gms | German Medical Science

57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

28. - 30.09.2023, Berlin

„Let‘s talk about sex“ – Welche Faktoren beeinflussen die Thematisierungshäufigkeit von Sexualität im Arzt-Patienten-Gespräch in der Hausarztpraxis?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Josephine Solbach - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland
  • Christine Kersting - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland
  • Alexandra Schmidt - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland
  • Achim Mortsiefer - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Berlin, 28.-30.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP-06-08

doi: 10.3205/23degam216, urn:nbn:de:0183-23degam2162

Veröffentlicht: 27. September 2023

© 2023 Solbach et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Physische und psychische Probleme rund um Sexualität haben laut einer Bevölkerungsstudie in Deutschland eine hohe Versorgungsrelevanz. Obgleich Hausärzt:innen als primäre Ansprechpartner:innen für Gesundheitsfragen ihrer Patient:innen fungieren, zeigen Studien, dass Sexualität in der Sprechstunde selten thematisiert wird. Mögliche Gründe wurden im deutschsprachigen Raum bisher wenig untersucht.

Fragestellung: Welche Barrieren und Förderfaktoren bestehen für die Thematisierung von Sexualität im Arzt-Patienten-Gespräch in der Hausarztpraxis? Wie häufig und zu welchen Anlässen wird über Sexualität gesprochen? Welche Faktoren haben Einfluss auf die Thematisierungshäufigkeit?

Methoden: Online-Querschnittstudie unter Hausärzt:innen im Zeitraum 10.11.2021–01.06.2022. Die Entwicklung des Fragebogens erfolgte in einem mehrstufigen Prozess zur Item-Konstruktion mit anschließendem Pretesting. Der Umfrage-Link wurde über Verteiler verschiedener hausärztlicher Organisationen verbreitet. Zur Datenauswertung wurden deskriptive Statistiken und Regressionsmodelle angewendet.

Ergebnisse: Es nahmen 249 Hausärzt:innen teil, von denen 68,7% Männer waren. Die Teilnehmenden waren im Mittel 54,4 (±9,7) Jahre alt und seit 17,4 (±10,9) Jahren hausärztlich niedergelassen. Sexualität war für 68,6% von ihnen ein wichtiges Gesundheitsthema und wurde von 48,7% als Teil des hausärztlichen Zuständigkeitsbereichs gesehen. 39,5% gaben an, Sexualität häufig (täglich bis mind. 1x wöchentlich) anzusprechen; 48,1% thematisierten Sexualität nach eigener Angabe seltener als medizinisch indiziert, wobei Zeitmangel, Sprachbarrieren, Anwesenheit von Angehörigen und Erstgespräche zentrale Barrieren darstellen. Die Regressionsanalyse zeigte eine signifikant häufigere Thematisierung von Sexualität bei nicht-heterosexuellen Ärzt:innen (OR: 5,47), subjektiv empfundener Kompetenz bezüglich sexualmedizinischer Themen (OR: 4,26), männlichen Ärzten (OR: 4,20) und Erfahrung, dass sich die Thematisierung positiv auf das Behandlungsergebnis auswirkt (OR: 3,58).

Diskussion: Die befragten Hausärzt:innen halten Sexualität überwiegend für ein wichtiges Thema und sehen sich in der Zuständigkeit. Dennoch thematisieren sie es unter anderem aus Zeitgründen seltener als medizinisch indiziert. Hohe Kompetenz und Routine in dem Themengebiet fördert die Häufigkeit der Kommunikation über Sexualität.

Take Home Message für die Praxis: Eine strukturierte Kommunikation über Sexualität in der hausärztlichen Sprechstunde könnte zur besseren Versorgung von Patient:innen beitragen und sollte daher präsenter in Studium und Fortbildungen sein.