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26. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

06.03. - 08.03.2024, Aalen

Beeinflusst Hörerfahrung mit gejittertem Input das räumliche Hören von Ratten mit Cochlea-Implantaten?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Tim Fleiner - Universitätsklinikum Freiburg, Fakultät für Medizin, Abteilung für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde, Sektion experimentell-klinische Otologie, Freiburg, Deutschland
  • Emily Becker - Universitätsklinikum Freiburg, Fakultät für Medizin, Abteilung für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde, Sektion experimentell-klinische Otologie, Freiburg, Deutschland
  • Christian Wirtz - MED-EL GmbH, Innsbruck, Österreich
  • Reinhold Schatzer - MED-EL GmbH, Innsbruck, Österreich
  • Peter Nopp - MED-EL GmbH, Innsbruck, Österreich
  • Susan Arndt - Universitätsklinikum Freiburg, Fakultät für Medizin, Abteilung für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde, Sektion experimentell-klinische Otologie, Freiburg, Deutschland
  • Jan W. Schnupp - City University of Hong Kong, Department of Neuroscience, Hongkong, Hongkong
  • Nicole Rosskothen-Kuhl - Universitätsklinikum Freiburg, Fakultät für Medizin, Abteilung für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde, Sektion experimentell-klinische Otologie, Freiburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 26. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Aalen, 06.-08.03.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc178

doi: 10.3205/24dga178, urn:nbn:de:0183-24dga1789

Veröffentlicht: 5. März 2024

© 2024 Fleiner et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Prälingual ertaubte Patienten mit bilateralen Cochlea-Implantaten (biCI) haben Schwierigkeiten interaurale Laufzeitdifferenzen (ITDs) wahrzunehmen [1]. Dies führte zu der Hypothese, dass ein Mangel an binauraler Hörerfahrung während einer frühen kritischen Entwicklungsphase ein Grund für die schlechte ITD-Wahrnehmung dieser Patienten sein könnte. Jüngste Arbeiten unserer Gruppen zeigen hingegen, dass neonatal ertaubte (ND) Ratten, die im jungen Erwachsenenalter mit biCI versorgt wurden, darauf trainiert werden können, ITDs zu lateralisieren [2]. Hierfür müssen die biCI von Anfang an präzise synchronisiert werden, was die Präsentation informativer Puls-Timing (pt) ITDs erlaubt. Diese Beobachtung motivierte uns zu untersuchen, ob das hörunerfahrene auditorische System auch dann eine gute ITD-Sensitivität unter elektrischer Stimulation entwickelt, wenn die ptITDs jittern.

ND Ratten wurden im jungen Erwachsenenalter mit biCI versorgt. Anschließend lernten die Ratten elektrische biphasische Pulse zu lateralisieren. Dazu erhielten sie fünf Wochen lang binaurale Stimuli mit gejitterten ptITDs und interauralen Pegeldifferenzen (ILDs). Die ITD-Werte wurden unabhängig voneinander aus ±{0, 20, 40, 60, 80, 100, 120} µs gewählt, wobei für negative Werte das linke Ohr führte. Die ILDs wurden unabhängig voneinander aus ±{0, 1, 2, 3, 4, 5} dB (re 100 µA) gewählt. Der Jitter pro Puls wurde zufällig aus einer Verteilung von -60 µs bis +60 μs in 20 µs-Schritten gezogen. Nach dem Training wurden die Ratten auf ihre ITD- und ILD-Sensitivitäten mit und ohne Jitter auf den Einzelpulsen getestet. Die Sensitivitäten wurden mithilfe eines Modells zur psychometrischen Kurvenanpassung bestimmt.

Unter gejitterten Stimulationsbedingungen zeigten die ND biCI-Ratten gute ITD- und ILD-Sensitivitäten über den normalen physiologischen Bereich. Nach Entfernung des Jitters zeigten die Ratten weiterhin eine gute ITD- und ILD-Wahrnehmung, wenn auch mit einer Tendenz zu einer geringeren Sensitivität, die durch eine geringere Steigung der psychometrischen Funktionen bei 0 µs ITD und 0 dB ILD angezeigt wurde.

Die Ergebnisse zeigen, dass die ITD- und ILD-Sensitivitäten des früh ertaubten auditorischen Systems nicht beeinträchtigt werden, wenn es während eines vorangegangenen Trainings gejitterter pt-Information ausgesetzt wird. Eine Übertragbarkeit der tierexperiementellen Daten vorausgesetzt, kann daher vermutet werden, dass das auditorische System von biCI-Patienten zwar auf informative, jedoch nicht auf mikrosekundengenaue ptITDs angewiesen ist um eine gute ITD-Sensitivität zu entwickeln.


Literatur

1.
Litovsky RY, Jones GL, Agrawal S, van Hoesel R. Effect of age at onset of deafness on binaural sensitivity in electric hearing in humans. J Acoust Soc Am. 2010 Jan;127(1):400-14. DOI: 10.1121/1.3257546 Externer Link
2.
Rosskothen-Kuhl N, Buck AN, Li K, Schnupp JW. Microsecond interaural time difference discrimination restored by cochlear implants after neonatal deafness. Elife. 2021 Jan 11;10:e59300. DOI: 10.7554/eLife.59300 Externer Link