Artikel
Die Medizinische Bibliothek der Charité - Universitätsmedizin Berlin – eine Bibliothek im Wandel
The Medical Library of the Charité - Universitaetsmedizin Berlin – a library in a time of change
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 2. September 2009 |
---|
Gliederung
Zusammenfassung
Nach einem kurzen Abriss der Geschichte der Medizinischen Bibliothek der Charité - Universitätsmedizin Berlin stellt der Aufsatz deren organisatorische Einbindung in die Charité und die Verbindung zur Freien Universität und zur Humboldt Universität vor. Es folgt eine ausführliche Beschreibung ihrer Aufgabenstellung, Informationsangebote und sonstigen Serviceleistungen.
Abstract
The article starts with a brief outline of the history of the Medical Library of the Charité - University Medicine Berlin. It then describes the library’s organizational status within the Charité and its relation to the Free University and the Humboldt University of Berlin. Then follows a detailed description of its mission and tasks, the wide range of the different sources of information and other services it offers.
Die Medizinische Bibliothek der Charité
Ursprung und Geschichte
Die Gründung der Charité erfolgte im Jahr 1710. Die Geschichte der 'Charité - Universitätsmedizin Berlin', wie sie heute offiziell heißt, beginnt im Jahre 2003 mit einem Universitätsmedizingesetz, das vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde. Durch dieses Gesetz wurden die bis dahin eigenständigen medizinischen Fakultäten von Freier Universität (FU) und Humboldt Universität (HU) zur gemeinsamen medizinischen Fakultät beider Universitäten zusammengeschlossen, eine rechtliche Konstruktion, wie es sie bisher anderswo in Deutschland noch nicht gegeben hat. Vorausgegangen war Ende der neunziger Jahre eine erste Fusion zwischen der Charité in Mitte und dem zur FU gehörenden Virchow-Klinikum, das damit Bestandteil der HU wurde. Ziel dieser Zusammenschlüsse ist es, den Staatszuschuss durch das Land Berlin um jährlich 98 Millionen Euro abzusenken.
Die jetzige Medizinische Bibliothek der Charité ist hervorgegangen aus folgenden ursprünglich selbständigen medizinischen Bibliotheken:
- Medizinische Zentralbibliothek der Charité Mitte (HU)
- Medizinische Bibliothek des Virchow-Klinikums (FU)
- Medizinische Bibliothek des Universitätsklinikums Benjamin Franklin (FU)
- Bibliothek der Zahn-, Mund- u. Kieferheilkunde (FU)
Im Zuge der Fusionen blieben diese Bibliotheken räumlich erhalten, wurden aber organisatorisch miteinander verbunden. Seit 2006 gibt es eine gemeinsame Leitung. Dieser zentralen Leitung sind auch die in Mitte und am Campus Benjamin Franklin vorhandenen Patientenbibliotheken unterstellt.
Aufgabe und Leitbild
In ihrem Leitbild beschreibt die Charité ihre Aufgaben mit den Begriffen „Forschen, Lehren, Heilen, Helfen“ und setzt sich zum Ziel, im Jahr 2010 eine der in Forschung und Lehre international führenden medizinischen Fakultäten zu sein.
Die Medizinische Bibliothek der Charité versteht sich als eine zentrale Dienstleistungseinrichtung zur Erfüllung der genannten Aufgaben. Sie unterstützt durch ihre Arbeit das Streben der Charité nach Exzellenz in Forschung, Krankenversorgung, Studium und Lehre. Sie tut dies in dem ihr vorgegebenen finanziellen und personellen Rahmen durch eine schnelle und zielgerichtete Informationsversorgung sowie durch Beratung und Unterstützung aller Angehörigen der Charité und interessierter externer Nutzer bei der Beschaffung von Informationen.
In einer Zeit raschen Wandels passt sie ihr Angebot und ihre Arbeitsweise kontinuierlich neuen Gegebenheiten an.
Organisation und Struktur
Die Charité - Universitätsmedizin Berlin ist wie ein Unternehmen mit einem Aufsichtsrat und einem Vorstand an der Spitze strukturiert, die beide den großen organisatorischen Einheiten Klinikum und Fakultät übergeordnet sind. Auf der Ebene darunter gliedert sich die Charité in insgesamt 17 Centren und eine Reihe von Geschäftsbereichen, wie z.B. Finanzen, Technik & Betriebe und das IT-Zentrum. Innerhalb dieses Organisationsrahmens ist die Medizinische Bibliothek der Fakultät und damit der Forschung und Lehre zugeordnet. An der Spitze der Fakultät steht eine für fünf Jahre gewählte hauptberufliche Dekanin, der zwei nebenamtliche Prodekane für Forschung und Lehre zur Seite stehen. Die Haushalte für die Krankenversorgung sowie für die Forschung und Lehre sind voneinander getrennt. Die Medizinische Bibliothek erhält ihren Etat von der Fakultät.
Die Bibliothek befindet sich seit 2003 in einem kontinuierlichen Reorganisationsprozess. Auf Beschluss der Fakultätsleitung sollen die bestehenden Bibliotheksstandorte erhalten bleiben, jedoch wird die Bibliothek am Campus Virchow-Klinikum (CVK) ab Herbst 2009 die Funktion einer Bibliothekszentrale übernehmen (Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Bibliotheken an den anderen drei Standorten – Campus Benjamin Franklin (CBF), Campus Charité Mitte (CCM) und Zahnklinik (ZMK) – erhalten den Status von Zweigbibliotheken mit deutlich weniger Personal und kürzeren Öffnungszeiten als die Zentrale. Als erster Schritt für diese neue Aufgabenverteilung wurde die bisher auf alle Standorte verteilte Medienbearbeitung Anfang 2009 am CVK konzentriert.
Die Zahl der Vollkraftstellen soll bis 2010 auf 27,75 verringert werden, Ende 2008 waren es 30,5. Hinzu kommen noch 15 studentische Hilfskräfte mit 40 Stunden pro Monat, die in erster Linie eingesetzt werden, um die Öffnungszeiten in den Abendstunden und an Samstagen zu gewährleisten.
Die ursprünglich recht zahlreichen Instituts- und Klinikbibliotheken, die teilweise sogar über eigenes bibliothekarisches Fachpersonal verfügten, wurden in den vergangenen Jahren weitgehend aufgelöst bzw. haben nur noch den Charakter von Handapparaten mit Literatur, die für die tägliche Arbeit benötigt wird. Zu den wenigen Ausnahme gehören z.B. die Bibliotheken des Instituts für Geschichte der Medizin und der Sozialmedizin.
Die Medizinische Bibliothek ist Mitglied des Kooperativen Bibliotheksverbunds Berlin-Brandenburg (KOBV). Sie nutzt im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung mit der Universitätsbibliothek der FU deren Bibliotheksverwaltungssystem ALEPH, hat jedoch im gemeinsamen OPAC eine eigene Sicht auf ihre Bestände. Diese Lösung bot sich an, da der Standort CBF (Abbildung 3 [Abb. 3], Abbildung 4 [Abb. 4]) bereits seit 1999 als damalige Fachbereichsbibliothek der FU alle seine Bestände in den FU-Katalog eingegeben hatte, während die Standorte CCM und CVK einen eigenen Allegro-Katalog aufgebaut hatten. Dieser wurde nach der Fusion in den ALEPH-Katalog überführt.
Auch die an der Charité angefertigten Dissertationen und Habilitationsschriften, die nach den neuen Promotions- und Habilitationsordnungen in elektronischer Form abzugeben sind, werden auf einem Rechner der FU gehostet.
Erwerbung und Medienbearbeitung
Weit über 60% der Erwerbungsmittel, die im Jahr 2008 rund 2,4 Mio. Euro betrugen, werden für Zeitschriften ausgegeben. Mehr als 4100 Zeitschriften, die in rein elektronischer Form oder in der kombinierten Version print + electronic lizenziert waren, standen nur noch 162 Titel gegenüber, die ausschließlich in Printform bezogen wurden, da vom Verlag keine elektronische Version angeboten wird. Damit steht das für das ärztliche und wissenschaftliche Personal der Charité wichtigste Literaturangebot über alle Standortgrenzen hinweg rund um die Uhr zur Verfügung.
Neben den reinen Printzeitschriften werden nur noch wenige besonders wichtige Titel, die sowohl elektronisch als auch in Print-Form bezogen werden, gebunden, wie z.B. das New England Journal of Medicine, JAMA oder Science.
Die Medizinische Bibliothek ist Mitglied im Friedrich Althoff Konsortium, nimmt aber auch an Verträgen anderer Konsortien im Bundesgebiet teil oder schließt Einzelverträge mit Verlagen ab.
Nachgewiesen werden die Print- und die Online-Zeitschriften in einem eigenen Allegro-Zeitschriftenkatalog, in der Zeitschriftendatenbank (ZDB), der elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) und – mittels Datentransfer aus der ZDB – auch im OPAC. Bei Literaturrecherchen in PubMed ist über die LinkOut-Funktion sofort ersichtlich, ob sich ein gewünschter Artikel in elektronischer oder gedruckter Form im Bestand der Bibliothek befindet.
Beim Erwerb von Monographien geht die Bibliothek nach folgenden Grundsätzen vor: Bestellwünsche von Charité-Mitarbeitern werden fast ausnahmslos realisiert; je spezieller und je umfangreicher ein Buch ist, desto zurückhaltender ist die Bibliothek mit einem Kaufentscheid; es wird ausschließlich deutsch- oder englischsprachige Literatur erworben.
Da von Charité-Mitarbeitern nur relativ wenige Anschaffungsvorschläge für Monographien eingehen, beruht der Bestandsaufbau im wesentlichen auf der Auswahl der Bibliothek. Es ist das Bestreben der Bibliothek, ein thematisch möglichst breit gefächertes Angebot zu bieten. Ein großer Teil des für Monographien insgesamt ausgegebenen Geldes (ca. 350.000 Euro) fließt in den Ausbau und die Erneuerung der Lehrbuchsammlungen, die es an allen Standorten gibt. Sie umfasst mehr als 50.000 Exemplare, die sich auf etwa 3000 verschiedene Titel verteilen.
Ergänzt wird dieses Print-Angebot durch rund 1600 elektronische Lehrbücher, wobei es sich vorwiegend um deutschsprachige Bücher aus den Verlagen Springer und Thieme handelt. Der gesamte Bestand an gedruckten und elektronischen Büchern ist im OPAC nachgewiesen. Darüber hinaus gibt es auf den Webseiten der Bibliothek eine sog. virtuelle Handbibliothek, in der zu den einzelnen medizinischen Fachgebieten entsprechend der Aufstellungssystematik der National Library of Medicine elektronische Bücher nachgewiesen sind.
Abgerundet wird das Informationsangebot der Bibliothek durch die Lizenzierung zahlreicher Datenbanken, wie z.B. des Web of Science, Embase, Cinahl, Carelit, der Cochrane Library u.a.m.
Trotz umfangreicher Neuerwerbungen sind die Bestandszahlen der Medizinischen Bibliothek in den letzten Jahren deutlich gesunken, da in großem Maße Dubletten von gebundenen Zeitschriften ausgesondert wurden, die sich im Zuge der Fusionen ergaben. Der Gesamtbestand an Monographien und gebundenen Zeitschriften beträgt z.Zt. etwa 380.000 Bände.
Für die Monographien gibt es eine Absprache mit der Fakultätsleitung, dass die Medizinische Bibliothek künftig keine Archivfunktion mehr wahrnehmen wird. Das bedeutet, dass veraltete und nicht mehr genutzte Monographien aus dem Bestand ausgesondert bzw. an das Institut für Geschichte der Medizin abgegeben werden. Die Medizinische Bibliothek wird nur noch Monographien archivieren, wenn sie einen speziellen Bezug zur Charité haben.
Zu den Aufgaben der Medienbearbeitung gehört schließlich auch die Beschaffung von Literatur für alle Einrichtungen der Charité, einschließlich der Kliniken, Institute und der Verwaltung. Hier werden Bestellung und Bearbeitung von der Bibliothek durchgeführt; die Bezahlung erfolgt aus Mitteln der bestellenden Einrichtungen. Im OPAC werden diese Erwerbungen nicht nachgewiesen.
Benutzung und Service
Auf einer Gesamtfläche von 4926 m2 stehen den rund 51.400 angemeldeten Lesern (2008 aktiv: 9200) insgesamt 288 Leseplätze zur Verfügung. An allen Bibliotheksstandorten ist für Angehörige der Charité eine anmeldepflichtige Nutzung der Online-Angebote der Bibliothek sowohl an den Benutzer-PCs als auch über das WLAN möglich. An den insgesamt 57 PC-Arbeitsplätzen haben auch externe Nutzer die Möglichkeit, auf diese Online-Informationen zuzugreifen, sofern sie sich als Leser angemeldet haben (Abbildung 5 [Abb. 5], Abbildung 6 [Abb. 6]).
Fast alle Monographien sind für vier Wochen ausleihbar. Lediglich für einige Nachschlagewerke und sehr häufig genutzte Lehrbücher gibt es Präsenzexemplare. Die Leihfrist kann, sofern keine Vormerkungen vorliegen, beliebig häufig bis zu maximal einem halben Jahr verlängert werden.
Für diejenigen, die der Bibliothek ihre E-Mail-Adresse angegeben haben, erfolgt der Versand der 1. und 2. Mahnung sowie die Benachrichtigung, dass ein vorbestelltes Buch zur Abholung bereit liegt, per E-Mail. Seit 2007 wird auch einige Tage vor Ablauf der Leihfrist automatisch eine E-Mail versendet, die auf das bevorstehende Leihfristende hinweist. Ähnlich wie an anderen Bibliotheken ist erstaunlicherweise auch in der Medizinischen Bibliothek die Zahl der Mahnungen (25.000 in 2008) und der anfallenden Mahngebühren dadurch nicht zurückgegangen.
Mitarbeiter der Charité können Bücher anderer Standorte an den Standort bestellen, an dem sie arbeiten, und dort auch wieder zurückgeben. Für Studierende und externe Leser ist dies nicht möglich.
Verlängerungen und Vormerkungen können über den OPAC entweder von den Lesern selbst vorgenommen oder aber telefonisch bzw. an Ort und Stelle bei den Bibliotheksmitarbeitern veranlasst werden.
Fast der komplette Monographienbestand ist als Freihandbestand für die Leser zugänglich und nach der Systematik der National Library of Medicine (NLM) aufgestellt. Auch für die gesondert aufgestellten Lehrbuchsammlungen wird die NLM-Systematik verwendet. Eine weitere sachliche Erschließung erfolgt durch die eigene Vergabe bzw. die Übernahme der in die Bücher eingedruckten oder von anderen Bibliotheken vergebenen Medical Subject Headings (MeSH). Die Literatur für die Zweigbibliothek in der Zahnklinik wird nicht verschlagwortet. Die Aufstellung erfolgt dort nach einer eigenen Systematik.
Zur Sicherung der Bestände wurde im vergangenen Jahr in der zukünftigen Bibliothekszentrale am CVK eine Buchsicherungsanlage der Firma 3M installiert, als Vorstufe für die künftige Beschaffung einer Selbstverbuchungsanlage.
Im Jahr 2008 wurden an allen Standorten rund 150.000 Bände von ca. 9200 Lesern entliehen, von denen knapp 2000 nicht zur Charité gehörten. Im Wintersemester 2008/09 gab es rund 7000 Studierende der Human- und Zahnmedizin an der Charité und ca. 10.000 Mitarbeiter in allen Einrichtungen der Charité.
Für die Mitarbeiter stellen die von der Medizinischen Bibliothek zur Verfügung gestellten elektronischen Zeitschriften und Datenbanken das wichtigste Angebot dar, das auch sehr intensiv genutzt wird. Die Gesamtzahl der heruntergeladenen Artikel aus den Zeitschriften der Verlage Elsevier, Karger, LWW, Nature Publishing Group, Oxford University Press, Springer, Thieme und Wiley-Blackwell betrug 2008 deutlich mehr als eine Million. Auf die e-Books von Springer und Thieme wurde insgesamt 136.000 mal zugegriffen.
Gewünschte Literatur, die in den Beständen der Medizinischen Bibliothek nicht vorhanden ist, kann von Charité-Angehörigen online bei der Bibliothek bestellt werden. Zeitschriftenaufsätze werden auf Wunsch an den Arbeitsplatz geliefert oder können in der Bibliothek abgeholt werden.
Die Beschaffung erfolgt, je nach Vorhandensein und Dringlichkeit, auf verschiedenen Wegen: über den Internen Leihverkehr medizinischer Bibliotheken in Deutschland (ILV), über den regionalen Berliner oder den Deutschen Leihverkehr oder aber über den Dokumentlieferdienst Subito. Im vergangenen Jahr wurden 3500 Bestellungen im nehmenden Fernleihverkehr bearbeitet und rund 6000 in der gebenden Fernleihe.
Bei der Informationsvermittlungsstelle der Bibliothek (IVS) können von Charité-Angehörigen kostenlos Literaturrecherchen in Auftrag gegeben werden. Für Externe ist dieser Service kostenpflichtig. Die Zahl der Suchaufträge ist in den letzten Jahren sehr stark zurückgegangen (173 in 2008), da sich die meisten Benutzer auf eine eigene Suche in PubMed beschränken, oft ohne sich bewusst zu sein, dass es noch zahlreiche weitere relevante Datenbanken gibt.
Die Bibliothek bietet auf Anfrage Führungen und Einführungen in die Benutzung der Bibliothek an. Im vergangenen Jahr wurden innerhalb der Charité für Mitarbeiter und Studierende 41 Einführungsveranstaltungen durchgeführt, darunter auch Kurzeinführungen im Rahmen der Begrüßungswoche für Erstsemester. Für externe Nutzer gab es 8 Führungen, und für die Bibliotheksmitarbeiter wurden 14 interne Schulungsveranstaltungen angeboten.
Kontakt
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Medizinische Bibliothek
Luisenstr. 65
10117 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 - 450 576078
Kennzahlen der Medizinischen Bibliothek der Charité
Tabelle 1 [Tab. 1] bringt einen Überblick mit Zahlen, Daten und Fakten zu den vier Standorten der Medizinischen Bibliothek der Charité.
Fotos:
Charité/Fotoabteilung/Wiebke Peitz/Simone Baar