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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Bibliothekare ohne Bibliothek? Zur Situation der Pharmabibliotheken

Librarians without a library? The pharmacy library situation

Fachbeitrag

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  • corresponding author Marianne Gretz - Roche Diagnostics GmbH, Mannheim, Deutschland
  • Sascha Höning - Abbott GmbH & Co. KG, Ludwigshafen, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2011;11(1-2):Doc07

doi: 10.3205/mbi000222, urn:nbn:de:0183-mbi0002224

Veröffentlicht: 14. September 2011

© 2011 Gretz et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Trotz großer wirtschaftlicher und organisatorischer Veränderungen in der Pharma-Industrie behauptet sich der Arbeitskreis (AK) Pharma-Bibliotheken innerhalb der Arbeitsgemeinschaft für medizinisches Bibliothekswesen (AGMB) seit 18 Jahren. Allerdings haben sich die im AK diskutierten Themen von Fragen der räumlichen oder personellen Expansion oder des Bestandsaufbaus weg und hin zu Outsourcing, Schulung, Technologie-Scouting und dem Aufbau umfassender Urheberrechtsexpertise entwickelt. Während der physische Bestand in vielen Firmenbibliotheken schwindet oder bereits abgebaut wurde, prägen das Management der elektronischen Medien, deren firmeninterne Vermarktung und das entsprechende Nutzertraining, die Bewertung und der Einsatz neuer Technologien und die Klärung von komplexen Urheberrechtsfragen zunehmend den Alltag der Firmen-Bibliothekare. Breites, nur in Einzelpunkten (wie Urheberrecht) auch tiefes Know-How, Kommunikationsfähigkeit, Vernetzung, wirtschaftliches Denken, Anpassungsfähigkeit und die ausgeprägte Bereitschaft, dazu zu lernen sowie der Nachweis, zur Wertschöpfung des Unternehmens beizutragen, sind die Faktoren, die Firmen-Bibliothekaren eine Zukunft in den Firmen ermöglichen – zur Not auch ohne physische Bibliothek!

Schlüsselwörter: Pharma-Bibliothek, Print-Medien, Bestand, elektronische Medien, Auswahl, Bewertung, Schulung, Training, neue Technologien, Technologie-Scout, Marketing, Werbung, Events, Intranet, Kommunikationsfähigkeit, Nutzerfreundlichkeit, Relevanz für Unternehmen, Urheberrecht, Sonderdrucke, Reprints, ePrints, Rechte-Klärung, Outsourcing

Abstract

Despite major economic and organizational changes in the pharmaceutical industry, the Pharmaceutical Library Task Force (Arbeitskreis Pharma-Bibliotheken) has been going strong in the Medical Library Working Party (Arbeitsgemeinschaft für medizinisches Bibliothekswesen – AGMB) for the past 18 years. However, Task Force discussion topics have moved away from questions about spatial or staffing expansion or building up inventory, and toward themes such as outsourcing, training, technology scouting, and building up comprehensive copyright expertise. While actual physical stock is shrinking or has been eliminated entirely from many company libraries, the everyday working lives of company librarians are increasingly taken up with management of electronic media, in-house marketing and the associated user training, evaluation and use of new technologies, and clarification of complex copyright issues. Widespread know-how, in-depth knowledge of specialist areas (such as copyright), communication skills, networking, cost awareness, adaptability, willingness to learn new things, and demonstrating the value they add to the company are the factors that will secure the future of company librarians, whether with – or, in a pinch – without a physical library.

Keywords: pharma library, print media, electronic media, stock, selection, evaluation, training, education, new technologies, technology scout, marketing, advertising, events, intranet, communication skills, user-friendliness, relevance for company, copyright, offprints, reprints, e-prints, clarification of rights, outsourcing


Bibliothekare ohne Bibliothek? Zur Situation der Pharmabibliotheken

Die Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB) feierte 2010 ihr 40-jähriges Bestehen – keine Selbstverständlichkeit für eine Organisation, die sich nicht nur durch großes Renommee, sondern – wie im Titel ausgedrückt – auch durch die Bereitschaft zur gemeinschaftlichen Arbeit auszeichnet. Nicht ganz so „alt“ ist der Arbeitskreis Pharmabibliotheken, der 1993 auf der AGMB-Jahrestagung in Essen ins Leben gerufen wurde [1]. "Finanzierung, Nutzerkreis, Aufgabenstellung ... Spezialbibliotheken in pharmazeutischen Unternehmen unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von Medizinbibliotheken der öffentlichen Hand." ([1], S. 4) Dies war der Grund, mit dem Pharma-Roundtable ein eigenes Forum für Kolleginnen und Kollegen (Wenn im Fortlauf der Begriff Kollege oder männliche Bezeichnungen verwendet werden, so sind damit Kolleginnen und Kollegen gleichermaßen gemeint) aus diesem Umfeld zu schaffen.

Inzwischen ist der Arbeitskreis (AK) Pharma-Bibliotheken fest etabliert, doch seine Zusammensetzung ist bei weitem nicht so homogen, wie der Name nahelegen könnte. Zum einen sind Kollegen aus der forschenden Industrie, zum anderen aus dem Kreis der Generika- oder aus der Gruppe der Phytopharmaka-Hersteller vertreten, und die Herkunftsbibliotheken reichen von personell mit mehreren Kollegen besetzten Einrichtungen bis hin zur „One-Person-Library“. Hinzu kommt, dass auch das Aufgabenspektrum ganz oder teilweise das eines klassischen Diplom- Bibliothekars umfasst, aber auch das eines Dokumentars, Rechercheurs oder Archivars mit einschließen kann.

Zudem fanden in den Industriebibliotheken schon immer zahlreiche fachfremde Kollegen eine Beschäftigung – von Assistenztätigkeiten bis hin zu Leitungsfunktionen. Diese Vielfalt bedingt es auch, dass die Autoren sich hier auf allgemeine Aussagen und Tendenzen stützen, die keineswegs auf den Einzelfall zutreffen müssen. Trotzdem ergibt sich aus der Sicht der Autoren, die zusammen auf sechs Jahre Erfahrung als AK-Leiter zurückblicken, eine Gesamttendenz, die im Folgenden dargestellt und diskutiert wird.

Die Zahl der Tagungsteilnehmer am AK Pharma-Bibliotheken ging in den letzten Jahren insgesamt leicht zurück. Berichtet Erler-Stelz ([1], S. 4) 1997 noch von 40 Teilnehmern, so lag die Zahl in den letzten Jahren konstant zwischen 15 und 25. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von der Attraktivität oder einfachen Erreichbarkeit eines Tagungsorts oder einem verheißungsvollen Tagungsprogramm bis hin zu strukturellen Veränderungen in den Unternehmen.

Pharma-Bibliotheken: Status quo und jüngere Entwicklungen

Die organisatorische Einbindung von Firmenbibliotheken ist höchst unterschiedlich. Zum Teil existieren sie im Verbund mit Wissenschaftlichen Informationsabteilungen, oder sie sind Teil der Informationstechnologie (IT) oder der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Andere bilden mit der Rechts- oder Patentabteilung oder mit der Medizinisch-Wissenschaftlichen Abteilung einen organisatorischen Verbund. Weitere Zuordnungen sind der Einkauf oder die Logistik, um nur die gängigsten zu nennen. Gesamtorganisatorisch gehören sie eher selten zu Stabsstellen; häufiger ist eine Zuordnung zur Forschung, zum Marketing oder zu zentralen Service-Funktionen anzutreffen.

Über die Jahre haben die meisten Pharmabibliotheken die Zahl ihrer Mitarbeiter reduziert. Die Gründe dafür sind vielfältig. In der Folge von Fusionen oder Übernahmen wurden Funktionen, die vorher in beiden Firmen vorhanden waren, häufig zusammengelegt. Auch kurz- und langfristige Maßnahmen zur Kostenreduktion zwingen die Verantwortlichen Fixkosten, und damit auch die Personalstärke, jeweils kritisch zu hinterfragen. Die zunehmende Automatisierung und das kostengünstige „Outsourcen“ einiger bibliothekarischer Aktivitäten erlauben es, alters- oder krisenbedingt frei werdende Stellen nicht nach zu besetzen. Darüber hinaus drängen verstärkt große Buchhändler auf den Markt, die mit Bestellportalen einen einfachen Weg für Standard-Bestellungen für alle Firmenmitarbeitenden anbieten. Sie nehmen sich auch der Bestellung sogenannter „grauer Literatur“, ausländischer Literatur oder nicht auf den ersten Blick erkennbarer Loseblattwerke oder ähnlicher kritischer Stücke als „manuelle Bestellung“ an. Ein anderes Gebiet ist Document Delivery, das inzwischen in vielen größeren Firmen durch Drittfirmen erledigt wird. Lediglich unklare Fälle werden noch „manuell“ durch die Bibliotheken bearbeitet. Auch die technische Entwicklung, exemplarisch seien hier die exponentiell gestiegene Speicherkapazität oder die benutzerfreundliche Webtechnologe – Stichwort Google – zu nennen, sorgen mit dafür, dass Tätigkeiten, die früher von Bibliotheksmitarbeitern ausgeführt wurden, heute den Kollegen in den Fachabteilungen selbst überlassen werden – mit allen Konsequenzen! Die verbliebenen Aufgaben der Informationsbeschaffung sind häufig an Spezialisten-Know-how gebunden, das das bibliothekarische Fachwissen weit übersteigt. Das Bündel an technischen/technologischen Fortschritten und der Zwang zu Einsparungen hat bei einigen Unternehmen dazu geführt, dass die Bibliothek komplett abgeschafft wurde oder nur noch als Beschaffungsstelle oder Administrator der zu Informationszwecken zur Verfügung gestellten Werkzeuge oder als „Helpdesk“ in Erscheinung tritt.

Wenn nun aber so viele Tätigkeiten reduziert wurden oder gänzlich weggefallen sind, was tun Bibliothekare in der Pharmaindustrie dann tatsächlich noch?

Um vorab eine sehr pointierte Antwort zu geben: Mit weniger Ressourcen noch kundenfreundlicheren Service bieten – die perfekte Beherrschung des Spagats!

Aus den oben genannten Faktoren lassen sich die derzeitigen Tätigkeiten ableiten, die heutzutage den Alltag in vielen Firmenbibliotheken der pharmazeutischen Industrie bestimmen.

Von der Bestandspflege…

Die klassischen Fachbücher wurden in den Bibliotheken zuerst reduziert, weil die elektronische Verfügbarkeit an Zeitschriften und Nachschlagewerken dazu führte, dass Besucher nur noch selten die Bibliotheksräume aufsuchten. Die zunehmende Verfügbarkeit und technische Zuverlässigkeit der elektronischen Zeitschriften und inzwischen auch die weitere Verbreitung von e-Books verstärkten die Tendenz zur Reduzierung des gesamten Präsenzbestandes. Zum Teil haben Firmenbibliotheken den Bestand an gedruckten Werken bereits komplett abgeschafft, zum Teil ist diese Entwicklung noch im Gang und zieht sich über Jahre hin. Firmeninterne Verrechnungen, die die Kostenstelle der Bibliothek zum Beispiel mit der Miete des Bibliotheksraumes belasten, können ein gewaltiger Hebel sein, um den Platzbedarf zu reduzieren. Daneben sind eingesparte Buchbinder-Kosten eher ein Budget-Bestandteil geringerer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund hat sich der Einsatz von Bibliothekspersonal auf das Einlizenzieren elektronischer Angebote, deren technische Einbindung in das Firmennetzwerk und auf Helpdesk-Beratung verlagert. Einweisung neuer Mitarbeiter, Benutzerschulung einzelner Gruppen der bestehenden Belegschaft und Hilfestellung bei Problemen sind heute ein zentrales Aufgabengebiet. Von den Nutzern weitgehend unbemerkt, sind Bibliothekare auch damit beschäftigt, die Nutzung der elektronischen Quellen zu verfolgen, um über Abbestellung, Neubestellung oder zusätzliche Lizenzen kompetent zu entscheiden. Je nach Unternehmen kommt dem Management der gedruckten Zeitschriften, sei es für einzelne Mitarbeiter, für den Außendienst, das Top-Management oder schlicht jener Titel, die nicht in elektronischer Form verfügbar sind, ein unterschiedlich großer Stellenwert zu. Darüber hinaus zwingen die Verlage mit immer neuen Ideen hinsichtlich neuer Titel (man denke nur an die Diversifizierung bspw. bei „Nature“), neuer Aufmachung und Verlinkung und neuer Portale, die Bibliotheksmitarbeiter, ständig neue Anwendungen sowohl hinsichtlich ihrer Relevanz für das Unternehmen, als auch in Bezug auf deren Abdeckungsgrad und Nutzerfreundlichkeit zu testen und zu bewerten.

über Schulungstätigkeiten…

Die ständige Bewegung im Angebot hat zur Folge, dass auch Schulungsunterlagen häufig angepasst oder neu konzipiert werden müssen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass externe (Firmen-)Referenten sich entweder nur mit der Produktpalette ihres Unternehmens auskennen oder – bei freien Trainern – die Anpassung auf den konkreten Kundenbedarf trotz eines entsprechend intensiven Briefings häufig zu wünschen übrig lässt. Daher erweist es sich in vielen Fällen doch als sinnvoll, wenn Bibliotheksmitarbeiter die Schulungen oder Informationsveranstaltungen durchführen. Zum einen kennen sie den Bedarf ihrer Klientel oder können ihn leicht erfragen, zum anderen sind sie mit den hauseigenen Produkten und deren Einsatzgebieten und mit den Rahmenbedingungen im Unternehmen vertraut. Zudem trägt die Aktivität als Referent auch zur Sichtbarkeit der Person und ihrer Abteilung bei. Dass neben formellen Schulungen oder Trainings auch Formen wie „Lunch & Learn“ oder Präsentationen, z.B. vor oder im Mitarbeiter-Restaurant oder im Rahmen von Besprechungen der Fachabteilungen oder auf firmeninternen Messen, einen immer breiteren Raum einnehmen, ist für die Sichtbarmachung und das Image der Bibliothek essentiell.

und einschlägiges Technologie-Scouting…

Ein weiteres Feld sind technologische Neuerungen, wie bspw. E-Book-Reader oder Tabloid PCs. Auch hier sollte die Bibliothek ein begründetes Votum für oder gegen deren Einsatz im Unternehmen abgeben. Die dafür notwendigen Tests brauchen Zeit und eine hohe Bereitschaft, sich mit neuen Technologien auseinander zu setzen.

Eine Tendenz zur Zentralisierung interner Prozesse macht auch vor den Bibliotheken nicht Halt. Abstimmungen mit anderen Standorten, mit hierarchisch weisungsbefugten Stellen, die vom Tagesgeschäft der Bibliotheken und dem besonderen Charakter des Verlagsgeschäftes wenig Kenntnisse haben (z. B. kaufmännischer Grundsatz: Erst die Ware, dann die Bezahlung vs. Vorauszahlung der Zeitschriften) führen zu zusätzlichem administrativen Aufwand bei gleichzeitig reduzierter eigener Entscheidungsbefugnis.

… bis hin zur Urheberrechts-Expertise

Ein mehr und mehr an Umfang zunehmendes Arbeitsfeld in den Firmenbibliotheken ist das Thema „Umgang mit und Verwendung von urheberrechtlich geschützten Publikationen und Materialien“. Darunter fallen beileibe nicht nur die im Prinzip einfachen Fälle der Zeitschriftenartikel- und Abstracts-Verwendung, sondern besonders auch „graues“ Material wie z. B. Kongressbeiträge in Form von Postern (ganz oder in Auszügen), Präsentationen, Auszüge und Teile von Publikationen wie Abbildungen und Tabellen, aber auch Studien, Guidelines und vieles mehr.

Sowohl für Verwendungszwecke innerhalb der Firma als auch für externe Vorhaben sind grundsätzlich die Rechte zu klären, um urheberrechtskonform zu agieren. Eigentlich ein juristisches Thema und damit bei der Rechtsabteilung zu verorten, landet diese Aufgabe – soweit den Autoren dieses Beitrags bekannt – meist bei den Firmenbibliothekaren, denn die intensive Wechselwirkung, die zwischen den Bibliothekaren als Subject Matter Experts und den Verlagen und Datenbankanbietern „draußen“ besteht, ist nicht von der Hand zu weisen. Nicht zuletzt sind es eben die Bibliothekare, die die Lizenzen verhandeln und die Verträge so vorbereiten, dass sie dann von den Einkaufsabteilungen akzeptiert und schlussendlich ausgeführt werden. Was also liegt näher, als die grundsätzliche Rechteklärung in diesem Fall ebenfalls bei der Bibliothek zu etablieren, welche dann in besonderen Fällen auf die Firmenjuristen zurückgreift.

Solange es das Internet und die simple „Copy-&-Paste“-Methode noch nicht gab, hatte die Verlagswelt selbst kaum allzu großen Handlungsbedarf in Sachen Urheberrecht gesehen. Für die Bibliothekare lagen damit die Dinge noch einfacher – unter anderem, weil es objektiv weniger derart simple technische Möglichkeiten für Firmenangehörige gab, um unbeabsichtigterweise die Rechte von Urhebern zu verletzen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Das Urheberrecht ist inzwischen in aller Munde und unter aller Beobachtung. Dies scheint besonders im Pharmabereich zu gelten, in dem die Verlage und Datenbankanbieter erheblichen Umsatz machen. Keine andere Branche scheint einen vergleichbaren Umfang an Copyrightgebühren (so genannten Permissions) und Kosten für Reprints aufzuwenden, wie die Pharmaindustrie. Die Aufwendungen können mehrere Millionen Euro pro Firma und Jahr erreichen.

Als Hilfsmittel zur Klärung und Einholung von Rechten und zur Handhabung von Reprints-Bestellungen stehen den Firmenbibliothekaren neben entsprechenden Textpassagen zur (Weiter-)Verwendung publizierten Materials in den jeweiligen Lizenzverträgen auch nationale, inter- und übernationale webbasierte Werkzeuge zur Verfügung (z. B.: United Kingdom: Copyright Licensing Agency CLA; Frankreich: Centre français du copyright CFC; USA/übernational: Copyright Clearing Center CCC – die deutsche VG Wort ist im Sinne des Bedarfs der Pharmaindustrie kein echtes Pendant). Die Tools derartiger Institutionen können ins Firmenintranet integriert werden, so dass die Rechte- und Permissionsklärung bis hin zur Bestellung von e-Prints oder Reprints sogar bis zum Endbenutzer delegiert werden kann – ein Muss angesichts der hohen Anzahl von Anfragen, die arbeitstäglich anfallen. Den Pharmabibliothekaren kommt hier die Aufgabe zu, die passenden Werkzeuge zu finden, in die Informationsinfrastruktur zu integrieren und – sehr wichtig – die Mitarbeiter in firmeninternen Schulungen mit dem Thema Urheberrecht und der Nutzung der Werkzeuge und Endbenutzersysteme vertraut zu machen.

Um den Alltag eines Firmenbibliothekars ein wenig anschaulicher zu machen, sei ein Beispiel – das sich so oder so ähnlich in vielen Firmenbibliotheken zutragen kann – aufgezeigt. 50 Außendienstmitarbeiter sollen für ihr iPad jeweils 20 Dokumente herunterladen, um die Literatur bei Gesprächen aktuell auf dem iPad verfügbar zu haben. Wenn pro Artikel zwischen 30 und 50 Euro an Kosten (inklusive Urheberrechtsabgabe) entstehen, summiert sich dies für die gesamte Gruppe auf eine Summe zwischen 30.000 und 50.000 Euro. Damit ist noch nicht die Zeit bezahlt, die ein Außendienstmitarbeiter aufwenden muss, um 20 Artikel auf sein iPad zu laden. Wird ein externer Dienstleister mit dieser Tätigkeit beauftragt, begibt sich das Unternehmen in eine rechtliche Grauzone, denn Firmenlizenzen schließen in der Regel die Nutzung für Dritte aus, so dass Agenturen hier nicht ohne Abklärung mit den Verlagen beauftragt werden dürfen. Gehen wir bei unserem Beispiel von zehn bis fünfzehn unterschiedlichen Verlagen aus, wird die gewaltige administrative Hürde deutlich. Hinzu kommt die Erwartungshaltung der internen Kunden, denn sie sind i.d.R. eine umgehende Erledigung ihrer Anfragen gewohnt. Wenn nun durch Rückfragen bei den Verlagen lange „Wartezeiten“ entstehen, so wird dies durch Unwissenheit leicht der Bibliothek angelastet und verursacht hier einen Image-Schaden, obgleich diese die Verzögerung nicht zu verantworten hat. Darüber hinaus ist damit das Problem der Abgabe (und Bezahlung) eines Artikels für einen interessierten Kunden noch nicht berücksichtigt. Zwar wird häufig gesagt, die Pharmaindustrie habe schließlich die finanziellen Ressourcen, um solche Summen zu stemmen. Realität für Abteilungen und die Bibliothek ist jedoch, dass firmenintern strenge Kostendisziplin angemahnt wird, umso mehr, wenn es sich – in den Augen des Top-Managements – um scheinbar weniger wichtige Dinge wie Fachliteratur handelt.

Wege und Wandlungen der Pharmabibliotheken

Die Entwicklung der Bibliotheken zeichnet sich aus dem Gesagten ab. Die Bibliotheken der pharmazeutischen Industrie werden, sofern sie als Bibliothek oder Informationsabteilung weitergeführt werden, durchaus einen wesentlichen Teil zum Unternehmenserfolg erbringen können und müssen. Während das Managen von Papier-basierten Angeboten weiter zurückgehen, aber nicht völlig verschwinden wird, werden sich elektronische Quellen auf neuere Bild- und Tonmedien ausdehnen. Bibliothekare werden einerseits weiterhin „Spürhunde“ für schwer auffindbare Dokumente bleiben. Andererseits brauchen sie den Überblick über das für das Unternehmen relevante Angebot in der Verlags- und Content-Owner-Welt, um aus der Vielfalt der Angebote die „Perlen“ für das Unternehmen aufzustöbern. Darüber hinaus müssen sie im Umgang mit den neuen Medien an vorderster Front stehen, damit sie den Nutzern bei üblichen technischen oder urheberrechtlichen Fragen kompetent zur Seite stehen können. Damit einher geht die Fähigkeit, den Bedarf der Kunden nach Schulung und Unterstützung zu erkennen und zu bedienen. Zwar gilt auch hier die Tendenz, Schulungsmaßnahmen nach extern zu vergeben, doch sollte die Bibliothek so viel Sachwissen vorhalten, um die Qualität externer Angebote beurteilen zu können.

Quo vadis?

Die Tendenzen zur Verlagerung von früher rein bibliothekarischen Tätigkeiten auf Mitarbeiter des Unternehmens (Selbstbestellung von Monographien, Zeitschriften, Loseblattwerken und Document Delivery) ist in vielen Unternehmen schon Realität. Obgleich es immer einen "Restbestand" an Aufgaben geben wird, den Bibliothekare durch ihr Fachwissen und ihre Erfahrung rationeller erledigen können, wird die Tendenz zur Aus- oder Verlagerung von Arbeit weiter gehen. Die Chancen für Bibliothekare bestehen unserer Ansicht nach darin, aus der Flut der elektronischen Angebote die für das jeweilige Unternehmen besten Lösungen auszuwählen und den Kollegen im Unternehmen „mundgerecht“ aufzubereiten. Lebenslanges Lernen ist ein Schlagwort unserer Zeit – wer könnte dazu einen besseren Beitrag leisten als Bibliothekare! Schulungen, Vorstellung neuer Anwendungen, Einführung in die Benutzung immer neuer Medien, und dies für Individuen, Arbeitsgruppen oder im Hörsaal. Dazu ist es natürlich erforderlich, dass die Bibliothekare ihre Zuhörer nicht mit allgemeinen Infos überhäufen und zur Informationsflut beitragen, sondern die Informationen zielgruppengerecht aufbereiten. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist eine vielfache Vernetzung, sowohl mit den Kollegen in den Fachabteilungen, als auch mit den Verantwortlichen im Oberen Management. Stetige Marketing-Aktionen, in erster Linie benutzerfokussierte Schulungsmaßnahmen wie beschrieben, aber auch News in den firmeninternen Kommunikationsmedien (Papier oder elektronisch), eventuell eigene Newsletter, Auftritte mit Event-Charakter (Tag des Buches, Woche der Bibliotheken, oder begleitend zu Produktpräsentationen) sollten ein wesentlicher Bestandteil bibliothekarischer Tätigkeit sein oder werden. Inzwischen gilt auch hier: publish or perish! Starke Kommunikationsfähigkeiten und die Fokussierung auf den erzielbaren Mehrwert – in Euro ausgedrückt – sind einige der Voraussetzungen, dass Bibliothekare in Unternehmen – zur Not auch ohne physische Bibliothek – sinnvolle und zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragende Tätigkeiten ausführen können.


Anmerkung

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Erler-Stelz T. Arbeitskreis der Pharmabibliotheken. AGMB aktuell. 1997;(2):3-4. Available from: http://www.agmb.de/mbi/2/mb2.pdf Externer Link