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27. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie
und Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Audiologen, Neurootologen und Otologen

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V. und ADANO

19. - 21.03.2025, Göttingen

OTOF-Taubheit heute – Gentherapie oder Cochlea-Implantation?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Ellen Reisinger - Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Tübingen, Gentherapie für Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit, Tübingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V. und ADANO. 27. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie und Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Audiologen, Neurootologen und Otologen. Göttingen, 19.-21.03.2025. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2025. Doc016

doi: 10.3205/25dga016, urn:nbn:de:0183-25dga0165

Veröffentlicht: 18. März 2025

© 2025 Reisinger.
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Gliederung

Text

Die rezessiv vererbte, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit DFNB9, durch Mutationen im Gen OTOF verursacht, betrifft schätzungsweise 10–25 Kinder pro Jahrgang in Deutschland. Das Protein Otoferlin, welches bei DFNB9 fehlt, wird für die Signalübertragung von Sinneszellen auf die Hörbahn benötigt. Da der cochleäre Verstärker gleichzeitig voll funktionsfähig ist, kann die Gehörlosigkeit nicht über die Messung von otoakustischen Emissionen, sondern nur über Hirnstammaudiometrie diagnostiziert werden. Bisher wurden die Betroffenen mit Cochlea-Implantaten (CI) versorgt, was bei dieser Form der Taubheit typischerweise zu sehr guten Ergebnissen führt. Seit Dezember 2022 werden in mehreren, parallel durchgeführten klinischen Studien Kinder mit OTOF-Taubheit mit einer Gentherapie behandelt [1], [2], [3]. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass fast alle dieser Kinder nach der Gentherapie hören können. Die Hörschwellen liegen in den besten Fällen gleichauf mit denen von Cochlea-Implantaten, in den schlechteren Fällen bei ca. 60 dB HL (in der Hirnstammaudiometrie). Die behandelten Kinder waren zwischen 10 Monaten und 11 Jahren alt, und hatten in einigen Fällen eine einseitige CI-Versorgung. Während bei den älteren behandelten Kindern, die zuvor keine lautsprachlichen Erfahrungen gemacht hatten, die Erwartung an das Sprachverstehen gering ist, sind die jüngeren Kinder noch zu jung, um detaillierte Analysen des Sprachverstehens durchzuführen. Von Betroffenen mit leichter Otoferlin-Defizienz weiß man jedoch, dass Sprachverstehen, insbesondere im Hintergrundgeräusch, stark eingeschränkt sein kann, obwohl die Tonschwellenaudiometrie nahezu normale Werte ergibt. Da bekannt ist, dass bei dieser Form der Schwerhörigkeit eine CI-Versorgung zu sehr guten Ergebnissen führt, stellt sich die Frage, ob man Eltern betroffener Kinder unter diesen Umständen zu einer Gentherapie (innerhalb einer klinischen Studie) raten soll, oder zu Cochlea-Implantation? Durch den Vergleich bisher veröffentlichter Daten aus den klinischen Versuchen mit präklinischen Daten können indirekt Rückschlüsse auf das Potential der Gentherapie im Vergleich zu CI-Leistungen gezogen werden. Da eine konkrete Empfehlung für die Therapie immer auf Basis der neuesten Daten erfolgen sollte, möchte ich eine Handreichung zur deren Einordnung geben.


Literatur

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2.
Wang H, Chen Y, Lv J, Cheng X, Cao Q, Wang D, Zhang L, Zhu B, Shen M, Xu C, Xun M, Wang Z, Tang H, Hu S, Cui C, Jiang L, Yin Y, Guo L, Zhou Y, Han L, Gao Z, Zhang J, Yu S, Gao K, Wang J, Chen B, Wang W, Chen ZY, Li H, Shu Y. Bilateral gene therapy in children with autosomal recessive deafness 9: single-arm trial results. Nat Med. 2024 Jul;30(7):1898-904. DOI: 10.1038/s41591-024-03023-5 Externer Link
3.
Qi J, Tan F, Zhang L, Lu L, Zhang S, Zhai Y, Lu Y, Qian X, Dong W, Zhou Y, Zhang Z, Yang X, Jiang L, Yu C, Liu J, Chen T, Wu L, Tan C, Sun S, Song H, Shu Y, Xu L, Gao X, Li H, Chai R. AAV-Mediated Gene Therapy Restores Hearing in Patients with DFNB9 Deafness. Adv Sci (Weinh). 2024 Mar;11(11):e2306788. DOI: 10.1002/advs.202306788 Externer Link