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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Berufsbegleitende Weiterbildungsmöglichkeiten für Quereinsteigende

Part-time training opportunities for career changers

Kurzbeitrag Personalgewinnung und -entwicklung

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  • corresponding author Karin Holste-Flinspach - BIB Kommission für Ausbildung und Berufsbilder, Deutschland; Stauffenbergschule Frankfurt am Main, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2024;24(1):Doc10

doi: 10.3205/mbi000593, urn:nbn:de:0183-mbi0005934

Veröffentlicht: 13. September 2024

© 2024 Holste-Flinspach.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Auch infolge des demografischen Wandels sind zunehmend Quereinsteigende in Bibliotheken aller Sparten tätig. Damit wächst der Bedarf an berufsbegleitender bibliotheksfachlicher Weiterbildung, die über ein Anlernen am jeweiligen Einsatzort hinaus geht.

Besonders hoch und dem Bedarf kaum entsprechend ist schon die Nachfrage nach Basisschulungen, aber auch darüberhinausgehend an weitergehender Qualifizierung, die idealerweise zu einem anerkannten Berufs- oder Studienabschluss führt.

In der Summe bestehen nur relativ wenige Weiterqualifizierungsmöglichkeiten in der Region Deutschland, Österreich, Schweiz, die wichtigsten werden nachfolgend beschrieben. Darunter haben noch wenigere einen Focus auf wissenschaftlichen Bibliotheken. Es besteht also ein klarer Handlungsbedarf an zusätzlichen digitalen bzw. hybriden Angeboten.

Schlüsselwörter: Weiterbildung, Quereinstieg, Bibliotheksbeschäftigte

Abstract

As a result of demographic change, an increasing number of newcomers are working in libraries in all sectors. As a result, there is a growing need for in-service library training that goes beyond on-the-job training.

The demand for basic training courses is particularly high and hardly in line with demand, but there is also need for further qualifications that ideally lead to a recognized professional or academic qualification.

All in all, there are relatively few opportunities for further qualification in the DACH region – as described below – and even fewer with a focus on academic libraries, meaning that there is a need for additional digital or hybrid offerings.

Keywords: further training, lateral entry, library employees


Arbeitsmarktlage

Die durch den demografischen Wandel geprägte Lage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt mit einem insgesamt zurückgehenden Arbeitskräfteangebot – im Besonderen einem Rückgang von Schulabgehenden und zugleich einem stetig zunehmenden Anteil älterer Beschäftigter kurz vor dem Ruhestand – hat zur Folge, dass in der Summe mehr Arbeitsplätze frei werden als mit nachrückenden und neu in das Berufsleben eintretenden Altersgruppen besetzt werden können und an etlichen Stellen die Arbeitskräftenachfrage nicht mehr befriedigt werden kann.

In Bereich Archiv-, Bibliotheks- und Informationswesen sind darüber hinaus die Studierendenzahlen seit Jahren rückläufig. Traurige Höhepunkte sind aktuell die Abwicklung des Studiengangs „Information Science“ in Darmstadt, der einzigen fachbezogenen Studiermöglichkeit in Hessen sowie die Einstellung des Masterstudiengangs „Digitales Datenmanagement“ von Humboldt-Universität und Fachhochschule Potsdam seit dem Sommersemester 2024 (vgl. [1]). Und auch bei der Anzahl der Berufsabsolventen zeigt sich ein leichter Abwärtstrend.

Die Konkurrenz um potenzielle Nachwuchskräfte, der „War of Talents“ ist zum beherrschenden berufspolitischen Thema geworden. Sichtbar an der steigenden Anzahl der Publikationen, an der Gründung einer gemeinsamen Fachkommission des Deutschen Bibliotheksverbandes, des Vereines Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare und des Berufsverbandes Information Bibliothek zur konzertierten Aktion zur Akquise von Berufseinsteigenden (https://meinjob-bibliothek.de) und kaum eine Tagung, ein Kongress, bei dem Personalgewinnung keine Rolle spielt.

Der Fachkräftemangel führt zu Stellenbesetzungsproblematiken auf allen Qualifikationsebenen, wiederholten, verlängerten Ausschreibungen sowie einer oft unzureichenden Bewerberlage.

Im Kontext neuer Ansätze gegen den Personalmangel stehen auch die in diesem Jahr geplante Wiedereinführung der vor 19 Jahren aufgegebenen verwaltungsinternen Ausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken in Rheinland-Pfalz für die dritte Qualifikationsebene. Gleiches gilt für die seit zwei Jahren bestehenden dualen Bachelorstudienangebote an den Hochschulen in Stuttgart, Köln und Darmstadt – bei der die dual Studierenden während der vorlesungsfreien Zeiten und im Praxissemester in der Bibliothek tätig sind und in der gesamten Zeit vergütet werden.

Als Reaktion auf den Fachkräftemangel wird aber hauptsächlich nach Möglichkeiten gesucht, auch einen Teil der Stellen mit originären (falls das überhaupt noch zu definieren ist) Bibliotheksaufgaben mit fachlich nicht vorgebildeten Bewerbern und Bewerberinnen zu besetzen (vgl. [2]).

Zwischenzeitlich sind Quereingestiegene, Mitarbeitende ohne einen bibliotheksfachlichen Berufs- oder Studienabschluss und multiprofessionelle Teams, in Spezialbibliotheken schon in der Vergangenheit nicht selten, in Bibliotheken aller Sparten der Regelfall und der Anteil an Quereinsteigern steigt.


Berufsbegleitende Weiterbildung für Quereinsteigende

Hier ist nun nicht der Ort, die Diskussion über eine eventuell damit verbundene Abwertung bibliotheksbezogener Abschlüsse zu führen oder auf die Vorteile der Multiprofessionalität einzugehen (vgl. [3]), als gesichert gelten kann aber, dass diese größer werdende Beschäftigtengruppe je nach den Erfordernissen des Einsatzgebietes und vor allem der persönlichen Berufswegeplanung die Chance erhalten muss, fachspezifisches Wissen berufsbegleitend zu erwerben.

Typischerweise erfolgt für die nicht nach einem bibliotheksaffinen Studium (Studium Bibliotheks- oder Informationswesen) oder einer entsprechenden Ausbildung (typischerweise der FaMI-Ausbildung) in die Bibliotheksarbeit Einsteigenden die Einarbeitung und die Vermittlung notwendiger Fachkenntnisse zunächst on the job im jeweiligen Tätigkeitsfeld und kann im Falle einer überschaubaren Anzahl notwendiger Kenntnisse und Fertigkeiten zumindest anfänglich auch ausreichend sein.

Sowohl aus Mitarbeitendensicht als auch als Personalbindungsmaßnahme erscheinen aber häufig über Einarbeitung und learning by doing hinausgehende Qualifizierungen notwendig bzw. wünschenswert – bis zu umfassenden Fortbildungen zu Spezialthemen bzw. generalistisch ausgerichteten berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten. Und hier besteht zunehmend arbeitgeberseits die Bereitschaft zur zeitlichen Freistellung und finanziellen Unterstützung für die oft kostenintensiven Maßnahmen (vgl. [4]).

Zu den Maßnahmen würden grundsätzlich auch im Ausland, aber nicht in Deutschland [5] verbreitete systematisch durchgeführte Trainee-Programmen along the job zählen.

Grundsätzlich stehen Seiteneinsteigenden (z.T. je nach Vorbildungsbiographie) Qualifizierungen auf unterschiedlichen Ebenen offen, von Basisangeboten über den Erwerb des nachträglichen Berufsabschlusses bis zu berufsbegleitenden Bachelor- und Masterstudiengängen [Ergänzungen zu den Angeboten gerne an die Verfasserin].

Grundqualifizierungsangebote

Zum Einstieg dienen niedrigschwellige Qualifizierungsangebote zumeist online bzw. hybrid mit einer Dauer von wenigen Tagen zur Vermittlung von Überblickswissen über wichtige Arbeitsabläufe und Dienstleistungen, grundlegende praxisnahe Kenntnisse des Bibliothekswesens von Bestandsaufbau über Erschließung bis zur Bestandspräsentation.

Solche Einführungen ins Berufsfeld – unabhängig von Schul-, Ausbildungs- oder Studienabschlüssen – werden speziell für öffentliche Bibliotheken sowohl seitens der kirchlichen Verbände als auch staatlicherseits in Österreich (https://www.ibt.bvoe.at/node/15083) und Bayern (https://www.oebib.de/aus-und-fortbildung/basiskurse/) sowie der Schweiz (https://www.bibliosuisse.ch/bildung/weiterbildung/zertifikatskursbibliosuisse) angeboten. Ergänzt werden diese durch Angebote für Tätige in allen Bibliothekssparten bzw. für wissenschaftliche Bibliotheken in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen – auch in Niedersachsen gab es ein entsprechendes Angebot – sowie in der Schweiz.

Grundqualifizierungsangebote (auch) für wissenschaftliche Bibliotheken

In diesen Kontext passt auch der nach Beginn des Ukrainekrieges 2022 an der Humboldt-Universität eingerichtete Brückenkurs „Ankommen in der Bibliotheksarbeit in Deutschland“ (https://www.ibi.hu-berlin.de/de/studium/studiengaenge/brueckenkurs).

Berufsabschluss

Der Berufsabschluss zu Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste durch eine Externenprüfung kann nachträglich erworben werden, wenn mindestens viereinhalb dementsprechende Tätigkeiten ausgeübt wurden oder glaubhaft der Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit nach § 45 Berufsbildungsgesetz nachgewiesen wird, auch durch Bildungsabschlüsse oder Zeiten einer Berufstätigkeit im Ausland [6]. Vorbereitungsunterstützende Kurse werden in Berlin (https://ssl2.cms.fu-berlin.de/fu-berlin/sites/weiterbildung/PM_weiterbildungsprogramm/bib/fami/index.html) und Hessen (https://www.hvsv.de) angeboten.

Bachelor berufsbegleitend

Ebenfalls viereinhalb Jahre qualifizierter Tätigkeit müssen Seiteneinsteigende mit Hochschulzugangsberechtigung nachweisen, um „Informationsmanagement“ berufsbegleitend an der Hochschule Hannover zu studieren [7] – ein 2012 hauptsächlich für FaMIs eingerichtetes Studienangebot. Das siebensemestrige gebührenpflichtige Studium mit jeweils 25 Plätzen startet regelmäßig zum Wintersemester und qualifiziert mit dem Abschluss für die 3. Qualifikationsebene.

Berufsbegleitende Bachelorstudiengänge

Fachwirt für Medien- und Informationsdienste

Nicht unerwähnt bleiben soll die Fachwirtweiterbildung. Diese ist momentan ausschließlich in Hessen möglich: https://rp-giessen.hessen.de/karriere/die-zustaendige-stelle/fachwirt-in-fuer-informationsdienste. Hier ist der Zugang als „closed shop“ aber momentan lediglich berufsaffin vorgebildeten Personen vorbehalten, im Gegensatz zu dem derzeit nicht weitergeführten Fachwirtmodell in Nordrhein-Westfalen. Abzuwarten bleibt im Zusammenhang mit der anstehenden Neuordnung der FaMI-Ausbildung eine mögliche Ausweitung der Angebote zur Fachwirtqualifizierung.

Master berufsbegleitend

Für Quereinsteigende mit einem nicht bibliotheksverwandten Bachelorabschluss bestehen dem angelsächsischen Modell folgend nicht-konsekutive postgraduale Masterstudienangebote zum Einstieg in den höheren bzw. wissenschaftlichen Bibliotheksdienst, zudem besteht ein dualer Masterstudiengang „Information Science“ an der Hochschule in Darmstadt.

Berufsbegleitende Masterstudiengänge

Weiterbildungsstudiengänge sind über die üblichen Semesterbeiträge hinaus gebührenpflichtig, zudem können Prüfungsgebühren berechnet werden.

Voraussetzung zur Studienaufnahme ist üblicherweise neben einem ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss eine praktische Berufstätigkeit im Bereich Bibliothek/Information.


Ausblick

Der zunehmenden Anzahl nicht bibliotheksbezogen vorgebildeter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bibliotheken wird das berufsbegleitende Weiterbildungsangebot in der DACH-Region bei Weitem nicht gerecht.

Der deutlichen Nachfragesteigerung vom Bedarf an Einsteigerkursen bis zu Studienangeboten steht ein stagnierendes Angebot hauptsächlich der Staatlichen Fachstellen, Bibliotheksverbünde und Hochschulen gegenüber, der Handlungsbedarf an zusätzlichen Angeboten wird besonders deutlich beim Focus auf wissenschaftliche Bibliotheken.

Eine tarifliche und überörtliche gesicherte Anerkennung berufsbegleitender Qualifizierung, auch der Absolvierung modularer Weiterbildungseinheiten, ist aber nur mit Ausbildungs- oder Studienabschluss, also einer formalen Qualifikation für das Berufsfeld, sichergestellt.

Denn auch wenn man die Meinung vertritt, wie Yasmin Weiß im didacta-Bildungspodcast „Wir werden in Zukunft Stellenbeschreibungen sehen, die gar keine konkrete Tätigkeit mehr beschreiben. Letztendlich suchen wir alle Menschen, die anpassungsfähig sind, die Problemlöser sind“ [11], so gehört zur Qualitätssicherung der Arbeit in Bibliotheken weiterhin grundlegendes bibliothekarisches Wissen. Und hier ist die Fachcommunity dringend gefragt, sich für zeitnah verfügbare weitere Qualifizierungsmaßnahmen mit bundesweiter Anerkennung einzusetzen – die nicht nur zur Quereinsteigendenqualifizierung, sondern auch zur Weiterbildung bereits fachlich vorgebildeten Personals geeignet sind.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.

ORCID der Autorin

Karin Holste-Flinspach: 0000-0002-2279-3713


Literatur

1.
Schmid-Ruhe B. Der Fachkräftemangel als Ausdruck der Krise des Bibliothekswesens. Bibliothek Forschung und Praxis. 2022;46(3):502-10. DOI: 10.1515/bfp-2022-0047 Externer Link
2.
Berghaus-Sprengel A, Söllner K. Ausbildung für oder in Bibliotheken: Wie sind wir aufgestellt? Bibliothek Forschung und Praxis. 2022;56(3):457-64. DOI: 10.1515/bfp-2022-0025 Externer Link
3.
Holste-Flinspach K. Quereinsteiger in der Bibliothek. BuB Forum Bibliothek und Information. 2020;73(4):200-2.
4.
Holste-Flinspach K. Quereinsteigende qualifizieren. Bibliotheksdienst. 2023;57(1):8-18. DOI: 10.1515/bd-2023-0005 Externer Link
5.
Fischer M, Koelges B. Auf neuen Wegen: Modelle für die Ausbildung in der dritten Qualifikationsebene in wissenschaftlichen Bibliotheken. Bibliotheksdienst. 2024;58(2):98-109. DOI: 10.1515/bd-2024-0021 Externer Link
6.
Ihr Beruf: Fachangestellte/r für Medien- und Informationsdienste. In: Anerkennung in Deutschland. Das Informationsportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. [letzter Aufruf 01.08.2024]. Verfügbar unter: https://www.anerkennung-in-deutschland.de/de/interest/finder/profession/70 Externer Link
7.
Hochschule Hannover. Informationsmanagement berufsbegleitend (BIB). [letzter Aufruf 01.08.2024]. Verfügbar unter: https://f3.hs-hannover.de/studium/bachelor-studiengaenge/informationsmanagement-berufsbegleitend-bib Externer Link
8.
Wittich A. 10 Jahre berufsbegleitendes Studium „Informationsmanagement“ an der Hochschule Hannover. Bibliotheksdienst. 2022;56(5):285-94. DOI: 10.1515/bd-2022-0045 Externer Link
9.
Petras V, Gäde M, Rügenhagen M, Wimmer U. Die bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Masterstudiengänge an der Humboldt-Universität zu Berlin. Bibliotheksdienst. 2017;51(10-11):891-900. DOI: 10.1515/bd-2017-0102 Externer Link
10.
Tappenbeck I, Meinhardt H. MALIS Reloaded. Der berufsbegleitende Masterstudiengang „Bibliotheks- und Informationswissenschaft“ der TH Köln präsentiert sich mit einem neuen Curriculum. o-bib. 2021;8(2). DOI: 10.5282/o-bib/5708 Externer Link
11.
Digitalisierte Arbeitswelt stellt neue Anforderungen. iNSIDER Zeitschrift der Fachgruppe Berufsbildende Schulen. 2023;34(4):4. Verfügbar unter: https://www.gew-hessen.de/veroeffentlichungen/zeitschriften/insider Externer Link