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SWOT-Analyse zu den Dienstleistungen für Systematische Reviews medizinischer Bibliotheken in D-A-CH-Ländern
SWOT analysis for systematic review services in German, Austrian and Swiss medical libraries
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Veröffentlicht: | 1. September 2020 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Im Frühling 2020 wurde im Auftrag der Arbeitsgruppe Evidenzbasierte Medizin (AG-EBM) der Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen e.V (AGMB) eine Online-Umfrage unter allen Medizinbibliothekar*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Das Ziel dieser Umfrage war es, die größten Herausforderungen, Hürden und Bedürfnisse zu charakterisieren, mit denen Medizinbibliothekar*innen konfrontiert sind, um Dienstleistungen zu Systematischen Reviews anzubieten oder zu implementieren. Die 23 Punkte umfassende Umfrage beinhaltete auch eine SWOT-Analyse mit offenen Fragen, die es den Umfrageteilnehmern ermöglichte, ihre Situation besser zu beschreiben. Die Ergebnisse werden es der AG-EBM ermöglichen, einen strategischen Plan aufzustellen, der den medizinischen Bibliothekaren hilft, Unterstützungsdienste zu Systematischen Reviews sowie Instrumente zur Risikominimierung anzubieten.
Abstract
In Spring 2020, an online survey was realized among all medical librarians in Germany, Austria and Switzerland on behalf of the Evidence Based Medicine Working Group (AG-EBM) of the German Medical Library Association. The main focus of this survey was to characterize the biggest challenges, barriers and needs that medical librarians face in order to provide or implement a systematic review service. The 23-item survey included also SWOT analysis with open-ended questions, which allowed survey participant to better describe their situation. The survey was completed by 60 librarians. The results will allow the AG-EBM to establish a strategic plan that will help medical librarians take advantage of the opportunities of systematic review services and offer tools to minimize risks.
Einführung
Auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für medizinisches Bibliothekwesen (AGMB) in Oldenburg 2018 wurde eine Debatte über die Rolle deutscher, österreichischer und schweizerischer (D-A-CH) medizinischer Bibliotheken bei Systematischen Reviews angestoßen. Diese Diskussion zeigte die Notwendigkeit, das Konzept der Evidenzbasierten Medizin (EBM) in Bibliotheken bekannter zu machen und vor allem mehr medizinische Bibliothekar*innen zu ermutigen und zu befähigen, Unterstützung bei systematischen Suchprojekten auf verschiedenen Ebenen anzubieten. Zu diesem Zweck wurde auf der Jahrestagung der AGMB in Göttingen 2019 der Arbeitskreis „Evidenzbasierte Medizin“ (AG-EBM) offiziell gegründet. Um einen Überblick über die aktuelle Situation medizinischer Bibliotheken in den D-A-CH-Ländern, die Systematische Reviews anbieten, zu erhalten und die medizinischen Bibliotheken, die diese Dienstleistung umsetzen möchten, zu unterstützen, wurde beschlossen, eine Umfrage durchzuführen. Auf diese Weise würde die AG-EBM nicht nur die aktuelle Situation dieser Dienste, sondern auch ihre Bedürfnisse, Probleme und Chancen kennen und in der Lage sein, sich effizienter und effektiver zu koordinieren, um ihren Mitgliedern zu helfen.
Methoden
Instrumenten- und Studiendesign
Um die größten Herausforderungen zu messen und zu charakterisieren, denen sich medizinische Bibliothekar*innen beim Anbieten oder Entwickeln eines systematischen Review-Dienstes gegenübersehen, verwendeten wir eine webbasierte Umfrage, die in LimeSurvey (Version 3.21.1+191210) entworfen wurde. Die Umfrage mit 23 Punkten bestand aus Fragen zum institutionellen Kontext, zu den angebotenen oder gewünschten systematischen Review-Diensten, zur SWOT-Analyse (Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken), zu genutzten Datenbanken und Literaturverwaltungsprogrammen sowie zum Fortbildungsbedarf.
Im Rahmen der Umfrage wurden noch interne Themen (Website der AG, Erwartungen an die nächste Jahrestagung) für die AG-EBM abgefragt. Diese Ergebnisse werden intern präsentiert und diskutiert.
Auswahl und Anwerbung der Population
Die Umfrage wurde vom 2. bis 15 März 2020 durchgeführt. Eine E-Mail-Einladung mit einem Link zu der webbasierten Umfrage wurde am 2. März 2020 über fünf professionelle E-Mail-Listen an potenzielle Teilnehmer*innen verschickt: Medbib-l, InetBib, AspB, AGMB-AG Evidenzbasierte Medizin und EbM-Netzwerk. Eine Erinnerungs-E-Mail wurde am 10. März 2020, fünf Tage vor Abschluss der Umfrage, an dieselben Listen geschickt.
Analyse
Insgesamt nahmen 94 Bibliothekar*innen an der Befragung teil; davon beantworteten 60 Teilnehmer*innen den Fragebogen vollständig. Die deskriptiven Statistiken der Antworten wurden mit LimeSurvey (Version 3.21.1+191210) und Excel erstellt. Offene Fragen wurden kategorisiert und analysiert.
Ergebnisse der Umfrage
An der Umfrage haben 60 Bibliothekar*innen teilgenommen. Davon arbeiten 26 Bibliothekar*innen in Einrichtungen, die bereits einen Beratungs- oder Unterstützungsdienst für Systematische Reviews anbieten. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Bibliotheken von Universitäten (inkl. medizinischer Fakultäten) bzw. Universitätskliniken (69%), Forschungseinrichtungen (15%) und Hochschulen/Ausbildungseinrichtungen für Gesundheitsfachberufe (8%).
Von den übrigen 34 Bibliothekar*innen planen 6 konkret, Beratungs- oder Unterstützungsdienste für Systematische Reviews anzubieten, 14 würden gerne daran arbeiten und 14 haben keine Kapazitäten in ihrer Bibliothek.
Das Interesse an diesen Dienstleistungen wird aber nicht nur von Universitäten oder Universitätskliniken (59%) geäußert, sondern auch von nicht-universitären Krankenhäusern (21%) und Forschungseinrichtungen (12%).
Dienstleistungen für Systematische Reviews
Ausgangspunkt unserer Umfrage waren die Dienstleistungen, die die National Institutes of Health [1] für Systematische Reviews (SR) anbieten. Die Dienstleistungen wurden in drei Kategorien unterteilt: Beratung, Dienstleistungen zur Literaturrecherche und Unterstützung nach dem Rechercheprozess. Die medizinischen Bibliotheken der D-A-CH-Länder, die SR-Dienstleistungen anbieten oder anbieten wollen, konzentrieren sich auf die Beratung und Literaturrecherche. Unterstützung nach dem Rechercheprozess wird nur von der Hälfte der medizinischen Bibliothekar*innen angeboten und weckt auch bei den Bibliothekar*innen, die den Dienst implementieren möchten, nicht so viel Interesse (Abbildung 1 [Abb. 1]).
Nachfolgend wird eine detaillierte Analyse jeder Kategorie gezeigt, die das breite Portfolio der verfügbaren Dienstleistungen belegt, die mit den Fähigkeiten/Kenntnissen der Bibliothekar*innen verknüpft sind.
Beratung
Bei der Befragung der Bibliothekar*innen nach den spezifischen Bereichen, auf die sie ihre Beratungsdienste ausrichten, konzentrieren sich die meisten auf vier Bereiche:
- Beratung zur Verwendung von Literaturverwaltungsprogrammen (87%);
- Entwicklung und Update des Suchprotokolls, Umsetzung des Protokolls in die konkrete Recherche (83%);
- Beratung über Standards und verfügbare Materialien im Prozess, z.B. grundlegende Standards (z.B. Cochrane Handbook, PRISMA), Registrierung (z.B. PROSPERO), Berichterstattung (z.B. PRISMA) (75%) und
- Beratung über die Art des Reviews (Systematic Review, Scoping Review, Narrativer Review etc.) (54%).
Dieses deckt sich mit den Interessengebieten von Bibliothekaren*innen, die einen SR-Dienst implementieren möchten.
Allerdings bieten nur sehr wenige medizinische Bibliotheken
- Beratung zur Feststellung, ob es relevante veröffentlichte Forschungsartikel oder Rezensionen gibt (45%);
- Beratung bei der Auswahl der Ein-/Ausschlusskriterien (33%);
- Unterstützung bei der Fertigstellung des Protokolls und Registrierung von Systematischen Reviews bei einer Registrierungsstelle (29%);
- Beratung bei der Auswahl und dem Einsatz von Softwaretools für Systematische Reviews (z.B. Covidence, DistillerSR, etc.) (29%);
- Beratung bei der Auswahl und dem Einsatz geeigneter Instrumente zur Bewertung der Evidenz (z.B. CASP, GRADE, etc.) (25%) oder
- Beratung bei der Festlegung des Umfangs und Zeitplans des Reviews (12%)
an (Tabelle 1 [Tab. 1]).
Literaturrecherche
Die Wichtigkeit von Dienstleistungen zur Literaturrecherche wird von den Bibliothekar*innen, die diesen Dienst anbieten, folgendermaßen eingeschätzt:
- Konzeptionierung der Suchstrategie in mehreren Schritten: PICO-Schema, Sammeln von Stich- und Schlagwörtern, Übersetzung der Suchstrategie (92%);
- Testen und verfeinern der Suchstrategie (87%)
- Identifizierung von anderen relevanten Datenbanken (79%)
- Speichern der Suchstrategie und Dokumentation der finalen Suche mit allen erforderlichen Details (71%)
- Suche nach grauer Literatur. Quellen für graue Literatur, Register für klinische Studien usw. (62%)
- Übersetzung in eine geeignete Suchsyntax und Durchführung in mindestens drei empfohlenen Datenbanken – z.B. PubMed/MEDLINE, Embase und Cochrane (62%)
- Exportieren der Suchergebnisse in das ausgewählte Literaturverwaltungsprogramm (z.B. EndNote, andere) (62%) oder in Excel.
Auch Bibliothekar*innen, die diesen Dienst wünschen, schätzen das ähnlich ein, allerdings werden die Punkte Identifizierung von relevanten Datenbanken (50% vs. 79%), Speichern und Dokumentieren der Suchstrategie (50% vs. 71%) sowie Suche nach grauer Literatur (32% vs. 71%) als nicht so bedeutsam eingeschätzt.
Bemerkenswert ist auch, dass nur wenige Bibliotheken einen Full Service (d.h. Durchführung und Dokumentation der Suche, Duplikatecheck und Bereitstellung der kompletten Ergebnisse durch Bibliothekar*innen) nach Rücksprache mit den Wissenschafler*innen anbieten (42%) (Tabelle 2 [Tab. 2]).
Rechercheprozess
Zur Unterstützung nach dem Rechercheprozess werden insbesondere zwei Dienstleistungen angeboten:
- Beratung und Hilfe beim Abruf von Volltextartikeln zur Durchsicht und Datenextraktion (z.B. Herunterladen, Bestellen, Benennen, Hochladen usw.);
- Unterstützung zur Vorbereitung der Publikation: Aufbereitung des Methodenteils zur Literaturrecherche (z.B. Suchdesign, durchsuchte Datenbanken und Ressourcen, eventuell angewandte Einschränkungen, gesuchte Daten, Suchstrategien für eine oder mehrere Datenbanken usw.).
Andere Dienste, wie die Teilnahme am Screening von Literatur (z.B. Titel und Abstract, Volltext) oder Management des Screening-Prozesses; die Unterstützung beim Screeningprozess unter Verwendung von Evidenztabellen, die Unterstützung bei der Verwendung von spezifischen Tools für den Reviewprozess und das Screening, z.B. Covidence (z.B. Entwicklung von Screening-Formularen, Einrichtung von Konten, Schulungshilfe usw.) oder die Unterstützung beim Editieren und bei der Einreichung von Publikationen (Auswahl von Zeitschriften, Editieren des gesamten Manuskripts, Erstellung und Änderung von Bibliographien im entsprechenden Zeitschriftenstil, Erstellung von Evidenztabellen usw.), werden nur von sehr wenigen medizinischen Bibliotheken angeboten.
Interessant ist, dass 32% der Bibliothekar*innen, die noch keine Dienste anbieten, sich nicht vorstellen können, die Wissenschaftler*innen nach dem Rechercheprozess zu unterstützen (Abbildung 2 [Abb. 2]).
Veranstaltungen und Bereitstellung von Materialien
Ungefähr die Hälfte der medizinischen Bibliothekar*innen in D-A-CH-Ländern ergänzt ihr Serviceangebot rund um die SR durch Veranstaltungen und die Bereitstellung von Materialien. Konkret bieten sie Kurse mit festgelegten Inhalten, zum Teil ergänzt durch Übungen, selbst erstellte Dokumente (z.B. Excel-, Word-Vorlage) sowie Informationsseiten im Web und zum Download an (Abbildung 3 [Abb. 3]).
Als medizinische Bibliothekar*innen gefragt wurden, ob sie sich vorstellen können, ihre Schulungsmaterialien, Vorlagen (Excel-, Word- oder Outlook-Vorlagen) usw. gemeinsam zu nutzen bzw. zur Nachnutzung durch andere Bibliotheken freizugeben, sprachen sich 55% dafür aus. Eine Initiative, die 88% der Bibliothekar*innen, die einen Dienst zur Unterstützung von SR einrichten möchten, begrüßen würden.
SWOT-Analyse
Die Analyse der Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) wurde getrennt nach Personen, die bereits Dienstleistungen (DL) rund um SR anbieten (Angebots-Gruppe, n=26), sowie Personen, die sich Dienstleistungen vorstellen können (Gewünscht-Gruppe, n=34), durchgeführt, die detaillierte Auswertung ist in Anhang 1 [Anh. 1] dargestellt. Die Analyse zielt darauf ab, auf Basis der 4 Faktoren – insbesondere in der AG-EBM – eine Strategie zu entwickeln, die die Stärken nutzt und die Schwächen beseitigt bzw. die Chancen realisiert und Risiken minimiert [2].
Stärken
Als herausragende Stärken werden insbesondere von Personen, die bereits Dienstleistungen anbieten, Fachkompetenz und Qualität (Suchstrategie, Forschung insgesamt, Methoden, Literaturrecherche, Peer-Review durch verschiedene Berufsgruppen) angesehen. Von Angebots- und DL-Gruppe gleichermaßen beurteilt werden Datenbanken (Kenntnisse, Übersetzung der Suchstrategie, Datenbankauswahl, Nutzung, Anlegen von Suchprofilen) und insbesondere von Personen, die sich DL wünschen die Suchstrategie (Dokumentation, Entwicklung, Peer-Review der Suchstrategie (PRESS), Verfeinern).
Mit deutlichem Abstand werden von der Angebots-Gruppe die Stärken Zeit schaffen für Wissenschaftler*innen, Erfahrung und Flexibilität genannt, von der Gewünscht-Gruppe die Beschaffung von Volltexten und von beiden die wertvolle Bibliothek (Abbildung 4 [Abb. 4]).
Schwächen
Als Schwächen benannt werden mit großem Abstand der Personalmangel, d.h. die Ausstattung mit Stellen, und der Zeitmangel, d.h. die verfügbare Zeit für diese Aufgabe – insbesondere von der Angebotsgruppe. Vor allem die Angebotsgruppe nennt in diesem Zusammenhang auch die Aufgabenbalance als Schwäche. Beide Gruppen sehen zudem einen Mangel an Fachkenntnissen.
Mit Abstand folgen für beide Gruppen die Zugänglichkeit von Datenbanken und mangelnde Kooperation mit der Forschung und von Seiten der Bibliothekar*innen, die bereits Dienstleistungen anbieten, Schwächen in der Öffentlichkeitsarbeit und das Bedauern, keinen Full-Service anbieten zu können (Abbildung 5 [Abb. 5]).
Chancen
Die mit Abstand größten Chancen, die – fast ausschließlich – von der Angebotsgruppe gesehen werden, liegen in der Begleitung von Trends durch Bibliothekar*innen, v.a. im Publikationsprozess, Research Data Management, Open Science und forschungsnahen Dienstleistungen. Gleichermaßen wird die verbesserte Wahrnehmung der eigenen und institutionellen Arbeit – betont von der Gewünscht-Gruppe – gesehen. Beide Gruppen sehen ein hohes Potential im Ausbau ihrer Dienstleistungen und dem Aufbau von Netzwerken mit Forscher*innen und Ärzt*innen sowie, mit etwas Abstand, der beruflichen Weiterentwicklung. Unterschiedlich bewertet werden folgende Chancen: Verbesserung der Qualität von Methoden, SR und Suchstrategie von der Gewünscht-Gruppe; ausschließlich von der Angebotsgruppe die Weiterbildung des Personals und der Nutzer*innen, die Karrieremöglichkeiten (Embedded Librarians, Methodiker*innen in der Gesundheitsforschung), die Nutzung von Software und Tools sowie Werbemaßnahmen für die Bibliothek (Abbildung 6 [Abb. 6]).
Risiken
Das Risiko des sinkenden Wertes der Bibliothek bei Nichtaufgreifen des Themas SR wird in beiden Gruppen gleichermaßen gesehen. Insbesondere Bibliotheken, die bereits Dienstleistungen anbieten, sehen vor allem das Risiko, dass die Ressource Personal nicht ausreicht (inkl. dem Problem der befristeten Stellen) und ebenso die finanziellen Ressourcen. Für die Gewünscht-Gruppe liegen die Risiken eher bei den mangelnden zeitlichen Ressourcen, den Bedarf nicht erfüllen zu können, den mangelnden Fachkenntnissen bzw. Erfahrungen. Fast ausschließlich von der Angebotsgruppe werden die Risiken Forschungsbias, z.B. bei Datenbanken oder der Suchstrategie bzw. die mangelnde Qualität, insbesondere bei den SR, gesehen und mit Abstand die Informationsflut (Abbildung 7 [Abb. 7]).
Verfügbarkeit von Datenbanken und Literaturverwaltungsprogrammen
In der Angebotsgruppe (n=26) stehen für die Literaturrecherche die Cochrane Library (100%), die verschiedenen Oberflächen von MEDLINE (Ovid 70%, PubMed 60%, EBSCO 10%), Web of Science (75%) und mit Abstand EMBASE (Ovid 40%, Elsevier 15%) zur Verfügung. Im Freitext wurden insbesondere Google Scholar (19%), CINAHL und Studienregister (jeweils 15%) sowie PsycInfo und Scopus (jeweils 12%) genannt.
In der Gewünscht-Gruppe stehen i.d.R. etwas weniger Datenbanken zur Verfügung: MEDLINE mit einer anderen Gewichtung der Oberflächen (PubMed 82%, Ovid und Web of Science jeweils 41%, EBSCO 23%), Cochrane Library (82%), und Web of Science (71%). Sonstige Datenbanken wurden nur vereinzelt genannt (CINAHL 12%).
In beiden Gruppen steht EndNote an erster Stelle der Literaturverwaltungsprogramme (75% vs. 59% in der Angebots- bzw. Gewünscht-Gruppe), gefolgt von Citavi (30% vs. 53%) und Zotero (15% vs. 29%). Andere Programme spielen eine untergeordnete Rolle.
Die detaillierte Auswertung ist in Anhang 2 [Anh. 2] dargestellt.
Fortbildungsbedarf
Was den Fortbildungsbedarf betrifft, so würden beide Gruppen gerne mehr über Suchstrategien erfahren. Diejenigen, die diesen Service bereits anbieten, interessieren sich für komplexere Aspekte, wie z.B. das Peer-Review elektronischer Suchstrategien (PRESS), die Suchtechniken und die Entwicklung von Suchstrategien für verschiedene Arten von Reviews. Weitere Bereiche, die großes Interesse wecken, sind alle Aspekte, welche mit der Bewertung der Evidenz (z.B. CASP, GRADE, etc.) zusammenhängen, der Screening-Prozess und die dabei verwendeten Programme, die Technologien im Zusammenhang mit der Automatisierung des SR-Prozesses (z.B. Machine Learning, Text Analyse) und die Bewertung der Studienqualität (Critical Appraisal).
Diejenigen hingegen, die diesen Dienst noch nicht anbieten, möchten spezifische Suchtechniken für SR erlernen, mit Schwerpunkt auf dem Wissen über die verschiedenen Arten von Reviews und der Übersetzung der Suchstrategie in verschiedene Datenbanken. Viele sind sich einig, dass es notwendig ist, den gesamten Prozess der Durchführung eines Systematischen Reviews sehr gut zu kennen. Im Gegenzug weisen sie auf die Notwendigkeit hin, aus den Erfahrungen anderer zu lernen. (Abbildung 8 [Abb. 8]).
Die detaillierte Auswertung ist in Anhang 3 [Anh. 3] dargestellt.
Diskussion
Diese Studie gibt erstmalig einen umfassenden Überblick über die aktuelle Situation zum Themenkomplex Evidenzbasierte Medizin und Systematic Reviews in medizinischen Bibliotheken der D-A-CH-Länder. Die Umfrage, aufgeteilt in Bibliotheken, die bereits einen SR-Dienst anbieten und Bibliotheken, die diese Dienstleistung anbieten möchten, verbunden mit der Durchführung einer SWOT-Analyse mit offenen Fragen, hat es den Autor*innen ermöglicht, einen Einblick in die tatsächliche Meinung der Befragten zu gewinnen.
Die Ergebnisse bestätigen, dass Beratungs- und Unterstützungsdienste für SR in den D-A-CH-Ländern hauptsächlich von Universitätsbibliotheken (inkl. medizinischer Fakultäten) bzw. Universitätskliniken angeboten werden [3], [4]. Diese Dienste ermöglichen es den medizinischen Bibliotheken, eine wichtige Rolle in der Forschung zu spielen. Diese Zusammenarbeit findet immer häufiger statt, und die Beiträge der Bibliothekar*innen gehen über die Fähigkeiten von Suchexpert*innen hinaus [5], [6], [7]. Allerdings konzentrieren sich die DL anbietenden Bibliothekar*innen in den D-A-CH-Ländern auf ihre Rolle als Suchexperten. Einerseits beraten sie über die Arten von Reviews, einzuhaltenden Standards (z.B. PRISMA, PROSPERO), Literaturverwaltungsprogrammen und Suchprotokollen. Andererseits bieten sie die typischen Dienstleistungen der Literaturrecherche an, von der Konzeption, dem Testen, der Verfeinerung und der Dokumentation der Suchstrategie, gefolgt von der Übersetzung in Datenbanken und dem anschließenden Export der Ergebnisse in die von ihnen verwendeten Literaturverwaltungsprogramme, nämlich EndNote, Citavi und Zotero. Nur wenige medizinische Bibliotheken in den D-A-CH-Ländern bieten nach dem Rechercheprozess hinaus Unterstützung oder Beratungsdienste an. Mehrere Studien haben gezeigt, wie medizinische Bibliothekar*innen auch dabei helfen können, Einschlusskriterien zu definieren, Software für die Datenauswahl oder -extraktion auszuwählen, ein Manuskript zu verfassen und zu bearbeiten, bei der kritischen Bewertung zu helfen und weitere Aufgaben im Prozess der Entwicklung einer SR [5], [6], [7], [8], [9]. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Bibliothekar*innen, die SR-Dienstleistungen anbieten, dieser Tatsache bewusst sind und die (noch) fehlende Umsetzung als eine ihrer Schwächen, aber auch als eine ihrer Chancen ansehen und folgern daraus ihre wichtigsten Fortbildungsbedürfnisse.
SR-Dienste bieten den medizinischen Bibliotheken spannende Möglichkeiten; sie werfen jedoch auch Herausforderungen auf, die wir verstehen und angehen müssen [10], [11], [12]. Qualität und Fachkompetenz sind zwei der Stärken, welche die medizinische Bibliothekar*innen, die diesen Service bereits anbieten, benennen. Mehrere Autor*innen weisen darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit einem Bibliothekar die Qualität der Recherche verbessert, speziell die Qualität der Suchstrategie [8], [13], [14]. Eine weitere Stärke, die sie hervorheben, ist die Fähigkeit, Zeit für Wissenschaftler*innen zu schaffen, nicht nur durch die Übernahme verschiedener Aufgaben im Prozess der Durchführung einer SR, sondern auch durch deren effizientere und effektivere Bearbeitung [15], [16].
Hinsichtlich der Schwächen ist der Personalmangel ein immer wiederkehrendes Problem [11], [12]. Medizinische Bibliotheken in D-A-CH Ländern versuchen, ein gutes Angebot an Dienstleistungen zu entwickeln, aber die Zahl der Mitarbeitenden scheint für diesen Zweck nicht ausreichend zu sein [4]. Als weitere Schwäche wurde auf den Zeitmangel hingewiesen. Diese Dienste sind oft zeitaufwendig für medizinische Bibliothekar*innen, die in der Regel noch andere Aufgaben außerhalb der SR-Dienste haben [3], [12], [17], [18]. Das Hauptproblem besteht, wie die Ergebnisse von Bullers et al. nahelegen, darin, dass es keine Grundlage für die Festlegung eines Standardzeitrahmens für Bibliotheksaufgaben zum Thema SR gibt. Der Grad der Erfahrung, die Rolle der Bibliothekar*innen, die Art und Komplexität der SR, der Grad des Engagements mit anderen SR-Teammitgliedern und die institutionellen Erwartungen sind die Hauptaspekte, die den benötigten Zeitrahmen beeinflussen [12], [16]. Es ist zu beachten, dass Bibliothekar*innen in den D-A-CH-Ländern einen Mangel an Fähigkeiten und/oder Selbstvertrauen zum Ausdruck bringen, der ähnlich wie in anderen Studien zu beobachten ist [11], [12]. Die Beratung und Unterstützung für SR erfordert Fortbildung und Mentoring für Bibliothekar*innen [19], [20], [21]. Insbesondere diejenigen, die den Dienst implementieren wollen, haben angemerkt, dass sie sich ein allgemeines Verständnis der SR aneignen und von anderen Erfahrungen lernen möchten.
Rund um diese Dienste wurden mehrere Chancen identifiziert. Das Aufkommen neuer Trends wie Forschungsdatenmanagement [3], [22], [23] oder Open Science [24] bietet den medizinischen Bibliotheken neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Aufbaus von Netzwerken mit Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen [12], [18]. Dies würde auch eine potenzielle Erweiterung des Dienstleistungsangebots implizieren, was wiederum positiv zu einer besseren Wahrnehmung der eigenen und der institutionellen Arbeit beitragen würde [10], [11], [25].
Gleichzeitig stehen die medizinischen Bibliotheken unter einem unglaublichen Anpassungsdruck, den aufkommenden und sich intensivierenden Informationsbedarf in der Forschung erfolgreich zu decken. Der Mangel an finanziellen und personellen Ressourcen gefährdet die SR-Dienstleistungen. Nach Ansicht der medizinischen Bibliothekar*innen in D-A-CH Länder kann diese Situation zu einem Kompetenzverlust und zum Sinken des Wertes der medizinischen Bibliothek führen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass in zahlreichen SR über Suchstrategien entweder nicht oder nicht gut genug berichtet wird, um eine Reproduzierbarkeit zu ermöglichen [26]. Außerdem enthalten viele von ihnen Fehler, die sich auf die Präzision und den Recall auswirken und somit die Gesamtqualität von SR beeinträchtigen und Forschungsbias und Research Waste fördern [14], [25], [27], [28], [29].
Eine der Stärken, welche die Bibliothekar*innen angeben, ist die Kenntnis der verschiedenen Datenbanken und die Fähigkeit, unter anderem bei deren Auswahl zu beraten. Bramer et al. kamen zu dem Schluss, dass eine optimale Suche in SR zumindest Embase, MEDLINE, Web of Science und Google Scholar als Mindestanforderung durchsuchen sollte, um eine angemessene und effiziente Abdeckung zu gewährleisten [30]. Für die befragten medizinischen Bibliothekar*innen spielt eine zentrale Rolle die Recherche in den verschiedenen Oberflächen von MEDLINE, die kostenfrei oder kostengünstig zur Verfügung stehen. Interessant ist, dass die Bibliothekar*innen der Angebots-Gruppe vor allem die Ovid- und PubMed-Oberfläche nutzen, die der Gewünscht-Gruppe vor allem PubMed und mit größerem Abstand die Ovid- bzw. Web of Science-Oberfläche. Zu den Standard-Datenbanken gehören auch die Cochrane Library und Web of Science, die von einem überwiegenden Teil der Bibliotheken genutzt werden. EMBASE steht in vielen Einrichtungen nicht zur Verfügung, was auch die niedrigeren Zahlen verdeutlichen. Überraschend war, dass nur max. 20% der Kolleg*innen weitere zugängliche Datenbanken nennen, v.a. Google Scholar, CINAHL, Studienregister, PsycInfo und Scopus.
Limitation
Die Durchführung einer SWOT-Analyse mit offenen Fragen hat einige wichtige Nachteile: Sie sind zeitaufwendig, führen zu niedrigen Rücklaufquoten (90 Bibliothekar*innen haben mit der Umfrage begonnen, aber nur 60 haben sie abgeschlossen) und sind schwierig zu analysieren und zu interpretieren. Die Umfrage wurde über verschiedene E-Mail-Listen verteilt, die große Mehrheit kommt jedoch aus Deutschland, so dass die Schweiz und Österreich unterrepräsentiert sind. Außerdem war der Zeitrahmen mit ca. 2 Wochen knapp bemessen, so dass vielleicht nicht alle Bibliothekar*innen teilnehmen konnten.
Fazit
Auf der Grundlage der in der SWOT-Analyse extrahierten Daten hat die AG-EBM nun die Aufgabe, die Strategien festzulegen, die entwickelt werden müssen, um die Schwächen zu korrigieren, die Risiken anzugehen, die Stärken zu erhalten und die Chancen zu nutzen. Aus der Kombination der Stärken mit den identifizierten Chancen sollten sich die Potenziale ergeben, die für die Mitglieder der AG-EBM die vielversprechendsten Aktionslinien markieren werden. Auf der anderen Seite sollte unsere Arbeitsgruppe auf die Grenzen achten, die sich aus einer Kombination von Schwächen und Risiken ergeben.
Diese Ergebnisse werden auf der nächsten AGMB-Tagung erörtert, auf der die Strategien zur Verbesserung dieser Dienstleistungen, zur Entwicklung der Erfahrungen unserer Mitglieder, zur Förderung einer Kultur des Austauschs und zur Lobbyarbeit für den Sektor umrissen werden sollen.
Abkürzungen
- AG-EBM: Arbeitskreis Evidenzbasierte Medizin der AGMB
- AGMB: Arbeitsgemeinschaft für medizinisches Bibliothekswesen e.V.
- AspB: Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken e.V.
- D-A-CH: Deutschland, Österreich und die Schweiz
- DL: Dienstleistung
- EBM: Evidenzbasierte Medizin
- EbM-Netzwerk: Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.
- InetBib: Mailingliste Internet in Bibliotheken
- Medbib-l: Mailingliste Deutschsprachige Medizinische Bibliotheken
- SR: Systematisches Review
- SWOT-Analyse: Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats = Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken
Anmerkungen
Danksagung
Die Autoren danken Sabine Buroh für ihre Empfehlungen bei der Entwicklung der Umfrage sowie Kerstin Gimpl und Sabine Hoyer für die kritische Durchsicht des Manuskripts.
Interessenkonflikte
Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Finanzierung
Die Autoren wurden als Mitarbeiter ihrer Institution finanziert.
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