Artikel
Kommunikation hörgeschädigter Menschen am Arbeitsplatz
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 28. November 2019 |
---|
Gliederung
Text
Bei jeder Hörstörung sind die elementaren Funktionen des Hörens, wie Orientierung, Alarmierung, Aktivierung und Information beeinträchtigt, was sich auf die Teilhabe am Arbeitsleben auswirkt. Unabhängig vom Zeitpunkt der Hörschädigung, ob von Geburt an oder nach dem Spracherwerb, beeinträchtigt sie die Rezeption und Produktion gesprochener Sprache, bei prälingualer Ertaubung auch die der geschriebenen Sprache. Damit ist das Gelingen von Sprech- oder vielmehr Kommunikationsakten schon auf sehr basaler Ebene des Äußerungsaktes gefährdet, sei es die Artikulation, die Wahl der Wörter, die Konstruktion von Sätzen und Texten. Barrieren sind somit begleitendes Merkmal jeder Äußerung, jeder Rezeption, jeglicher Kommunikation. Ohne Kommunikationstaktik, ohne Kommunikationshilfen technischer, aber auch personaler Art, ist Verständigung oft nicht möglich. Dies trifft in besonderem Maße auch auf die Kommunikation von erwerbstätigen Menschen mit einer Hörschädigung am Arbeitsplatz zu, die zumeist von einem "hörenden" Umfeld umgeben sind.
Deshalb ging das bundesweite Projekt zur Erforschung beruflicher Teilhabe von Menschen mit einer Hörschädigung "Gesetzeswirkungen bei der beruflichen Integration schwerhöriger, ertaubter und gehörloser Menschen durch Kommunikation und Organisation" (GINKO), das aus Mitteln der Ausgleichsabgabe gefördert (Projektförderung: BMAS) wurde, unter anderem der Frage nach, wie Menschen mit einer Hörschädigung am Arbeitsplatz kommunizieren. So nutzen in Abhängigkeit vom Grad und vom Zeitpunkt des Auftretens der Hörschädigung Menschen mit einer Hörschädigung verschiedene Hör- und Kommunikationsstrategien, die statt auf auditiver Verarbeitung von Sprache in erster Linie auf einer visuellen Wahrnehmung von Sprache beruhen. Dazu gehören z.B. das Absehen von den Lippen, der Einsatz von Lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG), die deutsche Gebärdensprache oder das Fingeralphabet.
An der GINKO beteiligten sich n=3.189 berufstätige Personen mit einer Hörbehinderung, die entweder einen Schwerbehindertenausweis (98,3%, n=3.134) besaßen oder einem Schwerbehinderten gleichgestellt waren (1,7%, n=55). Davon gaben mit 54% (n = 1.721) etwas über die Hälfte an, schwerhörig zu sein und bilden damit die größte Gruppe der Teilnehmenden. Etwa ein Drittel der Befragten (33%, n = 1.039) ist gehörlos, wobei bei diesen Teilnehmenden die Hörschädigung bereits von Geburt an vorlag oder noch vor dem Spracherwerb (prälingual) eintrat, d.h bei diesen Personen fand kein üblicher (Laut-) Spracherwerb statt. Auf beiden Ohren nach dem Spracherwerb (postlingual) ertaubt sind 14% (n = 429) der Teilnehmenden. Diese Gruppe verfügt in der Regel über - je nach Zeitpunkt des Eintritts der Ertaubung eingeschränkte - Fähigkeiten zur lautsprachlichen Kommunikationen.
Im GINKO-Projekt wurden die Teilnehmenden gefragt, mit welchen Kommunikationsstrategien bzw. -formen sie sich mit andern wie z.B. Kollegen, Vorgesetzten oder Kunden verständigen. Mit 81,1% (n=2.586) gaben die meisten der berufstätigen Teilnehmenden (n=3.189) an, durch Lautsprache mit Absehen von den Lippen zu kommunizieren. Etwas über die Hälfte (55,5%, n=1.770) gibt an, sich durch Schreiben zu verständigen, wobei insbesondere die Gruppen der ertaubten (69,7%, n=299) und der gehörlosen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (75,5%, n=784) diese Kommunikationsform nutzen. Durch Zeigen, Zeichnungen und Gestik, also durch nonverbale Hilfsmittel verständigen sich 48,0% (n=1.531) der berufstätigten Teilnehmenden. In der Deutsche Gebärdensprache verständigen sich 36,4% (n=156) der ertaubten und 35,7% (n=371) der gehörlosen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Dieser Fragestellung nachzugehen und die jeweiligen Kommunikationsformen zu messen und mit audiologischen Daten zu verknüpfen, erscheint zentrale Aufgabe interdisziplinärer Forschung.
Eine Langfassung des Beitrags erhalten Sie hier:
https://www.dga-ev.com/fileadmin/dga2019/site/data/final/0160.pdf