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Nutzung und Nützlichkeit von Informationsressourcen im Praktischen Jahr: Eine Studie an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster
Usage and usefulness of information resources during the sub-internship: a study at the medical faculty of the University Münster
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Veröffentlicht: | 21. Dezember 2018 |
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Gliederung
Zusammenfassung
In dieser Studie untersuchte die Zweigbibliothek Medizin der Universität Münster die Nutzung und Nützlichkeit von acht kostenpflichtigen und sieben kostenfreien Informationsressourcen für Studierende im Praktischen Jahr. In der Studie sollte herausgefunden werden, welche dieser 15 Tools die Entscheidungsfindung bei Diagnose und Therapie im Praktischen Jahr (PJ) unterstützen. Die Studie lief von Mai 2017 bis April 2018. Sie wurde über eine geschlossene Facebook-Gruppe administriert. Die Herausforderung des PJ für die Studierenden besteht darin, dass sie zum ersten Mal als ärztliche Mitarbeiter in die Krankenversorgung eingebunden sind. Die Herausforderung des PJ für die Bibliothek besteht darin, den Studierenden im PJ als Nutzer und Kunden wahrzunehmen und zu versorgen. Zwei kostenpflichtige Ressourcen erwiesen sich als wirklich nützlich im PJ: Amboss, das Lern- und Prüfungsportal, sowie UpToDate, das Clinical Decision System. Das Engagement der Bibliothek für PJ-Studierende wurde als nützlich und wichtig angesehen.
Abstract
In the study, the Branch Library of Medicine examined use and usefulness of eight fee-based and seven free information resources for students in the last year of their study, the sub-internship or final year medical education (“Praktisches Jahr”). The aim of the study was to find out which of these 15 tools support decision making in diagnosis and therapy. The study ran from May 2017 to April 2018 and was administered via a closed Facebook group. The “Praktisches Jahr” (PJ) represents a turning point because as a member of the medical team the student is deeply involved in health care for the first time. The challenge for the library is how to supply the PJ students with handy resources. Ttwo fee-based resources were especially useful for the PJ students: the learning and examination portal Amboss and UpToDate, the widely used clinical decision system. The library’s commitment to sub-interns was seen as useful and important.
Einleitung
Bibliotheken
Medizinbibliotheken kennen die Studierenden, die sie sehen. Die Studierenden, die in die Bibliothek kommen, werden versorgt: Die Erstsemester, die alle Lehrbücher ausleihen. Die Physikumslerner, die Millionen Fragen in Amboss oder examen online ankreuzen. Die Doktoranden, die vor PubMed und Zitierweisen verzweifeln. Nach dem 2. Staatsexamen wird es ruhig. Die Studierenden räumen ihr Schließfach und gehen für das Praktische Jahr (PJ) in die Klinik. Die Bibliothek sieht sie nicht mehr. Die Studierenden, die man nicht sieht, werden nicht versorgt. Diese Klientel gilt es wieder in den Blick zu rücken. Auch deshalb wurde diese Studie durchgeführt. Können Bibliotheks-vermittelte Informationsressourcen für Medizinstudierende im PJ nützlich sein?
Praktisches Jahr (PJ)
Das PJ ist ein 12-monatiger Abschnitt nach dem 2. Staatsexamen, der aus drei Fachtertialen besteht (Innere, Chirurgie, Wahlfach). Er stellt eine Zäsur in der medizinischen Ausbildung dar, da der Studierende hier zum ersten Mal als ärztlicher, wenn auch nicht approbierter Mitarbeiter in die Krankenversorgung eingebunden ist (siehe auch: Anmerkung). Die Einübung praktischer Fähigkeiten kann im Pflegepraktikum, in der Famulatur oder in anderen Settings (Studienhospital) simuliert werden, im PJ wird aber aus Simulation Ernst. Ob man jetzt nur als „Aufnahmeknecht“ oder als vollwertiger Hilfsarzt eingesetzt wird [1], viele Studierende fühlen sich durch diese „letzte Wasserscheide zwischen einem oftmals im Übermaß theoretisierten Medizinstudium und der Arbeit als Assistenzarzt“ [2] überfordert [3]. Sie sind durch das Studium nicht richtig auf das PJ vorbereitet und haben große Wissenslücken [4]. Die Kluft zwischen Fähigkeiten und Aufgaben führt bei ihnen zu zahlreichen Fragen, die aber nicht alle beantwortet werden [5]. Diese Situation birgt die Gefahr einer schlechteren medizinischen Versorgung der Patienten in den Anfangsmonaten des PJ. Eine solche Verschlechterung ist in US-amerikanischen Krankenhäusern bekannt. Sie wird nach dem Anfangsmonat des Internship als Juli-Effekt bezeichnet [6].
Methode
Setting
In der Studie stellte die Zweigbibliothek 12 Medizinstudierenden im Praktischen Jahr (PJler) acht kostenpflichtige Ressourcen für das PJ zur Verfügung. Des Weiteren wurde die Nutzung von sieben allgemein zugänglichen, kostenfreien Ressourcen untersucht, die üblicherweise bei der medizinischen Entscheidungsfindung ebenfalls benutzt werden. In der Studie sollte herausgefunden werden, welche Programme die Entscheidungsfindung bei Diagnose und Therapie im PJ besonders gut unterstützen. Das PJ – und die Studie – startete nach dem 2. Staatsexamen, am 15. Mai 2017, und endete am 13. April 2018, vor dem 3. Staatsexamen.
Informationsressourcen
Von den acht kostenpflichtigen Ressourcen waren vier extra für die Studie von der Bibliothek lizenziert worden (AnamneseGuide, Diagnosaurus DDx, Isabel DDx, Medizinwelten). Die restlichen vier Tools waren ebenfalls nicht frei zugänglich, gehörten aber zum Standardportfolio der Bibliothek (Amboss, medStandards, UpToDate, VisualDx). Eine genaue Beschreibung dieser Ressourcen finden Sie im Anhang 1 [Anh. 1]. Die Thieme eRef gehörte nicht zum Testangebot, da zum damaligen Zeitpunkt nur allgemeine Studienliteratur sowie die Fachgebiete Anästhesie und Zahnmedizin lizenziert waren. Die parallel untersuchten, kostenfreien Ressourcen waren standardisierte Anleitungen der Klinik, Arzneimittelverzeichnisse, Google, Kollegen, Leitlinien, PubMed und Wikipedia.
Teilnehmer
Die 12 Studienteilnehmer rekrutierten sich aus dem Pasteur-Semester der Medizinischen Fakultät der WWU Münster. Fünf Teilnehmer waren weiblich, sieben männlich. Drei besaßen ein Android-Smartphone, acht ein iPhone. Zehn hatten zudem einen Tablet-Computer, davon einer ein Windows- und zwei ein Android-Tablet, sechs iPads und einmal ohne Angaben. Die Wahlpflichtfächer der Teilnehmer waren Allgemeinmedizin, Anästhesiologie, Augenheilkunde, Dermatologie, Neurologie (2x), Orthopädie, Pädiatrie (4x) und Neurochirurgie. Die PJler suchten sich hauptsächlich Krankenhäuser in der Umgebung oder welche, die sie bereits kannten, wie das Universitätsklinikum Münster oder andere Kliniken aus Münster wie das Clemenshospital, die Raphaelsklinik oder eine allgemeinmedizinische Praxis. Oft wurden auch heimatnahe Kliniken der Städte Bielefeld, Coesfeld, Dülmen, Essen, Gütersloh, Hagen, Köln, Konstanz, Leverkusen, Lingen, Steinfurt, Unna und Warendorf ausgewählt (Abbildung 1 [Abb. 1]). Vier PJler nutzten die Gelegenheit, um ins Ausland zu gehen (das ist in Absprache mit einer Heimatklinik in jedem Tertial für 8 Wochen möglich), hier waren die Orte der Wahl: Barcelona, La Reunion, Neufundland (2x) und Zürich.
Die Studie wurde über eine geschlossene Facebook-Gruppe administriert und mit zwei Online-Umfragen zu Beginn (Anhang 2 [Anh. 2]) und Ende (Anhang 3 [Anh. 3]) sowie standardisierten Interviews (Anhang 4 [Anh. 4]) während des Projekts evaluiert.
Ergebnisse für kostenpflichtige Ressourcen
Nutzung
Vor und nach dem PJ wurden die Teilnehmer der Studie danach gefragt, wie stark sie die acht kostenpflichtigen Ressourcen genutzt haben. Die Nutzung konnte auf einer Viererskala angegeben werden: öfters benutzt – seltener benutzt – nicht benutzt – nicht bekannt. In Abbildung 2 [Abb. 2] wurde die „öfters“-Nutzung dargestellt. Amboss wurde vor dem PJ von 92% aller Teilnehmer öfters benutzt, nachher sogar von 100%. UpToDate konnte seine Nutzungsrate im Verlaufe der Studie von 17% auf 67% steigern. Alle anderen Ressourcen wurden von keinem Teilnehmer vor dem PJ öfters benutzt, hinterher nur von jeweils einem (sieben bis neun Teilnehmer benutzten allerdings die übrigen Ressourcen hin und wieder, mit Ausnahme von Diagnosaurus DDx).
Zufriedenheit
Die Teilnehmer konnten auf einer fünfteiligen Skala (sehr zufrieden, zufrieden, teils/teils, unzufrieden, sehr unzufrieden) angeben, wie zufrieden sie mit den Ressourcen gewesen waren. Als Maß der Zufriedenheit wurden dann die Werte für sehr zufrieden und zufrieden zusammengezählt. Zu 100% zufrieden bzw. sehr zufrieden nach dem PJ waren die Teilnehmer nur mit Amboss und UpToDate. VisualDx, Medizinwelten und medStandards folgten mit 63% resp. 56% auf den weiteren Plätzen. Die übrigen Bibliotheks-Ressourcen Isabel DDx, Diagnosaurus DDx und AnamneseGuide landeten mit einer Zufriedenheit von 25% bis 33% deutlich abgeschlagen auf den hinteren Plätzen (Abbildung 3 [Abb. 3]).
Die Entwicklung der Zufriedenheit mit den Ressourcen AnamneseGuide, Diagnosaurus DDx, Isabel DDx, Medizinwelten und VisualDx ist allerdings mit Vorsicht zu interpretieren, da sie vor dem PJ kaum bekannt gewesen waren. Die Zufriedenheitsquoten nach dem PJ waren mit 25% bis 63% also durchweg ein Erfolg, sowohl für die Studie als auch für die Programme. Die große Ausnahme war medStandards, das vor der Studie von zwei Teilnehmern benutzt und mit zufrieden bewertet wurde (=100% Zufriedenheit), nach dem PJ allerdings fast eine Halbierung der Zufriedenheitsquote (auf 56%) erleben musste. Schaut man sich die Daten allerdings genauer an, hatten nach dem PJ neun Studierende das Programm genutzt, also ausprobieren können, von denen wiederum vier sehr zufrieden waren (vorher: 0) und einer zufrieden (vorher: 2). Weitere vier waren weder zufrieden noch unzufrieden.
Nutzung versus Zufriedenheit
Trägt man die Nutzung der einzelnen Ressourcen gegen deren Zufriedenheit auf, erhält man ein so genanntes „Aktions-Portfolio“, das es ermöglicht, die Ressourcen in vier Gruppen zu unterscheiden und diesen bestimmte Aktionen zuzuordnen (Abbildung 4 [Abb. 4]): Diejenigen Ressourcen, die eine hohe Nutzung aber eine niedrige Zufriedenheit verzeichnen (Rechteck rechts unten), sind kritisch zu hinterfragen. Diejenigen mit niedriger Nutzung und niedriger Zufriedenheit (Rechteck links unten) sind sofort abzubestellen, während die Ressourcen mit hoher Nutzung und hoher Zufriedenheit (Rechteck rechts oben) nicht nur langfristig weiter zu lizenzieren sind, sondern noch weiter beworben werden sollten. Ressourcen mit niedriger Nutzung aber hoher Zufriedenheit (Rechteck links oben) sind ebenfalls stärker zu bewerben.
Mit Amboss und UpToDate gehörten zwei Ressourcen unzweifelhaft zu den so genannten „Cash Cows“ im Quadranten rechts oben. Sie wiesen 100% Zufriedenheit auf bei 100% resp. 67% Nutzung und werden auf jeden Fall weiter lizenziert und beworben. Medizinwelten, medStandards und VisualDx zeichneten sich dagegen durch eine niedrige Nutzung bei hoher Zufriedenheit aus – sie gehörten also zu den Ressourcen mit Potential und sollten weiter beworben werden.
Die Ressourcen AnamneseGuide, Diagnosaurus DDx und Isabel DDx fielen mit geringer Nutzung und Zufriedenheit in den Quadranten links unten, waren also ohne Potential und sofort abzubestellen. Diese drei Programme sind Diagnosefinder, d.h. nach Eingabe von Symptomen werden mögliche Diagnosen genannt. Dies funktionierte – wie in den Interviews berichtet wurde – nicht zuverlässig und wurde als nicht hilfreich erlebt. Im Fall von Diagnosaurus DDx und Isabel DDx führte u.a. die Notwendigkeit, Symptome englisch einzugeben, zu schlechteren Diagnosetreffern.
Ergebnisse für kostenfreie Ressourcen
Nutzung
Die Teilnehmer wurden nach ihrer Nutzung von sieben allgemein zugänglichen, kostenfreien Ressourcen gefragt. Nutzung und Bekanntheitsgrad der Ressourcen konnten auf einer Viererskala angegeben werden (öfters – seltener – nicht benutzt – nicht bekannt). In Abbildung 5 [Abb. 5] wird die „öfters“-Nutzung dargestellt. Die höchste absolute Nutzung nach dem PJ hatten Google und Kollegen (je 92%), gefolgt von Leitlinien, die von drei Viertel der Teilnehmer öfters benutzt worden waren (75%). PubMed, Anleitungen der Klinik und Arzneimittelverzeichnisse wurden nur von etwa der Hälfte (58% bzw. 50%) öfters benutzt. Auf den ersten Blick erstaunt es, dass die klinikinternen und evidenz-basierten Quellen weniger oft genutzt wurden als Google. Eine naheliegende Erklärung lautet, dass es nicht für jede Fragestellung Leitlinien oder klinikinterne Anleitungen gab, und so dann trotzdem wieder gegoogelt werden musste. Dies muss laut Kim aber nicht automatisch zu schlechteren Antworten führen [7].
Die Nutzung aller Ressourcen – mit Ausnahme von Wikipedia – war im PJ höher als vorher. Am meisten legten Leitlinien (+42 Prozentpunkte), PubMed (+33 Prozentpunkte) und Anleitungen der Klinik (+33 Prozentpunkte) zu, gefolgt von den Kollegen (+25 Prozentpunkte), Google und Arzneimittelverzeichnissen (je +17 Prozentpunkte).
In der Synopsis mit den kostenpflichtigen Ressourcen belegte Amboss den 1. Platz bei der Nutzung, gefolgt von Google, Kollegen und Leitlinien. Danach kam mit UpToDate die zweite kostenpflichtige Ressource auf den 5. Platz. Auf die Plätze 6 bis 9 kamen mit PubMed, Klinikanleitungen, Arzneimittelverzeichnissen und Wikipedia vier kostenfreie Ressourcen. Die letzten sechs Plätze belegten die übrigen kostenpflichtigen Ressourcen.
Zufriedenheit
Die Teilnehmer konnten auf einer fünfteiligen Skala (sehr zufrieden, zufrieden, teils/teils, unzufrieden, sehr unzufrieden) angeben, wie zufrieden sie mit den kostenfreien Ressourcen gewesen waren. Als Maß der Zufriedenheit wurden dann die Werte für sehr zufrieden und zufrieden zusammengezählt (Abbildung 6 [Abb. 6]). Nach dem PJ waren die Teilnehmer am zufriedensten mit Kollegen und Leitlinien – nur jeweils ein Antwortender war nicht zufrieden mit einer dieser beiden Ressourcen. Mit PubMed, Klinikanleitungen und Arzneimittelverzeichnissen waren die PJler nur unwesentlich unzufriedener – 80% bis 83% lautete hier die Zustimmungsquote. Google fiel gegenüber diesen Ressourcen mit 58% deutlich ab, Wikipedia erlebte mit nur 33% Zufriedenheit gar ein kleines Debakel.
Bei allen Ressourcen stieg die Zufriedenheit im Verlauf des PJ eher an, als dass sie sank, nur bei den Arzneimittelverzeichnissen blieb sie auf demselben Wert. Am deutlichsten stieg die Zufriedenheit während des PJ mit PubMed (+38 Prozentpunkte), Klinikanleitungen (+20 Prozentpunkte) und Google (+16 Prozentpunkte). Selbst das selten genutzte Wikipedia legte zu, wenn auch nur um 8 Prozentpunkte.
In der Synopsis mit den kostenpflichtigen Ressourcen belegen Amboss und UpToDate den 1. Platz bei der Zufriedenheit, gefolgt von Kollegen, Leitlinien, PubMed, Klinikanleitungen und Arzneimittelverzeichnissen. Mit VisualDx und Medizinwelten folgten zwei kostenpflichtige Ressourcen auf den Plätzen 8 und 9. Google kam knapp vor den medStandards ins Ziel. Wikipedia und Isabel DDx folgten mit je 33% vor Diagnosaurus DDx und AnamneseGuide.
Nutzung versus Zufriedenheit
Trägt man die Nutzung der einzelnen kostenfreien Ressourcen gegen deren Zufriedenheit auf, erhält man wieder ein Aktions-Portfolio. Mit Kollegen, Leitlinien (und mit Einschränkungen auch) PubMed, Anleitungen der Klinik und Google gehörte die große Mehrzahl der kostenfreien Ressourcen zu den so genannten „Cash Cows“ im Quadranten rechts oben (Abbildung 7 [Abb. 7]). Alle fünf Ressourcen wiesen eine hohe Nutzung bei gleichzeitig hoher Zufriedenheit auf und werden auf jeden Fall weiter von der Bibliothek beworben werden. Arzneimittelverzeichnisse gehörten eigentlich auch zu dieser „Gruppe der Hilfreichen“, müssten aber noch besser vermarktet werden. Die einzige Ressource, die im PJ nicht wirklich hilfreich erschien, war Wikipedia.
Weitere Ergebnisse
Auf die offene Frage „Welche der Ressourcen würden Sie weiterempfehlen?“ empfahlen 11 der 12 Teilnehmer uneingeschränkt Amboss. Drei empfahlen UpToDate, einer mit der Einschränkung, dass der Umfang einen manchmal erschlagen würde. Diagnosaurus, medStandards, Leitlinien und Kollegen wurden je zweimal empfohlen sowie einmal der ifap-Arzneimittelindex.
Gründe für die Amboss-Nutzung
10 der 12 PJler gaben an Amboss zu nutzen, weil es übersichtlich und unkompliziert zu nutzen sei. Durch die Vorbereitung auf das 2. Staatsexamen, die fast jeder mit Amboss durchgeführt hatte, war das Programm noch frisch im Gedächtnis. Nicht weniger als sieben Teilnehmer gaben explizit an, wie hilfreich es war, dass sie das Programm schon gut kannten. Wird das PJ im Ausland absolviert, kann die englische Version von Amboss benutzt werden.
Gründe für die UpToDate-Nutzung
8 der 12 PJler nutzten UpToDate, weil es umfangreich, gut recherchiert und aktuell ist. Die Verbindung zu aktuellster Fachliteratur aus PubMed und Leitlinien wurden hervorgehoben. Des Weiteren wurden die ausführlichen Differentialdiagnosen und konkreten Handlungsanweisungen genannt.
Erfolgserlebnisse
„… besonders erfreulich war, wenn es mithilfe der zur Verfügung gestellten Ressourcen gelang, auch schwierige Diagnosen, wie etwa eine kutane Leishmaniose zu stellen.“
„… eine Freundin kontaktierte mich aus Brasilien, da sie unter okulärer Toxoplasmose litt. Dank UpToDate konnte ich ihr unmittelbar konkrete Ratschläge erteilen, obwohl ich im Studium nur marginal mit dieser Erkrankung in Berührung kam.“
„… es ist häufiger vorgekommen, dass ich noch kurz vor einer OP oder Visite Fakten mit den Apps flott nachlesen konnte und dann Oberärzte und Chefs mit meinem Wissen beeindruckt habe.“
Diskussion
Erst durch die Studie hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, zahlreiche der angebotenen Ressourcen überhaupt kennen zu lernen und auszuprobieren, was sich auch in der Nutzung niederschlug. Während vor dem PJ nur Amboss und UpToDate von mehr als jedem Sechsten benutzt wurden, kamen auch zuvor unbekannte Ressourcen wie Isabel DDx oder Diagnosaurus DDx nach dem PJ auf die doppelte oder höhere Nutzung. Dabei wurden ausnahmslos alle kostenpflichtigen Ressourcen während des PJ von mehr Teilnehmern benutzt als vor dem PJ. Das PJ änderte die Einstellung der Studierenden zu den Informationsressourcen in erheblichem Masse: So erlebte z.B. PubMed einen Beliebtheitszuwachs um 84%, was von einem Teilnehmer wie folgt begründet wurde: „Mit PubMed muss man eben etwas arbeiten, dafür kann man aber eine sehr große Bandbreite an verschiedenen Informationen zum selben Thema bekommen. Zum Vergleichen gut, und wenn man z.B. zu einem Thema den aktuellen Wissensstand haben möchte.“
Bücher wie Klinikleitfäden (via Medizinwelten) oder Expertensysteme für die Differentialdiagnose wie Diagnosaurus DDx oder das viel gelobte Isabel DDx wurden als nicht hilfreich erlebt und dementsprechend selten benutzt. Chong [8] stellte bei australischen Interns ebenfalls eine schlechte Nutzung traditioneller Ressourcen fest, dagegen – im Einklang mit den vorliegenden Ergebnissen – eine mittlere bis gute Nutzung von PubMed und Wikipedia sowie eine hohe Nutzung von UpToDate.
Regelmäßig benutzt wurden in dieser Studie lediglich Amboss, das Lern- und Prüfungsportal Amboss des Startup Miamed, und UpToDate, das marktbeherrschende Clinical Decision System von Wolters Kluwer. Lediglich von diesen beiden kann man sagen, dass sie bei den PJlern Aufnahme fanden in ihren Workflow, in die Liste der Informationssysteme, die sie regelmäßig nutzten. Dies bestätigte sich auch in den weiteren Fragen und in den Interviews.
Die Hintergrundinformationen aus den Interviews zeigten auf, dass im PJ-Alltag oft die Schnelligkeit einer Informationsquelle ausschlaggebend ist, wie dies auch von Hausärzten und Residents bekannt ist [9], [10]. Nach Sackett und Strauss [11] müssen – z.B. auf Visiten – Informationen innerhalb von 30 Sekunden verfügbar sein, um nützlich zu sein. Amboss erfüllt diese Bedingungen. Es ist übersichtlich aufgebaut, die Information gut gebündelt und strukturiert, so dass die benötigten Informationen sehr schnell, d.h. in deutlich unter einer halben Minute, gefunden werden können. Die große Erfahrung im Umgang mit Amboss macht die Suche zudem leicht, intuitiv, einfach. Ein von den Teilnehmern mehrfach genanntes Anwendungsszenario: In der Notaufnahme wird die Amboss-App aufgerufen und das Smartphone neben dem Stationsrechner platziert. Während des Ausfüllens der Patientenakte kann so unauffällig in Amboss recherchiert werden, was bei möglichen Diagnosen zu beachten ist und welche weiteren Labortests und Untersuchungen in der Folge angezeigt sind.
UpToDate stellte die zweitbeste kostenpflichtige Ressource dar. Es wurde gerne bei spezielleren Fragestellungen zu Rate gezogen, oft auch am Feierabend. Im Vergleich zu Amboss lieferte es konkretere und detaillierte Handlungsanweisungen für die klinische Tätigkeit, und wurde als bestens recherchierte, evidenz-basierte Zusammenstellung medizinischen Wissens geschätzt, Verweise zur Primärliteratur inklusive.
Hierzu ein Zitat aus einem Interview: „Meine Top-Apps: Amboss als Basis, UpToDate als Vertiefung und Arzneimittel aktuell für Medikamente. Insgesamt eine super Sache. Es geht mit der Zeit, fast jeder Assistenzarzt und auch Oberarzt nutzt sein Smartphone. Man sollte bereits im Studium versuchen sich ‚seine‘ 2–3 Apps anzueignen, dass kann den Klinikalltag enorm erleichtern.“
Resümee
In dieser Studie wurde gezeigt, dass Bibliotheks-vermittelte Informationsressourcen für Medizinstudierende im PJ überaus nützlich sein können. Mit der Zurverfügungstellung (insbesondere von zwei) dieser Programme wirkt die Bibliothek überaus positiv in das PJ hinein – auch wenn ihr das nicht immer bewusst ist. Diese Klientel kann mit einfachen Mitteln – z.B. der stärkeren Bewerbung der lizenzierten Tools – noch besser versorgt werden. Als Konsequenz wird die Bibliothek allen zukünftigen PJlern Amboss und UpToDate zur Verfügung stellen und eine Zusammenstellung bewährter PJ-Ressourcen inklusive Arzneimittelverzeichnis erarbeiten.
Beim PJ geht es aber nicht alleine um Fachwissen. Aus den Umfragen und Interviews wird deutlich, dass das PJ sehr stark durch den Übergang vom reinen Lernen und Aufnehmen zum Anwenden und zum Nützlich sein gekennzeichnet ist. Damit ist ein Übergang von Ressourcen zur reinen Wissensaneignung (Lehrbuch) zu Ressourcen der Wissensverwaltung (Portal mit Lehrbuchwissen plus X) verbunden, die einen schnellen und übersichtlichen Zugriff auf nie Gelerntes oder schon Vergessenes ermöglichen. Neben diesem rein kognitiven Wissen ist es im PJ mindestens genauso wichtig, sich dem Workflow der Station oder der Ambulanz anzupassen, seinen Platz im medizinischen Team zu finden und die übertragenen Aufgaben effizient zu erledigen – mit anderen Worten: nützlich zu sein. Dazu werden neben dem reinen Wissen zum einen „Soft Skills“ benötigt, wie Kommunikation, Selbstorganisation und Zeitplanung sowie „Hard Skills“, wie Blutabnahme, Infusionen legen, Anamnese erheben, Diagnosen stellen und Visiten bereichern. Genau deshalb sind die anleitenden Assistenz- und Oberärzte für jeden PJler mindestens genauso wichtig wie Amboss oder UpToDate, weil sie diese Kombination aus Wissen, Soft und Hard Skills im Idealfall idealtypisch verkörpern. In den Interviews wurde immer wieder betont, dass ein hilfsbereiter Arztkollege Gold wert war und den Unterschied zwischen einem lehrreichen und einem unbefriedigenden PJ ausmachte.
Anmerkung
Im angloamerikanischen Raum gibt es kein PJ. Dort gibt es sub-internship, internship und residency. PJler können am ehesten mit sub-interns verglichen werden, da interns und residents bereits die Approbation besitzen. Die zitierte, englischsprachige Literatur bezieht sich hauptsächlich auf Studien über interns und residents.
Interessenkonflikte
Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
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Anhänge
- Anhang 1:
- Beschreibung der kostenpflichtigen Ressourcen (mbi000414_Anhang1.pdf, application/pdf, 73,18 kByte)
- Anhang 2:
- Surveymonkey Fragebogen 1 (mbi000414_Anhang2.pdf, application/pdf, 502,95 kByte)
- Anhang 3:
- Surveymonkey Fragebogen 2 (mbi000414_Anhang3.pdf, application/pdf, 386,00 kByte)
- Anhang 4:
- Interview-Fragen (mbi000414_Anhang4.pdf, application/pdf, 79,85 kByte)