gms | German Medical Science

GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

10 Fragen von Bruno Bauer an Dietrich Nelle, den Interimsdirektor von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften

A 10-question interview with Dietrich Nelle, the interim director of ZB MED – Information Centre for Life Science, by Bruno Bauer

Interview Kooperation von Medizinbibliotheken

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  • corresponding author Bruno Bauer - Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Wien, Österreich Externer Link
  • Dietrich Nelle - ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2018;18(1-2):Doc08

doi: 10.3205/mbi000409, urn:nbn:de:0183-mbi0004091

Veröffentlicht: 6. September 2018

© 2018 Bauer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften ist im Bereich der Lebenswissenschaften weltweit die größte Bibliothek. Im Interview informiert Dietrich Nelle, von Oktober 2016 bis Juni 2018 Interimsdirektor von ZB MED, über Evaluierung und Neuausrichtung sowie über Kooperationen von ZB MED. Angesprochen werden auch Themen wie Open Access und German Medical Science, Forschungsdaten sowie Forschungsaktivitäten von ZB MED. Zuletzt erläutert Nelle das von ihm mitverfasste Positionspapier „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“, gibt Einblick in seine Motive für die Übernahme der Interimsleitung von ZB MED und skizziert deren Entwicklung bis zu einer möglichen Wiederaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft zum Januar 2022.

Schlüsselwörter: ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, Medizinbibliothek, Evaluierung, Neuausrichtung, Kooperation, Open Access, German Medical Science, Forschungsdaten, Forschungsaktivitäten, Positionspapier „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“, Interimsleiter, Resümee, Wiederaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft

Abstract

ZB MED – Information Center for Life Sciences is the largest library worldwide in the field of life sciences. From October 2016 to June 2018 Dietrich Nelle was its interim managing director. In this interview, he informs about ZB MED’s evaluation, realignment and cooperations. Furthermore, he speaks about open access, German Medical Science, research data management and research activities at ZB MED. Moreover, Nelle explains the position paper “Academic libraries 2025”, which he co-authored, and gives insight into his motivation to become provisional head of ZB MED. Finally, he drafts a possible way for the instituion’s resumption into the Leibniz Association in January 2022.

Keywords: ZB MED – Information Centre for Life Sciences, medical library, evaluation, realignment, cooperation, open access, German Medical Science, research data, research activities, position paper “Academic libraries 2025”, interim director, resume, resumption into the Leibniz Association


Interview

1) Evaluierung von ZB MED

B. Bauer: ZB MED ist seit Jahrzehnten ein wichtiger und verlässlicher Partner für Wissenschaft und Gesundheitswesen. Umso unverständlicher war für viele die Stellungnahme des Senats der Leibniz-Gemeinschaft vom 17. März 2016, Bund und Ländern zu empfehlen, die gemeinsame Förderung der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften zu beenden, was auch in einer sehr großen Zahl von Solidaritätsbekundungen evident wurde. Können Sie kurz darstellen, warum es zu dieser Empfehlung des Senates der Leibniz-Gemeinschaft gekommen ist, der die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) in ihrer Entscheidung vom 24. Juni 2016 gefolgt ist?

D. Nelle: Zur wissenschaftlichen Stärke und Reputation der Institute der Leibniz-Gemeinschaft gehört ein wirksames Evaluierungssystem, das unterstützend Zukunftsorientierungen vermittelt, aber auch harte Konsequenzen nicht scheut. In diesem Sinne gehört es zu den Spielregeln, dass nach einer kritischen Evaluierung der Zeitraum bis zur nächsten Begutachtung auf vier Jahre verkürzt werden kann. Dazu werden dann jeweils essentielle Anforderungen, die in diesem Zeitraum zwingend zu erfüllen sind, aufgelistet und am Ende des Zeitraums abgeprüft. In unserem Fall wurden auf der Habenseite zwar positive Entwicklungen festgestellt, wie zum Beispiel das Gelingen der rechtlichen Verselbständigung. Auch das Aufgabenfeld von ZB MED wurde als unvermindert relevant angesehen. Demgegenüber standen auf der Sollseite nicht eingelöste Erwartungen, wie die Ausarbeitung überzeugender Entwicklungsstrategien und die gemeinsame Berufung von Professuren mit den Partneruniversitäten. Insofern war einesteils die negative Evaluierungsempfehlung unabwendbar. Andererseits diente sie uns aber auch als eine gute Grundlage für die Aufforderung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz an die Zuwendungsgeber Bund und Land, ZB MED auf dem dafür vorgesehenen wettbewerblichen Weg zurück in die Leibniz-Gemeinschaft zu führen.

2) Neuausrichtung von ZB MED

B. Bauer: Sie haben zum 1. Oktober 2016 als Interimsdirektor die Leitung von ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften übernommen. Welche Maßnahmen wurden seither im Sinn einer Neuausrichtung von ZB MED gesetzt?

D. Nelle: Im Vordergrund stand die Aufarbeitung der Empfehlungen aus der Evaluierung, nämlich die Klärung des strategischen Profils und der Ausbau des eigenen wissenschaftlichen Potenzials. Dabei war es für uns ganz wesentlich, dass es nicht nur gelungen ist, trotz dieser schwierigen Situation den neuen wissenschaftlichen Beirat sehr hochkarätig zu besetzen, sondern dass dieser uns auch außergewöhnlich engagiert unterstützte. Auf diese Weise war es möglich, bereits in der konstituierenden Sitzung im Frühjahr 2017 ein klar konturiertes Profil zu formulieren, das sich seitdem kontinuierlich als tragfähige Grundlage für alle weiteren Schritte erwiesen hat. Unser Profil umfasst jetzt sechs prioritäre Leistungsbereiche, nämlich

1.
Organisation eines möglichst vollständigen Zugangs zur wissenschaftlichen Literatur unseres Themenspektrums,
2.
Förderung von Open Access und offener Wissenschaft,
3.
Neue wissenschaftliche Informationsdienste,
4.
Unterstützung von Forschungsdatenmanagement,
5.
Digitale Langzeitarchivierung und
6.
Angewandte Forschung.

Diese Aspekte wurden in den sogenannten Programmbudgets, dem jährlichen strategischen Grundlagendokument für jede Leibniz-Einrichtung, entsprechend umgesetzt und ausgefüllt. Einen weiteren wichtigen Meilenstein bildete der Wiedererwerb der TOTAL E-QUALITY-Auszeichnung für Organisationen, die in der Personal- und Organisationspolitik Chancengleichheit überzeugend umsetzen. Im laufenden Jahr ist zum 1. Januar eine tiefgreifende Organisationsreform in Kraft getreten. Zum 15. Februar hat unsere neue Kaufmännische Geschäftsführerin Gabriele Herrmann-Krotz ihr Amt aufgenommen und zum 1. Mai auch ihr wissenschaftliches Pendant an der Spitze von ZB MED, der gemeinsam mit der Medizinischen Universität zu Köln berufene Arzt und Informatiker Prof. Dr. Rebholz-Schuhmann. Seit dem 15. Mai leitet der gemeinsam mit der Informationswissenschaftlichen Fakultät der TH Köln berufene Biochemiker und Informatiker Prof. Dr. Konrad Förstner den Bereich Informationsdienste bei ZB MED. In Kürze soll auch die gemeinsame Berufung mit der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn ihre Aufgaben bei ZB MED übernehmen. Am 30. Mai wurde im Wissenschaftlichen Beirat das Forschungskonzept und damit der für die ZB MED-Gesamtstrategie noch fehlende Schlussstein bestätigt. In der gleichen Sitzung hat der Beirat eine weitreichende Zusammenarbeit mit dem Bioinformatik-Netzwerk de.NBI empfohlen, das an der Universität Bielefeld angesiedelt ist.

3) Kooperationspartner von Bibliotheken

B. Bauer: ZB MED ist traditionell der wichtigste Kooperationspartner von Medizinbibliotheken in Deutschland. Wird diese Aufgabe von ZB MED auch in Zukunft in bewährter Weise wahrgenommen werden? Wo werden die Schwerpunkte künftiger Kooperationen von ZB MED mit medizinischen Bibliotheken liegen?

D. Nelle: Die Universitätsbibliotheken – übrigens nicht nur im Bereich der Medizin, sondern der gesamten Lebenswissenschaften, die das Aufgabenfeld von ZB MED bilden – werden nicht nur bevorzugte Kooperationspartner von ZB MED bleiben, sondern wir wollen diese Kooperation noch weiter ausbauen und mit neuen Angeboten anreichern. Wir werden unsere neue Aufstellung nutzen, um gestützt auf wissenschaftsbasierte Lösungen unser Angebot an innovativen Dienstleistungen zu erweitern. Dafür ist Prof. Förstner, unser mit der TH Köln gemeinsam berufener neuer Bereichsleiter, eine wichtige Verstärkung. Ebenso wollen wir unsere Angebote auch in Bereichen wie Open Access, Forschungsdatenmanagement und digitale Langzeitarchivierung erweitern. Je nach Ausgestaltung der künftigen Förderung von Fachinformationsdiensten durch die DFG ließe sich beispielsweise auch gut vorstellen, solche Kompetenzen verstärkt in Fachinformationsdienste der nächsten Generation einzubringen. Im Sinne einer partnerschaftlichen, vertieften Kooperation arbeiten wir aktuell auch an einer systematischeren Verzahnung solcher Dienstleistungen mit unseren örtlichen Partnerbibliotheken in Köln und Bonn, die beide mit zu den Vorreitern bei der Konzeption universitätsweiter Angebote im Verbund mit den Rechenzentren zählen. Auch im klassischen Bereich der Literaturversorgung ist derzeit eine neue Versorgungsstrategie in Arbeit.

4) Open Access

B. Bauer: Open Access Publishing hat in den vergangenen 15 Jahren – seit der Berliner Erklärung – laufend an Bedeutung gewonnen. Aktuell dominiert das Thema Transition – die Umstellung der Lizenzverträge mit den Verlagen von Closed Access zu Open Access – die Diskussion. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch die aktuellen DEAL-Verhandlungen mit den Großverlagen Elsevier, Springer und Wiley. Wo sehen Sie die Rolle von ZB MED in der aktuellen und zukünftigen Open Access-Entwicklung?

D. Nelle: Die Bedeutung von Open Access liegt vor allem darin begründet, dass es den effektivsten Zugang zu vorhandenem Wissen eröffnet. Infolgedessen schafft es zugleich die beste Voraussetzung für die Schöpfung neuen Wissens. Ver“öffentlich“ungen, die hinter Bezahlschranken verborgen werden, können dies nur sehr viel eingeschränkter leisten. In der Reputationsbewertung von Veröffentlichungen durch die Wissenschaft sollte deshalb der zusätzliche Beitrag zur Schaffung neuen Wissens auch mit einem positiven Koeffizienten für Open Access erschienene Publikationen honoriert werden.

Die in den letzten Jahren eingetretenen Verzerrungen und Konzentrationsbewegungen im Verlagswesen sind wirtschaftlich und auch für die Wissenschaft bedenklich. ZB MED begrüßt deshalb die DEAL-Verhandlungen außerordentlich. Das Zusammenstehen der deutschen Wissenschaft hat die Verhandlungslage entscheidend verändert und neue Chancen für eine Rückkehr marktwirtschaftlicher Mechanismen geschaffen.

Als Zentrale Fachbibliothek für die Lebenswissenschaften in Deutschland wäre es für ZB MED nicht hinreichend, sich auf einzelne Nischen zu konzentrieren. Wir wollen der jeweils aktuellen Bedarfslage von Wissenschaft und Fachverbänden umfassend gerecht werden. Daher streben wir mittelfristig an, im engen Zusammenwirken mit weiteren zentralen Playern wie der Max Planck Digital Library, den Bibliotheken des Forschungszentrums Jülich und den Universitäten Bielefeld und Konstanz sowie dem Open Science Büro der Helmholtz-Gemeinschaft, Teil eines nationalen Kompetenzzentrums für Open Access zu werden. In diesem Sinne bieten wir ein breit angelegtes Portfolio an. Auf unserer Open-Access-Publikationsplattform PUBLISSO sind sowohl Open Access „gold“ als auch „grün“ zu Hause. Dazu gehören die Open-Access-Zeitschriftenfamilie German Medical Science und das Publikationsformat Living Handbooks als moderne Weiterentwicklung der klassischen Form wissenschaftlicher Handbücher. Weitere Angebote sind das Fachrepositorium Lebenswissenschaften sowie zahlreiche Beratungs- und Vernetzungsaktivitäten bis hin zu Webinaren und Tutorials.

Wir wollen auch die gute Partnerschaft gerade mit mittelständischen Verlagen weiter pflegen und diese ergänzend zu den DEAL-Verhandlungen auf dem Weg hin zu Open Access begleiten. Deshalb haben wir zunächst mit dem Thieme-Verlag pilothaft ein Vorhaben zu einer in mehreren Schritten erfolgenden vollständigen Umstellung einer Zeitschrift von Subskription auf Open Access aufgelegt. Wir hoffen, dass sich dies nicht nur für den konkreten Einzelfall als ein für alle Beteiligten vorteilhafter Weg herausstellt, sondern darüber hinaus auch für viele weitere Zeitschriften und Verlage zu einem Modell werden könnte.

5) German Medical Science

B. Bauer: Bereits 2003 – im Jahr der „Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ – wurde in Kooperation von AWMF, DIMDI und ZB MED die Open-Access-Publikationsplattform German Medical Science (GMS) gegründet. In den vergangenen 15 Jahren wurden viele wichtige Akzente gesetzt: neben 16 Journalen erfolgt laufend die Veröffentlichung von Kongresspublikationen sowie als jüngste Entwicklung die Publikation von bisher drei Handbüchern. Wie schätzen Sie die bisherige Entwicklung von GMS ein und welche Entwicklungsschritte werden in nächster Zeit folgen? Was muss geschehen, damit sich GMS stärker als wichtige medizinische Publikationsplattform etablieren kann?

D. Nelle: GMS ist eine alternative Publikationsplattform, welche die Sichtbarkeit und die Inhalte der Beiträge in den Fokus rückt. Sie ermöglicht es den publizierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Forschungsergebnisse und -daten international sichtbar und qualitätsgesichert zu veröffentlichen. Nicht zuletzt ist sie für eine Reihe wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften eine wichtige Plattform ihres fachwissenschaftlichen Austauschs. Die Zeitschriften sind zum großen Teil in der internationalen bibliographischen Datenbank PubMed gelistet und auch in die Volltextdatenbank PubMed Central aufgenommen. Weitere Stärken des Angebots liegen in der Qualität der Redaktionsarbeit und der langfristigen Sicherung der Daten. Eine zusätzliche Besonderheit besteht in der Möglichkeit, unterschiedliche Publikationsformate, wie Zeitschriften, Kongressabstracts oder Living Handbooks auf einer wissenschaftlichen Plattform zu vereinen und durch die Vernetzung der Publikationen untereinander deren Sichtbarkeit noch einmal zu erhöhen. So können zum Beispiel die Kongressabstracts einer Tagung, die von einer Fachgesellschaft ausgerichtet wurde, mit der Zeitschrift dieser Fachgesellschaft verlinkt werden.

Einige medizinische Leitlinien werden bereits bei GMS als Artikel veröffentlicht und sind über einen eigenen Menüpunkt leicht auffindbar. GMS will sein Engagement in diesem Bereich weiter verstärken.

Zudem sollen die Living Handbooks weiter ausgebaut werden: Sie erlauben es, Forschungsergebnisse kapitelweise und zeitnah zu publizieren und regelmäßig zu aktualisieren, ohne von einem langwierigen Print-Publikationsprozess und der gleichzeitigen Fertigstellung aller eingereichten Kapitel abhängig zu sein. Zudem können Verknüpfungen mit Daten und multimedialen Inhalten unproblematisch integriert werden, so dass die Handbücher ein weites Spektrum zusätzlicher Möglichkeiten ausschöpfen können. Dadurch sind die Bücher deutlich vielseitiger und dynamischer als ihre gedruckten Vorläufer, sozusagen „lebendig“.

Auch die Steigerung der Sichtbarkeit und Reputation der bei GMS erscheinenden Artikel ist ein wichtiges Anliegen. Drei der Zeitschriften auf der GMS-Plattform sind bereits im sogenannten Emerging Sources Citation Index (ESCI) gelistet. Grundlage für die Aufnahme einer Zeitschrift im ESCI sind Publikationsstandards, Inhalt sowie Zitationshäufigkeiten. Zeitschriften im ESCI haben noch keinen offiziellen Journal Impact Factor, werden aber für die Aufnahme in den Science Citation Index Expanded, aus dem die Berechnung des Journal Impact Factors erfolgt, in Betracht gezogen. Der Journal Impact Factor ist allerdings nicht unumstritten, da er erhebliche Verzerrungen beinhaltet und lediglich eine sehr eingeschränkte Sicht auf Qualitätsaspekte vermitteln kann. Deshalb arbeitet ZB MED im Rahmen seiner angewandten Forschung unter anderem daran, mit Werkzeugen des Text und Data Minings weitere qualitätsbasierte Informationen wie etwa die Rezeption wissenschaftlicher Vorarbeiten in Medizinischen Leitlinien systematisch sichtbar zu machen. Daneben sind in GMS aber auch alternative Metriken implementiert. Mit unseren Altmetrics können Autorinnen und Autoren an Hand der Donuts selber verfolgen, ob und wie oft ihre Publikationen aufgerufen, verlinkt und gegebenenfalls „geliked“ werden.

Wichtig für die Sichtbarkeit der GMS-Zeitschriften als Qualitätsmedien ist auch die Listung im Directory of Open Access Journals (DOAJ) mit Erwerb des „DOAJ Seal“ durch zehn GMS-Zeitschriften. Dies ist eine Auszeichnung, die für ein besonderes Niveau an Offenheit und Transparenz sowie beste Publikationsstandards steht.

6) Forschungsdaten

B. Bauer: Neben Open Access hat in jüngster Zeit das Thema Forschungsdaten an Bedeutung gewonnen. Im Zusammenhang mit Forschungsdatenmanagement sehen viele eine wichtige neue Rolle bei den wissenschaftlichen Bibliotheken. Was hat ZB MED bisher auf diesem Gebiet unternommen? Wird ZB MED diesbezüglich für die Medizin eine Vorreiterrolle einnehmen?

D. Nelle: Ja, in unserer neuen Strategie hat das Thema Forschungsdaten für die gesamte Bandbreite der Lebenswissenschaften einen zentralen Platz. Diese disziplinäre Bandbreite liegt übrigens nicht nur in der historischen Entwicklung von ZB MED begründet, sondern wird mit dem Zusammenwachsen der Forschungsansätze in den disziplinären Teilbereichen zu einem systemisch denkenden One-Health-Ansatz gerade bei der Verknüpfung von Forschungsdaten inhaltlich immer wichtiger. Unser Ansatz hier hat starke Parallelen zu dem gerade für Open Access beschriebenen umfassenden Vorgehen. Unser Angebot für das Forschungsdatenmanagement beruht auf den vier Säulen Beraten, Publizieren, Vernetzen und angewandt Forschen. Zur Beratung gehören neben der persönlichen Beratung die Beteiligung an Workshops mit unterschiedlichen Zielgruppen, Vorträge sowie die Erstellung von Tutorials und anderen Informationsmaterialien. Beispielsweise sind wir in der Leibniz-Gemeinschaft derzeit an einem Verbundvorhaben zur Einführung elektronischer Laborbücher beteiligt. Der Unterstützung der Publikation wissenschaftlicher Daten dient insbesondere das Fachrepositorium Lebenswissenschaften, in dem qualitätsgesichert sogenannte „Long tail“-Daten abgelegt, publiziert und aufbewahrt werden können. Das sind Daten, die in überschaubarem Umfang anfallen und im wissenschaftlichen Interesse dennoch erhaltenswert sind. Außerdem ist ZB MED eine von deutschlandweit derzeit fünf Vergabestellen für persistente Identifikatoren für Daten in Form sogenannter Digital Object Identifiers (DOI). Unter den vielfältigen wissenschaftlichen Vernetzungsaktivitäten sind für uns die aktive Mitarbeit in der DINI/nestor-Arbeitsgemeinschaft Forschungsdaten und dem Arbeitskreis Forschungsdaten der Leibniz-Gemeinschaft besonders wichtig, aber auch Vorträge in Fachveranstaltungen vom Bibliothekartag bis hin zur Medizininformatik-Initiative. Die angewandte Forschung bei ZB MED hat insbesondere zum Ziel, Forschungsdaten besser auffindbar und vor allem besser untereinander sowie mit Literatur, Faktendaten, Multimedia-Artefakten und Proben verknüpfbar zu machen – hier liegt aktuell in den meisten Fachdisziplinen das größte wissenschaftliche Entwicklungspotenzial überhaupt. Ein weiteres wichtiges Forschungsthema ist die automatisierte Annotierung von Forschungsdaten.

Alle Aspekte zusammengenommen bilden zudem die Grundlage des Engagements von ZB MED für die vom Rat für Informationsinfrastrukturen vorgeschlagene Nationale Forschungsdateninfrastruktur. Gemeinsam mit einer Reihe von Partnern aus Hochschulen, Forschungsverbünden, der Leibniz-Gemeinschaft, den anderen außeruniversitären Organisationen sowie der Ressortforschung aus dem disziplinären Spektrum der Medizin und Gesundheit, Tiermedizin, Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt, Bioinformatik sowie Biodiversität sind wir mit der Vorbereitung eines Konsortiums NFDI4Life beschäftigt. Das Konsortium will Synergien zwischen den bereits aktiven herausragenden Initiativen schaffen, zu deren weiteren Entwicklung beitragen und die Zusammenarbeit auf eine nachhaltige Basis stellen.

7) Forschungsaktivitäten von ZB MED

B. Bauer: Im Bericht zur Evaluierung von ZB MED wurde von dieser eine verstärkte Forschungstätigkeit eingefordert. Die Erfüllung dieser Anforderung spielt eine entscheidende Rolle, damit ZB MED wieder als Leibniz-Einrichtung etabliert werden kann. Welche Maßnahmen wurden bereits gesetzt bzw. werden noch erfolgen, damit ZB MED diesen Anspruch der Wissenschaftlichkeit leisten kann? Welche Forschungsschwerpunkte werden an ZB MED betrieben werden?

D. Nelle: Zunächst einmal vorweg, da ich in meiner Anfangszeit bei ZB MED mehrfach danach gefragt wurde: Die Forschung bei ZB MED ist weder ein Fremdkörper noch eine Abkehr von den Infrastruktur- und Dienstleistungsaufgaben. Im Gegenteil ist die Forschung eine notwendige Ergänzung dieser Aufgaben. Es genügt in Zeiten eines sich immer weiter beschleunigenden Wandels nicht, sich mit den Infrastruktur- und Dienstleistungsangeboten zu einem gegebenen Zeitpunkt auf der Höhe der Zeit zu befinden. Vielmehr ist für jede Infrastruktureinrichtung, die eine mindestens bundesweite Bedeutung beansprucht, unabdingbar, die Methoden und Instrumente für die Erbringung dieser Leistungen durch eigene Forschung weiterzuentwickeln. Denn nur dann ist eine solche Einrichtung in der Lage, neue Entwicklungen rechtzeitig aufzugreifen und frühzeitig in neue Angebote für ihre Nutzerschaft umzusetzen. Deshalb ist die Verstärkung der Forschung bei ZB MED nicht nur eine Reaktion auf eine formale Anforderung der Leibniz-Gemeinschaft, sondern vor allem ein wichtiges Element der eigenen Zukunftssicherung.

Nun aber zunächst zu den bereits realisierten Maßnahmen und dann zu den künftigen Forschungsschwerpunkten. Im Vorfeld des Amtsantritts unserer Professuren und weiterer wissenschaftlich Mitarbeitenden war der Aufbau effizienter Forschungsunterstützungsstrukturen ein wichtiger vorbereitender Schritt. Damit ist es uns in kurzer Zeit gelungen, bereits vier Mal in hochkompetitiven Ausschreibungen zu punkten; sechs weitere Anträge befinden sich derzeit in der Begutachtung. Ebenfalls deutlich ausgebaut werden konnte die kompetitive Einwerbung von eingeladenen Vorträgen, Postern und Workshops. Mit dem Amtsantritt unserer neuen Professuren werden sich diese Aktivitäten noch weiter dynamisieren. Im Herbst veranstalten wir gemeinsam mit der TIB eine internationale wissenschaftliche Fachkonferenz zur Datenintegration in den Lebenswissenschaften. Gemeinsam mit dem Bioinformatik-Netzwerk de.NBI sollen ab 2019 Summer Schools organisiert werden.

Dabei geht es keineswegs um eine bloße Maximierung wissenschaftlicher Aktivitäten seitens ZB MED, sondern um die Ermöglichung strategisch relevanter Vorhaben und Partnerschaften. Diese werden uns dem Ziel näherbringen, überzeugend als Zentrum für Informationen, Daten und Dienste in den Lebenswissenschaften zu wirken. Damit wird der deutschen und internationalen Gemeinschaft eine offene, effiziente und verlässliche Informationsinfrastruktur durch eine fachwissensspezifische und zielgenaue Forschung gesichert. Leitthema für die Forschung bei ZB MED sind dabei die Datenwissenschaften für die gesamte Bandbreite der Lebenswissenschaften. Insbesondere will sich ZB MED für die Lebenswissenschaften in Europa als führender Partner für die Verknüpfung heterogener Informationen sowie für das intelligente Auffinden von Literatur und Forschungsdaten etablieren. Zugleich strebt ZB MED eine europaweite Führungsrolle bei der Vermittlung von Informations- und Datenkompetenz an Lebenswissenschaftlerinnen und Lebenswissenschaftler an.

8) Wissenschaftliche Bibliotheken 2025

B. Bauer: Sie sind Mitverfasser des Positionspapiers „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“, das von der Sektion 4 im Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv) zu Jahresbeginn 2018 vorgelegt wurde. Welche Zielsetzung verfolgt diese Studie? Welche neuen Aufgaben werden von wissenschaftlichen Bibliotheken auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene wahrzunehmen sein?

D. Nelle: Das Papier „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“ ist mehr Positionspapier als Studie. Es verfolgt ein Bündel von Zielen. Unmittelbare Aufgabe war eine Selbstvergewisserung im Kreise der wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland über die anstehenden Herausforderungen und die Rolle, die Bibliotheken bei deren Bewältigung einnehmen können.

Bereits bei der Frühjahrstagung der Sektion in Freiburg hat sich gezeigt, dass das Papier eine inspirierende Grundlage für eine selbstbewusste Fortentwicklung der bibliothekarischen Agenda ist. In Zeiten des digitalen Wandels verlieren die hergebrachten Kompetenzen des Bibliothekswesens keineswegs an Bedeutung, sie müssen aber in die aktuelle Zeit mit ihren veränderten Notwendigkeiten und Möglichkeiten übertragen werden. Bibliotheken sind es seit jeher gewohnt, scheinbar unüberschaubare Fluten von Informationen in eine nutzbare Ordnung zu bringen; daher sind sie geradezu der geborene Ort für eine effektive Unterstützung von Forschungsdatenmanagement. Ebenso sind Bibliotheken seit jeher ein zentrales Forum für kreativen wissenschaftlichen Austausch. In der heutigen Zeit übersetzt sich dies in Offene Wissenschaft, Open Access und FAIR Data, aber auch digitale Medien- und Informationskompetenz sowie die Schaffung von Kreativräumen wie zum Beispiel Makerspaces.

Eine wesentliche Veränderung für die Bibliotheken liegt jedoch darin, dass sie immer weniger damit rechnen können, dass ihre wissenschaftlichen Nutzer die Räumlichkeiten der Bibliothek physisch aufsuchen und auf diese Weise auch eine Bindung zur Institution Bibliothek bewahren und entwickeln. Bei der digitalen, weitgehend entpersonalisierten Vermittlung von Diensten droht dieser Kontakt abzureißen. Damit ginge auch die lebendige Rückkoppelung zu sich wandelnden Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer verloren. Es ist deshalb unabdingbar, dass wir Bibliotheken vermehrt unmittelbar dort präsent werden, wo unsere Nutzerschaft arbeitet, wo Forschung konkret stattfindet. Ähnlich hat im Zuge des Wandels auch die vorhin bereits angesprochene Verstärkung der Kooperation zwischen den Bibliotheken mit einer spezifischen Aufgabe für die zentralen Fachbibliotheken neue Bedeutung erlangt.

Zielgruppe des Papiers sind zunächst die eigenen Mitglieder der Sektion. So hat es mich sehr gefreut, dass das Papier noch im Entwurfsstadium als Bezugsgröße für eigene Strategieprozesse genutzt wurde. Nicht zuletzt gegenüber der jeweiligen Hochschulleitung wurden so der Stellenwert und das Leistungspotenzial von Universitätsbibliotheken bei der Bewältigung des digitalen Wandels in der gesamten Hochschule verdeutlicht. Zugleich sind mit unserem Papier die Hochschulrektorenkonferenz und die einzelnen Hochschulleitungen, aber auch die Leitungen der Rechenzentren als unentbehrliche Partner für viele der anstehenden Aufgaben als weitere Zielgruppe angesprochen.

Nicht zuletzt bilden die Fördergeber und Träger im Bund und in den Ländern eine wichtige Zielgruppe. Für die anstehenden neuen Aufgaben braucht es entsprechende Mittel sowie Rückhalt und Unterstützung für die damit auch verbundenen internen Umschichtungsprozesse. Ein besonders wichtiger Aspekt dabei ist, dass die neu entstehenden Infrastrukturaufgaben zeitliche Dimensionen haben, die über die typische Dauer von Projektförderungen weit hinausgehen. Dies gehört bereits zu den zentralen Befunden von Wissenschaftsrat und Rat für Informationsinfrastrukturen. Mit „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“ wollten wir dazu nun einen spezifischen Impuls für die bibliothekarische Landschaft setzen. Erfreulicherweise wird diese Linie nicht nur durch die aktuellen Thesen der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation DINI verstärkt. Auch die DFG – als für uns Bibliotheken besonders wichtiger Fördergeber – hat dieser Agenda in einem Positions- und einem zusätzlichen Impulspapier weiteren Schub gegeben. Sehr gefreut hat uns auch, dass die Kultusministerkonferenz spontan Gesprächsinteresse signalisiert hat. Mit allen anderen relevanten Partnerinstitutionen will die Sektion 4 ebenfalls Gespräche führen.

Eine noch zu leistende Aufgabe bleibt es, die nun geschaffene Grundlage auch für den verstärkten europäischen Austausch in Vereinigungen wie AGMB, EAHIL und LIBER zu nutzen. Ein konkretes Vorhaben von ZB MED gemeinsam mit der TH Köln betrifft den Aufbau eines europäischen Moduls für Medizinbibliothekare als Kern eines Netzwerks im Rahmen von EAHIL, der Vereinigung der europäischen Medizinbibliotheken.

Die EU ist dabei ein immer wichtiger werdender Fördergeber und Treiber für Open Access und Offene Wissenschaft mit der European Open Science Cloud – eigentlich sollte es besser heißen: European Open Science Commons. Darüber hinaus ist sie auch ein immer wichtigerer Regelungsgeber für die – in „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“ ebenfalls thematisierten – rechtlichen Rahmenbedingungen. Nachdem es in Deutschland auf nationaler Ebene in einem schwierigen, langen Diskussionsprozess gelungen ist, zu tragfähigen, wenn auch zeitlich befristeten Kompromissen zu kommen, bereitet uns derzeit die restriktive Diskussionslage zur geplanten Novellierung der Europäischen Urheberrechtsverordnung Sorgen.

9) Interimsleitung

B. Bauer: Seit der Empfehlung des Senates der Leibniz-Gemeinschaft vom März 2016 und der Entscheidung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vom Juni 2016 steht ZB MED vor einer existenziellen Krise. In dieser schwierigen Situation haben Sie sich bereit erklärt, als Interimsdirektor aus dem Ministerium an ZB MED zu wechseln. Welche Motive waren für Sie ausschlaggebend, sich auf diese Aufgabe einzulassen? Wie haben Sie das bibliothekarische Feld – an ZB MED, aber auch in den diversen nationalen und internationalen Gremien – erlebt?

D. Nelle: Ausschlaggebend für die Übernahme dieser Aufgabe war gleich ein ganzes Bündel an Motiven. Am wichtigsten war aber, dass ich im Zuge meiner eigenen Teilnahme am Begehungspanel der Leibniz-Gemeinschaft frühzeitig ein gutes Bild von ZB MED gewinnen konnte. Auf diese Weise habe ich neben den zu behebenden Schwächen vor allem die vorhandenen Stärken und Potenziale von ZB MED einschließlich einer ungewöhnlich motivierten und ihrer Einrichtung verbundenen Mitarbeiterschaft gesehen. Dank der Diskussionen im Kreise der hochrangigen internationalen Experten hatte ich zugleich eine gute Orientierung über die an eine Neuaufstellung zu richtenden Erwartungen und dabei zu nutzende Chancen. Sehr geholfen hat mir auch meine vorherige Mitwirkung in zahlreichen Arbeitsgruppen des Wissenschaftsrates und der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz sowie insbesondere als eines der Gründungsmitglieder des Rates für Informationsinfrastrukturen. Daraus hatte ich auch die klare Überzeugung mitgenommen, dass die Gestaltung und Nutzung des digitalen Wandels nicht nur in Wirtschaft und Gesellschaft, sondern sogar mehr noch in der Wissenschaft selber zu den zentralen Aufgaben der kommenden Jahre gehört. Und genau dazu hat ZB MED wichtige Beiträge zu leisten. Als persönliches Motiv kam hinzu, dass mich die Chance gereizt hat, nach langjähriger Begleitung von Prozessen in der Wissenschaft aus Sicht eines Zuwendungsgebers einmal die Seiten zu wechseln: aus der Perspektive der Leitung einer wissenschaftlichen Einrichtung gestalten zu lernen und mich in einer besonders herausfordernden Situation selber in direkter Verantwortung für eine spannende Einrichtung in einem ebenso spannenden Transformationsprozess bewähren zu dürfen.

Innerhalb von ZB MED konnte ich es den Kolleginnen und Kollegen trotz aller gerade erst erlebten Enttäuschungen zu keinem Zeitpunkt leicht machen. Zu vieles musste in sehr kurzer Zeit auf den Weg gebracht werden. Dennoch beeindruckte mich die Belegschaft immer wieder mit ihrem Einsatzwillen, mit ihrer Bereitschaft, das langfristige Überlebensinteresse der Institution über kurzfristige persönliche Belange zu stellen und nicht zuletzt mit ihrer Aufgeschlossenheit und ihrem Interesse für Neues. Auf diese Weise ist es in bemerkenswert zielstrebiger Weise gelungen, gemeinsam erst die inhaltliche Grundlage für die Weichenstellungen mit dem Wissenschaftlichen Beirat und darauf aufbauend die strategischen Entscheidungen in den Programmbudgets zu schaffen. Ein halbes Jahr später konnten wir in Umsetzung dessen einen tiefgreifenden Reorganisationsprozess in einem offenen und intensiven Prozess zügig und einvernehmlich gestalten und dabei vorhandene Kompetenzen in neue Tätigkeitsfelder einbringen. Auch die kaufmännische Geschäftsführerin und die gemeinsam berufenen Professoren wurden warmherzig aufgenommen und sofort in die Gemeinschaft integriert.

Dass ich in meinen Erwartungen nicht enttäuscht wurde, liegt sehr stark aber auch an der vielfältigen Unterstützung, die ZB MED in dieser Zeit durch die bibliothekarische Community erfahren durfte. Wie bereits geschildert, war die wichtigste Stütze dabei sicherlich die kontinuierlich engagierte, kritisch-freundschaftliche Begleitung durch unseren Wissenschaftlichen Beirat, für den sich auch aus der bibliothekarischen Landschaft hochkarätige Vertreterinnen zur Verfügung gestellt hatten. Frau Prof. Gabriele Beger aus Hamburg hat ihn in beeindruckender Weise geleitet. Ebenso war die bereits erwähnte gemeinsame Arbeit am Papier „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“ sehr beflügelnd und nebenbei ein hervorragender Reflexionsraum für die Einordnung der aktuellen Herausforderungen bei ZB MED selber. Deshalb möchte ich nicht versäumen, an dieser Stelle auch Barbara Knorn aus Bielefeld, Achim Bonte aus Dresden, Andreas Degkwitz aus Berlin, Fabian Franke aus Bamberg, Jochen Johannsen aus Siegen und Reinhard Altenhöner aus Berlin einen persönlichen Dank auszusprechen, ebenso wie dem ZBW-Leiter Klaus Tochtermann, der unseren Transformationsprozess als Sonderberater unterstützte. Besonders hervorzuheben ist auch die enge Kooperation mit den Bibliotheken unserer beiden Partneruniversitäten ebenso wie mit der informationswissenschaftlichen Fakultät der TH Köln, die als eine von fünf bibliothekarischen Ausbildungsstätten in Deutschland ihre Ausbildungsgänge im selben Geiste umgestaltet, den auch unser Papier „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“ atmet. Vielfältige weitere Unterstützung aus der bibliothekarischen Landschaft manifestierte sich in engagierter Mitwirkung bei Fachgesprächen, Einladungen zu Vorträgen und Podiumsdiskussionen, der Ermöglichung von Blicken hinter die Kulissen bei Bibliotheksbesuchen und vertraulichen Gesprächen sowie zahlreichen weiteren Kontakten auf allen Ebenen. Insgesamt habe ich im Zuge des Prozesses zu „Wissenschaftliche Bibliotheken 2025“ das bibliothekarische Feld auch so erlebt, dass das Selbstbewusstsein, mit den eigenen Stärken und Potenzialen auch wieder verstärkt nach außen zu gehen, deutlich gewachsen ist. Ich bin davon überzeugt, dass dies nicht nur den Bibliotheken selber, sondern auch dem Wissenschaftssystem insgesamt nutzen wird.

10) Perspektive von ZB MED

B. Bauer: Sie werden mit der Berufung der neuen Leitung – voraussichtlich bis zum Sommer 2018 – ins Ministerium zurückwechseln. Welche Perspektive sehen Sie für ZB MED? Wie kann sichergestellt werden, dass sich ZB MED nicht nur in Deutschland, sondern auch auf internationaler Ebene als eine der führenden medizinischen Fachbibliotheken etablieren kann?

D. Nelle: In der letzten Sitzung unseres Wissenschaftlichen Beirats – mit vier Mitgliedern des Begehungspanels, welches in der Evaluierung zu dem kritischen Gesamturteil gelangt war – wurde ZB MED bestätigt, dass wir inzwischen über ein überzeugendes Gesamtkonzept verfügen und mit unseren neuen Professuren sowie der kaufmännischen Geschäftsführung aussichtsreich auf dem Weg zurück in die Leibniz-Gemeinschaft sind. Die Monita aus dem kritischen Evaluierungsbericht sind damit bereits zu einem erheblichen Teil abgearbeitet. Auf dem weiteren Weg dürfen nun die Anstrengungen nicht nachlassen, um auch die Hürde der Evaluierung im Jahr 2020 zu überspringen. Dann wird ZB MED seinen Weg aber auch erfolgreich fortsetzen und den Anspruch einlösen können, führende Fachbibliothek und datenwissenschaftliches Methodenzentrum im europäischen Maßstab zu sein. Dietrich Rebholz-Schuhmann, den neuen wissenschaftlichen Leiter, konnten wir aus Irland gewinnen. Er hat einen großen Teil seines Berufswegs im Ausland verbracht. Dadurch ist ZB MED nun auch gut dafür aufgestellt, sich verstärkt in europäische Kooperationen einzubringen und die Zusammenarbeit mit den Partnerinstitutionen in den USA, National Library of Medicine und National Agricultural Library, zu intensivieren. Beide haben übrigens in den letzten beiden Jahren ihre strategische Ausrichtung jeweils in eine ganz ähnliche Richtung wie ZB MED zielend fortentwickelt.

Als nächste Schritte stehen konkret im Herbst 2018 die Finalisierung des Programmbudgets 2019 als wichtige Grundlage für das Wiederaufnahmeverfahren einschließlich der Institutionalisierung der Zusammenarbeit mit dem Bioinformatik-Netzwerk de.NBI und der Universität Bielefeld an, zum 1.9.2019 die Einreichung des Antrags auf Wiederaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft, für 2020 die entsprechenden Evaluierungen, für 2021 die entsprechenden Bund-Länder-Verfahren und zum 1.1.2022 die Wiederaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft.


Anmerkung

Das Interview mit Dietrich Nelle (Abbildung 1 [Abb. 1]) wurde im Juni 2018, kurz vor Beendigung seiner Tätigkeit als Interimsdirektor von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, geführt.


Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.