifikant von den aus den objektiven ASSR-Messungen abgeleiteten Audiogrammen. Einige Teilnehmende waren während der ASSR-Messung nicht vollständig ruhig und entspannt, was in einzelnen Fällen zu muskulären Artefakten durch Muskelspannungen führte sowie zu einer Verlängerung der Untersuchungszeit. Auch bei Menschen ohne gB führt eine verlängerte Untersuchungszeit zu Hörschwellen höheren Pegels [2].
Fazit: Die Hörschwellen beider Messverfahren sind vergleichbar, die Messdauer bei ASSR ist jedoch gegenüber der der Tonaudiometrie signifikant erhöht. Im Falle nicht oder nicht ausreichend präzise ermittelbarer Reintonschwellen kann die ASSR auch bei Menschen mit gB in einem niedrigschwelligen audiometrischen Setting durchgeführt werden.
Literatur
- 1.
- Hild U, Hey C, Baumann U, Montgomery J, Euler HA, Neumann K. High prevalence of hearing disorders at the Special Olympics indicate need to screen persons with intellectual disability. J Intellect Disabil Res. 2008 Jun;52(Pt 6):520-8. DOI: 10.1111/j.1365-2788.2008.01059.x
- 2.
- Picton TW, Dimitrijevic A, Perez-Abalo MC, Van Roon P. Estimating audiometric thresholds using auditory steady-state responses. J Am Acad Audiol. 2005 Mar;16(3):140-56. DOI: 10.3766/jaaa.16.3.3