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Berufsperspektiven von Jungärzt:innen: Was spricht für oder gegen eine allgemeinmedizinische Kassenpraxis?
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Veröffentlicht: | 27. September 2023 |
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Hintergrund: Der demografische Wandel stellt die allgemeinmedizinische Versorgung in Österreich vor Herausforderungen. Trotz der europaweit zweithöchsten Ärztedichte nimmt der Anteil an Allgemeinmediziner:innen mit Kassenvertrag kontinuierlich ab und liegt bereits unter dem EU-Schnitt. Zur erfolgreichen Rekrutierung von Jungärzt:innen sind deren Wahrnehmung von Vor- und Nachteilen einer allgemeinmedizinischen Kassentätigkeit sowie die regionale Bindung von großem Interesse.
Fragestellung: Wie sehen allgemeinmedizinische Ausbildungsärzt:innen ihre Berufsperspektive, welche Eigenschaften an der kassenärztlichen Hausarzttätigkeit empfinden sie als attraktiv bzw. unattraktiv und in welcher Region möchten sie später arbeiten?
Methoden: Zwischen Jänner 2019 und März 2023 erfolgte eine quantitative Erhebung mittels Fragebogen unter 148 Ausbildungsärzt:innen aus dem Bundesland Salzburg (Österreich).
Ergebnisse: Rund 84% der Befragten beurteilen die Berufsperspektive in der Allgemeinmedizin als sehr gut (48%) oder gut (36%). Als attraktiv an einer Kassenpraxis wird von 68% der Befragten die langjährige Patientenbeziehung und von 66% das breite Fachspektrum angegeben. Die Rolle als erste Anlaufstelle in Gesundheitsfragen wird nur von 32% als Attraktivitätsfaktor gewählt. Eher unattraktiv an einer Kassenpraxis empfinden 64%, dass zu wenig Zeit für einzelne Patient:innen bleibt. Eine Tätigkeit in ihrer Ausbildungsregion streben 74% der Befragten an, wobei diese Präferenz bei Ausbildungsärztinnen (87%) nennenswert häufiger vorkommt als bei Ausbildungsärzten (66%).
Diskussion: Ausbildungsärzt:innen für Allgemeinmedizin beurteilen ihre Berufsperspektive sehr positiv und schätzen die langjährige Patientenbeziehung sowie das breite Fachspektrum. Der politisch intendierte Ausbau der Lehrpraxiszeit in der bisher krankenhauszentrierten Ausbildung entspricht durchaus den Wünschen von Jungärzt:innen. Zu wenig Zeit für einzelne Patient:innen zu haben wird als unattraktiv an einer Kassenpraxis empfunden. Diesbezüglich könnten Gruppenarbeitsformen einen Lösungsansatz darstellen. Zur Rekrutierung von Jungärzt:innen könnte der Geschlechterunterschied in der Regionspräferenz relevant sein.
Take Home Message für die Praxis: Mit der longitudinalen Patientenbeziehung wird jener Attraktivitätsfaktor am häufigsten genannt, welcher in der aktuell krankenhauszentrierten Ausbildung kaum eine Rolle spielt. Die geplante Verlängerung der Lehrpraxiszeit erscheint somit als Verbesserung im Ausbildungssystem. Die regionale Bindung von Jungärztinnen könnte für die Nachbesetzung von Kassenstellen relevant sein, hier ist weitere Forschung sinnvoll.