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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Die Bibliothek ohne Bibliothekar? Zur Situation der Patientenbüchereien in Wien

The Library without a Librarian? The Situation of the Patient Libraries in Vienna

Fachbeitrag

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  • corresponding author Elke Jany - Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich

GMS Med Bibl Inf 2005;5(3):Doc16

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/mbi/2005-5/mbi000016.shtml

Veröffentlicht: 21. Dezember 2005

© 2005 Jany.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Patientenbüchereien erfüllen neben gesundheitsspezifischen auch kulturpolitische Funktionen. Doch massive Einsparungen im Gesundheitswesen betreffen auch diese für die Genesung der Patienten wichtigen Einrichtungen. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Büchereien der Wiener Krankenhäuser unter dem Aspekt neuer Aufgaben und Herausforderungen, denen sich die Bibliothekare stellen müssen, und zeigt die unterschiedlichen Bedingungen für Privatspitäler und öffentliche Kliniken.

Abstract

Libraries for patients fulfil apart from health-specific tasks politico-cultural functions too. However, substantial savings in the health service sector affect also these institutions vital for the recovery of patients. The present work offers an overview on the libraries in the Viennese hospitals with respect to new tasks and challenges that librarians must face; and it demonstrates the different conditions for private as well as public hospitals.


Die Bibliothek ohne Bibliothekar?

Erst vor kurzem präsentierte das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen eine Umsetzungsstudie zur Spitalsbettenoptimierung (http://www.bmgf.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0118&doc=CMS1122287480734, Stand: 12.08.2005), die nicht nur die erhebliche Verringerung der Spitalsbetten an sich sondern auch die Reduzierung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Patienten beinhaltet. Inwieweit hat sich diese Entwicklung auf die Patientenbüchereien ausgewirkt? Oder provokant gefragt: lohnt sich der Erhalt einer derartigen Einrichtung überhaupt noch? Wie viel Pioniergeist braucht man, wenn man, wie der Autor, eine Krankenhausbücherei aufbauen will?

Patientenbüchereien nehmen mit ihren Aufgaben und Funktionen, die sie erfüllen müssen und die wesentlich zum Prozess der Gesundung eines Patienten beitragen, sicherlich eine Sonderstellung innerhalb der Öffentlichen Büchereien ein. Daher soll im Folgenden ein kurzer Abriss Auskunft über die Dienstleistungen dieser Einrichtungen geben:

Funktionen und Aufgaben

Die „Richtlinien für Patientenbibliotheken“ [1], erarbeitet von einer Expertengruppe der Kommission für besondere Benutzergruppen des Deutschen Bibliotheksinstituts, dienen als Anleitung, wie eine professionelle Spitalsbücherei geführt werden sollte. Sie erschienen erstmalig 1967, wurden aber in den 90er Jahren aufgrund der Veränderungen im Gesundheits- und Bibliothekswesen völlig neu konzipiert.

Die Vorläufer der Patientenbibliotheken wurden im Lauf des Ersten Weltkrieges eingerichtet, um den Kriegsverletzten psychisch beizustehen. Die guten Erfahrungen mit diesen Einrichtungen führten in den zwanziger Jahren in Europa und in den USA zu einer Gründungswelle von Patientenbibliotheken. Allerdings verloren die Büchereien in den darauf folgenden Jahrzehnten angesichts der Möglichkeiten der modernen Medizin immer mehr an Bedeutung, da Leistungen wie individuell-persönliche Zuwendung zum Patienten oder Ablenkung und Steigerung des Wohlbefindens zum einen empirisch nicht messbar sind und zum anderen der Wert dieser Leistungen der Krankenhausleitung gegenüber schwer kommunizierbar ist. Natürlich stellt sich auch die Frage, inwiefern Bücher als zusätzliches Therapiemittel (an)erkannt und genutzt werden.

Die spezifisch gesundheitspolitischen Aspekte der Patientenbibliothek ergeben sich aus den vielfachen Wirkungen ihrer Dienstleistungen, die die Genesung unterstützen:

  • individuelle Zuwendung und Ansprache
  • Reduzierung akuter Ängste
  • geistige und emotionale Aktivierung
  • Schaffung eines „Gegenambientes“ zur strengen Funktionalität des sonstigen Klinikbetriebes
  • allgemein genesungsfördernde Wirkung der Lektüre
  • Bereicherung und Verbesserung des Betriebsklimas
  • Imageverbesserung der Klinik nach innen und außen [2]
  • All diese Faktoren lassen sich unter dem Begriff „Soziale Bibliotheksarbeit“ vereinen, der im Folgenden erläutert wird:

Soziale Bibliotheksarbeit

Die Arbeit in Patientenbüchereien unterscheidet sich wesentlich von der in anderen öffentlichen Büchereien, sie ist soziale Büchereiarbeit in sehr intensiver Form. „Unter sozialer Bibliotheksarbeit im engeren Sinn verstehen Anhänger wie Gegner bibliothekarische Zielgruppenarbeit mit Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen besonderer Zuwendung bedürfen, weil sie in variationsreich zu definierenden defizitären Lebensumständen leben. Aufsuchende Bibliotheksarbeit außerhalb der Bibliothek ist Teil sozialer Bibliotheksarbeit und will Gruppen versorgen, die nicht in der Lage sind, in die öffentliche Bibliothek zu kommen.“ (zitiert aus einem Vortrag der Herbsttagung 1987 der KRIBIBIs – Arbeitskreis kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare; Unterlagen von Frau Seidl zur Verfügung gestellt) Fr. Seidl, Leiterin der Bücherei im SMZ-Ost, betont die besondere Stellung der Bibliothekare in Patientenbüchereien gegenüber Bibliothekaren anderer öffentlicher Büchereien, da ein Großteil der Arbeit nicht aus Recherchieren oder Verbuchen besteht, sondern der z. T. seelsorgerischen Betreuung der Leserschaft zugute kommt. Bei der sozialen Bibliotheksarbeit in Krankenhäusern ist es von besonderer Wichtigkeit, sich auf die psychische und physische Befindlichkeit der Patienten einstellen zu können. Der Besuch mit dem Bücherwagen auf den Stationen bedeutet für viele Patienten oft den einzigen Außenkontakt.

Hier entstehen große Unsicherheiten beim Bibliothekspersonal, ob sie diesen Anforderungen gewachsen sind. Ausbildungs- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es kaum. Zu erwähnen wäre der BÖV-Kongress in Eisenstadt im Jahre 2000, im Rahmen dessen ein Arbeitskreis „Soziale Büchereiarbeit“ stattfand.

In diesem Zusammenhang soll auch auf die Bibliotherapie, der „Lehre von der Nutzbarmachung der Literatur zu therapeutischen Zwecken“ [3] hingewiesen werden, obwohl es sich streng genommen dabei um kein bibliothekarisches Arbeitsfeld sondern um ein therapeutisches handelt.

Bibliotherapie ist der gezielte Einsatz von Literatur zur Heilung. Und hierin unterscheidet sie sich wesentlich von der bibliothekarischen Beratung bei der Auswahl von Literatur. Nachdem eine psychologische Ausbildung bei Bibliothekaren - im Gegensatz zu Bibliotherapeuten - kaum vorausgesetzt werden kann, bleibt es oft eine Ermessenssache, wie die Bücher ausgewählt werden. In den letzten Jahren wurde vor allem in Deutschland angestrebt, BibliothekarInnen die Teilnahme an Tagungen zum Thema „Bibliotherapie“ zu ermöglichen [4], [5] Bestrebungen, die sicherlich zum Abbau von Ängsten und Unsicherheiten seitens der Bibliothekarinnen führen.

Doch wie sieht nun konkret die Situation in Wien aus? Wie viele Krankenhausbüchereien gibt es, und von wem werden diese betreut?

Krankenhausbüchereien in Wien

Privat und Ordenskrankenhäuser

Nach Angaben des Krankenhausführers „Wiens Spitäler“ [6], führen das Goldene Kreuz, das Evangelische Krankenhaus, das St. Josef Spital und das Orthopädischen Spital Speising Büchereien. Die zuerst telefonisch erfolgte Kontaktaufnahme mit den Krankenhäusern erwies sich als äußerst schwierig. Zum einen konnte erst nach mehrmaligen Anfragen herausgefunden werden, ob es tatsächlich eine Bücherei gibt, zum anderen bedurfte es weitere Anläufe, bis die dafür zuständigen Personen ermittelt werden konnten.

So wurde im Goldenen Kreuz die Bücherei bereits aufgegeben, da die Nachfrage zu gering war, Bücher können nur mehr käuflich erworben werden.

Im St. Josef Spital und in Speising sind geistliche Schwestern für die Bücherausleihe zuständig. In Speising können die Patienten die Bücher bei der jeweiligen Stationsleitung ausleihen, im St. Josef Spital befinden sich die Bücher auf der Internen Station und sind für die Patienten frei zugänglich. Es ist in beiden Fällen übertrieben, von einer Bücherei zu sprechen.

Im Evangelischen Krankenhaus betreut Frau Baumann die Bücherei nebenbei mit, primär ist sie für die Patienten- bzw. Kundenbetreuung allgemein zuständig. Die Patienten werden nicht explizit darauf hingewiesen, dass es eine Bücherei gibt. Die Bücher – Buchbestand ca. 350 - stammen aus Spenden oder Verlassenschaften. Die Entlehnung läuft folgendermaßen ab: je 2 Bücherlisten liegen auf den Stützpunkten auf, die Bücherei befindet sich im Keller, Zugang haben nur Frau Baumann und die Boten des Hauses. Der Patient bestellt bei der Krankenschwester ein Buch, das der Bote holt, im Buch befinden sich Ausleihkarten mit Datum der Ausleihe, Name und Unterschrift des Patienten. Diese Karten werden bei Frau Baumann bis zur Rückgabe, die bei der Entlassung möglich ist, aufbewahrt. Ca. 10-15 Bücher sind pro Monat im Umlauf. Dieses System ist mit geringem Verwaltungsaufwand und kaum zusätzlichen Kosten verbunden.

Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder plant – auf Initiative der Autorin – eine Patientenbücherei aufzubauen. Auch dieses Spital erhält seine Bücher vor allem aus Spenden. Bisher wurden die Bücher in den Krankenzimmern verteilt, aber ein Großteil lagert noch in Kisten verpackt im Keller. Es gibt weder eine Auflistung der vorhandenen Bücher noch eine Registrierung der Entlehnungen. Bis jetzt wurde dermaßen verfahren, dass sich die Patienten die Bücher auf Vertrauensbasis ausleihen können. Natürlich führt dieses System zu einem erheblichen Verlust an Büchern, der sich aber durch zahlreiche Bücherspenden wieder ausgleicht. Trotzdem ist es ein Anliegen der Krankenhausleitung, dieses Manko zu beheben, doch unter der Prämisse, den Verwaltungsaufwand nicht nur so gering wie möglich sondern vor allem kostenfrei zu halten. Bibliothekarische Tätigkeiten können unter diesen Bedingungen nur ehrenamtlich ausgeführt werden.

Die Bücherei befindet sich noch im Aufbaustadium. Bis jetzt wurde mit der Katalogisierung und Etikettierung der Bücher begonnen, diese werden in Zukunft einerseits im Bibliotheksraum untergebracht, aber auch auf die zahlreichen Aufenthaltsräume des Hauses aufgeteilt werden. Nach Vorbild des Evangelischen Krankenhauses werden die Patienten die Bücher zumindest nach Bücherlisten aussuchen können, ob sie Zugang zur Datenbank erhalten werden, erscheint zum derzeitigen Zeitpunkt fraglich. Eine Möglichkeit wäre, die Datenbank auf die Homepage des Krankenhauses zu stellen. Die Frage, wie man die Entlehnung durchführen soll, ist noch ungeklärt. Gespräche mit Patienten haben aber gezeigt, dass das Interesse an einer Krankenhausbibliothek enorm ist, nicht zuletzt die größte Motivation, dieses Projekt zu verwirklichen.

Die Zukunft der Patientenbüchereien in den Privat- und Ordensspitälern ist mehr als ungewiss. Die Beispiele zeigen, dass die Bibliotheksarbeit als Zusatzaufgabe von Verwaltungs- oder Pflegepersonal nur mehr nebenher miterledigt wird. Oft können diese Aufgaben auch nur durch die Mitarbeit Ehrenamtlicher geleistet werden. Schwierigkeiten können sich daraus ergeben, dass ehrenamtliche Helfer nicht über eine fachliche Qualifikation verfügen und die Dauer ihrer Tätigkeit kaum festsetzt werden kann, sondern vom persönlichen Engagement des einzelnen abhängt. Der Einsatz von unbezahlten Arbeitskräften ist aber keineswegs kostenneutral. So müssten angemessene Arbeitsbedingungen geschaffen, Fortbildungen finanziert, Auslagen erstattet und nicht zuletzt ein Erwerbungsetat erstellt werden, alles Faktoren, die aber kaum berücksichtigt werden. Vor allem hinsichtlich des Medienbestandes sieht die Situation nicht rosig aus. So erfreulich der Umstand ist, dass den Spitälern in zahlreichem Ausmaß Bücher geschenkt werden, muss doch eingestanden werden, dass diese Bücher formal oft in schlechtem Zustand sind und auch inhaltlich selten den Geschmack der Leser treffen.

Krankenhäuser des Wiener Krankenanstaltverbundes (KAV)

Erfreulicher ist die Lage der Patientenbüchereien, die in den öffentlichen Spitälern der Stadt Wien angeboten werden. Zwei Bibliotheken sind nach der Schließung der Büchereien im AKH verblieben, die Bücherei im Wilhelminenspital mit einem relativ kleinen Medienbestand und die Bücherei im SMZ-Ost, die von den Wiener Büchereien betrieben wird und über einen umfangreichen Medienbestand verfügt.

Wilhelminenspital

Die Patientenbücherei befindet sich auf der Onkologie und wird von Frau Sedlacek betreut. Frau Sedlacek war zuerst als ehrenamtliche Bibliothekarin zweimal die Woche auf den Stationen tätig, bei der Neuplanung der Station wurde aber eine Bibliothek auf Betreiben von Dr. Ludwig, dem Vorstand der Onkologie, fix eingeplant. Eröffnet wurde die Bücherei 1998. Überall im Haus weisen Tafeln und Flyer mit Angaben zu Öffnungszeiten und Veranstaltungen auf die Bücherei hin, auch auf der Homepage des Krankenhauses führt ein Link zur Bücherei (http://www.onkologie.at/index.html, Stand: 12.08.2005). Neben Büchern und Gesundheitszeitschriften können auch CDs - primär meditative Musik - entliehen werden. Den Schwerpunkt bildet neben der Belletristik der Bereich Esoterik und Gesundheit, hier interessieren sich die Leser aus gegebenem Anlass hauptsächlich für die Informationsbroschüren der Deutschen Krebshilfe. Bei der Auswahl helfen Bücherlisten, geordnet nach thematischen Gesichtspunkten. Pro Tag kommen durchschnittlich 5 Besucher, die Bücherei verzeichnet pro Jahr ca. 280 Leser mit insgesamt rund ca. 1000 Ausleihungen. Anziehungspunkt ist neben der Literatur das Internet, denn den Patienten steht während der Öffnungszeiten ein PC zur Verfügung, der rege genutzt wird. Bei älteren Menschen muss die Bibliothekarin oft Hilfestellung beim Umgang mit dem Computer leisten, was mittlerweile einen Großteil ihrer Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Mit dem Bücherwagen sucht sie mittlerweile nur mehr Krankenzimmer im Pavillon der Onkologie auf, nicht mehr die anderen Gebäude, da das Areal sehr weitläufig ist. Weiters organisiert Frau Sedlacek viele Lesungen, Vorträge und Kulturabende, die bei den Patienten regen Anklang finden. Die Finanzierung erfolgt durch den Büchereiverbund, der nicht nur das Budget für die Medien zur Verfügung stellt sondern auch für das Material (Einbindefolien, Bücherkarten, etc.) sorgt.

SMZ-Ost/Donauspital

Im SMZ-Ost betreibt die Städtische Bücherei eine Zweigstelle, die nicht nur für stationäre sondern auch für ambulante Patienten, sowie für das Krankenhauspersonal und für die Bewohner in der Umgebung geöffnet ist, und somit nicht als Patientenbücherei im engeren Sinn zu charakterisieren ist. Die Bücherei und das dem Krankenhaus angeschlossene Pflegeheim werden von drei BibliothekarInnen und einer halbtags angestellten Hilfskraft betreut, die Leitung hat Frau Seidl über. Die Finanzierung wird von der KAV übernommen: Das SMZ-Ost stellt Raum, Regale und Technik zur Verfügung, um Bestand und Personal kümmert sich die Städtische Bücherei, die für diese Leistungen eine Pauschale – inkludiert sind Personalkosten, Betriebskosten und Anschaffungskosten - von der KAV bekommt.

Die Bücherei setzt die anfangs erwähnten Richtlinien für Patientenbibliotheken mustergültig in die Praxis um.

Zu den ca. 18.700 Medien zählen 75 Zeitschriftenabonnements, 2150 Tonträger und 200 Videos (http://www.buechereien.wien.at/buechereienportal/(gpipdjjfkrzqlnaejeb2s433)/index.aspx?tabid=29&Zweigstelle=69, Stand: 12.08.05). Den Schwerpunkt bildet zwar die so genannte Ratgeberliteratur, aber es werden alle Bereiche des täglichen Lebens abgedeckt – Computer und IT ebenso wie Literaturwissenschaft, Reiseliteratur und Kochbücher. Für Kinder wurde eigens eine Spiel- und Leseecke eingerichtet.

24 Stationen werden nach fixem Plan einmal pro Woche, jeweils zu zweit, mit dem Bücherwagen besucht, allerdings werden jene Stationen nicht aufgesucht, auf denen wenig Interesse besteht, wie die Augenstation, die Entbindung und die Aufnahmestation. Bei Anfrage versorgen die BibliothekarInnen auch Patienten auf der Intensivstation und im Dialysebereich. Zurückgegeben werden können die Bücher auch außerhalb der Öffnungszeiten der Bücherei in der Entlassungs- bzw. Aufnahmestelle.

Die Bibliothek war von Anfang an beim Spitalsbau fix eingeplant und wurde 1993 eröffnet.
Die Patientenbücherei wird als Sonderform der Städtischen Bücherei geführt. Seit Beginn ihres Bestehens wird sie von der Spitalsverwaltung und dem Stationspersonal äußerst positiv aufgenommen. Die Zusammenarbeit mit den KollegInnen der Aufnahme- und der Entlassungsstelle funktioniert sehr gut und ist für die reibungslose Rückgabe der Medien von enormer Wichtigkeit. Ein Lesezeichen in der fürs Donauspital signifikanten Leitfarbe „gelb“ wird bei jedem Entlehnkontakt mitgegeben (Hinweise zu: Öffnungszeiten, Benutzungshinweise, Rückgabemöglichkeiten). Sollte ein Patient die Medien nach Verlassen des Spitals nicht retournieren, wird schriftlich gemahnt. Ambulante Patienten können die Medien für drei Wochen entlehnen.

Die Stationsbesuche laufen nach festgelegtem Plan, der jeweilige Wochentag des Besuches hängt auf Plakaten auch auf den Stationen aus. Die BibliothekarInnen ändern den Plan intern von Zeit zu Zeit, um zu vermeiden, dass sie über einen für sie zu langen Zeitraum Stationen mit z. B. Schwerkranken oder psychisch Kranken aufsuchen, was auf Dauer emotional zu belastend wäre.

Der Raum der Bücherei wird von den Patienten als „Außenwelt“ abseits des Krankenhauses empfunden, er bietet durch gemütliche Sitzecken Freiheit vom Klinikalltag, hier soll sich der Besucher nicht als Patient sondern als Leser fühlen.

Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien

Bis vor zwei Jahren gehörten zum AKH 2 Büchereien: eine im AKH selbst und eine in der AKH Kinderklinik, die Eröffnung beider war 1994. Betreut wurde die AKH-Bücherei von fünf MitarbeiterInnen, die mit einem Bücherkörberl alle Stationen aufsuchten, wobei einzelne Wünsche der Patienten mitberücksichtigt wurden. Der Ausleihraum war auch für Personal und Leser von außen geöffnet.

Hinweistafeln und Werbung scheiterten jedoch an zu hohen Kosten, es gab weder Broschüren noch einen Eintrag ins hausinterne Telefonbuch, beides war dem AKH zu teuer. Aber trotz geringer Werbemöglichkeit war die Bücherei gut besucht.

Mit 1. November 2003 wurde die Bücherei, gemeinsam mit der Kinderbücherei, geschlossen. Nähere Information zur Schließung erteilte Frau Claudi, Leiterin der Zweigstellen der Büchereien Wien: 2003 legten die Wiener Büchereien der KAV ein Konzept zur Übernahme der Büchereien vor. Dieses Angebot wurde allerdings abgelehnt, aus Kostengründen erfolgte dann die Schließung.

Nun stellt sich die Frage, warum die Bücherei im SMZ-Ost im Gegensatz zur Bücherei im AKH vom KAV übernommen wurde. Frau Claudi begründete die Finanzierung der Bibliothek im SMZ Ost seitens des KAV mit den hervorragenden Bedingungen, unter denen die Bücherei im SMZ-Ost geführt werden kann und die wesentlich besser als im AKH sind. Die Bücherei ist sehr gut integriert in die Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal, das AKH dagegen ist viel größer und dadurch auch anonymer. Außerdem war die Bücherei für viele Patienten aufgrund der Lage schwer zugänglich. Vorsichtigen Schätzungen zufolge kamen die Besucher der AKH-Bücherei eher von außerhalb, im SMZ OST ist es umgekehrt.

Bei den Öffentlichen Spitälern zeigt sich ein völliges anderes Bild als bei den Privatspitälern. Die Büchereien zeigen sich als moderne, offene und kommunikative Einrichtungen, die von den jeweiligen Häusern auch mit offensiver Werbung unterstützt werden. Die professionell ausgebildeten BibliothekarInnen können sich auf ein gutes Sortiment an Büchern, das ständig mit Neuerwerbungen aufgestockt und vor allem mit neuen Medien wie CDs und DVDs erweitert wird, stützen. Einen guten Ansatz bietet die Bücherei im Wilhelminenspital, die mit dem Angebot von PC und Internet sicherlich einen weiteren Anziehungspunkt geschaffen hat.

Die Frage, ob in die Erhaltung einer Patientenbücherei investiert werden soll, kann nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden. Krankenhausbüchereien berücksichtigen die psychischen und emotionalen Befindlichkeiten der Patienten auf besondere Art und Weise. Ein differenziertes Medienangebot bietet den kranken Menschen in ihren persönlichen Krisensituationen hilfreiche Begleitung und Unterstützung. Weiters ist die Spitalsbücherei durch ihre individuelle Ansprache eine ideale Ergänzung zur hochtechnisierten Medizin und zum anonymen Arbeitsprozess innerhalb des Krankenhauses. Die Patienten werden nicht nur von ihrer Krankheit und von den Gefühlen der Isolation und Anonymität abgelenkt, vielmehr können Bücher im besten Fall den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Doch bei allen Erwägungen, die dafür sprechen, muss auch zugegeben werden, dass gerade im Gesundheitssystem mit immer mehr Einsparungen gekämpft wird und eine Bücherei als Posten im Budget – falls überhaupt - wohl eher im unteren Bereich rangiert. Zu beachten ist ebenfalls, dass eine Reduzierung der Bettenzahlen angestrebt wird und die Verweildauer der stationären Patienten auf mittlerweile durchschnittlich 7 Tage gesunken ist. Auch bei der Frage der Benutzungsfrequenz sollte man realistisch bleiben. Denn generell gilt: wer früher gern gelesen hat, hat nun im Krankenhaus eventuell einen neuen Anstoß bekommen, aber wer daheim nie liest, fängt im Spital selten damit an.


Literatur

1.
Schwarz Detlef (Hrsg.): Richtlinien für Patientenbibliotheken erarbeitet von einer Expertengruppe der Kommission für besondere Benutzergruppen des Deutschen Bibliotheksinstituts. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1995. (= dbi-materialien; 138)
2.
Schwarz Detlef (Hrsg.): Richtlinien für Patientenbibliotheken erarbeitet von einer Expertengruppe der Kommission für besondere Benutzergruppen des Deutschen Bibliotheksinstituts. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1995. (= dbi-materialien; 138). S. 9
3.
Kittler Udo: Für Peter - oder: Was ist Bibliotherapie? In: Raab Peter: Heilkraft des Lesens. Erfahrungen mit der Bibliotherapie. Freiburg, Basel und Wien: Herder Taschenbuch Verlag 1988. S. 10-27, hier S. 12.
4.
Kluge Friedrich: Lektüre im Krankenhaus. Gedanken aus der Sicht eines Klinikers. In: Raab Peter: Heilkraft des Lesens. Erfahrungen mit der Bibliotherapie. Freiburg, Basel und Wien: Herder Taschenbuch Verlag 1988. S. 77-91.
5.
Goßmann Ite: Lesen als Hilfe zur Rehabilitation. In: Deutsche Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie (Hrsg.): Die heilende kraft der Sprache. Poesie- und Bibliotherapie in der Praxis. Düsseldorf: Der Setzkasten 2002. S. 95-112.
6.
Appel Dr. Wilhelm H.: Wiens Spitäler. Informationshandbuch über Wiens Spitäler. Wien: Infoskop Verlag Gmbh. 2002.