gms | German Medical Science

GMS Interdisciplinary Plastic and Reconstructive Surgery DGPW

Deutsche Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie (DGPW)

ISSN 2193-8091

Komplikationen nach Sternotomie – eine interdisziplinäre Herausforderung

Treatment of sternal infections due to cardiac surgery – an interdisciplinary approach

Übersichtsarbeit

Suche in Medline nach

  • corresponding author Ina Carolin Ennker - Plastische-, Hand und Wiederherstellungschirurgie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Jürgen Ennker - Mediclin Herzzentrum Lahr/Baden, Lahr, Deutschland

GMS Interdiscip Plast Reconstr Surg DGPW 2012;1:Doc18

doi: 10.3205/iprs000018, urn:nbn:de:0183-iprs0000188

Veröffentlicht: 11. Dezember 2012

© 2012 Ennker et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Abstract

A mediastinitis is a rare complication (incidence 1–4%) following cardiac surgery with a mortality of up to 50%. Treatment is somewhat difficult since no standardized treatment options are established. Thus, every German clinic proceeds differently.

It is thus the paper’s intention to describe an optimal treatment plan that guarantees higher patient safety, as well as determining whether the occurrence of postoperative infections can be diminished by raising awareness of involved risk factors.

Backed up by first-hand experiences in the treatment of mediastinitis patients a therapy algorithm correlating to the amount of infection was developed. The treatment consists of radical surgical debridement, sternal restabilization (depending on the elapsed time between procedure and cardiac operation) and vacuum therapy (as short as possible). Plastic reconstruction (usually via M. pectoralis plasty) may be performed as soon as supporting condition is attained. If treatment fails, the reconstruction of defects of the anterior chest wall is achievable by different muscle flaps.

Based on the results of early interdisciplinary cooperation, a therapy concept was developed, which is adaptable to the patient’s individual condition in order to ensure the best possible treatment concept concerning the patient’s recovery and safety.

Keywords: sternal infections, treatment options, therapeutic algorithm, interdisciplinary cooperation


Einleitung

In der Therapie der Mediastinitis und Sternumosteomyelitis nach Sternotomie zeichnet sich seit Einführung der Vakuumtherapie ein Wandel von offenen und Saug-Spül-Verfahren hin zu Kombinationsverfahren ab.

In einer Umfrage analysierten Schimmer und Mitarbeiter [29] in einer Befragung der 79 deutschen Herzzentren die jeweils angewendeten gängigen Behandlungsmethoden. Diese Befragung ergab, dass 35% die Vakuumtherapie, 28% eine primäre Reverdrahtung mit Saug-/Spülbehandlung und 37% der Kliniken beide Methoden in Abhängigkeit vom intraoperativen Befund verwenden. Nicht immer zeigen diese Methoden die gewünschten Erfolge, sodass wir uns auf die Suche des derzeit besten Vorgehens begeben [11].

Sternuminfektionen und Mediastinitiden können aus Infekten, Tumoren, Verletzungen oder Bestrahlungen resultieren. Häufigste Ursache für Sternuminfekte ist jedoch die Sternotomie. Die mediane Sternotomie ist der Standardzugang für herzchirurgische Eingriffe. Dieser Eingriff wird in der Bundesrepublik Deutschland zirka 180.000 Mal pro Jahr vorgenommen. Trotz der unbestrittenen Vorteile dieses Zugangs können schwere Komplikationen auftreten, die zu weiteren Eingriffen mit verlängerten Krankenhausaufenthalten, hohen Kosten für das Gesundheitssystem und einer verkürzten Langzeitüberlebensrate führen [12], [22], [30].

Die Komplikationen unterteilen sich prinzipiell in infektbedingte und nicht infektbedingte sowie in stabile und instabile Verhältnisse. Die für den Patienten schwerwiegendste Komplikation ist die Mediastinitis mit Sternuminstabilität. Eine zunächst unkomplizierte Instabilität kann einen Infekt mit nachfolgender Mediastinitis bedingen. Eine Mediastinitis mit zunächst stabilen Sternumverhältnissen führt über kurz oder lang unweigerlich zu einer Instabilität [26].


Inzidenz und Risikofaktoren

Die postoperative Mediastinitis und Sternumosteomyelitis sind mit einer Inzidenz von 1–4% selten. Allerdings weisen die durch perioperative Infektionen entstehenden Komplikationen eine signifikante Mortalität bis 50% auf [9], [30], im Durchschnitt 10–25% [29]. Als Risikofaktoren für diese postoperative Komplikation gelten insulinpflichtiger Diabetes mellitus, Adipositas, Immunsuppression, COPD, Sternumosteoporose, Bestrahlung des Operationsgebietes, die Verwendung der bilateralen Aa. mammariae internae als Anschlussarterien, Körpergröße, Nierenversagen und inadäquate Operationstechniken [10], [16], [21], [26], [32]. Die Verwendung der A. mammaria interna als Bypass Graft ist zweifelsfrei der Goldstandard in der Koronarchirurgie, sodass der Operateur dann jeweils abwägen muss, entweder auf den optimalen Graft zu verzichten oder potentiell ein höheres Infektionsrisiko in Kauf zu nehmen.


Diagnose

Die Diagnose postoperative Mediastinitis oder Sternumosteomyelitis erfolgt zumeist klinisch anhand der typischen Zeichen einer lokalen oder systemischen Infektion. Die Einteilung erfolgt entweder nach den Definitionen der CDC oder El Oakley [9], [17]. Die Mehrzahl der Patienten zeigt eine Wundsekretion begleitet von einer Leukozytose, erhöhtem CRP-Wert sowie erhöhter Körpertemperatur. Die Hälfte der Patienten zeigt zudem eine Sternuminstabilität auf. Bei der klinischen Untersuchung fällt zumeist eine Krepitation oder eine Sekretion aus der Sternumwunde auf. Einige Patienten kommen jedoch auch mit einer schon offenen Wunde und zum Teil ausgerissenen und freiliegenden Drahtcerclagen zur Aufnahme. In unklaren Fällen kann auch eine CT- oder eine MRT-Untersuchung bei der Entscheidungsfindung behilflich sein [26] (Abbildung 1 [Abb. 1]).


Behandlungskonzepte

Die Wundheilungsstrategien umfassen die offene Wundbehandlung, die Saug-Spül-Drainage, die vacuum-assisted closure therapy (VAC) und die Rekonstruktion mittels Lappenplastiken. Das chronologisch erste Verfahren war die offene Behandlung mit zunächst Wiedereröffnung des Sternums, chirurgischem Debridement, Verbandwechsel mit feuchten Auflagen bis zum spontanen Wundverschluss durch Granulation und Epithelisierung. Diese Methode wurde wegen der extrem hohen Versagerquote und einer Mortalitätsrate von 50% und höher verlassen [26], [27]. Häufig kam es bei diesen Verläufen zur Sepsis, zu Gewebearrosionen oder Verletzungen des rechten Ventrikels durch das Sternum oder andere scharfkantige knöcherne Fragmente. 1969 folgte dann die Anwendung einer geschlossenen Saug-Spül-Drainage [7]. Diese Maßnahme umfasst die Wiedereröffnung des Sternums, das chirurgische Debridement des gesamten Areals sowie die Entfernung von Osteosynthesematerial. Anschließend wird das Operationsgebiet ausgiebig gespült, und es werden Spül- und Ablaufkatheter retrosternal, gegebenenfalls auch retrokardial installiert. Darüber wird das Sternum dann konventionell verschlossen. Anschließend erfolgt dann ein schichtweiser Verschluss der Weichteile. Vorteil dieses Verfahrens ist zumindest, dass ein primärer Verschluss des Sternums erfolgt [20], [26]. In der folgenden Zeit wird eine kontinuierliche oder intermittierende Spülung durchgeführt, bis drei keimfreie aus der Spülflüssigkeit gewonnene Effluate vorliegen. Konnte dies nicht erreicht werden, wurde die Spülung nach spätestens vier Wochen beendet und die Drainagen gezogen. Nachteilig war die erhebliche Belastung für den Patienten, über Wochen mit zwei Zuläufen und zwei Abläufen mit jeweiligen Infusionslösungen behaftet zu sein. Zudem kam es häufig zur Schaffung von Toträumen und Spülstraßen. Es bestand weiter das Risiko einer Katheterarrosion der retrosternalen Organe mit Massenblutungen sowie der systemischen Absorption der Saug-Spül-Flüssigkeit. Auch war das Risiko der Tamponade gegeben, wenn eine Abflussstörung vorlag. Auch dieses Verfahren war mit einer relativ hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrate von bis zu 36% [6], [20] behaftet. Dieses Verfahren sollte nur noch ausnahmsweise zur Anwendung kommen.

Ein vielversprechender Ansatz in der Behandlung der Mediastinitis herzchirurgischer Patienten stellt die vacuum-assisted closure therapy (VAC) zur sekundären Wundbehandlung dar. Diese wurde von Argenta und Morykwas bereits 1997 eingeführt [2], [7], [23] und basiert auf einer Applikation eines einheitlichen lokalen Unterdrucks bis etwa 120 mm Hg im gesamten Wundgebiet. In der Herzchirurgie wird dieses Verfahren in Deutschland seit etwa zehn Jahren angewendet.

Chronische und bedingt auch akute und subakute Wunden sind durch ein peripheres Ödem charakterisiert, welches die Mikrozirkulation und den Lymphabfluss behindert. Durch den gleichmäßig auf die Wunde einwirkenden Unterdruck kommt es zu einem verbesserten Abtransport von Flüssigkeit und zu einer Druckverringerung im lokalen Gewebe. Dadurch kommt es konsekutiv zu einer Erweiterung der Kapillaren und zu einer verbesserten Fließeigenschaft des Blutes. Die arterielle Durchblutung sowie die Proliferation des Granulationsgewebes und die Neoangiogenese werden initiiert. Sekret und Debris werden kontinuierlich entfernt, und die Anzahl der Bakterien verringert sich [2]. Jüngere Publikationen zeigen vielversprechende Resultate. Die Zahl der beobachteten Fälle ist jedoch immer noch limitiert, und auch die zu Grunde liegenden Wirkmechanismen dieses Prinzips sind noch nicht hinreichend bekannt [7], [31]. Die Vakuumtherapie sollte möglichst kurzfristig angewendet werden und dient als Interimsmaßnahme bis zur endgültigen Rekonstruktionsmaßnahme [18]. Kontraindikationen für die Anwendung dieses Systems sind nicht bekannt. Einige Patienten berichten über Schmerzen bei gegebenenfalls zu hohem Unterdruck. Bei einigen Systemen kann ein überschießendes Wachstum von Granulationsgewebe in den Schwamm hinein resultieren, wodurch es dann zu einer erschwerten Entfernung des Schwammes beim Wechsel kommen kann. Diese Nachteile sind jedoch durch entsprechendes Management leicht zu beherrschen [2], [4], [14]. Während der Vakuumtherapie muss auf einen kontinuierlichen Sog geachtet werden. Bei Verlust des Unterdrucks durch Lösen der Folie, durch Diskonnektion oder Einbluten in den Schwamm und damit Ersticken des Systems kann es zu Verletzungen der retrosternalen Organe, insbesondere des rechten Ventrikels kommen. In der Literatur sind immer wieder vereinzelt Fälle von Ventrikelrupturen während der Vakuumtherapie beschrieben worden [1], [13], [26], [28].

Eine interdisziplinäre Erweiterung des kardiochirurgischen/plastisch-chirurgischen Therapiekonzepts beinhaltet die Einführung von Lappenplastiken durch Jurkiewicz et al. [19], weiterhin die Verwendung von Verschiebeplastiken der Bauchdecke, Transposition des Omentum majus sowie ortsständig gestielter oder freier Muskellappen. Diese Eigengewebe sind optimal geeignet, Oberflächen mit gut vaskularisiertem Gewebe zu bedecken und gegebenenfalls Totraum aufzufüllen sowie freiliegende Sternumanteile sicher zu bedecken [14], [15], [25], [26]. Verschiedene Therapieoptionen zur Muskellappenplastik an der vorderen Thoraxwand sind verfügbar. Eingegangen wird nur auf die am häufigsten zum Einsatz kommenden Operationsverfahren. Operative Rekonstruktionen sind prinzipiell möglich über autologes Gewebe in Form von freien oder gestielten Muskellappen, Faszien, freien oder vaskularisierten Rippengrafts oder durch synthetisches Material. Hier stehen Teflon-, Acryl- und Prolene-Netze, Gore-Tex-Interponate und composite mesh Marlex-Netze zur Verfügung. Die meisten Brustwanddefekte lassen sich jedoch am besten mit ortsständigem muskulokutanem Gewebe therapieren, insbesondere bei den infektbedingten Defekten nach Sternotomie durch den M. pectoralis major [15]. Der M. pectoralis major bietet bei ausgezeichneter Rotierbarkeit die Möglichkeit, zumindest die oberen zwei Drittel des Sternums zu bedecken [14], [15], [24]. Angesichts seiner überragenden Blutversorgung über die dominante A. thoracoacromialis und seiner ausreichenden Länge stellt er den bevorzugten Muskel zur Bedeckung des Sternums in den oberen zwei Dritteln dar. Die weitere Blutversorgung erfolgt über segmentale Perforatoren der Aa. mammariae internae und der A. thoracica lateralis. Der Muskel kann als uni- oder bilaterale Lappenplastik eingesetzt werden. Bevorzugt wird er vom sternalen Ursprung abpräpariert und bis zum humeralen Ansatz mobilisiert und dort je nach Bedarf desinseriert. Die Pars clavicularis verbleibt in situ [5], [15], [24], [26]. Bei einer intakten ipsilateralen A. mammaria interna kann auch die Präparation umgekehrt erfolgen. Vom humeralen Ansatz her wird desinseriert und dann unter Absetzen der A. thoracoacromialis präpariert, der Muskel wird dann über die sekundär determinierten Perforatoren der Aa. mammariae internae versorgt und kann so als Umkippplastik in den Defekt hinein transportiert werden. Dabei lässt sich jedoch optisch eine Wulstbildung nicht vermeiden und das kann dementsprechend von den Patienten als unangenehm empfunden werden. Bei aber weit fortgeschrittenen Infektionen ist die parasternale Gefäßversorgung nicht verlässlich oder gar destruiert. Bei Defekten, die auch das untere Sternumdrittel betreffen, kann der M. pectoralis auch mit dem M. rectus abdominis in Kontinuität präpariert und als sogenannter Brückenlappen verwendet werden. Hierfür sollte jedoch möglichst die ipsilaterale A. mammaria interna intakt sein [15]. Der distale Anteil der Wunde ist besonders gefährdet, da hier die größten Scherkräfte und die am stärksten ausgeprägte Beweglichkeit des Brustkorbes stattfinden und auch die Pectoralis-Muskulatur hier am geringsten ausgebildet ist. Bei etwa einem Drittel der Menschen ist das untere Drittel des M. pectoralis auch nur als Faszie vorhanden [26]. Die Rekonstruktion mit diesem Muskel bietet eine Reihe von Vorteilen, zumal ein zusätzlicher Hebedefekt entfällt und das chirurgische Vorgehen einfach ist (Abbildung 2 [Abb. 2], Abbildung 3 [Abb. 3]).

Die nächste Option stellt der M. latissimus dorsi. Dieser wird über die A. thorakodorsalis und Intercostal- und Lumbalperforatoren versorgt. Auch dieser Muskel kann gestielt, einzeln, doppelt oder auch als freie Lappenplastik eingesetzt werden [3], [15], [26]. Die anteriore Thoraxwand wird durch den gestielten Muskellappen in der Regel gut erreicht. Der Rotationsradius ist zuverlässig und ausreichend weit. Die Hautinsel kann etwa 10 cm messen und kann vertikal, horizontal oder auch in anderen Winkeln ausgerichtet werden. Ein Nachteil ist jedoch die Seitenlagerung des Patienten während der Lappenhebung, sodass es gegebenenfalls intraoperativ zu einem Umlagern kommen kann. Der Hebedefekt auch bei diesem Muskel ist zwar größer als bei der M.-pectoralis-Plastik aber auch immer noch funktionell eher gering. Die Auswirkung auf die respiratorische Kapazität ist nicht gegeben und gilt als unproblematisch. Wird jedoch die Rectus-abdominis-Muskulatur zu Rekonstruktionsmaßnahmen zum Einsatz gebracht, ist die Auswirkung auf die respiratorische Kapazität durchaus eingeschränkt (Abbildung 4 [Abb. 4]).

Eine hervorragende Option zur Rekonstruktion insbesondere des infizierten Sternums nach herzchirurgischen Eingriffen stellt das Omentum majus dar. Dieses war früher eine häufig eingesetzte Maßnahme, ist aber relativ in Vergessenheit geraten. Sicher zu Unrecht. Das Omentum majus wird über die gastroepiploischen Gefäße entlang der großen Kurvatur des Magens versorgt. Das Omentum ist immunologisch aktiv und enthält eine große Anzahl aktiver Zellen (Makrophagen-Monozyten, B- und T-Lymphozyten und auch Plasmazellen). Es zeigt eine ausgezeichnete antiinfektiöse Aktivität [6], [15], [20], [26]. Das Omentum hat eine sehr große Reichweite, und das Mediastinum kann leicht und gut komplett aufgefüllt werden. Das Omentum kann sowohl über die rechte als auch über die linke A. gastroepiploica gestielt werden. Insbesondere bei freiliegendem Fremdmaterial, Spülstraßen und bei aufzufüllenden Toträumen ist diese Maßnahme eine sichere Option. Im Zusammenhang mit einem adäquaten chirurgischen Debridement, straffer intensivmedizinischer Führung, antibiotischem Monitoring zeigt sie sehr gute klinische Ergebnisse. Die immer wieder angebrachte Sorge vor einem Zwei-Höhlen-Eingriff ist größtenteils unbegründet. Die Letalität liegt zwischen 10% und 36%. Typische Komplikationen sind gegebenenfalls Hernien im Bereich des Durchtritts im Areal des Diaphragmas. Wenn ein Hautverschluss direkt nicht möglich ist, kann eine Spalthauttransplantation notwendig sein [15] (Abbildung 5 [Abb. 5]).

Die alleinige Anwendung des M. rectus abdominis wird nur von wenigen Autoren favorisiert. Zur Sternumrekonstruktion eignen sich kranial gestielte Lappen [15]. Auch hier treten Hernien als Komplikationen auf. Auch diese Technik sollte nur bei ipsilateral intakter A. mammaria interna Anwendung finden, zumal sonst die Gefahr einer Nekrose in erhöhtem Maße gegeben ist. Nachteile von Muskellappenplastiken müssen neben einem erhöhten logistischen Aufwand berücksichtigt werden:

  • Hämatome und Serome mit nachfolgenden Revisionen
  • Nekrosen und Wundheilungsstörung
  • Missempfindungen im Operationsgebiet nach den operativen Eingriffen
  • Abnormale sternale Beweglichkeit bei Belastung wie Husten oder Seitenlage infolge von nicht verheilten Sternotomien (Nonunion oder nach Sternumresektionen)
  • Spannungen und Überdehnung im distalen Narbenbereich insbesondere bei Patientinnen mit Mammahyperplasie [8], [26]

Befürchtungen bezüglich einer verminderten respiratorischen Kapazität konnten ausgeräumt werden [5], [24], [25].

Postoperative respiratorische Komplikationen werden hauptsächlich bei solchen Patienten, die bereits präoperativ unter einer COPD litten, oder auch gelegentlich bei Rauchern gesehen [25].

Alle vorgenannten Maßnahmen sind nicht frei von Komplikationen, und die Komplexität dieser Fälle nimmt auch auf Grund der Komorbiditäten der Patienten zunehmend zu.

Das radikale Debridement, welches alle infizierten Strukturen umfasst, ist unabdingbar. Auch muss jegliches Fremdmaterial entfernt werden, nicht nur das Osteosynthesematerial, auch verbliebene Schrittmacherreste und sonstiges Material muss entfernt werden. Dieser Punkt ist so elementar, da sonst eine weiter bestehende Infektion eine Nekrose weiter unterhalten wird und so Gewebe, welches zur myoplastischen Deckung notwendig ist, immer weiter zerstört werden kann. Auch muss infiziertes oder nekrotisches knöchernes Material des Sternums oder der Rippenansätze entfernt werden. Trotzdem ist es sinnvoll, noch erhaltenswürdige ossäre Strukturen zu belassen, da diese dann doch für die respiratorische Kapazität von Nutzen sind und nicht unterschätzt werden dürfen. Beim chirurgischen Debridement wie auch bei der laufenden VAC-Therapie muss immer mit einer Ruptur des rechten Ventrikels gerechnet werden. Die Mechanismen für diese desaströse Komplikation können hervorgerufen werden durch Folgendes:

  • Kontinuierlich fortschreitende Infektion
  • Scharfe Kanten und Splitter des Sternums
  • Erhöhter Sog des Vakuums oder Verlust desselben
  • Verwachsungen zwischen Herz und Thoraxwand [18], [26], [28], [11].

Um sich eine solche Komplikation zu ersparen, sollte dann bei jeder Revision, sofern sich noch keine Narbenplatte zwischen Sternum und Herz ausgebildet hat, welche etwa nach sechs bis acht Wochen vorliegt, eine punktuelle Restabilisierung des Sternums erfolgen. Alternativ können paraffingetränkte Kompressen oder Membranen retrosternal eingebracht werden, um einen Kontakt des Sternums mit den kardialen Strukturen zu verhindern. Liegt die initiale Herzoperation länger als acht Wochen zurück, kann man von einer retrosternalen ausreichenden Bindegewebsschicht ausgehen, und auf eine Refixierung oder ein Einbringen der Kompressen und Membranen kann dann verzichtet werden. Die VAC-Therapie kann dann ohne weitere Maßnahmen erfolgen.


Schlussfolgerungen

Die Diagnosestellung erfolgt in der Regel klinisch. Die meisten Patienten haben die typischen Anzeichen einer lokalen Wundinfektion mit Rötung, Schwellung, Überwärmung sowie eingeschränkter Funktion und Schmerz. Meistens liegen auch eine Leukozytose und ein erhöhter CRP-Wert vor. Viele Patienten haben eine erhöhte Körpertemperatur. Eine Sternuminstabilität besteht bei der Hälfte der Patienten. Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich dann eine Krepitation. Bei vielen Patienten sind jedoch die Sterna offen und die Cerclagen liegen ausgerissen vor Ort. In manchen Fällen kann aber auch eine CT- oder MRT-Untersuchung bei der Entscheidungsfindung wegweisend sein [26].

Die Diagnose einer postoperativen Mediastinitis oder auch Sternumosteomyelitis ist nach wie vor mit einer aufwändigen nachfolgenden Therapie und einem verlängerten Krankenhausaufenthalt für den Patienten behaftet [12].

Chronologisch ist bei diesen Patienten folgendermaßen vorzugehen:

  • Radikales chirurgisches Debridement sämtlicher infizierter und nekrotischer Anteile, Entfernung jeglicher Fremdkörper inklusive von jeglichem Osteosynthesematerial
  • Bakteriologisches Monitoring mit Antibiotikatherapie nach Antibiogramm
  • Deckung der vitalen Strukturen
  • Wiederherstellung der Funktionalität
  • Stabilisierung des knöchernen Skeletts
  • Plombierung von leeren Körperresthöhlen
  • Berücksichtigung letztendlich ästhetischer Aspekte

Ein frühes und radikales chirurgisches Debridement gefolgt von Vakuumtherapie und plastisch-chirurgischer Rekonstruktion ist aktuell der Goldstandard [11].

Sicherlich liegt eine Notwendigkeit des interdisziplinären Handelns vor. Die Fälle sind zum Teil so komplex, dass drei Fachdisziplinen beteiligt sind, wie zum Beispiel die Herzchirurgen für das Debridement, die Allgemeinchirurgen für die Omentumplastik und die plastischen Chirurgen dann für die gegebenenfalls notwendigen Rekonstruktionsmaßnahmen und Muskelplastiken. Bedingt durch die derzeitigen Weiterbildungsordnungen gibt es kaum noch Chirurgen, die die gesamte Komplexität abdecken und diese Fälle ausreichend versorgen können.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Abu-Omar Y, Naik MJ, Catarino PA, Ratnatunga C. Right ventricular rupture during use of high-pressure suction drainage in the management of poststernotomy mediastinitis. Ann Thorac Surg. 2003 Sep;76(3):974. DOI: 10.1016/S0003-4975(03)00180-2 Externer Link
2.
Argenta LC, Morykwas MJ. Vacuum-assisted closure: a new method for wound control and treatment: clinical experience. Ann Plast Surg. 1997 Jun;38(6):563-76. DOI: 10.1097/00000637-199706000-00002 Externer Link
3.
Banic A, Ris HB, Erni D, Striffeler H. Free latissimus dorsi flap for chest wall repair after complete resection of infected sternum. Ann Thorac Surg. 1995 Oct;60(4):1028-32. DOI: 10.1016/0003-4975(95)00428-N Externer Link
4.
Chen SZ, Li J, Li XY, Xu LS. Effects of vacuum-assisted closure on wound microcirculation: an experimental study. Asian J Surg. 2005 Jul;28(3):211-7. DOI: 10.1016/S1015-9584(09)60346-8 Externer Link
5.
Daigeler A, Falkenstein A, Pennekamp W, Duchna HW, Jettkant B, Goertz O, Homann HH, Steinau HU, Lehnhardt M. Sternal osteomyelitis: long-term results after pectoralis muscle flap reconstruction. Plast Reconstr Surg. 2009 Mar;123(3):910-7. DOI: 10.1097/PRS.0b013e318199f49f Externer Link
6.
Danner BC, Zenker D, Didilis VN, Grossmann M, Stojanovic T, Seipelt R, Tirilomis T, Schöndube FA. Transposition of greater omentum in deep sternal wound infection caused by methicillin-resistant Staphylococci, with differing clinical course for MRSA and MRSE. Thorac Cardiovasc Surg. 2011 Feb;59(1):21-4. DOI: 10.1055/s-0030-1250373 Externer Link
7.
De Feo M, Della Corte A, Vicchio M, Pirozzi F, Nappi G, Cotrufo M. Is Post-Sternotomie Mediastinitis Still Devasting after the Advent of Negative-Pressure Wound Therapy? Tex Heart Inst J. 2011;38(4):375-80.
8.
de Fontaine S, Devos S, Goldschmidt D. Reduction mammaplasty combined with pectoralis major muscle flaps for median sternotomy wound closure. Br J Plast Surg. 1996 Jun;49(4):220-2. DOI: 10.1016/S0007-1226(96)90054-5 Externer Link
9.
El Oakley RM, Wright JE. Postoperative mediastinitis: classification and management. Ann Thorac Surg. 1996 Mar;61(3):1030-6. DOI: 10.1016/0003-4975(95)01035-1 Externer Link
10.
Ennker IC, Albert A, Pietrowski D, Bauer K, Ennker J, Florath I. Impact of gender on outcome after coronary artery bypass surgery. Asian Cardiovasc Thorac Ann. 2009 Jun;17(3):253-8.
11.
Ennker IC, Bär AK, Florath I, Ennker J, Vogt PM. In search of a standardized treatment for poststernotomy mediastinitis. Thorac Cardiovasc Surg. 2011 Feb;59(1):15-20. DOI: 10.1055/s-0030-1250335 Externer Link
12.
Ennker IC, Kojcici B, Ennker J, Vogt P, Melichercik J. Kostennutzenanalyse der Therapie von Risikopatienten am Beispiel tiefer Sternuminfektionen [Examination of the opportunity costs and turnover situation in patients with deep sterna infections]. Zentralbl Chir. 2012 Jun;137(3):257-61. DOI: 10.1055/s-0031-1283762 Externer Link
13.
Ennker IC, Malkoc A, Pietrowski D, Vogt PM, Ennker J, Albert A. The concept of negative pressure wound therapy (NPWT) after poststernotomy mediastinitis – a single center experience with 54 patients. J Cardiothorac Surg. 2009 Jan 12;4:5. DOI: 10.1186/1749-8090-4-5 Externer Link
14.
Ennker IC, Pietrowski D, Vöhringer L, Kojcici B, Albert A, Vogt PM, Ennker J. Surgical debridement, vacuum therapy and pectoralis plasty in poststernotomy mediastinitis. J Plast Reconstr Aesthet Surg. 2009 Nov;62(11):1479-83. DOI: 10.1016/j.bjps.2008.05.017 Externer Link
15.
Ennker IC, Vogt PM. Rekonstruktion der Thoraxwand. In: Vogt PM, ed. Praxis der plastischen Chirurgie. Berlin: Springer; 2011. p. 163-70.
16.
Ennker J, Florath I, Rosendahl U, Bauer S, von Hodenberg E, Ennker IC. Perioperatives Mortalitats- und Komplikationsrisiko nach biologischem Aortenklappenersatz bei alteren Patienten: ungestentete vs. gestentete Bioprothesen [Risk of perioperative mortality and complications following biological aortic valve replacement in elderly patients: stented vs. unstented prostheses]. Z Kardiol. 2001;90(Suppl 6):58-64. DOI: 10.1007/s003920170009 Externer Link
17.
Garner JS, Jarvis WR, Emori TG, Horan TC, Hughes JM. CDC definitions for nosocomial infections, 1988. Am J Infect Control. 1988 Jun;16(3):128-40. DOI: 10.1016/0196-6553(88)90053-3 Externer Link
18.
Hersh RE, Jack JM, Dahman MI, Morgan RF, Drake DB. The vacuum-assisted closure device as a bridge to sternal wound closure. Ann Plast Surg. 2001 Mar;46(3):250-4. DOI: 10.1097/00000637-200103000-00008 Externer Link
19.
Jurkiewicz MJ, Bostwick J 3rd, Hester TR, Bishop JB, Craver J. Infected median sternotomy wound. Successful treatment by muscle flaps. Ann Surg. 1980 Jun;191(6):738-44. DOI: 10.1097/00000658-198006000-00012 Externer Link
20.
Krabatsch T, Hetzer R. Poststernotomy mediastinitis treated by transposition of the greater omentum. J Card Surg. 1995 Nov;10(6):637-43. DOI: 10.1111/j.1540-8191.1995.tb00654.x Externer Link
21.
Kurlansky PA, Traad EA, Galbut DL, Zucker M, Ebra G. Efficacy of single versus bilateral internal mammary artery grafting in women: a long-term study. Ann Thorac Surg. 2001 Jun;71(6):1949-57. DOI: 10.1016/S0003-4975(01)02592-9 Externer Link
22.
Loop FD, Lytle BW, Cosgrove DM, Mahfood S, McHenry MC, Goormastic M, Stewart RW, Golding LA, Taylor PC. J. Maxwell Chamberlain memorial paper. Sternal wound complications after isolated coronary artery bypass grafting: early and late mortality, morbidity, and cost of care. Ann Thorac Surg. 1990 Feb;49(2):179-86. DOI: 10.1016/0003-4975(90)90136-T Externer Link
23.
Morykwas MJ, Argenta LC, Shelton-Brown EI, McGuirt W. Vacuum-assisted closure: a new method for wound control and treatment: animal studies and basic foundation. Ann Plast Surg. 1997 Jun;38(6):553-62. DOI: 10.1097/00000637-199706000-00001 Externer Link
24.
Pairolero PC, Arnold PG, Harris JB. Long-term results of pectoralis major muscle transposition for infected sternotomy wounds. Ann Surg. 1991 Jun;213(6):583-9. DOI: 10.1097/00000658-199106000-00008 Externer Link
25.
Ringelman PR, Vander Kolk CA, Cameron D, Baumgartner WA, Manson PN. Long-term results of flap reconstruction in median sternotomy wound infections. Plast Reconstr Surg. 1994 May;93(6):1208-14. DOI: 10.1097/00006534-199405000-00015 Externer Link
26.
Robicsek F, Fokin A. Complications of Midline Sternotomy. In: Patterson GA, et al., eds. Pearson's Thoracic and Esophageal Surgery. Bd. 1. Philadelphia: Churchill Livingstone; 2008. Kap. 103, p. 1253.
27.
Saeed MU, Kennedy DJ. A retained sponge is a complication of vacuum-assisted closure therapy. Int J Low Extrem Wounds. 2007 Sep;6(3):153-4. DOI: 10.1177/1534734607305597 Externer Link
28.
Sartipy U, Lockowandt U, Gäbel J, Jidéus L, Dellgren G. Cardiac rupture during vacuum-assisted closure therapy. Ann Thorac Surg. 2006 Sep;82(3):1110-1. DOI: 10.1016/j.athoracsur.2006.01.060 Externer Link
29.
Schimmer C, Sommer SP, Bensch M, Elert O, Leyh R. Management of poststernotomy mediastinitis: experience and results of different therapy modalities. Thorac Cardiovasc Surg. 2008 Jun;56(4):200-4. DOI: 10.1055/s-2008-1038386 Externer Link
30.
Sjögren J, Malmsjö M, Gustafsson R, Ingemansson R. Poststernotomy mediastinitis: a review of conventional surgical treatments, vacuum-assisted closure therapy and presentation of the Lund University Hospital mediastinitis algorithm. Eur J Cardiothorac Surg. 2006 Dec;30(6):898-905. DOI: 10.1016/j.ejcts.2006.09.020 Externer Link
31.
Wackenfors A, Gustafsson R, Sjögren J, Algotsson L, Ingemansson R, Malmsjö M. Blood flow responses in the peristernal thoracic wall during vacuum-assisted closure therapy. Ann Thorac Surg. 2005 May;79(5):1724-30. DOI: 10.1016/j.athoracsur.2004.10.053 Externer Link
32.
Zacharias A, Schwann TA, Riordan CJ, Durham SJ, Shah AS, Habib RH. Late results of conventional versus all-arterial revascularization based on internal thoracic and radial artery grafting. Ann Thorac Surg. 2009 Jan;87(1):19-26.e2. DOI: 10.1016/j.athoracsur.2008.09.050 Externer Link