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Versorgung multimorbider Patienten – Wie viel Evidenzbasis hat die klinische Expertise?
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Veröffentlicht: | 19. September 2016 |
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Hintergrund: Multimorbidität ist kein schicksalhafter Prozess, sondern im höheren Lebensalter ein sehr häufiges Phänomen und damit eine Herausforderung hinsichtlich der komplexen Versorgungsbedarfe. In der S3-Leitlinie „Multimorbidität“ wird ausgehend von Einzelfallvignetten, in einem „bottom-up“ Ansatz und unter Einbezug von externer Evidenz sowie klinischer Expertise ein übergreifendes Versorgungskonzept erarbeitet.
Fragestellung: Ziel ist, einer leitliniengerechten Versorgung multimorbider Patienten näher zu kommen.
Methoden: Die Bearbeitung erfolgt in 6 qualitativen und/oder quantitativen Arbeitsschritten:
- 1.
- Erarbeitung von Fallvignetten mit einer interdisziplinären Fokusgruppe anhand fiktiver Patienten mit bekannten Multimorbiditätsmustern.
- 2.
- Systematische Leitliniensynopse durch systematisch recherchiert nationalen, aktuellen evidenzbasierten Leitlinien auf Basis der berichteten Hauptdiagnosen.
- 3.
- Erfassung der hausärztlichen klinischen Einschätzung zu den Fallvignetten zu den Aspekten: Abwenden gefährlicher Verläufe, Festlegung von Versorgungszielen, notwendige Diagnostik/ Therapie, Berücksichtigung von Lebensstil- und psychosozialen Faktoren.
- 4.
- Zusammenfassung der externen Evidenz und der Experteneinschätzung zu einem fallspezifischen Versorgungsalgorithmus (N-of-one-guidelines).
- 5.
- Ableitung eines Meta-Algorithmus aus diesen N-of-one-guidelines.
- 6.
- Identifikation von Patientenwünschen und -werthaltungen durch eine systematische Literaturaufbereitung und qualitativen Interviews mit multimorbiden Personen.
Ergebnisse: In den Arbeitsschritten 1-4 wurden individuelle Versorgungsalgorithmen zu 10 Fallvignetten erarbeitet, die sich sowohl auf externe Evidenz als auch die klinische Einschätzung von 7 HausärztInnen stützen. Aspekte der Patientenperspektive konnten aus 9 Literaturstellen sowie aus 15 qualitativen Patienteninterviews eingebracht werden. Der aus diesem Material abgeleitete Meta-Algorithmus, erstreckt sich ausgehend vom aktuellen Behandlungsanlass bis zur Langzeitversorgung von multimorbiden Patienten und schließt bei jeder Entscheidung die Werthaltungen (Päferenzen) des Patienten ein.
Diskussion: Der hier erarbeitete Meta-Algorithmus bildet, im Gegensatz zu einem einfachen Symptom-Algorithmus, einen übergeordneten hausärztlichen Denkprozess ab, der den ganzen Menschen berücksichtigt.