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57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

28. - 30.09.2023, Berlin

Gewichtsbezogene Stigmatisierung bei Medizinstudierenden der Universität Würzburg – Implikationen für die Sensibilisierung in der medizinische Lehre

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Jessica Ruck - Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Elena Tiedemann - Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Maike Krauthausen - Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Yvonne Kaußner - Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Anne Simmenroth - Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 57. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Berlin, 28.-30.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV-16-03

doi: 10.3205/23degam091, urn:nbn:de:0183-23degam0915

Veröffentlicht: 27. September 2023

© 2023 Ruck et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Gewichtsbezogene Stigmatisierung als Zuschreibung negativer Eigenschaften und benachteiligendes Verhalten aufgrund des Gewichts sind gesamtgesellschaftlich und auch im Gesundheitswesen zu beobachten. Die multifaktorielle Genese von Adipositas ist unter Ärzt:innen und Studierenden bekannt, trotzdem wird noch häufig den adipösen Patient:innen die persönlichen Verantwortung für ihr Gewicht zugeschrieben. Sie werden meist unbewusst als eher undiszipliniert, unmotiviert und unkooperativ eingeschätzt. Zudem wird von einem geringeren Behandlungserfolg bei Gewichtsreduktion sowie Begleiterkrankungen ausgegangen und weniger Behandlungszeit investiert. Dies kann die medizinische Versorgung negativ beeinflussen.

Fragestellung: Wie lassen sich Medizinstudierende für Gewichtsstigmatisierung sensibilisieren?

Methoden: Im Wintersemester 22/23 wurde im bestehenden Präventionskurs (inverted classroom) u.a. das Thema „Gewichtsbezogene Stigmatisierung“ behandelt. Studierende des 9.Semesters füllten vor und nach dem Kurs einen pseudonymisierten Online-Fragebogen (EvaSys®) mit individuellem Code aus. Er beinhaltete die Fat Phobia Scale (FPS) und ein Relevanzrating für Einflussfaktoren auf das Gewicht.

Ergebnisse: Von 148 Teilnehmenden konnten 111 Datensätze ausgewertet werden (73% weiblich, Durchschnittsalter 23 Jahre, SD=2.5). Der Großteil (82%) war normalgewichtig (Untergewicht: 7.2%, Übergewicht: 9%, Adipositas: 1.8%). Der Vorher-Nachher-Vergleich des FPS-Gesamtscores (T1: M=3.61, SD=0.5; T2: M=3.47, SD=0.5) zeigte eine signifikante Abnahme (t(110)=3.025, p=0.002). Biologische Faktoren (z.B. Gene, Erkrankungen) (T1: M=3.9, SD=0.6; T2: M=3.8, SD=0.6) und Patient:innenwissen (T1: M=3.6, SD=0.07; T2: M=3.5, SD=0.06) wurden als relevanteste Einflussfaktoren auf das Gewicht eingeschätzt. Die Relevanz persönlicher (z.B. Eigenschaften) und umweltbezogener (z.B. soziokultureller Rahmen) Faktoren sowie Patienten:innenwissen waren nach dem Kurs weniger relevant (p <0.01) geworden.

Diskussion: Die FPS-Werte weisen auf eine Stigmatisierungstendenz bei Studierenden hin und sind mit der deutschen Allgemeinbevölkerung (M=3.62) vergleichbar. Die Stigmatisierungstendenz hat sich nach dem Kurs verringert, was auf eine Sensibilisierung durch den Kurs hindeutet. Limitationen durch selektive Stichprobe und soziale Erwünschtheit können nicht ausgeschlossen werden.

Take Home Message für die Praxis: Die Stigmatisierung übergewichtiger und adipöser Patient:innen läuft meist unbewusst ab, weshalb angehende Mediziner:innen für Gewichtsstigmatisierung und für die komplexe Ätiologie von Übergewicht sensibilisiert werden sollten, um eine professionelle Patient:innenversorgung zu gewährleisten.