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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Die Integration von Tablet-Computern in das Medizinstudium. Teil 2: Das easyphysikum-Projekt

Use of tablets for the study of medicine. Part 2: The project “easyphysikum”

Fachbeitrag

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  • corresponding author Oliver Obst - Zweigbibliothek Medizin, Universitäts- & Landesbibliothek, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2016;16(1-2):Doc05

doi: 10.3205/mbi000360, urn:nbn:de:0183-mbi0003606

Veröffentlicht: 23. September 2016

© 2016 Obst.
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Zusammenfassung

132 Studierenden des 4. vorklinischen Semesters wurden alle für das Physikum benötigten Lernmedien für den Tablet-Computer zur Verfügung gestellt. 72 benutzten dafür ihr eigenes Tablet, den übrigen 60 wurde ein Bibliotheks-iPad leihweise zur Verfügung gestellt. Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze: Studierende bevorzugen elektronische Lernmedien vor gedruckten, wenn diese auf einem mobilen Gerät angeboten werden. Fast drei Viertel (72%) schätzten es, dass man mit dem Tablet immer und überall lernen konnte. 58% empfanden es als deutlichen Vorteil, dass man „ungeplant“ lernen konnte, wenn es sich gerade aufgrund von Warte- und Transferzeiten ergab. 62% nannten als großen Vorteil die Zeitersparnis durch die Suchfunktion bei E-Books.70% unterstrichen, dass sie sich dank des Projekts einfacher und besser auf das Physikum vorbereiten konnten. Einhellige Meinung der Studierenden: Die Bibliothek solle weiterhin Inhalte, Apps und iPads zur Verfügung stellen, am besten bereits schon im 1. oder 2. vorklinischen Semester. 88% der easyphysikum-Teilnehmer waren sehr zufrieden oder zufrieden mit dem Projekt. Insbesondere der Support durch die Bibliothek wurde positiv angemerkt. 94% aller Entleiher würden ihren Kommilitonen empfehlen, an easyphysikum teilzunehmen.

Schlüsselwörter: Tablet-Computer, Medizin, E-Learning, Studenten, Bibliothek, Lehrbücher, Anatomie

Abstract

132 students of 4th semester preclinical were offered all learning media needed for the preclinical exam for the tablet computer. 72 used their own tablet, the other 60 were given a library iPad on loan. Key findings were: Students prefer electronic learning media over printed ones if they are offered on a mobile device. Nearly three-quarters (72%) liked to be able to learn always and everywhere with the tablet. 58% felt it a distinct advantage that you could learn “unplanned” , e.g. at waiting and transfer times. 62% noted the advantage of saved time due to the search functionality of e-books. 70% stated that they were easier and better prepared for the exam due to the resources of “easyphysikum”. The students suggested that the library should continue to provide content, apps and iPads, at the best already to the 1st or 2nd preclinical semesters. 88% of “easyphysikum” participants were very satisfied or satisfied with the project. In particular, the support by the library was noted positively. 94% of all borrowers would recommend their fellow students to participate in “easyphysikum”.

Keywords: tablet computer, medicine, e-learning, students, library, textbooks, anatomy


Einführung

„Wenn man das irgendwo so erzählt, dann machen alle so große Augen, so: ‚Was bekommt ihr ausgeliehen?‘…“ (Zitat aus einem Nutzerinterview)

Seit 2010 wird die Tablet-Nutzung von Studierenden in der Medizinischen Fakultät Münster intensiv begleitet, untersucht und gefördert. So leiht die Zweigbibliothek Medizin iPads an Studierende aus (2-Wochenausleihe) und bestückt diese mit ausgewählten Apps. 2013 wurde vom Institut für Ausbildungs- und Studienangelegenheiten zusammen mit der Zweigbibliothek Medizin eine Umfragestudie zur Benutzung von Tablet-Computern im Medizinstudium durchgeführt [1]. Es stellte sich heraus, dass mobile Computer unter Studenten weit verbreitet sind, da sie einen einzigartigen und mobilen Zugang für alle Arten von studienbezogenen Ressourcen wie z.B. E-Books oder Vorlesungsskripte bieten.

In einer weiterführenden Untersuchungsstudie sollte die Integration und Einbettung dieser Ressourcen in die medizinische Ausbildung getestet werden. Die Absicht war zu zeigen, dass erstens digitale Lehrbücher auf Tablets einen echten Mehrwert gegenüber gedruckten Bücher und somit einen Schritt zum Lehrbuch der Zukunft darstellen, und dass zweitens durch die Kombination von mobilem Gerät, Lerninhalten, Studienorganisation und Dokumenten-Sharing eine neuartige, digitale Lernumgebung entsteht, die für die Studierenden zielführend, nützlich und hochattraktiv ist. Der Fokus lag dabei auf dem 1. Staatsexamen (Physikum) – der Prüfung, die den vorklinischen Teil des Studiums nach dem vierten Semester beendet. Das Physikum gilt als schwierigste Prüfung für Medizinstudierende.

Studie easyphysikum

Das Projekt easyphysikum lief ein Jahr (von April 2014 bis April 2015). Es richtete sich an die Studenten des 4. vorklinischen Semesters, also an alle, die im Sommersemester 2014 („Röntgen-Semester“) oder im Wintersemester 2014/2015 („Sanger-Semester“) das Physikum ablegen wollten. Zwei bis drei Monate vor Projektstart wurden alle Studenten der beiden Semester via Email und Facebook eingeladen, an diesem Projekt teilzunehmen. Von den insgesamt 288 Studierenden meldeten sich 255 (88,5%) für das Projekt an.

Zeitgleich wurde eine mobile, digitale Lern-Infrastruktur in Form einer „Tablet-Toolbox“ konfiguriert. Diese Toolbox enthielt alle zum Bestehen des Physikums benötigten Lernmedien auf einem Tablet-Computer. Der Claim war: „Medizinstudierende können mit easyphysikum zeit- und ortsunabhängig auf die besten verfügbaren Lernmaterialien zugreifen.“ Kern dieser Lern-Infrastruktur waren Anatomie-Apps, Online-Lehrbücher und Kreuztools [2].

Die Projektteilnehmer bestanden aus den folgenden beiden Kohorten:

1.
Tabletbesitzer konnte die Lernressourcen auf ihr eigenes Tablet herunterladen.
2.
Tablet-Entleihern wurden Bibliothek-iPads ausgeliehen, die mit den Lernressourcen bestückt waren. Die Leihfrist endete mit der mündlichen Prüfung des Physikums (4–5 Monate). Dazu standen für das Röntgen-Semester 60 iPads zur Verfügung, für das Sanger-Semester 66 iPads.

Der Zugriff auf die Materialien war außerdem auch über Desktop-PCs oder Laptops möglich. Ein Projektbeirat begleitete das Angebot, um es an den Bedürfnissen der Studierenden und Lehrenden ausrichten zu können. Mitglieder des Beirats waren der Bibliotheksleiter, die Teamleiterin, ein Dozent, der Studiendekan und zwei Studierendenvertreter [3].

iPads als Leihgeräte

Zur Vorbereitung der – politisch heiklen – Entscheidung, welchem Anbieter man bei der Auswahl der Tablet-Computer für das Projekt den Vorzug geben sollte, wurde eine Taskforce gegründet. Diese prüfte die marktüblichen Tablet-Computer und Betriebssysteme auf ihre Eignung für easyphysikum und erstellte eine detaillierte Vergleichsstudie [4]:

„Mittlerweile gibt es einige Konkurrenzprodukte, die mit dem iPad in Technik, Ausstattung und Bedienung gleichgezogen haben. Auch bei den für das Studium essenziellen [Lern-]Ressourcen gibt es keine eindeutige Marktführerschaft für das ein oder andere Gerät: Sie können mit allen Geräten (mehr oder weniger) gut benutzt werden. Geht es aber um die Versorgung von Studierenden mit einem Tablet in Form einer Bibliotheks-Ausleihe, ist das iPad konkurrenzlos, denn Apple bietet mit dem Volume Purchase Program [5] überhaupt erst die Möglichkeit, Apps an Studierende zu verteilen. Die Möglichkeit, beliebig viele iPad auf Knopfdruck zu synchronisieren, zu löschen, wiederherzustellen und mit Anwendungen zu beschicken, ist einzigartig unter den Betriebssystemen und erlaubt erst die massenhafte Ausleihe.“

Mit dieser Empfehlung im Rücken konnte die Bibliothek voll und ganz auf das Apple-Betriebssystem setzen, was die Ausleihe von Tablets und damit das Projekt überhaupt erst möglich machte.


Ergebnisse

Teilnehmer und Fragestellungen

Alle Projektteilnehmer aus dem Röntgen-Semester wurden vor und nach dem Projekt (d.h. vor und nach dem Sommersemester) nach ihrer Nutzung derjenigen Lernmedien gefragt, die von der Bibliothek im Rahmen des Projekts angeboten wurden. Die Fragebögen finden Sie in Anhang 1 [Anh. 1] und Anhang 2 [Anh. 2].

Die Auswertung unterteilte sich in zwei Teile:

1.
Allgemeine Nutzung von Bibliothek und Lernmedien nach Projektende in der Gesamtkohorte. Hierzu werden die Ergebnisse der zweiten Umfrage (nach dem Physikum, d.h. nach Projektende) dargestellt. Diese wurde 117-mal beantwortet, was einem Rücklauf von 89% entsprach.
2.
Auswirkungen des Projekts. Hierzu wurden die folgenden beiden Forschungsfragen ausgewertet:
a. Welche Nutzungsänderungen bewirkte die iPad-Toolbox in der Gruppe der Tablet-Entleiher (Umfrage nach Projektende versus Umfrage vor Projektbeginn)? Hierzu wurden nur die Antworten von denjenigen 101 Teilnehmern in die Auswertung einbezogen, die sowohl die erste als auch die zweite Umfrage beantwortet hatten.
b. Gibt es nach Projektende noch Unterschiede in der Nutzung von Bibliothek und Lernmedien zwischen Tablet-Besitzern und Tablet-Entleihern oder haben sich diese in ihren Nutzungscharakteristika einander angenähert? Hierzu wurde die zweite Umfrage (nach Projektende) mit den obigen 101 Teilnehmern ausgewertet (darunter 50 Tablet-Besitzer und 51 Tablet-Entleiher).

Auswertung der einzelnen Fragen

Frage 1: Wie häufig suchten Sie die ZB Med in der Domagkstraße während des vergangenen Sommersemesters auf?

Diese Frage zielte nach der Besuchsfrequenz der Bibliothek. Sie konnte auf einer siebenteiligen Skala angegeben werden (1= nahezu täglich, 7= gar nicht). 22,4% der Antwortenden suchten die Bibliothek mehrmals in der Woche auf (nahezu täglich bzw. einige Male die Woche), 28,9% mehrmals im Monat (einmal pro Woche bzw. einige Mal pro Monat), 19,6% einmal im Monat und 23,4% weniger als einmal im Monat. Sechs Studierende (5,6%) hatten die Bibliothek nach ihren Angaben im Sommersemester gar nicht benutzt.

In einer zweiten Auswertung wurde untersucht, ob Studierende, die ein Tablet besaßen, im Sommersemester seltener in die Bibliothek gekommen waren. Dazu wurden Studierende vor und nach iPad-Entleihung gegenübergestellt bzw. Tablet-Entleiher und -Besitzer (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Besuchsfrequenz wurde entsprechend der siebenteiligen Skala in Zahlen von 1 bis 7 angegeben (1= nahezu täglich, 7= gar nicht) und mit SPSS auf Signifikanz untersucht. Wie Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt, benutzten Tablet-Besitzer die Bibliothek mit einem Wert von 4,4 bzw. 4,5 tendenziell seltener als Tablet-Entleiher (3,9). Dies war jedoch nur vor der iPad-Entleihung bei Tablet-Besitzern vs. Tablet-Entleihern signifikant (p<0,05).

Die Intervention „App-Ausleihe“ bei den Tablet-Besitzern (rechte Seite, orange vs. blaue Balken) bzw. „iPad- und App-Ausleihe“ bei den Tablet-Entleihern (linke Seite, orange vs. blaue Balken) hatte keine signifikanten Folgen auf den Bibliotheksbesuch.

Frage 2: Mit dem Medienbestand der ZB Med bin ich in den Bereichen … zufrieden

Als Antwortmöglichkeiten für die Zufriedenheit wurde die Skala „sehr zufrieden / zufrieden / teils-teils / unzufrieden / sehr unzufrieden“ angeboten und mit den Farben dunkelblau, hellblau, grün, hellrot, dunkelrot kodiert. In Abbildung 2 [Abb. 2] wurden die Lernmedien nach der Antwortmöglichkeit sehr zufrieden / zufrieden gerankt. Die resultierende Hitliste wird von Thieme examen online angeführt: 97% waren sehr zufrieden/zufrieden mit diesem Produkt, gefolgt von 91%, die mit dem Bestand an gedruckten Lehrbüchern sehr zufrieden/zufrieden waren. Mit den elektronischen Lehrbüchern waren über zwei Drittel der Antwortenden sehr zufrieden/zufrieden, insbesondere mit denen von Thieme (84%). Elsevier- (77%) und Springer-E-Books (69%) fielen dagegen etwas ab. Apps für E-Books wie z.B. Campus oder iPublishCentral erhielten mit 78% eine sehr gute Zufriedenheit attestiert und zwei Drittel (66%) waren mit den Anatomie-Apps Sobotta und Prometheus zufrieden oder sehr zufrieden.

In einer zweiten Auswertung wurde untersucht, ob sich die Zufriedenheit mit den Bibliotheksmedien (auf einer Skala von 1= sehr zufrieden bis 5= sehr unzufrieden) änderte, sobald man über ein Tablet verfügte. Dazu wurden Studierende vor und nach iPad-Entleihung gegenübergestellt (Abbildung 3 [Abb. 3]). Tendenziell stieg die Zufriedenheit mit den E-Books durch die Benutzung mit einem iPad; doch nur bei den Elsevier-E-Books war dies auch signifikant. Die Zufriedenheit mit gedruckten Lehrbüchern oder Thieme examen online änderte sich nicht durch die iPad-Entleihung.

In einer dritten Auswertung wurden die Unterschiede zwischen Tablet-Entleihern und Besitzern untersucht. Es stellte sich heraus, dass Entleiher mit den Lernmedien tendenziell zufriedener waren als Besitzer, dies war allerdings nur bei den gedruckten Lehrbüchern signifikant. Die Entleiher ließen sich auch nicht durch das iPad gegenüber dem gedruckten Buch korrumpieren: Ihre Zufriedenheit blieb auch nach der iPad-Ausleihe auf einem höheren Niveau als bei den Besitzern (vorher 1,39 vs. 1,78; p<0,05; nachher 1,42 vs. 1,78; p<0,01). Der Fakt, dass Tablet-Entleiher vorher und nachher signifikant zufriedener mit gedruckten Lehrbüchern waren als Tablet-Besitzer, könnte auf ein generell unterschiedliches Lernverhalten beider Gruppen hinweisen – ein Lernverhalten, das sich nicht einfach durch die temporäre Verfügbarkeit eines iPads so schnell ändern ließe.

Frage 3: Welche der folgenden Ressourcen haben Sie im Sommersemester 2014 zur Vorbereitung auf das Physikum benutzt?

Diese Frage zielte nach der Nutzungshäufigkeit im vergangenen Semester. Sie wurde nach „nahezu immer / oft / teils-teils / selten / nie“ aufgeschlüsselt und mit den Farben dunkelblau, hellblau, grün, hellrot, dunkelrot kodiert. In Abbildung 4 [Abb. 4] wurden die Lernmedien nach den Nutzungshäufigkeiten nahezu immer / oft gerankt. Die resultierende Hitliste wird mit weitem Abstand von Thieme examen online angeführt: 94% der Antwortenden nutzten dieses Kreuztool zur Vorbereitung auf das Physikum nahezu immer (85%) bzw. oft (9%). Thieme examen online erwies sich damit als wahrhaft unverzichtbar für die Vorbereitung auf das Physikum. Am zweithäufigsten wurde die Campus-App für Thieme-Lehrbücher genutzt (79%), dicht gefolgt von den gedruckten Lehrbüchern (76%). Mit großem Abstand folgten Vorlesungsskripte auf dem Tablet (46%) und Thieme E-Books im Web (32%). Wiederum nach einer größeren Lücke folgte die Prometheus-App mit 25%, eigene Mitschriften auf dem Tablet (24%), App für Elsevier-E-Books (24%), Lernkarten auf dem Tablet (18%), Elsevier E-Books im Web (18%) und die Sobotta-Anatomie-App (14%). Weniger als 10% Nutzung wies das Kreuztool iPhysikum auf (9%), sonstige Fragensammlungen (7%), die Springer E-Books im Web (6%) und das Onlinekreuztool Elsevier mediScript (5%).

In einer zweiten Auswertung wurde untersucht, ob die angebotenen Lernmedien von Entleihern und Besitzern gleich stark genutzt wurden. Auf 13 der 15 Lernmedien traf dies zu, die beiden einzigen Ausnahmen waren die Elsevier-E-Books im Web und via der App iPublishCentral, die von den Entleihern signifikant (p<0,01; p<0,05) stärker genutzt wurden als von den Tabletbesitzern. Ein Grund mag darin bestanden haben, dass iPublishCentral auf den Bibliotheks-iPads vorinstalliert war, die Nutzung der Elsevier-E-Books also vereinfachte.

In einer dritten Auswertung (Abbildung 5 [Abb. 5]) wurde untersucht, welchen Einfluss die Verfügbarkeit eines iPads auf die Nutzung von Lernmedien hat. Dazu wurde zwischen Entleihern vor (orange Balken) und nach iPad-Entleihung (blaue Balken) unterschieden (n=51). Die verschiedenen Möglichkeiten wurden diesmal entsprechend den Antworthäufigkeiten nach Entleihung gerankt. 11 der 13 sowohl vor als auch nach der Entleihung verfügbaren Lernmedien wurden von Entleihern nach der Entleihung signifikant unterschiedlich genutzt. Der Zugriff auf ein iPad triggerte – wenig überraschend – den verstärkten Gebrauch von digitalen Angeboten wie E-Books oder Kreuztools und eine geringere Nutzung von Vorlesungsskripten auf dem Tablet/Computer bzw. sonstige Fragensammlungen. Der Unterschied war am Eklatantesten bei der Thieme Campus App mit einer Steigerung von 2% auf 82% (+80 Prozentpunkte), E-Books über die Elsevier App und Webseite (je +22 Prozentpunkte), die Prometheus Lernkarten App (+20 Prozentpunkte) sowie Thieme examen online und E-Books über die Thieme-Webseite (je +17 Prozentpunkte). Vorlesungsskripte auf dem Tablet (–19 Prozentpunkte) und Sonstige Fragensammlungen (–10 Prozentpunkte) wurden nach der Entleihung seltener genutzt. Mitschriften auf Tablet/Computer und Springer E-Books im Web wurden vor und nach Entleihung nicht signifikant unterschiedlich genutzt.


Frage 4: Wie zufrieden waren Sie mit den folgenden Ressourcen?

Hier wurde – im Gegensatz zu Frage 2 – vor dem Projekt nach allen verfügbaren Lernmedien gefragt, nicht nur nach denen, welche die Bibliothek lizenziert oder gekauft hatte. Als Antwortmöglichkeiten für die Zufriedenheit wurde wieder die Skala „sehr zufrieden / zufrieden / teils-teils / unzufrieden / sehr unzufrieden“ angeboten und mit den Farben dunkelblau, hellblau, grün, hellrot, dunkelrot kodiert. In Abbildung 6 [Abb. 6] wurden die Lernmedien nach der Antwortmöglichkeit sehr zufrieden / zufrieden gerankt. Die resultierende Hitliste wird von Thieme examen online und den gedruckten Lehrbüchern angeführt, mit denen jeweils 95% sehr zufrieden / zufrieden waren. Auf dem dritten Platz folgte die Campus-App der Thieme-Lehrbücher mit hervorragenden 89%, gefolgt von 88% für Vorlesungsskripte auf dem Tablet. Mit deutlichem Abstand folgten die sonstigen Fragensammlungen (72%), die elektronischen Lehrbücher von Elsevier (71%) und Thieme (70%), eigene Mitschriften auf dem Tablet (69%), iPublishCentral (68%), die Sobotta-Anatomie-App (66%) und E-Books von Springer (62%). 60% und weniger Zustimmung haben Tablet-Lernkarten (59%), die Prometheus-Anatomie-App (52%), das Kreuztool Mediscript von Elsevier (48%) und als Schlusslicht das Kreuztool iPhysikum mit 29%.

In einer zweiten Auswertung wurde die Zufriedenheit von Entleihern vs. Besitzern untersucht. Entleiher und Besitzer waren (auf einer Skala von 1= sehr zufrieden bis 5= sehr unzufrieden) mit allen 15 angebotenen Lernmedien gleich zufrieden mit der Ausnahme von Thieme- und Elsevier-E-Books (Entleiher zufriedener, p<0,05) sowie iPhysikum und Tablet-Lernkarten (Besitzer zufriedener, p<0,05). In einer dritten Auswertung wurde zwischen Studierenden vor und nach iPad-Entleihung unterschieden. Mit allen sowohl vor als auch nach der Entleihung verfügbaren Lernmedien waren die Entleiher vor und nach der Entleihung gleich zufrieden mit der Ausnahme von E-Books von Elsevier (p<0.05), mit denen – analog zur Frage 2 – nach Entleihung eine größere Zufriedenheit herrschte.

Frage 5: Welche der folgenden Ressourcen war für Ihre Physikumsvorbereitung am wichtigsten?

Diese Frage wurde nur in der zweiten Umfrage nach Projektende gestellt. Als Antwortmöglichkeiten für die Wichtigkeit der Lernmedien wurde die Skala „sehr wichtig / wichtig / teils-teils / unwichtig / sehr unwichtig“ angeboten und mit den Farben dunkelblau, hellblau, grün, hellrot, dunkelrot kodiert. In Abbildung 7 [Abb. 7] wurden die Lernmedien nach der Antwortmöglichkeit sehr wichtig / wichtig gerankt. Auch bei dieser Rankingliste führen die Kreuztools unangefochten mit 99% sehr wichtig bzw. wichtig. Die gedruckten Lehrbücher belegen den zweiten Platz mit 89%, gefolgt von den elektronischen Lehrbüchern – knapp 3/4 (74%) hielten diese für sehr wichtig bzw. wichtig. 63% gaben an, dass eigene Notizen wichtig bzw. sehr wichtig seien, aber nur lediglich 35% fanden dies für Anatomie-Apps und 31% für digitale Vorlesungsskripte. Nur jeder Sechste (16%) gab an, gedruckte Vorlesungsskripte seien sehr wichtig oder wichtig für die Prüfungsvorbereitung gewesen.

Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen Entleihern und Besitzern bezüglich der Wichtigkeit der Lernmedien für die Vorbereitung zum Physikum mit Ausnahme der Lehrbücher (als PDF oder App), welche die Entleiher signifikant wichtiger fanden als die Besitzer (1,75 vs. 2,16; p<0,05).

Portfolio Zufriedenheit vs. Wichtigkeit von Lernmedien

Abbildung 8 [Abb. 8] zeigt die Zufriedenheit von Lernmedien der von den Studierenden angegebenen Wichtigkeit gegenübergestellt – jeweils auf einer fünfteiligen Skaleneinteilung (1= sehr zufrieden bis 5= sehr unzufrieden; 1= sehr wichtig bis 5= sehr unwichtig). Dazu wurden die Bewertungen in ein Koordinatensystem aufgetragen. Das sich ergebende „Aktions-Portfolio“ ermöglicht es, die Lernmedien in Gruppen zu unterscheiden und diesen bestimmte Aktionen zuzuordnen. Die Kreuztools besaßen für die Studierenden mit 1,10 eine extrem hohe Wichtigkeit, zeigten allerdings auch mit 1,28 eine nahezu gleich hohe Zufriedenheit, so dass hier kein unmittelbarer Handlungs- bzw. Verbesserungsbedarf besteht. Ähnlich sieht es mit den übrigen Lernmedien aus: Was besonders wichtig war, stieß auch bei den Studierenden auf eine große Zufriedenheit. Gedruckte Lehrbücher (1,59 Zufriedenheit vs. 1,54 Wichtigkeit), elektronische Lehrbücher (1,96 vs. 1,94) und eigene Notizen (2,17 vs. 2,30). Mit den Anatomie-Apps (2,27 vs. 3,11) und den elektronischen Vorlesungsskripten (1,81 vs. 3,16) waren die Teilnehmer zufriedener, als dass sie sie wichtig fanden. Wir haben es also in allen Fällen mit Lernmedien zu tun, bei denen die Antwortenden sehr zufrieden waren mit den sehr wichtigen Lernmedien und mittel zufrieden waren mit den mittel wichtigen Lernmedien, d.h. es besteht kein unmittelbarer Verbesserungsbedarf.

Frage 6: An welchen Orten haben Sie im Sommersemester gelernt?

Diese Frage zielte nach den Lernorten im vergangenen Semester. Die Nutzungshäufigkeiten der als Antwortmöglichkeit angebotenen Lernorte wurden nach „nahezu immer / oft / teils-teils / selten / nie“ aufgeschlüsselt und mit den Farben dunkelblau, hellblau, grün, hellrot, dunkelrot kodiert. In Abbildung 9 [Abb. 9] wurden die Lernorte nach den Nutzungshäufigkeiten nahezu immer / oft gerankt. Die resultierende Hitliste wird von „zuhause“ angeführt: 83% der Antwortenden lernten zuhause nahezu immer (66%) bzw. oft (17%). Am zweithäufigsten – wenn auch mit übergroßem Abstand – wurde in der Bibliothek gelernt (26%), gefolgt von sonstige Orten an der Universität (21%), „bei Freunden“ (12%), „unterwegs“ (11%) sowie im medizinischen Lehrgebäude (5%).

„Ich find‘ das macht es so ein bisschen einfacher. Man muss nicht überlegen, was mach ich jetzt, was nehm‘ ich jetzt für die den Tag an der Uni noch für ein Buch mit, dass ich in den Pausen was machen kann, sondern man hat die einfach dabei und man kann auch mal im Bett liegen und was machen…“ (Zitat aus einem Nutzerinterview)
„Ich fahre zum Beispiel vier Stunden nach Hause mit dem Zug und das war für mich früher immer so eine tote Zeit. Weil, du kannst, so richtig Bücher mitschleppen ist auch Quatsch, weil, wenn man umsteigen muss, und die ganzen Skripte, das ist dann auch teilweise, ja, eine Zettelwirtschaft. Und jetzt kann ich die Zeit auch effektiv nutzen. Also irgendwelche Wartezeiten, die sonst verschwendet wären.“ (Zitat aus einem Nutzerinterview)

In einer zweiten Auswertung (Abbildung 10 [Abb. 10]) wurden Tablet-Besitzer mit Tablet-Entleihern verglichen (auf einer Skala von 1= nahezu immer und 5= nie). Tablet-Besitzer lernten signifikant häufiger zu Hause (1,28 vs. 1,71; p<0,05) und kamen zum Lernen seltener in die Bibliothek (3,63 vs. 3,25; p<0,05). Der scheinbare Widerspruch zu den Ergebnissen von Frage 1 löst sich auf, wenn man berücksichtigt, dass Studierende nicht nur zum Lernen in die Bibliothek kommen. Bei der Nutzung anderer Lernorte unterschieden sich beide Gruppen nicht signifikant. Nun stellte sich die interessante Frage: Wie war es nach dem Projekt? Änderte sich die Gewichtung der Lernorte durch die Entleihung eines Tablets? Die Antwort darauf ist leider nicht eindeutig: Tablet-Entleiher suchten zwar nach der Entleihung die Bibliothek seltener auf als zuvor (3,52 nachher vs. 3,25 vorher) und glichen sich damit den Tablet-Besitzern an, dies war jedoch nicht deutlich genug, um signifikant zu sein (p=0,051).

Betrachtet man nicht die Intensität des Lernens, sondern die Benutzung derjenigen Orte, an denen überhaupt einmal gelernt wurde, dann erhält man folgende interessante Darstellung (Abbildung 11 [Abb. 11]).

Nicht verwunderlich ist, dass „zuhause“ wieder ganz oben steht und 98% mindestens einmal dort gelernt haben. Auffällig ist jedoch die große Fraktion von 80% der Antwortenden, die unterwegs lernten – mehr als in jedem anderen Ort, abgesehen von zuhause. Dass das Lernen „unterwegs“ in dieser Darstellung den zweithäufigsten Lernort darstellt, beruht vermutlich auf der Mobilität der Tablet-Computer, die das ungeplante (so genannte akzidentelle) Lernen unterwegs sehr befördern. Dieses Lernen ist durch seine Zufälligkeit, Sprunghaftigkeit und Spontanität gekennzeichnet. In Frage 7 (s.u.) wurde das „Unterwegs-Lernen“ genauer betrachtet.

Frage 7: Welche der folgenden Geräte benutzten Sie zum Lernen, wenn Sie unterwegs waren?

Die Nutzungshäufigkeiten der angebotenen Gerätetypen wurden nach „nahezu immer / oft / teils-teils / selten / nie“ aufgeschlüsselt und mit den Farben dunkelblau, hellblau, grün, hellrot, dunkelrot kodiert. In Abbildung 12 [Abb. 12] wurden die Gerätetypen nach den Nutzungshäufigkeiten nahezu immer / oft gerankt. Die resultierende Hitliste wird mit 78% „nahezu immer/oft“ vom iPad angeführt, mit weitem Abstand gefolgt vom Smartphone (25%), dem Laptop (23%), einem sonstigen Tablet (12%) sowie dem Netbook (2%). Mehr als 3/4 aller Antwortenden benutzte demnach ein iPad zum Lernen unterwegs, zählt man die Android- und Windows-Tablets hinzu, benutzten insgesamt 92% einen Tablet-Computer unterwegs zum Lernen.

Die Frage wurde nur in der zweiten Umfrage gestellt, es lässt sich also keine Aussage über die Auswirkungen der Tablet-Entleihung auf das Lernen unterwegs treffen.

In einer zweiten Auswertung (Abbildung 13 [Abb. 13]) wurden Tablet-Besitzer mit Tablet-Entleihern bei der Benutzung von Geräten unterwegs verglichen. Es zeigt sich kein Unterschied im Lernen mit dem Tablet-Computer: Hier haben die Entleiher wohl schnell die starke Tablet-Nutzung der Besitzer aufgeholt. Lediglich Smartphones und Laptop wurden von den Tablet-Besitzern signifikant häufiger unterwegs genutzt als von den Entleihern, was wohl eine generell größere Affinität der Tablet-Besitzer zu technischen Geräten wie Computern anzeigt.

Frage 8: Wie haben Sie Vorlesungen verfolgt?

Dies war eine Frage der ersten Umfrage vor Projektbeginn. In der Umfrage wurden zehn Mitschreibarten genannt, die nach „nahezu immer / oft / teils-teils / selten / nie“ aufgeschlüsselt und mit den Farben dunkelblau, hellblau, grün, hellrot, dunkelrot kodiert wurden. In Abbildung 14 [Abb. 14] wurden die Mitschreibarten nach den Nutzungshäufigkeiten nahezu immer / oft gerankt. Knapp 2/3 aller Studierenden (65%) verfolgten die Vorlesungen, indem sie das ausgedruckte Vorlesungsskript mit handschriftlichen Notizen ergänzten. Etwas mehr als die Hälfte (56%) machte handschriftliche Notizen auch ohne Vorlesungsskript, mit weitem Abstand gefolgt von denen, die Notizen in das digitale Vorlesungsskript auf ihrem Tablet machten (35%) (meist mit einer PDF-App wie z.B. Notability, Adobe- oder GoodReader). 25% machten sich auch ohne Vorlesungsskript Notizen auf ihrem Tablet (25%).

Weniger verbreitet waren Mitschreibarten wie das Abfotografieren der Folien (11%), die Nutzung der Notizen von Kommilitonen oder Notizen auf dem Laptop/Netbook (je 3%) sowie Notizen in das Skript auf dem Laptop/Netbook (2%). Keiner gab an, die Vorlesungen auf Audio oder Video aufzunehmen (was auch nur mit Genehmigung des Vortragenden erlaubt wäre). Jeder 12. machte gar keine Notizen.

Es zeigt sich, dass deutlich mehr Studierende Notizen mit dem Tablet als mit dem Laptop machten. Dies nicht etwa, weil mehr Personen ein Tablet besaßen als ein Laptop – die Besitzverhältnisse waren ja vor Projektbeginn genau umgekehrt –, sondern weil das Tablet immer dabei war und sich offensichtlich besser dafür eignete.

In einer zweiten Auswertung (Abbildung 15 [Abb. 15]) wurde zwischen Studierenden unterschieden, die ein Tablet besaßen (blaue Balken) und denen, die keins besaßen (orange Balken). Die verschiedenen Möglichkeiten wurden diesmal nach den Antworthäufigkeiten der Tablet-Besitzer gerankt. Nun stehen die (digitalen) Notizen in das digitale PDF-Vorlesungsskript auf dem Tablet an der Spitze der Mitschreibarten: Knapp 2/3 aller Tablet-Besitzer verfolgten die Vorlesungen all-digital (64%). Handschriftliche Notizen in das ausgedruckte Vorlesungsskript nahmen mit 55% den zweiten Platz ein, gefolgt von Notizen auf dem Tablet (46%) und handschriftlichen Notizen ohne Vorlesungsskript (43%). Erst mit weitem Abstand kam das Abfotografieren (12%, kein Unterschied zu den Tablet-Besitzlosen, die dies vermutlich mit ihrem Smartphone oder seltener mit dem Netbook machten). Die übrigen vier Mitschreibarten waren bei den Tablet-Besitzern wie bei den Tablet-Besitzlosen nur sehr wenig verbreitet. Interessant ist dabei, dass auch Tablet-Besitzer nicht alles mit ihrem Tablet machten: Jeder 50. (2%) benutzt das Laptop/Netbook zum Notizen machen. Jeder 14. machte gar keine Notizen.

In der zweiten Umfrage nach Projektende wurde dieselbe Frage gestellt und mit den Resultaten der ersten Umfrage vor Projektbeginn korreliert. Dazu wurde die Mitschreibfrequenz auf einer Skala von 9 Stufen ermittelt (Abbildung 16 [Abb. 16]). Die Skala ergab sich durch Addierung zweier Antworten mit jeweils einer 5er-Einzelskala (2x gar nicht=0, gar nicht/selten=1, 2x selten=2, selten/teils=3, 2x teils=4, teils/oft=5, 2x oft=6, oft/nahezu immer=7, 2x nahezu immer=8). Dazu wurden die Antworten zu „handschriftlichen Notizen mit und ohne Skript“ aufaddiert sowie die zu „digitalen Notizen mit und ohne Skript“. In Abbildung 16 [Abb. 16] sieht man eine signifikante Reduktion des handschriftlichen Notizenmachens nach iPad-Entleihung (von 6,0 auf 4,4; p<0,001) und eine komplementäre Erhöhung des digitalen Notizenmachens (von 0,6 auf 2,7; p<0,001). Es findet also ein deutlicher Shift von dem fast reinen analogen Notizenmachen vor der Begegnung mit dem iPad zu einem mehr digitalen Notizenmachen nach der Begegnung mit dem iPad statt.

Frage 9: Wurden Ihre Erwartungen an das easyphysikum-Projekt erfüllt?

Die Teilnehmer wurden für sechs Bereiche gefragt, ob das Projekt ihre Erwartungen erfüllt hätte. Als Antwortmöglichkeiten wurde die Skala “trifft voll zu / trifft zu / teils-teils / trifft eher nicht zu / trifft nicht zu” angeboten. In Abbildung 17 [Abb. 17] wurden die Erwartungen nach dem Grad der Zustimmung/Erfüllung „trifft voll zu/trifft zu“ gerankt. Die resultierende Hitliste wird von den beiden Erwartungen (oder Projektzielen) angeführt, „Zugang zu wichtigen Lernmedien“ (87% Zustimmung) und „Vorteile durch Mobilität des iPad“ (84%). „Fachkundiger Support durch die Mitarbeiter der ZB Med“ (83%), „Generelle Vorteile beim Lernen“ (75%) und „Bessere Prüfungsvorbereitung“ (70%) folgten auf den Plätzen. „Unterstützung von Android- und Windows-Tablets“ (38%) rangierte auf dem letzten Platz.

In einer zweiten Auswertung wurde zwischen Tablet-Besitzern (orange Balken) und Tablet-Entleihern (blaue Balken) unterschieden (Abbildung 18 [Abb. 18]). Es wurden die Antworten „trifft voll zu“ und „trifft zu“ aufaddiert und nach den Antworten der Tablet-Entleiher gerankt. Ein Ergebnis war, dass die Tablet-Besitzer generell etwas kritischer waren als die Entleiher: Bei den drei ersten Erwartungshaltungen: Zugang, Mobilität und Support waren Tablet-Besitzer 11–13 Prozentpunkte weniger davon überzeugt, dass die Erwartungen, die sie an das Projekt hatten, auch erfüllt worden waren. Bei den generellen Vorteilen fürs Lernen und der besseren Prüfungsvorbereitung teilten sie dagegen mehr oder weniger die Einstellung der Tablet-Entleiher. 33% der Entleiher und 42% der Besitzer sahen die Unterstützung von Nicht-Apple-Tablets als erfüllt an.

Portfolio Projektziele

Abbildung 19 [Abb. 19] stellt die Erwartungshaltung der Zufriedenheit der Studienteilnehmer mit den Projektzielen gegenüber. Dazu wurden die Wichtigkeit verschiedener Projektziele (aus der Umfrage vor Projektbeginn) gegen die Zufriedenheit der Teilnehmer mit ihrer Umsetzung (aus Frage 9 der Umfrage nach Projektende) in ein Koordinatensystem aufgetragen. Man erhält als Resultat wiederum ein so genanntes “Aktions-Portfolio”, das es ermöglicht, die Projektziele in vier Gruppen zu unterscheiden und diesen bestimmte Aktionen zuzuordnen. Bei „Bessere Prüfungsvorbereitung“ (roter Punkt) hatten die Antwortenden eine besonders hohe Erwartungshaltung (82%), die einer etwas geringeren Zustimmung gegenüber stand (71%): Die Erwartungen waren also nicht ganz erfüllt worden. Ganz anderes „Fachkundige Unterstützung durch das Bibliothekspersonal“ (gelber Punkt): Hier wurden die Erwartungen übererfüllt, die Studienteilnehmer waren wesentlich angetaner vom Support der Bibliothek als erwartet. 41% hatten diese Erwartung an das Projekt, aber 83% gaben nach Projektende an, ihre Erwartungshaltung sei erfüllt worden, waren also mit dem Support zufrieden.

Frage 10: Was war der besondere Vorteil, sich mit einem Tablet auf das Physikum vorzubereiten?

Die Teilnehmer wurden nach den Vorteilen der Prüfungsvorbereitung mit einem Tablet-Computer befragt. Es wurden die folgenden Antwortmöglichkeiten zum einfachen Ankreuzen (ja/nein) angeboten (Mehrfachnennungen waren möglich):

1.
Die Organisation der Vorlesungen und Seminare sowie der Zugriff auf Lernmaterial war einfacher;
2.
Man konnte immer und überall lernen, da immer alles dabei war;
3.
Der Transport von Büchern fiel weg;
4.
Kosten und Papierersparnis durch weniger Ausdrucke;
5.
Die Qualität der Skripte war besser (Farbigkeit, Zoom);
6.
Bearbeitung der Skripte möglich (Verschieben und Bearbeiten der eigenen Notizen);
7.
Zeitersparnis durch Suchfunktion von E-Books, Auffinden von Skripten und Notizen;
8.
Man konnte „ungeplant“ lernen, wenn es sich gerade so ergab (Warte- und Transferzeiten).

In Abbildung 20 [Abb. 20] wurden die Vorteile nach der Zustimmungshäufigkeit gerankt: Der meist genannte Vorteil der Prüfungsvorbereitung mit dem Tablet war der Wegfall des Transports von gedruckten Büchern – 80% stimmten dem zu. Fast drei Viertel (72%) schätzten es, dass man mit dem Tablet immer und überall lernen konnte, da immer alles dabei war. Dies wurde unterstützt durch diejenigen (58%), die es als deutlichen Vorteil empfanden, dass man „ungeplant“ lernen konnte, wenn es sich gerade so ergab. 62% empfanden die Zeitersparnis durch die Suchfunktion von E-Books, Skripten und Notizen als segensreich. Dies fand eine Ergänzung in dem einfacheren Zugriff auf Lernmaterial der Vorlesungen und Seminare (49% Zustimmung), so dass hier offensichtlich eine Mehrheit die Nutzung der Lernressourcen auf dem Tablet als einfacher und schneller und besser strukturiert empfand als im Bücherregal oder Aktenordner. 56% der Teilnehmer gaben an, dass ihnen die Kosten- und Papierersparnis durch weniger Ausdrucke als Vorteil der Prüfungsvorbereitung wichtig war – nicht erstaunlich, da die Studierenden einerseits als kosten- und andrerseits als umweltbewusste Gruppe gelten. 37% empfanden die Qualität der Skripte besser und 36% schätzten die Bearbeitung der Skripte und Bücher.

In einer zweiten Auswertung wurden die Unterschiede zwischen Tablet-Besitzern und Tablet-Entleihern bezüglich der von ihnen wahrgenommenen Vorteile des Arbeitens mit dem Tablet-Computer untersucht. Entleiher und Besitzer stimmten in allen Punkten überein mit der folgenden Ausnahme: Zeitersparnis durch Suchfunktion von E-Books und Auffinden von Skripten und Notizen, welche die Entleiher signifikant weniger vorteilhaft fanden als die Besitzer. Es ist zu vermuten, dass Entleiher sich in der kurzen Zeit doch nicht so gut in das iPad und die Apps einarbeiten konnten, um diesen doch diffizilen Vorteil erkennen und nutzen zu können.

Frage 11: Treffen die folgenden Aussagen zu?

Die Teilnehmer wurden nach ihrer Meinung zu 14 Aussagen bezüglich des Projekts gefragt. Als Antwortmöglichkeiten wurde die Skala „trifft voll zu / trifft zu / teils-teils / trifft eher nicht zu / trifft nicht zu“ angeboten. In Abbildung 21 [Abb. 21] wurden die zustimmenden Antwortmöglichkeiten „trifft voll zu / trifft zu“ aufgeführt und die Antwortmöglichkeiten nach diesem Grad der Zustimmung gerankt. Die resultierende Hitliste wird von den drei Aussagen angeführt, „Die ZB Med sollte weiterhin Bücher und Apps für Smartphones/Tablets anbieten“ (99% Zustimmung), „Die ZB Med sollte weiterhin Tablets ausleihen“ (95%) und „Das Tablet ist ein prima Nachschlagewerkzeug“ (92%). Erst mit einigem Abstand aber immer noch deutlicher Zustimmung folgen die drei Aussagen „Die iPad-Ausleihe ist notwendig zur Chancengleichheit, da nicht jeder eins hat“ (79%), „Geräte und/oder Inhalte wären bereits im 1./2. Semester nützlich“ (78%) und „Die Vorbereitung aufs Physikum war dank des Projekts einfacher“ (70%). Die nächsten drei Aussagen stießen ebenfalls auf mehrheitliche Zustimmung: „Nach dem Projekt werde ich mir selber ein Tablet anschaffen, wenn ich noch keins habe“ (59%), „Durch das Projekt war ich besser auf das Physikum vorbereitet“ (59%) und „Aufgrund des Projekts habe ich weniger gedruckte Lehrbücher ausgeliehen“ (54%). Ca. ein Drittel stimmte jeweils den folgenden beiden Aussagen zu: „Das Tablet ist ein hervorragender Buchersatz“ (34%) und „Ich habe befürchtet, mein Tablet würde gestohlen werden oder kaputt gehen“ (32%). Lediglich jeder Achte bzw. jeder Zwölfte mochte folgenden Aussagen zustimmen: „Das Tablet hat mich in Veranstaltungen abgelenkt“ (13%), „Das Tablet ermöglicht ein Lernen ohne eigene Mitschriften“ (12%) und „Das Tablet verbessert die Konzentration in Veranstaltungen“ (8%).

In einer zweiten Auswertung wurden die Unterschiede zwischen Tablet-Besitzern und Tablet-Entleihern bezüglich der Aussagen zum Projekt untersucht. Befragt zu ihrer Meinung nach den 14 Aussagen bezüglich des Projekts differierten Tablet-Entleiher und Besitzer deutlich bei den folgenden vier Ausnahmen (s. Abbildung 22 [Abb. 22]):

  • Die ZB Med sollte weiterhin Tablets ausleihen (Entleiher: 100% vs. Besitzer 91%)
  • Aufgrund des Projekts habe ich weniger gedruckte Lehrbücher ausgeliehen (57% vs. 47%)
  • Nach dem Projekt werde ich mir selber ein Tablet anschaffen, wenn ich noch keins habe (65% vs. 44%)
  • Ich habe befürchtet, mein Tablet würde gestohlen werden oder kaputt gehen (47% vs. 12%)
Frage 12: Zufriedenheit / Weiterempfehlungsrate

Auf die Frage nach der generellen Zufriedenheit mit dem Projekt gaben 56% an, sie wären „sehr zufrieden“, und weitere 32% waren zufrieden. Insgesamt waren also 88% zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Projekt. 8% waren unschlüssig (teils/teils) und lediglich 4 Personen (4%) waren unzufrieden oder sehr unzufrieden. Bei den Letzteren handelte es sich übrigens ausschließlich um Besitzer von Android-Tablets, die – nachvollziehbarerweise – von dem Projekt nicht so sehr profitieren konnten wie die iPad-Nutzer. Ein Kommentar brachte dies auf den Punkt:

Die Ausleihe von iPads ist löblich, aber leider ist dieses Projekt sehr auf das iPad fokussiert, sodass Nutzer von anderen Tablets leider leer ausgehen und auch die Apps nicht in vollem Umfang nutzen können. Die Apps sind allgemein bekannt, sodass das Projekt an sich mir leider gar nichts gebracht hat.

Entleiher waren generell zufriedener als Besitzer (1,35 vs. 1,90; p<0,001) und auch der Net Promoter Score (s.u.) war bei ihnen signifikant höher (74,5% vs. 53,1%; p<0,05). Der Net Promotor Score ist eine Kennzahl für den Unternehmenserfolg und wurde für das easyphysikum-Projekt ermittelt, indem den Teilnehmern auf einer 11-Punkteskala (von 10 – sehr wahrscheinlich bis 0 – sehr unwahrscheinlich) die Frage gestellt wurde: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie die Teilnahme an ,easyphysikum‘ einem Freund oder Kommilitonen empfehlen würden?“. Der NPS ist dann die Differenz zwischen den Promotoren (9 und 10 Punkte) und Detraktoren (0–6 Punkte). Diejenigen, die mit 7 oder 8 antworten, sind neutral und werden nicht in die Bewertung miteinbezogen. Das Projekt easyphysikum wies einen insgesamten NPS von 64% auf und ist damit vergleichbar mit renommierten Markenprodukten.

Wer war zufriedener mit dem Projekt? Entleiher oder Besitzer? Eindeutig erstere: 94% der Entleiher würden das Projekt weiterempfehlen gegenüber 84% der Besitzer.


Diskussion

Die Kombination aus multimedialen Lernmedien und mobilen Geräten erleichterte die Prüfungsvorbereitung immens und hat bei zahlreichen Projektteilnehmer zu einer starken Konkurrenz mit dem gedruckten Lehrbuch geführt, ja sogar zu seiner Ablösung. Von den Studierenden kam die Rückmeldung, dass der digitale Zugriff nicht nur mit den gedruckten Büchern mithalten kann, sondern diesen in puncto Mobilität und Flexibilität überlegen ist. Mehrheitlich ist das gedruckte Buch aber immer Top-Bestandteil der eigenen Lernsuite.

„Die Anatomie Apps, Kreuztools, Lehrbücher greifen ja alles ineinander und führen so insgesamt zu einem fundierteren Gesamtwissen und einer verbesserten Prüfungsvorbereitung ... und das gibt einem Sicherheit. Ich finde dass es das Schwierigste vor Prüfungen ist wenn man anfängt Panik zu schieben und dann kann ich schnell mal was nachschauen oder selbst einen Test machen … Die Abwechslung ist dann einfach da. Ich kenn das von mir selber dass ich keine Lust mehr habe zu lesen und dann kann man einfach nochmal Bilder angucken oder kreuzen, so dass man trotzdem ja was Produktives tut ohne sich selber halt quälen zu müssen.“ (Zitat aus einem Nutzerinterview)

Die Evaluation belegte, dass die Studierenden das Projekt als hilfreich, nützlich und einzigartig empfanden. Interviews mit rund 30 Studierenden ergaben darüber hinaus ein detailliertes Bild zu Erfolg, Nutzen und Verbesserungsmöglichkeiten des Angebots.

Ein Studierender brachte die Verbesserungsmöglichkeiten auf den Punkt:

E-Books und Kreuztools halte ich für eine tolle und fördernswerte Sache - wenn denn alles offline möglich wäre und reibungslos funktionieren würde. Schade, dass dies beispielsweise bei der Dualen Reihe nicht möglich ist, denn gerade die wird doch sehr häufig benötigt. Meine Meinung: entweder iPads für alle Nicht-iPad-Besitzer anbieten oder alle Apps auch für Android zugänglich machen, damit nachher nicht jemand benachteiligt ist, weil er aufgrund seines Android-Tablets nicht in den Genuss eines iPads kommen durfte. Ansatz sehr gut, aber Umsetzung noch verarbeitungswürdig!

Die Bibliothek wird verstärkt in diese neuen Ressourcen investieren. Auch finanzschwachen Studierenden muss der Zugang zu diesen Lernmitteln offen stehen, d.h. die dafür notwendigen Geräte müssen zur Verfügung gestellt werden. Mobile Geräte ermöglichen neben dem rein kognitiven Lernen im Eigenstudium den Einstieg in moderne Lehr- und Lernformen wie interaktiver Unterricht, Simulationsprogramme und Flipped Classroom, elektronische Prüfungen, den Zugriff auf Clinical Decision Systeme und KIS auf Station.


Ausblick

Auf Grundlage der erfolgreichen Evaluation des Projekts easyphysikum entwickelte die Zweigbibliothek das Folgeprojekt easystudium. In diesem auf zwei Jahre angelegten Projekt werden alle Medizinstudierenden die Möglichkeit haben, die besten verfügbaren Lernmedien mit ihrem oder einem Bibliotheks-iPad zu benutzen. Über die Ergebnisse dieses Nachfolgeprojektes wird in einer Folgepublikation berichtet werden.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Becker JC, Görlich D, Obst O. Die Integration von Tablet-Computern in das Medizinstudium. Teil 1: Eine Umfragestudie unter den Studierenden der Medizinischen Fakultät der Universität Münster. GMS Med Bibl Inf. 2015;15(1-2):Doc04. DOI: 10.3205/mbi000331 Externer Link
2.
Lerninhalte und Apps für das Tablet-Projekt EasyPhysikum. In: Wissens-Wiki der Zweigbibliothek Medizin der Universitäts- und Landesbibliothek Münster. [cited 2015 Oct 26]. Available from: http://medbib.klinikum.uni-muenster.de/wiki/TabletProjektInhalte Externer Link
3.
Beirat des Tablet-Projekts. In: Wissens-Wiki der Zweigbibliothek Medizin der Universitäts- und Landesbibliothek Münster. [cited 2015 Oct 15]. Availabe from: http://medbib.klinikum.uni-muenster.de/wiki/TabletProjektBeirat Externer Link
4.
Mittmann C, Obst O. Evaluierung der am Markt vorhandenen Tablets und Betriebssysteme. Bericht der Tablet-Group der Zweigbibliothek Medizin. Münster; 2013 [cited 2015 Oct 15]. Available from: http://medbib.klinikum.uni-muenster.de/open/tablets-comparison-report.pdf Externer Link
5.
Apple Inc. Programm für Volumenlizenzen (VPP) für den Bildungsbereich. [cited 2016 Jun 25]. Available from: https://volume.itunes.apple.com/de/store/ Externer Link