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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Die Sichtbarkeit des Unsichtbaren

The visibility of the invisible

Case Report AGMB-Jahrestagung in Bonn 2023

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  • corresponding author Ramona Hock - Helios Zentralbibliothek, Helios Kliniken GmbH, Berlin, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2023;23(2):Doc31

doi: 10.3205/mbi000581, urn:nbn:de:0183-mbi0005815

Veröffentlicht: 19. Dezember 2023

© 2023 Hock.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Helios Zentralbibliothek agiert seit mehr als 20 Jahren größtenteils im digitalen Raum. Die Mitarbeiter:innen der Helios Kliniken Gruppe, derzeit etwa 76.000, können von allen Standorten in Deutschland sowie von zu Hause aus die Bibliothek nutzen. Welche Herausforderungen es für die Bibliotheksangestellten mit sich bringt, analoge und digitale Öffentlichkeitsarbeit über einen so großen Aktionsradius hinaus zu organisieren, welche Maßnahmen bisher ergriffen wurden und welche neu erdacht werden, wird in diesem Artikel vorgestellt.

Schlüsselwörter: analoge und digitale Öffentlichkeitsarbeit, Sichtbarkeit, digitaler Raum, Helios Zentralbibliothek

Abstract

The Helios Central Library has been operating largely in the digital space for more than 20 years. The employees of the Helios Kliniken Group, currently about 76,000, can use the library from all locations in Germany as well as from home. In this article, the challenges that library staff face in organizing analogue and digital public relations work over such a large distance, the measures that have been taken so far and new ones that are being thought of will be presented.

Keywords: analogue and digital public relations, visibility, digital space, Helios Central Library


Einleitung

Bevor ich mich thematisch der Sichtbarkeit des Unsichtbaren widme, möchte ich Sie zunächst einladen, mit auf eine Reise zu gehen. Ich möchte Sie einladen, sich vor Ihrem inneren Auge eine Bibliothek vorzustellen. Eine Bibliothek, in der Sie sich genau in diesem Moment gern aufhalten möchten. Ich als Historikerin streife gern durch historische Bibliotheken, vorbei an in Leder gebundenen Büchern. Sie können sich aber auch in Ihre Bibliothek hineindenken, in der Sie sich jeden Tag aufhalten. Gehen Sie einmal die Gänge entlang, streifen Sie mit Ihren Fingern über die Buchrücken, ziehen Sie ein Buch Ihrer Wahl heraus und fangen Sie einfach an zu lesen. Das Buch gefällt Ihnen und Sie können nicht aufhören, darin zu blättern? Wunderbar! Lassen Sie sich auf einen Stuhl fallen und vertiefen Sie sich in die Lektüre. Genießen Sie den Moment; tauchen Sie komplett ein mit all Ihren Sinnen …

Doch die Reise in die Bibliothek ist in dem Moment zu Ende, in dem Sie Ihre Augen wieder öffnen. Dann verblassen die Erinnerungen auf Ihrer Netzhaut. Wie bei einem Computer, der heruntergefahren wurde und dessen Bildschirm nun schwarz ist. Genauso verhält es sich mit einer im digitalen Raum existierenden Bibliothek. Eben noch war die Bibliothek mit all ihren Reizen verfügbar, doch nach dem Schließen des Browsers und nach dem Herunterfahren des Computers bleibt keine Zeitschrift auf dem Schreibtisch zurück und kein Buch füllt den Rucksack auf dem Heimweg. Die Online-Bibliothek und alle sich darin befindenden Medien werden unsichtbar.


Bibliothek im digitalen Raum

In nahezu allen Bibliotheken kann das gleiche Bild beobachtet werden. Die Angebote elektronischer Medien werden ausgebaut und die Bestände wandern in den digitalen Raum. Regale werden nach und nach abgebaut. Dagmar Härter berichtete in ihrem Vortrag aus dem vergangenen Jahr von den neuen Lernumgebungen, die in der Bereichsbibliothek Medizin (SUB Göttingen) geschaffen werden [1]. Während der Führung in der Universitätsbibliothek in Würzburg bei der vergangenen AGMB-Tagung wurden die Stellen gezeigt, an der die Zeitschriftenregale bereits gewichen sind und die DVD-Regale sich im Abbau befinden. Während die Universitätsbibliotheken – gerade auch vor dem Hintergrund der sich verändernden Lernumgebung und der Bereitstellung von Arbeitsplätzen – nach wie vor sichtbar sind, stehen die meisten Krankenhausbibliotheken in Hinblick auf Sichtbarkeit und Präsenz mit dem Ausbau der digitalen Medien vor großen Herausforderungen. Diese Herausforderungen und die Pläne, wie damit umgegangen werden kann, sollen Gegenstand dieses Artikels sein.

Die Helios Zentralbibliothek (HZB) hat ihren Sitz in Berlin. Von Berlin aus versorgt die Bibliothek derzeit 87 Standorte mit Literatur und Fachinformationen. Die Klinikstandorte verteilen sich auf das ganze Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Von Kiel im Norden bis Müllheim im Süden und von Krefeld im Westen bis Plauen im Osten haben alle etwa 76.000 Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, die Bestände der Unternehmensbibliothek zu nutzen. Diese Situation macht es erforderlich, die Inhalte fast ausschließlich digital anzubieten. Allerdings führt die zentrale Versorgung dazu, dass in den Kliniken keine örtlichen Krankenhausbibliotheken mehr vorhanden sind. Es gibt keinen Raum, keine Bücher und Zeitschriftenbände, die von der Existenz einer Bibliothek zeugen. Kein Poster an der Eingangstür zur Bibliothek macht auf die Services, die von den Bibliotheksmitarbeiter:innen angeboten werden, aufmerksam. Kein Buch muss zurückgegeben werden und führt den:die Nutzer:in so unweigerlich in die Bibliothek und vielleicht zur Ausleihe weiterer Bücher. Der Weg nach Berlin ist weit und natürlich kommen die Helios Mitarbeiter:innen nicht vorbei, klopfen dort an die Tür der Bibliothek und schlendern durch den kleinen Print-Bestand vor Ort. Die Realität sieht anders aus: Die Bibliothek der Helios Kliniken Gruppe findet im digitalen Raum statt. Die Mitarbeiter:innen der Bibliothek agieren an ihren Schreibtischen in Berlin: Sie füllen die Webseite der Bibliothek (das Bibliotheksportal) mit Inhalten; sie lizenzieren E-Books und E-Journals, Datenbanken und Lernplattformen; sie erfüllen Erwerbungsvorschläge, Literaturbestellungen und unterstützen bei der Nutzung des Bibliotheksportals und bei der Recherche im Discovery-System. Alle Services, die angeboten werden, können nur aus der Ferne erfolgen: über das Telefon, Videotelefonie, E-Mail, Kontaktformulare und Messenger-Dienst. Doch damit verschwinden auch die Bibliotheksmitarbeiter:innen hinter den schwarzen Bildschirmen, sobald das Telefonat beendet oder der Computer heruntergefahren wurde. Zudem ist die Bibliothek nur eine von vielen Anwendungen an den Rechnern der Mitarbeiter:innen für die täglichen Aufgaben und privaten Ablenkungen. Eine Browserseite gleich neben der Wetter-App für den Heimweg, dem Social-Media-Verlauf der letzten Stunden und den unzähligen Pushnachrichten, die täglich auf den Mobiltelefonen und Computern aufploppen. Der Computer muss erst gar nicht herunterfahren oder der Laptop geschlossen werden, um nur noch eine Erinnerung zu sein. Bibliotheken, die ihren Bestand und ihre Services hauptsächlich digital anbieten, müssen mit vielen Programmen und Ablenkungen konkurrieren, um sichtbar zu sein. Umso dringender ist es, als Bibliothek aktiv gesehen zu werden und in Erinnerung zu bleiben.


Zwei Dekaden Öffentlichkeitsarbeit

Vor über 20 Jahren wurde die Helios Zentralbibliothek aus einer Präsenzbibliothek heraus gegründet. Dem Engagement der Bibliotheksmitarbeiter:innen ist es zu verdanken, dass fortan die Helios Zentralbibliothek auch über den Standort in Berlin-Buch hinaus für alle Mitarbeiter:innen des Unternehmens zur Verfügung stand. Wie bereits erläutert, war es daher unverzichtbar, den digitalen Bestand der Bibliothek weiter auszubauen. Von Anfang an war es zudem notwendig, über die eigenen Bibliotheksräume in Berlin hinaus Öffentlichkeitsarbeit zu organisieren, die auch in weit entfernten Standorten wirksam ist. So gab es in den letzten 20 Jahren viele Ideen und Maßnahmen, über die die Bibliotheksmitarbeiter:innen mit den Nutzer:innen in Kontakt traten. Es wurden Tassen bedruckt, Wissens-Bistros ins Leben gerufen und von Standort zu Standort gereist, um Schulungen vor Ort abzuhalten – um nur einige Beispiele zu nennen.

Einige Ideen blieben Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit der Bibliothek, andere verschwanden wieder aus dem Maßnahmenkatalog. Interessant zu beobachten ist, dass sich die Öffentlichkeitsarbeit ähnlich wie der Bestand der Bibliothek mit der Zeit immer mehr in den digitalen Raum verlagerte. Viele Maßnahmen wie Schulungen vor Ort erwiesen sich als zu arbeits- und kostenintensiv. Digitale Öffentlichkeitsarbeit über Newsletter, Online-Kurse oder das Bibliotheksportal sind in der Umsetzung leichter zu realisieren und alle Mitarbeiter:innen können gleichsam unabhängig von Ort und Zeit erreicht werden. In den Jahren der Corona-Pandemie wurde es von einem auf den anderen Moment „normal“, an digitalen Fortbildungen teilzunehmen, Online-Seminare zu besuchen oder Online-Kurse zu absolvieren. Die HZB als eine Online-Bibliothek der frühen Stunde nahm diese Entwicklung dankbar an und baute digitale Serviceangebote weiter aus. Bestehende Kurse wurden inhaltlich aktualisiert und in der Darstellungsform auf den neuesten Stand gebracht. Der seit 18 Jahren erscheinende monatliche Newsletter gewann noch größere Bedeutung, ist er doch für die HZB ein wichtiges Sprachrohr, um mit den Mitarbeiter:innen des Unternehmens in Kontakt zu treten.


Analoge oder digitale Öffentlichkeitsarbeit – der Mix macht’s

Eine Zielgruppe, die von den Kontaktbeschränkungen besonders betroffen war, rückte 2020 in den Fokus: die Auszubildenden in den Helios-eigenen Ausbildungszentren. Da unabhängig von den besonderen Umständen im Frühjahr 2020 eine digitale Lernplattform für die Auszubildenden lizenziert wurde, verlagerte sich die Einführung in das Produkt zwangsläufig in den digitalen Raum. Ein Online-Kurs, der zeit- und ortsunabhängig absolviert werden kann, wurde konzipiert; Online-Seminare wurden zur Einführung angeboten, Lehrkräfte geschult und Informationsmaterial zusammengestellt. Nach einiger Zeit öffneten die Ausbildungszentren wieder ihre Türen, doch der Weg zum digitalen Lernen war geebnet [2]. Nun gilt es, die Auszubildenden auf diesem Weg weiter zu begleiten.

Bewährt hat sich ein Mix aus analogen und digitalen bibliothekspädagogischen Angeboten. Auf einer speziell für die Lehrkräfte und Auszubildenden erstellten Webseite sind alle für die Ausbildung und Lehre relevanten Fachinformationen und Literatur zusammengefasst. So ist es für die Lehrkräfte und Auszubildenden leicht, sich mit Fachinformationen, Literatur und Arbeitsmaterialien zu versorgen. Ein gängiges bibliothekspädagogisches Angebot – die Bibliotheksführung für Schüler:innen oder Studierende zu Beginn der Ausbildung – wurde durch Arbeits- und Lösungsblätter für die Lehrkräfte, die zum Ausdrucken zur Verfügung stehen, ermöglicht. Da die Bibliotheksmitarbeiter:innen selbst keine Bibliothekseinführung im klassischen Sinne anbieten können, besteht so die Möglichkeit, die Lehrkräfte als Multiplikator:innen zu gewinnen und ihnen Arbeitsmaterialien an die Hand zu geben, mit denen ganz einfach eine Einführung in die Bibliothek realisiert werden kann.

Arbeitsmaterialien werden entgegen der Praxis der letzten Jahre wieder analog zur Verfügung gestellt. So stehen Willkommensbroschüren für neue Mitarbeiter:innen oder die Starterhefte für die Ärzt:innen in Weiterbildung (AiW) im digitalen Format im Intranet zum Download und zum Ausdruck bereit. An einigen Standorten wird gezielt mit gedruckten Informationsmaterialen gearbeitet, damit diese beispielsweise in der Kitteltasche schnell als Informationshilfe dienen.

Die Bibliotheksangestellten verlassen – ganz nach dem Motto „Gesichter erhöhen die Sichtbarkeit“ – ihre Schreibtische und gehen auf Fachtagungen und Kongresse des Unternehmens. Die Einführung neuer Produkte wird genutzt, um die Arbeit der Bibliothek vor einem größeren Publikum vorzustellen. Potenzielle Multiplikator:innen werden direkt angesprochen, die Bibliotheksangestellten hospitieren in den Kliniken und besuchen Fortbildungen, um auf die HZB aufmerksam zu machen und – dieser Aspekt ist besonders wichtig – vor Ort die Menschen zu befragen, was sie speziell von der Bibliothek erwarten, welche Services sie benötigen und welche Fachliteratur und Lernformate sie sich wünschen. So zeigt sich bei der engen Zusammenarbeit mit Vertreter:innen der Gruppe der Ärzt:innen in Weiterbildung, dass diese Gruppe ein hohes Interesse an E-Learning-Kursen hat. Durch den engen Austausch mit Vertreter:innen einzelner Gruppen und die Ausrichtung des Portfolios wird die Bibliothek hinsichtlich Fachinformationen, Literatur und Recherche als verlässliche Begleiterin wahrgenommen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Mitarbeiter:innen auch in Zukunft wissen, wie sie gesicherte Fachinformationen erhalten.

Aufmerksamkeit kann im Rahmen von Jubiläen und Festen erreicht werden. Im letzten Jahr feierte die HZB das 20-jährige Jubiläum. Über 12 Monate begleiteten unterschiedliche Aktionen die Mitarbeiter:innen. Der Bestand der Bibliothek wurde sichtbarer gemacht und die historischen Ankerpunkte der letzten 20 Jahre wurden thematisiert. So manche:r Mitarbeiter:in schwelgte zusammen mit den Bibliotheksangestellten in Erinnerungen oder erfuhr von E-Books im Bestand, die er:sie dort niemals vermutete. Es kamen Mitarbeiter:innen mit ihrer Meinung über die Bibliothek zu Wort und die Bibliotheksangestellten erzählten von ihren Momenten der Bibliotheksnutzung. Mit einem Paukenschlag wurden die Feierlichkeiten mit einem Gewinnspiel inkl. eines attraktiven Preises beendet.

Mühselig erscheint es mitunter, täglich Aufklärungsarbeit zu leisten. Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Mitarbeiter:innen und sogar Kolleg:innen aus anderen Teams der Abteilung Zentraler Dienst Personalgewinnung und -entwicklung kennt die Bibliothek nicht oder weiß zumindest nicht, welche Schätze für jede Art von Tätigkeit im Unternehmen dort zu entdecken sind, welche Services angeboten werden und welche Vorteile sich für die Mitarbeiter:innen daraus ergeben können. Aus diesem Grund wird von den Bibliotheksmitarbeiter:innen jeden Tag individuelle Aufklärung geleistet, indem beispielsweise die Bibliothek in der Abteilung vorgestellt wird und Gelegenheiten genutzt werden, diese ins Gespräch zu bringen.


Die Grenzen digitaler Öffentlichkeitsarbeit

Warum läuft digitale Öffentlichkeitsarbeit oft ins Leere oder bringt zumindest nicht die erhofften Erfolge mit sich? Die Antwort ist so simpel wie frustrierend: Gehen Sie einmal in Gedanken zurück zu einem Ihrer letzten Krankenhausaufenthalte – ob als Patient:in oder Besucher:in. Durchstreifen Sie die Krankenhausflure, öffnen Sie einmal ein Behandlungszimmer und besuchen Sie eine Station. Überall werden Sie Computer und Tablets stehen und liegen sehen. Ein großer Teil der Arbeit in einem Krankenhaus wird unterstützt durch digitale Programme. Allerdings sind Computer und Tablets für die Betreuung der Patient:innen vorgesehen, für die Diagnose und Dokumentation.

Ist die Öffentlichkeitsarbeit der Online-Bibliothek ausschließlich digital, wird diese im Klinikalltag kaum sichtbar sein. Die Bibliothek ist nur eine „Nebenanwendung“ im klinischen Alltag. Wenn überhaupt, können nur kurze Recherchen in den Arbeitsalltag eingebaut werden. Berichte von Kolleg:innen aus den Kliniken zeigen, dass gerade der Informationsüberfluss über den E-Mail-Versand dazu führt, dass die wenigsten E-Mails intensiv gelesen werden. Den Beiträgen über das Intranet wird aufgrund von Zeitmangel selten große Aufmerksamkeit geschenkt. Digitale Öffentlichkeitsarbeit ist unter diesen Umständen kaum sichtbar und erzielt daher oft nur wenig Wirkung.

Die nur eingeschränkte Messbarkeit von Öffentlichkeitsarbeit – ob digital oder analog – ermöglicht zudem kaum, erfolgreiche Maßnahmen zu erkennen. Neben den jährlichen (Counter-)Statistiken, die durch die Verlage zur Verfügung gestellt werden, stehen nur wenige Möglichkeiten zur Verfügung, aussagekräftige Zahlen über die Wirkung von Öffentlichkeitsarbeit zu erhalten. Oft bleiben nur mündliche Bekundungen und Lob von Nutzer:innen. An einzelnen Produkten kann anhand von Anmeldedaten oder Downloads abgelesen werden, ob eine Werbekampagne erfolgreich war und welche Maßnahmen eventuell auf andere Produkte übertragen werden können. Doch handelt es sich immer um eine mühselige Auswertung von meist wenig aussagekräftigen Zahlen, die mitunter nicht dazu dienen, Rückschlüsse auf eine gelungene Öffentlichkeitsarbeit zu schließen.


Das Comeback analoger Öffentlichkeitsarbeit

Das Papier ist nicht so tot, wie es noch vor einigen Jahren prognostiziert wurde. Allerdings wird Papier eine andere Verwendung finden als zu der Zeit, als E-Journals, E-Books und digitale Datenbanken noch keinen Einzug in die Bibliothekslandschaft gehalten haben. Papier wird in Zukunft gerade in Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit ein wichtiges Medium sein. Zeitschriften und Bücher werden immer weniger auf Papier gedruckt und die Bibliotheksregale füllen. Viola Voß, Fachreferentin in der Universitätsbibliothek Münster, berichtet, dass auch an großen Universitätsbibliotheken die Zahlen der elektronischen Neuerwerbungen die der gedruckten weit übersteigen (2021: 47.000 gedruckte und 373.000 elektronische Medien) ([3], S. 12). Papier wird das Medium sein, um auf E-Books, E-Journals, digitale Datenbanken und Fortbildungen aufmerksam zu machen. Es wird dazu genutzt, um Informationskompetenz zu vermitteln. Die Frage wird sein, wie sich die Nutzer:innen kompetent in der Online-Bibliothek bewegen, welche möglichen Hürden der Nutzung sie überwinden müssen und wie die Bibliotheksangestellten mit den Nutzer:innen in Kontakt treten und Hilfe anbieten.

Ein Kollege aus der HZB hospitierte im letzten Jahr in einem Helios-Maximalversorger. Er war vor Ort, um den Arbeitsalltag auf verschiedenen Stationen kennenzulernen und mit den Menschen im Klinikalltag in Kontakt zu kommen. Neben den zahlreichen Eindrücken, die er dort sammelte, konnte er mit einigen Mitarbeiter:innen über deren Nutzung der Bibliothek und ihre Wünsche ins Gespräch kommen. Viele Kolleg:innen berichteten, dass sie die Bibliothek nur gelegentlich nutzen, da ihnen die Zeit im Arbeitsalltag fehlt oder sie schlicht nicht wissen, welche Inhalte ihnen die Fachbibliothek bietet. Ein daraus entstandenes Pilotprojekt wird derzeit in zwei Kliniken getestet. Unterstützt durch das Feedback einiger Verantwortlicher der Intensivstation wurde ein Flyer für die Intensivpflege konzipiert. Dieser DIN A5-Flyer enthält eine kurze Beschreibung, wie die Bibliothek auch von einem privaten Mobiltelefon oder Tablet aufgerufen werden kann. Den Blickfang bilden die Cover ausgewählter E-Books und E-Journals für die Intensivpflege, die jeweils mit einem QR-Code versehen sind. Sobald die Mitarbeiter:innen einen Flyer auf dem Kaffeetisch im Pausenraum, dem Stationszimmer oder durch eine:n Kolleg:in erhalten und in die Hände nehmen, können sie mithilfe des QR-Codes direkt auf das E-Book oder das E-Journal zugreifen. Sie benötigen zum Einstieg in die Bibliothek somit zunächst keine Recherchefähigkeiten und kein Vorwissen darüber, welche Titel für das eigene Tätigkeitsfeld überhaupt zur Verfügung stehen. Der Flyer ersetzt das eingangs beschriebene Schlendern durch die Bibliotheksregale, den Griff nach einem interessant klingenden Titel, das Durchblättern eines Buches und vielleicht das kurze Eintauchen in einen Artikel. Über den QR-Code werden die Anzahl der Zugriffe gezählt. Das ermöglicht, die Qualität der Flyer und die Auswahl der Titel zu messen und ggf. zu verbessern. Nicht jede:r einzelne Nutzer:in muss somit die Hürde der Recherche im Bibliothekskatalog nehmen, um für die eigene Berufsgruppe interessante E-Books, E-Journals oder Datenbanken kennenzulernen. Es geht darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Nutzer:innen die Kompetenz entwickeln, mit Informationen, welche die Online-Bibliothek zur Verfügung stellt, zu arbeiten ([4], S. 63). Ist das Interesse erst einmal geweckt, wird hoffentlich die Neugier auf mehr Fachliteratur die Mitarbeiter:innen in die digitalen Räume der Bibliothek führen. Dort, im digitalen Bibliotheksraum, erwarten die Bibliotheksmitarbeiter:innen bereits die Nutzer:innen, um sie mit allen Services und Angeboten der Bibliothek zu empfangen. Mithilfe der Services und Beratungen durch die Bibliotheksangestellten erlangen die Nutzer:innen nach und nach die Informationskompetenz, die sie für das lebenslange Lernen benötigen.

Derzeit rücken in der Abteilung Zentraler Dienst Personalgewinnung und -entwicklung, zu der auch die HZB gehört, die einzelnen Zielgruppen wieder mehr in den Fokus. Auch wenn über allgemeine Newsletter und Beiträge im Intranet eine weitaus größere Anzahl von Mitarbeiter:innen erreicht wird, kann die meist mühselige „Einzelbetreuung“ eine engere Bindung aufbauen und gezielte Öffentlichkeitsarbeit erfolgreicher sein. In einem derzeit laufenden Projekt werden Poster konzipiert, die in den Kliniken auf die zielgruppenspezifischen (digitalen) Angebote aufmerksam machen sollen. Webseiten im Intranet für die Unterstützung bei der Nutzung von digitalen Tools werden ausgearbeitet und je nach Anforderungen weiter ausgebaut und angepasst.

Eine weitere Idee ist es, sogenannte „Tage der …“ ins Leben zu rufen, die zusammen mit anderen Teams genutzt werden, um auf Fortbildungen, Fachinformationen und spezielle Angebote im Unternehmen aufmerksam zu machen und zur Teilnahme und Nutzung anzuregen. Diese Anlässe ermöglichen es, mit den Kolleg:innen in den Kliniken in Kontakt zu treten und die Kommunikation zu verstärken. Durch direkte Kommunikation werden Informationen dazu gesammelt, welche Literatur von den Nutzer:innen benötigt und mit welchen Inhalten neue Kolleg:innen gewonnen werden können oder welche Services noch fehlen und etabliert werden sollten.


Fazit

Der Wunsch nach digitalen Inhalten wurde gerade in der Zeit der Corona-Pandemie immer größer. Der schnelle Klick, den Suchmaschinen suggerieren und teilweise ermöglichen, soll auch während der Arbeitszeit den Alltag erleichtern. Der Bestand der Helios Zentralbibliothek bietet den Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, sich schnell mit gesicherten Fachinformationen zu versorgen. Doch die Mitarbeiter:innen können erst dann die Suche im Discovery-System/Bibliotheksportal allgemeinen Suchmaschinen vorziehen, wenn sie über die Existenz der Fachbibliothek im Unternehmen Kenntnis haben sowie gewisse Recherchekompetenzen besitzen. Die Daseinsberechtigung der Bibliothek hängt von ihrem Nutzen ab. Die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung wird von einer Fachbibliothek im Unternehmen unterstützt und die einzelnen Mitarbeiter:innen benötigen gesicherte Informationen für ihren beruflichen Alltag und ihre eigene Fortbildung. Es bedarf daher einer aktiven und weit umfassenden Öffentlichkeitsarbeit sowie der Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz. Darauf müssen die bibliothekspädagogischen Angebote der HZB ausgerichtet sein.

Gerade bei einer in Hinblick auf Informations- und Medienkompetenz, (fachliche) Bedürfnisse, (fachliche) Notwendigkeit sowie intrinsische Lernmotivation so heterogenen Gruppe von Mitarbeiter:innen ist es von großer Bedeutung, wie die Bibliothek mit den derzeitigen und potentiellen Nutzer:innen in Kontakt tritt: Welche Einstiege den Mitarbeiter:innen des Unternehmens angeboten werden, den digitalen Raum der Bibliothek kennenzulernen und zu nutzen, aber auch, wie die Bibliotheksmitarbeiter:innen den Nutzer:innen in diesem digitalen Raum begegnen. Es müssen Strategien entwickelt werden, in der Welt des (digitalen) Informationsüberflusses und der medialen Ablenkung sichtbar zu sein/zu bleiben. Dadurch kann sichergestellt werden, dass Ärzt:innen, Pflegekräfte, Auszubildende, Verwaltungsangestellte und alle anderen im Unternehmen Tätigen auch in Zukunft wissen, wie sie gesicherte Fachinformationen erhalten.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Härter D. Die (neue) Lernumgebung der Medizinbibliothek Göttingen: Optimierung des Raums in einer hybriden Universität. GMS Med Bibl Inf. 2022;22(2):Doc29. DOI: 10.3205/mbi000547 Externer Link
2.
Hock R, Popoff L. Digitalisierung an Bildungszentren: Wie die Bibliothek unterstützen kann. GMS Med Bibl Inf. 2021;21(1-2):Doc07. DOI: 10.3205/mbi000496 Externer Link
3.
Voß V. Studium, Lehre und Forschung mit Fachliteratur und Fachinformationen versorgen. In: Sühl-Strohmenger W, Tappenbeck I, Hrsg. Praxishandbuch Wissenschaftliche Bibliothekar:innen. Wandel von Handlungsfeldern, Rollen und Perspektiven im Kontext der digitalen Transformation. Berlin: De Gruyter; 2023. S. 11-25. DOI: 10.1515/9783110790375 Externer Link
4.
Schoenbeck O. Informations- und Medienkompetenz fördern. In: Sühl-Strohmenger W, Tappenbeck I, Hrsg. Praxishandbuch Wissenschaftliche Bibliothekar:innen. Wandel von Handlungsfeldern, Rollen und Perspektiven im Kontext der digitalen Transformation. Berlin: De Gruyter; 2023. S. 59-68. DOI: 10.1515/9783110790375 Externer Link