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57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

28. - 30.09.2023, Berlin

Medizinische Versorgung im Zeichen der Zentralisierung

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Katja Baudisch - Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Medizinische Fakultät, Institut für Allgemeinmedizin, Kiel, Deutschland
  • Hanna Kaduszkiewicz - Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Medizinische Fakultät, Institut für Allgemeinmedizin, Kiel, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Berlin, 28.-30.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocP-03-04

doi: 10.3205/23degam172, urn:nbn:de:0183-23degam1725

Veröffentlicht: 27. September 2023

© 2023 Baudisch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Jahr 2014 wurden auf der Nordseeinsel Föhr 64 Kinder geboren. Der dortige Kreißsaal wurde Ende September 2015 geschlossen. Seitdem wird den Schwangeren empfohlen, zwei Wochen vor dem Entbindungstermin auf dem Festland auf die Geburt zu warten. Eine wissenschaftliche Untersuchung der psychosozialen Konsequenzen der Schließung der Geburtshilfe auf einer Insel ist bisher nicht erfolgt. Die Erfahrungen sind möglicherweise auf Zentralisierungsbestrebungen der medizinischen Versorgung generell übertragbar.

Fragestellung: Welche sozialen und psychischen Konsequenzen ergeben sich aus der Schließung der Geburtshilfe auf Föhr?

Methoden: Zunächst wurden halbstandardisierte Interviews mit 19 Frauen durchgeführt, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Auf dieser Basis wurde ein standardisierter Online-Fragebogen konzipiert. Zielgruppe waren alle Föhrer Frauen, die in den ersten zwei Jahren nach Schließung der dortigen Geburtshilfe ein Kind geboren hatten; infrage kamen 107 Frauen.

Ergebnisse: Den Online-Fragebogen beantworteten 29 Frauen (27%). Im Mittel waren acht Personen pro befragter Frau an der Organisation rund um die Geburt auf dem Festland beteiligt (min-max 3–16). Die Organisation rund um die Geburt war laut 13 Frauen eine psychische Belastung für die ganze Familie („trifft zu“, 45%), bei fünf Frauen traf dieses „eher zu“ (17%). Die Entfernung zur Familie durch den Festlandaufenthalt empfanden 14 Frauen als Belastung (48%), für acht Frauen traf diese Aussage eher zu (28%). Bezüglich der Geburt eines weiteren Kindes wüssten acht Frauen eher nicht (28%) und fünf Frauen nicht (17%), wie sie diese organisieren sollten.

Diskussion: Die Organisation rund um die Geburt auf dem Festland ist aufwändig und die Trennung von der Familie für die meisten Frauen negativ besetzt. Insgesamt kamen die meisten Frauen mit der veränderten Situation zurecht, ein relevanter Anteil (45%) wüsste allerdings (eher) nicht, wie eine weitere Geburt organisiert werden könnte.

Take Home Message für die Praxis: Bei der Zentralisierung medizinischer Versorgungseinrichtungen müssen Menschen mit geringen sozialen und finanziellen Ressourcen niedrigschwellig bei der Organisation unterstützt werden.