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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Einführung von Open-Access-Services an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Ein Praxisbericht

Launching open access services at the Charité – Universitätsmedizin Berlin. A practice report

Case Report Open Access

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  • corresponding author Ursula Flitner - Medizinische Bibliothek, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • author Steffi Grimm - Medizinische Bibliothek, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2019;19(1-2):Doc10

doi: 10.3205/mbi000435, urn:nbn:de:0183-mbi0004356

Veröffentlicht: 10. September 2019

© 2019 Flitner et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Einführung eines hochdotierten Open-Access-Fonds an der Charité wurde in einer Aufgabenteilung zwischen dem Quest Center des Berlin Institute of Health (BIH) und der Medizinischen Bibliothek der Charité bewältigt: Das BIH leistete erste konzeptionelle Vorarbeit und warb erfolgreich Fördermittel über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein. Die Bibliothek war daraufhin herausgefordert, sehr kurzfristig ein operatives Team einzustellen und zugleich skalierbare Arbeitsabläufe für die Beratung der Vielzahl von Autor*innen an einer großen medizinischen Fakultät und die finanzielle Förderung einer entsprechend hohen Zahl an Open-Access-Publikationen sicherzustellen. Der Publikationsfonds wurde schon in seinem ersten Jahr zu einem Erfolg. Der vorliegende Beitrag stellt die lokalen Bedingungen und die Services der Medizinischen Bibliothek vor.

Schlüsselwörter: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Medizinische Bibliothek der Charité, Open Access, Publikationsfonds, Förderkriterien, Erfahrungsbericht

Abstract

The launch of a significantly well-provided open access fund at the Charité was achieved through a division of tasks between the Quest Center at the Berlin Institute of Health (BIH) and the Charité Medical Library. The BIH did initial conceptual preparatory work and successfully applied for funding from the German Research Foundation (DFG). The library took on the challenges of hiring an operational team at a very short notice and building scalable workflows for both advising a substantial number of authors at a large medical school and funding a correspondingly large number of open access publications. The publication fund was an immediate success in its first year. This article details local conditions and the Charité Medical Library’s services which lie behind this success.

Keywords: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charité Medical Library, open access, publication fund, funding criteria, case report


Voraussetzungen

Forschende im Bereich der (Bio-)Medizin und Health Sciences haben die Möglichkeit des Open-Access-Publizierens vergleichsweise schnell ergriffen und der Anteil an Open Access publizierten Artikeln an ihrem gesamten Publikationsaufkommen zählt heute zu den höchsten weltweit im Vergleich der Disziplinen [1]. Die Gründung der Open-Access-Plattformen BioMed Central und PLOS um die Jahrtausendwende sowie Verpflichtungen zum Open-Access-Publizieren seitens maßgeblicher Forschungsförderinstitutionen – wie etwa des Wellcome Trust [2], der National Institutes of Health (NIH) [3] und der Bill & Melinda Gates Foundation [4] – dürften diese Entwicklung deutlich befördert haben.

Wenn dies auch gute Voraussetzungen sind, so ist Open Access auch in der Medizin kein Selbstläufer. Es bedarf vielmehr weiterhin – strukturell wie finanziell – der systematischen Unterstützung, um zugunsten von Open Access nachhaltig eine Publikationspraxis zu ändern, die sich gerade auch in der Medizin lange Zeit stark am Impact Factor der Journal Citation Reports als wesentlichem Maßstab für Qualität orientierte. Die Unzulänglichkeit solcher Leistungsbewertung und ihre unerwünschten Effekte sind zunehmend in den Fokus gerückt und weitreichende Schlüsse daraus gezogen worden: Damit sich das Potential von Open Access voll entfalten kann, muss seine Förderung eingebettet sein in Bemühungen um neue Metriken und Verfahren zur Bewertung wissenschaftlicher Leistungen, um neue Ansätze für Anreiz- und Belohnungssysteme in der Wissenschaft, wie sie 2013 medienwirksam erstmals mit der San Francisco Declaration on Research Assessment (DORA) [5] gefordert wurden, im Entwurf der European Open Science Agenda [6] enthalten sind und in Deutschland 2017 auch in einer Resolution der Arbeitsgemeinschaft Hochschulmedizin [7] festgehalten wurden. Bemüht darum, die Zugänglichkeit zu ihrer Forschung deutlich zu erhöhen, verfolgt die Charité einen solch weitgefassten Ansatz.

Die Charité hat 2018 die Berliner Erklärung [8] unterzeichnet und teilt das Ziel der im Oktober 2015 vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedeten Open-Access-Strategie für Berlin [9], wonach 60% der Publikationen von Wissenschaftler*innen Berliner Hochschulen und Forschungseinrichtungen bis 2020 Open Access sein sollen. Sie ermutigt ihre Wissenschaftler*innen ausdrücklich zum Open-Access-Publizieren und stellt Mittel und Services zur Unterstützung einer neuen Publikationskultur bereit.

Zur Steuerung der Aktivitäten und dauerhaften Förderung von Open Access beraten sich anlassbezogen der Dekan und weitere Mitglieder der Fakultätsleitung, darunter die Kaufmännische Leiterin der Fakultät, Vertreter*innen der IT und der Rechtsabteilung der Charité sowie die Leiterin und das Open-Access-Team der Medizinischen Bibliothek, die das Thema auch in die Gremien der akademischen Selbstverwaltung einbringen. Die Entwicklung der Workflows zur Förderung von Open-Access-Publikationen erfolgt darüber hinaus in Kooperation mit den Geschäftsbereichen IT und Finanzen, mit der Drittmittelstelle, dem Controlling und der Datenschutzbeauftragten. Die vielfältig mögliche und notwendige Vernetzung, die Open Access als wissenschaftspolitisches Thema und Praxis bietet, werden von der Medizinischen Bibliothek in jeder Hinsicht begrüßt: als Kooperationschance sowie als Gelegenheit zur strategischen Aufstellung der Bibliothek.

Starke Unterstützung bei der Förderung von Open Science erfährt die Charité auch vom QUEST Center (https://www.bihealth.org/de/forschung/quest-center/) des 2013 von der Charité und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) gegründeten Berlin Institute of Health (BIH). QUEST steht für Quality, Ethics, Open Science, Translation. Das Center initiiert Projekte und erforscht Maßnahmen zur Transformation biomedizinischer Forschung. Dabei sieht es Open Science als ein geeignetes Mittel zur Steigerung der Werthaltigkeit und des Nutzens biomedizinischer Forschung und entwickelt u.a. neue Anreiz- und Belohnungssysteme für die Wissenschaft und führt Pilotstudien zur Förderung von Open Science durch. Am QUEST Center wurde die erste Open-Access-Beauftragte für BIH und Charité angesiedelt, Co-Autorin und Koordinatorin des ersten erfolgreichen DFG-Antrags zur Einrichtung eines Publikationsfonds an der Charité, den die Medizinische Bibliothek bewirtschaftet. Ende 2018 wurde die Stelle der Open-Access-Beauftragten am QUEST Center zugunsten einer Stelle für Forschungsdatenmanagement und Open Data aufgegeben; seit Anfang 2019 bietet das Center in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Bibliothek auch Open-Data-Workshops an. Das Thema Open Access wurde ganz an die Medizinische Bibliothek „übergeben“, wo auch die neu zu besetzende Open-Access-Beauftragten-Stelle angesiedelt sein wird.

Sowohl für Open Access wie auch für Open Data sind Policies in Arbeit, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BIH und an der Charité mit einem klaren Bekenntnis pro Open Science Orientierungshilfe bieten sollen. 2017 bereits hatte die Charité Open Science als Kriterium bei Berufungsverfahren eingeführt. Bewerber*innen auf Charité-Professuren wird seitdem folgende Frage im Bewerbungsportal gestellt:

„Die Charité legt Wert auf transparente replizierbare Forschung und unterstützt die Ziele von Open Science (Open Access, Open Data). Hierzu zählen auch die Registrierung von Studien in Registern (DRKS, clinicaltrials.gov etc.), die Präregistrierung von Studien und die Publikation von Negativ- und Null-Resultaten. In welcher Weise haben Sie diese Ziele bisher verfolgt und was planen Sie hierzu in Zukunft?“

Als erste medizinische Fakultät in Deutschland belohnt die Charité ab 2019 das uneingeschränkte Verfügbarmachen von Rohdaten (Open Data) zu Ergebnissen aus Originalarbeiten im Rahmen der leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM). Für die Bewertung von Publikationen soll neben der Relative Citation Ratio (RCR) der NIH und dem Journal Impact Factor der Web of Science Group künftig auch Open Access bei LOM berücksichtigt werden können. Dazu sollen die im Forschungsinformationssystem FACTScience erfassten Publikationen von Charité-Angehörigen um Angaben zum Open-Access-Status (Gold, Hybrid, Green, Closed) ergänzt werden, der über eine Schnittstelle zu Unpaywall (https://unpaywall.org/) ermittelt werden soll. Die IT-Abteilung der Charité hat hierzu ein mit der Medizinischen Bibliothek abgestimmtes, technisches Konzept in die Gremien eingebracht.

Die Charité, vertreten durch die Medizinische Bibliothek, engagiert sich in zwei berlinweiten Open-Access-Arbeitsgruppen, in der „AG Open-Access-Strategie Berlin“ des Senats von Berlin, die den Prozess der Umsetzung der Berliner Open-Access-Strategie begleitet, sowie im „Arbeitskreis der Berliner Open-Access-Beauftragten“, koordiniert vom Open-Access-Büro Berlin (http://www.open-access-berlin.de), und beteiligt sich am Berliner Open-Access-Monitoring, dessen dritter Bricht für das Jahr 2017 [10] inzwischen vorliegt.

Zur weiteren Förderung von Open-Access-Infrastrukturen ist die Medizinische Bibliothek der Charité 2018 als förderndes Mitglied dem DSpace-Konsortium Deutschland [11] beigetreten. Sie unterstützt das Directory of Open Access Journals (DOAJ) (https://doaj.org/) als wichtiges Nachweisinstrument qualitätsgesicherter Open-Access-Zeitschriften sowie seit 2019 auch das Directory of Open Access Books (DOAB) (https://www.doabooks.org/) als zentrale Serviceplattform für die Auffindbarkeit und Sichtbarkeit von Open-Access-Monografien.


Services

Publikationsfonds

Zentrales Instrument der Open-Access-Aktivitäten an der Charité ist der 2018 mit Unterstützung der DFG eingerichtete Publikationsfonds [12] zur Entlastung von Charité-Angehörigen bei der Finanzierung von Article Processing Charges (APC), die beim Open-Access-Publizieren in der Regel fällig werden.

Die Charité gehört zu den publikationsstarken Wissenschaftseinrichtungen: 2017 veröffentlichten Charité-affiliierte Wissenschaftler*innen über 3.900 Artikel in qualitätsgeprüften wissenschaftlichen Zeitschriften, 2018 waren es über 4.400. Vor diesem Hintergrund wurden Vorbereitungen für die Bewirtschaftung eines Publikationsfonds getroffen mit der Vorgabe, dass Angebote und Verfahren skalierbar sein müssen. Da mit einem hohen Aufkommen an Anfragen und Förderanträgen gerechnet werden musste, schien zweierlei unverzichtbar: eine solide personelle Ausstattung für ein „Open-Access-Team“ und ein Issue-Tracking-System, das die effiziente, auch parallele Antragsbearbeitung und Beratung vielzähliger Autor*innen der Charité per Mail erlaubt. Die Medizinische Bibliothek wurde mit zusätzlichen Mitteln personell gestärkt: zwei Vollzeitstellen für Open Access wurden Anfang 2018, eine dritte im Herbst besetzt. Das Ticket-System (OTRS) wurde eingerichtet und machte sich schon in der ersten Woche bezahlt, in der mehr Förderanträge und Anfragen eingingen als mit einer einfachen Email-Adresse hätte überblickt und effizient bearbeitet werden können.

Eine weitere, wesentliche Vorbereitung für den Start in die Förderung war die Bereitstellung von Web-Formularen, mithilfe derer Anträge auf Direktbezahlung wie auch auf Umbuchung (bereits mit Haushaltsmitteln beglichener Kosten) vollständig elektronisch eingereicht werden können.

Dies sorgt nicht nur für gewünschte Niedrigschwelligkeit des Angebots, sondern auch für Entlastung der Bearbeiter*innen und, als positiver Nebeneffekt, für die Reduktion des Papierverbrauchs.

Schließlich gehörte zur Vorbereitung die Bereitstellung informativer Webseiten, die Autor*innen einen raschen Überblick über Angebote und Verfahren erlauben und damit auch den individuellen Beratungsbedarf senken.

Seit seinem Start wird der Fonds regelmäßig beworben: In der Rubrik „Ausgewählte Publikationen“ des monatlichen Charité-Newsletters werden Open-Access-Publikationen gekennzeichnet und das verwendete Symbol mit Hinweis auf den Publikationsfonds erläutert.

Der Fonds wurde von Beginn an sehr gut angenommen: 2018 konnten 235 Publikationen mit insgesamt € 386.319,14 gefördert werden. Die ursprünglich für 2018 geplanten Fördermittel wurden dazu um rd. € 58.000 aufgestockt. Zur Erhöhung der Markttransparenz wurden die Daten an OpenAPC geliefert [13]. Im ersten Halbjahr 2019 wurden bereits 136 Artikel mit einem durchschnittlichen Bruttopreis von € 1.649,27 finanziert. Die Fördermittel sollen, wenn möglich, auch 2019 bedarfsbezogen erhöht werden.

Für den Fall, dass sich eine deutliche Überschreitung des Jahresbudgets abzeichnet, war seit Planung des Fonds beabsichtigt, Anträge nach weiteren Kriterien zu priorisieren. Über die bekannten DFG-Förderkriterien hinaus sollte ein Artikel, um gefördert zu werden, dann mindestens auch eines der folgenden Kriterien erfüllen:

  • Der Artikel präsentiert Ergebnisse eines präregistrierten Forschungsvorhabens.
  • Der Artikel wurde vor Einreichung bei einer Zeitschrift als Preprint veröffentlicht.
  • Die den Ergebnissen zugrundeliegenden Originaldaten der Publikation sind frei zugänglich (über ein fachspezifisches oder institutionelles Repositorium).
  • Die Publikation präsentiert sogenannte NULL-Resultate.
  • Der Artikel stellt Primärresultate einer registrierten klinischen Studie binnen 24 Monate nach Studienabschluss dar.

Angeregt wurden diese Kriterien in der oben erwähnten Vorbereitungsphase vom QUEST Center des BIH. Die Umsetzung des Vorhabens wurde jedoch verschoben, da eine realistische Schätzung der Anzahl von Artikeln, die solche zusätzlichen Kriterien erfüllen, nicht möglich schien. Das Risiko, durch Erhöhung der Anforderungen zahlreiche nach DFG-Kriterien förderfähige Artikel unberücksichtigt zu lassen, Open Access zu demotivieren und vorhandene Fördermittel womöglich nicht ganz auszuschöpfen, schien zu hoch. Der Ansatz wird jedoch weiterverfolgt.

Information und Beratung

Die Information und Beratung von Autor*innen und Multiplikator*innen der Charité erfolgt auf verschiedenen Wegen. Eine zentrale Website der Medizinischen Bibliothek [14] bietet ausführliche Informationen über das Serviceangebot. Ergänzend werden anlassbezogene Rundmails an das wissenschaftliche Personal der Charité versandt sowie Posts im Intranet veröffentlicht. Die individuelle Beratung erfolgt telefonisch, per Mail oder persönlich vor Ort, die Einführung einer Open-Access-Sprechstunde steht bevor. Die auf Deutsch und Englisch durchgeführten Workshops „Wie veröffentlicht man Open-Access-Zeitschriftenartikel” bzw. „How to Publish Open Access Journal Articles“ [15], die in Schulungsräumen auf drei der vier Charité Campus stattfinden und sowohl theoretische Grundlagen wie praktische Übungen enthalten, sind für Gruppen konzipiert und mit Credit Points anrechnungsfähig als promotionsbegleitende Qualifizierung.

Die Förderkriterien des Publikationsfonds – vor allem die DFG-Förderhöchstgrenze von € 2.000 und der Ausschluss von hybriden Zeitschriften –, der grüne Weg des Open Access und Qualitätsstandards des wissenschaftlichen Publizierens bilden die inhaltlichen Schwerpunkte der Beratung.

Das Open-Access-Team empfiehlt Autor*innen, bei APC von über € 2.000, Preisnachlässe bei Verlagen unter Hinweis auf die DFG-Richtlinien zu verhandeln. Zur Unterstützung werden den Autor*innen vorformulierte Mailanfragen und Bestätigungsschreiben über die Förderbedingungen zur Verfügung gestellt. Positive Erfahrungen mit individuellen Vertragsverhandlungen, die Preisnachlässe bis in den vierstelligen Bereich zeitigten, sprechen dafür, diese Option weiterhin stark zu bewerben: Allein im Zeitraum 01.01. bis 30.06.2019 konnte für 33 von 136 Artikeln erfolgreich auf € 2.000 brutto nachverhandelt werden, darunter auch ein Artikel in einer Nature-Zeitschrift mit einem Ausgangspreis von € 5.105 brutto.

Die Beratungspraxis zeigt, dass der Unterschied zwischen der Veröffentlichung in einer reinen Open-Access-Zeitschrift und der Open-Access-Option von hybriden Zeitschriften vielen Autor*innen nicht bekannt ist. Das Open-Access-Team sensibilisiert daher für das Problem des Double Dipping bei hybriden Zeitschriften und zeigt Autor*innen den alternativ möglichen Weg einer Open-Access-Zweitveröffentlichung auf. Wird eine Förderung abgelehnt, weil der Artikel in einer Hybrid-Zeitschrift erscheinen soll, enthält die Absage bereits konkrete Informationen über die rechtlichen Bedingungen einer Zweitveröffentlichung für diesen Artikel. Grundlage hierfür ist derzeit SHERPA/RoMEO (http://sherpa.ac.uk/romeo/), wobei auch die Originaltexte der Verlags-Policies herangezogen werden.

Die Biomedical Alliance in Europe (BioMed Alliance) veröffentlichte im Februar 2019 ein Statement [16] zu Plan S [17]. Während Open Access als Standard des wissenschaftlichen Publizierens und die Initiative der Coalition S grundlegend befürwortet werden, beziehen sich deutliche Bedenken namentlich auch auf die Qualitätssicherung. Dies spiegelt sich im Beratungsbedarf an der Charité wider: vielfach zielen Fragen von Autor*innen auf die Vermeidung sog. Raubverlage und Möglichkeiten der Identifizierung qualitätsgesicherter Open-Access-Zeitschriften. Das Open-Access-Team bewirbt hier neben dem DOAJ auch die vom BIH gepflegte Open Access Journal Whitelist [18]. Diese ist ein recherchier- und sortierbarer, fachlicher Auszug aus dem DOAJ, der auch Angaben zur Höhe der Publikationsgebühren und Förderfähigkeit durch den Publikationsfonds enthält.

Darüber hinaus werden Autor*innen über die Website Think Check Submit (http://thinkchecksubmit.org/translations/german/) informiert, deren Fragen- und Kriterienkatalog hilfreich bei der Entscheidung für eine Zeitschrift ist. Qualitäts- und Finanzierungsfragen ergeben sich auch in Bezug auf Plattformen wie F1000Research (https://f1000research.com/), bioRxiv (https://www.biorxiv.org/) und medRxiv (https://www.medrxiv.org/), die nach kurzer formaler Prüfung wissenschaftliche Ergebnisse vor dem eigentlichen Begutachtungsprozess publizieren. So wichtig in der Medizin der schnelle Austausch wissenschaftlicher Ergebnisse ist (F1000Research veröffentlicht Preprints inklusive der dazugehörigen Daten innerhalb einer Woche [19]), so wichtig ist die Aufklärung über die jeweiligen Bedingungen des wissenschaftlichen Publizierens. Der Ende Juni 2019 live gegangene Preprint-Server medRxiv warnt Nutzer*innen deutlich auf der Startseite: „Caution: Preprints are preliminary reports of work that have not been peer-reviewed. They should not be relied on to guide clinical practice or health-related behavior and should not be reported in news media as established information.” [20] Auch bioRxiv weist transparent auf fehlende Begutachtungsprozesse bei Vorabveröffentlichungen hin, indem z.B. die Kopfzeilen der Volltexte von Preprints einen entsprechenden Vermerk erhalten und Metadaten im Nachhinein mit Verweisen auf die begutachtete Version angereichert werden [21]. Die Open-Access-Beratung von Bibliotheken ist hier deutlich gefordert, Fragen zu Preprints, Qualitätssicherung und Qualitätsstandards zu beantworten.

Die finanzielle Förderung von Preprints kann u.E. nur zeitversetzt erfolgen. F1000Research etwa ist im DOAJ gelistet und stellt Preprints unmittelbar nach der Veröffentlichung für einen Open Peer Review zur Verfügung, wobei APCs anfallen. Über den DFG-Publikationsfonds können APCs jedoch erst finanziert werden, wenn ein Preprint das offene Begutachtungsverfahren erfolgreich durchlaufen hat und als begutachtete Artikelversion publiziert wurde.

Rahmen- und Transformationsverträge

Rahmenverträge mit Charité-seitig stark nachgefragten Verlagen beinhalten eine Rabattierung auf Listenpreise und/oder die Festsetzung von Mitteln über Depots und die zentrale Rechnungslegung an die Bibliothek. Wissenschaftler*innen werden damit sowohl finanziell als auch organisatorisch entlastet. Aktuell bestehen Vereinbarungen mit Frontiers, JMIR, MDPI und PLOS. Durch die Teilnahme der Bibliothek an überregionalen Konsortien im Kontext von Allianzlizenzen, wie z.B. mit BMJ Publishing Group, Sage oder Karger, erhalten Angehörige der Charité weitere Rabatte.

Die Charité nimmt teil am großen „DEAL“-Transformationsvertrag mit dem Verlag Wiley [22] sowie am kleinen Bibliothekskonsortium des DFG-geförderten Pilotprojekts zur Transformation der Thieme-Fachzeitschrift „Hormone and Metabolic Research“ [23]. Nach erfolglosen Verhandlungen im Sommer 2018 um einen konsortialen Transformationsvertrag mit dem Verlag Lippincott, Williams & Wilkins für die medizinischen Fakultäten Deutschlands hat die Charité den bis dahin laufenden Paket-Vertrag mit dem Verlag gekündigt, um ihrer Position Nachdruck zu verleihen, weitere Mittel für Open-Access-Publikationen zu gewinnen und den Sockel für künftige Verhandlungen niedrig zu halten.

Zweitveröffentlichungen

Um Open Access umfassend zu fördern und als Standard des wissenschaftlichen Publizierens an der Charité zu etablieren, wird an der Medizinischen Bibliothek auch ein Service für den grünen Weg aufgebaut. Die Leiterin des Open-Access-Teams der Medizinischen Bibliothek ist Mitverfasserin eines aktuellen Artikels, der Ansätze und Hürden bei der Beförderung des grünen Wegs zusammenfasst [24]. Um Synergien zu nutzen wie auch vor dem Hintergrund der Berlin University Alliance (https://www.berlin-university-alliance.de/) wird gerade verhandelt, wie das institutionelle Repositorium der Freien Universität Berlin, das die Charité vormals nur für ihre Hochschulschriften in Anspruch nahm, künftig als umfassendes Repositorium für alle Publikationen der Charité eingerichtet werden kann. Der Service für Zweitveröffentlichungen befindet sich im Aufbau und wird von Bibliotheksseite noch zurückhaltend beworben; Einreichungen von Charité-Angehörigen werden jedoch bereits bearbeitet und im Repositorium freigeschaltet. Ziel ist, teilautomatisierte Workflows zu entwickeln, um den Aufwand bei der Akquise von Publikationsdaten, der Prüfung der rechtlichen Bedingungen für einzelne Artikel und der einzelnen Schritte bis zur Zweitveröffentlichung zu reduzieren.

Online verfügbar ist schon ein Charité-spezifisches Titelblatt [25] als LaTeX-Datei zur Einbindung von bibliografischen Angaben, Dateiversionen und Verweisen auf die Erstveröffentlichung. Das Titelblatt kann bei der Veröffentlichung von Preprints, Postprints und Erstveröffentlichungen (z.B. Working Paper) in Repositorien in die jeweilige PDF-Datei eingebunden werden. So ist die Identifizierung und Einordnung des Artikels jederzeit möglich und die Charité als Beteiligte an der Veröffentlichung gut sichtbar.


Ausblick

Die Berliner Open-Access-Strategie fordert langfristig den „Aufbau einer Publikationsplattform/eines Universitätsverlags auf der Grundlage eines Open-Access-Geschäftsmodells für den Bereich Monografien, Sammelbände und Zeitschriften“ [8].

Die Bibliotheken der Berliner Universitäten und der Charité als wichtige Infrastruktureinrichtungen entwickeln jetzt auf der Basis einer „Bestandsaufnahme und Modellentwicklung“ [26] Konzepte für Strukturen und Services, die unabhängig von der jeweiligen Hochschulzugehörigkeit berlinweit in Anspruch genommen werden können.

Unter dem Namen Berlin University Alliance haben sich die Freie Universität Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin, die Technische Universität Berlin sowie die Charité – Universitätsmedizin Berlin gemeinsam erfolgreich in der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder beworben. Die Förderung soll auch die gemeinsamen Bemühungen um Open Science voranbringen.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorinnen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
European Commission. Open Science Monitor: trends for open access to publications. Available from: https://ec.europa.eu/info/research-and-innovation/strategy/goals-research-and-innovation-policy/open-science/open-science-monitor/trends-open-access-publications_en Externer Link
2.
Wellcome Trust. Open Access Policy. 2006. Available from: https://wellcome.ac.uk/funding/guidance/open-access-policy Externer Link
3.
National Institutes of Health. Revised policy on enhancing public access to archived publications resulting from NIH-funded research. 2008. Available from: https://grants.nih.gov/grants/guide/notice-files/NOT-OD-08-033.html Externer Link
4.
Bill & Melinda Gates Foundation. Open Access Policy. 2015. Available from: https://www.gatesfoundation.org/How-We-Work/General-Information/Open-Access-Policy Externer Link
5.
San Francisco Declaration on Research Assessment. 2013. Available from: https://sfdora.org/read/ Externer Link
6.
European Commission. Draft European Open Science Agenda. 2016. Available from: http://ec.europa.eu/research/openscience/pdf/draft_european_open_science_agenda.pdf Externer Link
7.
Arbeitsgemeinschaft Hochschulmedizin. Wissenschaftsadäquate Kriterien zur Messung der Forschungsleistungen. 2017. Available from: https://medizinische-fakultaeten.de/wp-content/uploads/2017/12/resolution_ag_med-wissenschaftsad__quate_ kriterien.pdf Externer Link
8.
Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities. 2003. Available from: https://openaccess.mpg.de/Berliner-Erklaerung Externer Link
9.
Abgeordnetenhaus Berlin. Open-Access-Strategie für Berlin. Wissenschaftliche Publikationen für jedermann zugänglich und nutzbar machen (Drucksache 17/2512). 2015. Available from: https://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/d17-2512.pdf Externer Link
10.
Hübner A, Voigt M, Finke P, Riesenweber C. Open-Access-Anteil bei Zeitschriftenartikeln von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Einrichtungen des Landes Berlin: Datenauswertung für das Jahr 2017. 2019. DOI: 10.14279/depositonce-7866 Externer Link
11.
DuraSpace Members. Available from: https://duraspace.org/membership/duraspace-members/ Externer Link
12.
Medizinische Bibliothek der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Publikationsfonds. Available from: https://bibliothek.charite.de/publizieren/publikationsfonds/ Externer Link
13.
OpenAPC. 2018. Available from: https://treemaps.intact-project.org/apcdata/openapc/#institution/is_hybrid=FALSE&period=2018 Externer Link
14.
Medizinische Bibliothek der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Publizieren. Available from: https://bibliothek.charite.de/publizieren/ Externer Link
15.
Medizinische Bibliothek der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Lernangebote. Available from: https://bibliothek.charite.de/die_bibliothek_benutzen/lernangebote/ Externer Link
16.
Biomedical Alliance in Europe. Statement on Plan S. 2019. Available from: https://www.biomedeurope.org/images/pdf/news/Statement_implementation_Plan_S.pdf Externer Link
17.
Coalition S. Plan S. Making full and immediate Open Access a reality. 2019. Available from: https://www.coalition-s.org/ Externer Link
18.
BIH QUEST Center for Transforming Biomedical Research. Open Access Journal Whitelist. Available from: http://s-quest.bihealth.org:3838/OAWhitelist/ Externer Link
19.
F1000Research. How it Works. Available from: https://f1000research.com/about Externer Link
20.
medRxiv – The Preprint Server for Health Sciences. Available from: https://www.medrxiv.org/ Externer Link
21.
bioRxiv – The Preprint Server for Biology. About bioRxiv. Available from: https://www.biorxiv.org/about-biorxiv Externer Link
22.
Herrmann G, Hippler H, Meijer G, Sander F, Schimmer R. Publish and Access Agreement Projekt DEAL and Wiley. 2019. DOI: 10.17617/2.3027595 Externer Link
23.
Ostrzinski U. DFG fördert Projekt zur Open-Access-Transformation – Bibliothekskonsortium und Thieme kooperieren. In: Informationsdienst Wissenschaft. 2019. Available from: https://idw-online.de/de/news712687 Externer Link
24.
Blasetti A, Golda S, Göhring D, Grimm S, Kroll N, Sievers D, Voigt M. Smash the Paywalls: Workflows und Werkzeuge für den grünen Weg des Open Access. In: Informationspraxis. 2019;5(1). DOI: 10.11588/ip.2019.1.52671 Externer Link
25.
Medizinische Bibliothek der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Berlin Repository Cover Sheet Template. Available from: https://www.overleaf.com/latex/templates/charite-universitatsmedizin-berlin-repository-cover-sheet-template/bypqttrsbjmn Externer Link
26.
Christof J, Degkwitz A, Flitner U, Hübner A, Kowalak M, Neumann G, Riesenweber C, Schlegel B, Schobert D, Winterhalter C. Open-Access-Publikationsinfrastrukturen für Berlin. Bestandsaufnahme und Modellentwicklung – Bericht der Arbeitsgruppe „Open-Access-Publikationsplattformen“. 2017. DOI: 10.14279/depositonce-6398 Externer Link