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GMS Interdisciplinary Plastic and Reconstructive Surgery DGPW

Deutsche Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie (DGPW)

ISSN 2193-8091

Wo steht die rekonstruktive Urologie heute?

Reconstuctive urology – where do we stand today?

Übersichtsarbeit

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  • corresponding author Amir Hamza - Klinik für Urologie und Andrologie, Klinikum St. Georg gGmbH, Leipzig, Deutschland

GMS Interdiscip Plast Reconstr Surg DGPW 2012;1:Doc13

doi: 10.3205/iprs000013, urn:nbn:de:0183-iprs0000136

Veröffentlicht: 3. Dezember 2012

© 2012 Hamza.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Trotz des Fortschrittes konservativer Therapiemöglichkeiten ist für viele urologische Krankheitsbilder eine chirurgische Therapie unverzichtbar. Die Etablierung und die Entwicklung der rekonstruktiven Urologie hat die Zielsetzung des Erhaltes, der Wiederherstellung- bzw. dem Ersatz von Organfunktionen. In erster Linie handelt es sich um einen rekonstruktiven Ersatz nach radikal chirurgischen Eingriffen urologischer Tumore im Bereich des oberen und unteren Harntraktes sowie die operative Korrektur der angeborenen und erworbenen Anomalien und Missbildungen des urologischen Harntraktes. Angeborene Fehlbildungen, Verletzungen oder Tumoroperationen erfordern häufig sogenannte rekonstruktive Operationstechniken um Organfunktionen zu normalisieren oder wieder herzustellen. Hierbei kann es sich um plastisch, ästhetische Korrekturen handeln, wie bei Fehlfunktionen der harnableitenden Wege (Nierenbeckenabgangsstenose) oder Organersatz, wie bei Zustand nach radikaler Zystektomie wegen Harnblasenkarzinom. Durch die Anwendung minimal-invasiver Operationstechniken in der Urologie wie die Endoskopie und die Laparoskopie führte dies in den letzten Jahren zu einer Ausweitung des Spektrums der rekonstruktiven chirurgischen Urologie auch in der Behandlung urologischer Notfälle im Rahmen eines Polytraumas und verbesserte effektiv die Lebensqualität der Patienten. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den neuen Entwicklungen einiger ausgewählter rekonstruktiver Operationstechniken die in den letzten Jahren eine starke Veränderung im Bereich der Indikation und der operativen Techniken aufwiesen.

Abstract

Despite the progress of conservative treatment options for many urological diseases, surgical treatment is essential. The establishment and development of reconstructive urology has the objective of preservation, restoration or replacement of organ functions. Primarily, it is a substitute for radical reconstructive surgery of urological tumors in the region of the upper and lower urinary tract and the surgical correction of congenital and acquired anomalies and malformations of the urinary tract. Congenital malformations, trauma or cancer surgery often require so-called reconstructive surgical techniques to normalize or organ function restore; i.e. plastic and esthetic unprovments achieved by pyeloplasty for UPG or organ replacement for post cystectomy patients. It may be plastic, aesthetic corrections, as in case of malfunction of the urinary tract (stenosis of the uper uritric pelvic junction) or organ replacement, as state after radical cystectomy for bladder cancer. Through the application of minimally invasive surgical techniques in urology such as endoscopy and laparoscopy, this led in recent years to an expansion of the spectrum of reconstructive surgical urology in the treatment of urological emergencies as part of multiple trauma and improved the quality of life of patients. This paper deals with the developments of some selected reconstructive surgical techniques in recent years, that had a major change in the indication and surgical techniques.


1 Therapie der Nierenbeckenabgangsstenose

Die erste Rekonstruktion des pyelouretralen Überganges einer transrenale Inzision führte Trendelburg im Jahre 1885 durch [6]. Die erste gelungene Pyeloplastik wird Küster im Jahre 1891 zugeschrieben. Albarran beschrieb im Jahre 1898 eine laterolaterale Pyeloureterstomie, die dem heutigen pyeloplastischen Prinzip ähnelt. Jahre später wurden eine ganze Reihe von Varianten der Korrektur der Nierenbeckenabgangsstenosen beschrieben. Die entscheidende Entwicklung der offenen operativen plastischen Korrektur konnte durch die Etablierung der Anderson-Hynes-Plastik in der Therapie der Nierenbeckenabgangsstenose erreicht werden [8]. Diese Methode ist heute die am weitesten verbreitete Anwendung. Dabei wird das erkrankte pyeloreterale Segment immer reseziert, eine breite Harnleiter-nierenbecken-Anastomose wird durch die Schnittführung am Nierenbecken und durch Einschneiden des Harnleiters ermöglicht. Der proximale Harnleiter wird auf eine Länge von ca. 1,5–2,0 cm spatuliert, was später der Länge der neu zu schaffenden Anastomose entspricht. Diese Operationsmethode wird grundsätzlich bei der Behandlung angeborener Nierenbeckenstenosen bei Kindern angewandt. Die Datenlage zeigt, dass die offene Nierenbeckenplastik mit 90% anhaltendem Erfolg zu verzeichnen ist [8]. Die zunehmende Anwendung der Laparoskopie in der Behandlung urologischer Erkrankungen führte dazu, dass die laparoskopische Technik heutzutage grundsätzlich als Operationsmethode in der Behandlung der Nierenbeckenabgangsstenose etabliert ist. Die laparoskopische Technik zeigt eine hohe Erfolgsrate bei schneller Rekonvaleszenz. Der Zugang kann transperitoneal oder extraperitoneal erfolgen und hat den Vorteil, dass die definitive Technik intraoperativ entschieden werden kann.

Obwohl die laparoskopischen Serien vergleichbar gute Resultate in der offenen Nierenbeckenplastik zeigen hat sich die Technik nicht breit etablieren können, da die Anestomosetechnik einige technische Schwierigkeiten mit sich bringt. Die Einführung des daVinci-Systems erlaubt heutzutage komplexe laparoskopische Eingriffe ohne die Einschränkungen der konventionellen Laparoskopien. Diese Entwicklung sollte abgewartet werden, bis wir wissenschaftlich vergleichbare Daten haben [4], [8], [9], [19].

In der Klinik für Urologie wurden in der Zeit vom 01.01.2010–30.04.2012 38 Pyeloplastiken bei Erwachsenen und 6 Pyeloplastiken bei Kindern durchgeführt. Es handelte sich um 29 weibliche und 9 männliche Patienten mit klinisch relevanter Ureterabgangsstenose. Die Patienten waren im Alter zwischen 6 und 55 Jahre alt, in 22 Fällen war die rechte und in 16 Fällen die linke Niere betroffen. Bei allen Patienten wurde im Rahmen der perioperativen Diagnostik ein Ausscheidungsurogramm sowie ein Nierenfunktionsszintigramm und in einigen Fällen eine retrograde Ureteropyelographie durchgeführt. Bei allen Patienten wurde eine Harnleiterschiene perioperativ eingelegt anschließend erfolgte die laparoskopische Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes oder Fenger unter Verwendung von 3-4 Trokaren. Der Harnblasenkatheter wurde im Sinne einer Niederdruckableitung 3–4 Tage postoperativ belassen. Die Harnleiterschiene wurde nach 6 Wochen entfernt. 3 Monate postoperativ wurden ein Kontrollausscheidungsurogramm sowie ein Nierenfunktionsszintigramm zur Dokumentation des Operationsergebnisses durchgeführt. Bei 2 Fällen musste eine offene Revision erfolgen, da die Abflussverhältnisse der betroffenen Niere noch nicht ausreichend waren. Unsere Beobachtungen zeigen, dass die laparoskopische identische klinische Ergebnisse wie die offene Chirurgie in der Behandlung der Ureterabgangsstenose liefert.


2 Organerhaltende plastische Chirurgie der Niere

In den letzten Jahren werden die subkapsuliären Nierentraumata im Rahmen eines Polytraums zuerst konservativ behandelt. Außerdem werden die Niereneinrisse plastisch versorgt, mit dem Ziel die Niere zu erhalten. Das führt zur Reduzierung der Indikation zur primären Nephrektomie bei Polytraumapatienten, wenn sie stabil sind. Hinsichtlich der onkologischen Effektivität galt die radikale Tumornephrektomie lange als „Goldstandard“ der Behandlung des Nierenzellkarzinoms. Für Patienten mit Tumoren in beiden Nieren, in einer Einzelniere oder bei Patienten mit einer funktionseinschränkenden Pathologie der Gegenniere (z.B. Hydronephrose, chronische Pyelonephritis, Urolithiasis) hätte die Entfernung der tumortragenden Niere eine lebenslange Hämodialyse zur Folge. Der Erhalt der Nierenfunktion durch eine organerhaltende Tumorexzision hat für diese Patienten hinsichtlich der Langzeitmobilität eine zentrale Bedeutung (imperative Indikation). Nach der Datenlage erhöht der Verlust der Nierenfunktion die kardiovaskuläre Sterblichkeit und verkürzt die Lebenserwartung.

Die organerhaltende Operationstechnik verfolgt 2 Ziele, die komplette Resektion des Tumors im Gesunden mit geringer Komplikationsrate und den optimalen Funktionserhalt der operierten Niere [1], [8], [14], [15], [18].

Die guten funktionellen und onkologischen Ergebnisse der organerhaltenden Nierentumorchirurgie unter imperativer Indikationsstellung führten dazu, dass zunehmend kleinere unilaterale Tumoren >4 cm (T1a) bei gesunder Gegenniere organerhaltend operiert wurden (elektive Indikation). Die onkologische Effektivität einer elektiven nierenerhaltenden Operation kleiner Tumoren wurde in mehreren größeren Serien im Vergleich zur radikalen Tumornephrektomie bestätigt. Diese Beobachtungen führten 2002 zur Modifikation des TNM-Systems mit Unterteilung der T1-Tumoren in T1a und T1b mit einer Grenzgröße von 4 cm. Für unilaterale T1a-Tumoren mit gesunder kontralateraler Niere ist die organerhaltende Nierentumorchirurgie heutzutage Therapie der Wahl. Eine Problematik der organerhaltenden Nierentumorchirurgie ist die Möglichkeit der Entwicklung eines Lokalrezidivs in der operierten Niere, welches bei elektiver Indikation in bis zu 4% und bei imperativer Operationsindikation in bis zu 20% nach 10 Jahren auftreten kann. Die höheren Lokalrezidivraten bei imperativer Indikationsstellung lassen sich mit einer größeren Anzahl an T2- und T3-Stadien sowie G3-Tumoren erklären. Dabei zu berücksichtigen ist die Rate sporadisch auftretender multifokaler Tumoren, die mit 5–20% angegeben wird. Eine sorgfältige präoperative Diagnostik vermag bis zu 40% Multifokalität aufzudecken und ein entsprechendes intraoperatives Vorgehen zu planen. Bei multifokalen Tumoren, z.B. in einer Einzelniere, wird zumeist der Versuch unternommen die Tumoren einzeln zu exzidieren und die Nierenfunktion zu erhalten. Die Wahrscheinlichkeit, eine chronische Niereninsuffizienz zu entwickeln, liegt zwischen 5% und 13% bei Patienten, die sich einem organerhaltenden Eingriff aufgrund eines Nierenzellkarzinoms in einer Einzelniere unterziehen [12], [14], [15], [18].

In unserer Klinik wurden in der Zeit vom 01.01.2012–31.12.2011 210 Patienten mit einem diagnostizierten Nierenzellkarzinom operiert. Bei allen Patienten erfolgte präoperativ ein CT des Abdomens. Wir führten bei 91 Patienten die offene Tumorresektion und bei 119 Patienten die laparoskopische Tumorresektion durch. Die Indikation zur Operationsmethode wurde von einigen Faktoren abhängig gemacht. Die Tumorgröße und die Tumorlage sowie der Allgemeinzustand des Patienten und der Nebenerkrankungen bestimmten die Auswahl der Methode. Kleine Tumore, die peripher lagen, wurden laparoskopisch operiert. Unsere eigenen Ergebnisse zeigten, dass die laparoskopische Tumorresektion bei kleinen und peripheren Tumoren machbar ist (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Wir entwickelten eine Technik der Ausklemmung der Niere während der Resektion, dabei wurde eine spezielle Klemme angewendet, um die Durchblutung des jeweiligen Abschnittes zu unterbinden (Partielle Ischämie). Durch diese Technik vermeiden wir eine komplette arterielle Ausschaltung der Niere und damit eine Verringerung der entstehenden Parenchymschäden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Bei der laparoskopischen Nierenteilresektion verwendeten wir eine Laparoskopieklemme wie bei der offenen Technik.

Unsere Ergebnisse zeigten anhand der o.g. Parameter, dass beide Methoden in ihrer Effektivität und onkologischen Wertigkeit identisch sind.

Derzeit zählen Adrenalektomie, Nephrektomie, Nephrourterektomie, Lymphozelenfensterung, Varikozelenlegatur, Nierenzystenabtragung usw. Bei der laparokopischen Nierenzystenresektion (Abbildung 2 [Abb. 2], Abbildung 3 [Abb. 3]) bietet diese Möglichkeit dem Operateur eine hervorragende Übersicht mit der Möglichkeit eine Schnellschnittdiagnostik durchzuführen sowie eine minimal-invasive Methode für die Patienten, die nach 2 Tagen entlassen werden können.


3 Plastische Chirurgie des Ureters

Die endoskopischen Techniken des Harntraktes wurden 1980 durch E. Perez-Castro entwickelt. Die Anwendung des starren Ureterorenoskopes in der Diagnostik und Therapie verschiedener Erkrankungen des Harntraktes führte zur ersten minimal-invasiven endoskopischen Operation des Ureters und des Nierenbeckens. In den letzten Jahren kam es zur Weiterentwicklung durch die Anwendung von flexiblen Ureterorenoskopen. Durch diese Entwicklung konnte man auch Tumore und Steine im gesamten Harntrakt in toto entfernen oder mit Laser behandeln (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]). Ureterstenosen verschiedener Genese konnten auch endoskopisch geschlitzt oder mit Laser therapiert werden (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]).

Verschiedene Ursachen machen es notwendig, dass eine operative Wiederherstellung von Kontinuität und Funktion des Ureters erforderlich ist. Hierzu sind neben onkologischen Erkrankungen mit radikal chirurgischem Vorgehen bei urogenitalen und gynäkologischen Tumorerkrankungen vor allem iatrogene Verletzungen des Ureters und bei bestimmten retroperitonelen Gewebsveränderungen (z.B. M. Ormund) oder durch Bestrahlungen verursacht werden. Ein wichtiges Prinzip der plastischen Chirurgie des Ureters ist die Gewährleistung der Durchblutung der Harnleitersegmente und der Beherrschung der Anastomosetechnik. Außerdem ist die Stelle der angeborenen oder erworbenen Ureterstenose, ob diese proximal, im mittleren Abschnitt oder distal liegend,entscheidend für die Auswahl einer Operationstechnik [8], [16], [18]. Liegt die Stenose im oberen Anteil des Ureters oder im mittleren Anteil, dann ist die End-zu-End-Anastemose das Verfahren der Wahl. Ist diese Rekonstruktion nicht möglich, muß an eine Autotransplantation der betroffenen Niere gedacht werden. Ist die plastische Rekonstruktion im Bereich des unteren Harnleiteranteils in Abhängigkeit von der Länge der Stenose werden verschiedene Operationstechniken nach Resektion des defekten Anteils des Ureters mittels Anwendung des Psoas-Hitch-Bladder-Plastik oder nach dem Boari-Prinzip behandelt. Bei extremen Veränderungen des Ureters auf seiner fast gesamten Strecke muss an der Möglichkeit einer Autotransplantation gedacht werden oder an eine Ureterrekonstruktion durch Ileuminterponat.

In unserer Klinik wurden in der Zeit vom 01.01.2010–31.12.2011 17 plastische Operationen des Ureter und der Harnblase durchgeführt. Bei 12 Patienten kam die Psoas-Hitch-Plastik und bei 5 Patienten die Boari-Plastik zur Anwendung.

Bei der Boari-Plastik wird die Blase über ein ausgeklapptes Segment der Blasenvorderwand umgeformt. Ein Verhältnis der Länge zur Basis von 2:1 sollte eingehalten werden. Der Defekt wird längs verschlossen. Zusätzlich kann auch hier am Psoasmuskel analog der Psoas-Hitch-Technik fixiert werden.

Bei der Psoas-Hitch-Plastik wird zunächst die Blase durch eine Querinzision und Längsvernähung längs ausgezogen. Hier wird sie nun weiter kranial am Psoasmuskel fixiert. Dadurch wird die Distanz zum Harnleiter verkürzt, der in dieser Ausziehung eingenäht wird. Postoperativ wird die eingelegte Ureterschiene für 6 Wochen belassen. Bei einer Patientin und wegen einer Harntransportstörung musste die Ureterschiene als definitive Lösung belassen werden [8], [12], [16].


4 Rekonstruktive Urologie des unteren Harntraktes

Die Entwicklung der plastischen Chirurgie der Harnblase war in den letzten Jahren bedingt durch die Verbesserung der Diagnostik des Harnblasenkarzinoms und der Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen den Urologen, Chirurgen und Traumatologen im Rahmen der Behandlung der Polytraumapatienten rasant. Diese Entwicklung führte zu zunehmenden Indikationen, zu funktionellem Organersatz bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Harnblasenkarzinom. Hier sind verschiedene Operationsverfahren der Harnableitung, wie Blasenteilresektion, Ileumconduit, Mainz-pouch I und II sowie die Orthotope Ileum-Neoblase. Diese Operationen werden zunehmend auch laparoskopisch durchgeführt, wobei die lange Operationsdauer ein Problem darstellt [7], [8], [16], [18].

Die optimale Rekonstruktion einer Blase hat eine natürliche Miktion an ursprünglicher Stelle zum Ergebnis. Die orthotope Neoblase, wie sie von Hautmann beschrieben und umgesetzt ist, kommt dieser Idee sehr nahe. Sie setzt aber voraus, dass der externe Sphinkter nach Zystektomie und der Aufhängeapparat der Harnröhre intakt bleiben. Dann wird in der Regel ein ca. 60 cm langes Ileumsegment detubularisiert und W-förmig anastomosiert. In der gynäkologischen Onkologie spielt die Neoblase unserer Ansicht nach nur eine untergeordnete Rolle, da der notwendige Erhalt der Nerven und der Urethra in der Regel bei exenterativen Eingriffen nicht durchführbar sind. Beim Endometrium-Karzinom werden z.B. suburethral lymphangiotisch bedingte Rezidive beobachtet [18].

Beim nassen Stoma (Ileumkonduit) handelt es sich im Gegensatz zur natürlichen Blase nicht um ein Reservoir, sondern um ein Durchlaufsystem, das mit einem Beutel ähnlich wie beim Anus praeter versorgt werden muss. Bei der kontinenten Ersatzblase hingegen besteht ein Darmreservoir, in dem sich der Urin sammelt und von dem Patienten willentlich in bestimmten Zeitintervallen entleert wird. Auf Grund der demographischen Veränderung der Bevölkerung in Deutschland und in Mitteleuropa werden mehr ältere Patienten mit einem fortgeschrittenem Harnblasenkarzinom und nicht beherrschbaren Makrohämaturie in den Kliniken eingewiesen. Bei erhöhter Morbilität und Mordalität wird in den Kliniken zunehmend die Indikation zu paliativen Zystektomie zur Beherrschung der Blutung und Anlage einer Ileumconduits gestellt. Die Entwicklung zeigt in den letzten Jahren, dass plastisch mehr Ileumconduite als Neoblasen bei o.g. Patienten durchgeführt werden [8], [18].


5 Plastische Korrektur der Harnröhre

In der Behandlung der Harnröhrenstriktur wird wie vorher die endoskopische Uretherotomia interna zur Beseitigung der Stenosen im Bereich der Harnröhre angewendet. Bei gehäuften Rezidiven und bei langstreckigen Strikturen wird zunehmend die Mundschleimplastik verwendet. Hier bedarf es einer exakten Vorbereitung des Patienten und eines perfekten postoperativen Managements. Die kurze bullbäre Harnröhrenstenose wird zunehmend resiziert und mit der Technik End-zu-End-Anastomose versorgt. Eine lange Stenose erfordert eine plastische Rekonstruktion unter Verwendung freier Transplantate oder gesielter Lappen [6]. Als Transplantat hat sich Mundschleimhaut durchgesetzt. Die Datenlage zeigt, dass diese Methode im Vergleich zu anderen erfolgreicher und komplikationsärmer ist [3], [6], [17].

Die Hypospadie ist mit einer Inzidenz von 1 auf 300 männliche Neugeborene die häufigste angeborene Anomalie des unteren Harntraktes. Nach der Lokalisation des Meatus kann die Hypospadie in anteriore oder distale (glanduläre, koronare, subkoronare), mittlere (penile) und posteriore der proximale (penil, penoskrotal, skrotal und perineale) Formen aufgeteilt werden. 65–70 % aller Hypospadien sind anteriore Formen, nur 15% penile Hypospadien. Während die distalen Formen häufig nur eine kosmetische Indikation zur Korrektur besitzen, haben penile Hypospadien in der Regel ein funktionelles Defizit. Bei der operativen Intervention sollten Fehlmündung der Harnröhre korrigiert werden sowie die Beseitigung der Penisschaftverkrümmungen und Schaffung einer dorsalen Vorhautschürze [3], [6].

Die operativen Verfahren zur Korrektur einer Hypospadie haben sich durch ein besseres anatomisches Verständnis, durch die Entwicklung von feinem monofilem Nahtmaterial, die Verwendung von Lupen sowie den Versuch einer Standardisierung in den letzten Jahren stark verändert. Dennoch geht die Suche nach der besten operativen Technik weiter. Viele Verfahren wurden nach guten Kurzzeitergebnissen aufgrund schlechter Langzeitergebnisse wieder aufgegeben. Auch jetzt konkurrieren mehrere Techniken miteinander, deren endgültige Bewertung zum Teil noch aussteht [3], [6], [17].


6 Die Fournier-Gangrän

Bei der Fournier-Gangrän handelt es sich um eine seltene, jedoch schwerwiegende urologische Notfallsituation, welche die umgehende Einleitung einer operativen sowie auch intensivmedizinischen Behandlung erforderlich macht. Das Krankheitsbild wurde erstmalig 1883 von dem französischen Dermatologen Jean Alfred Fournier beschrieben.

In einer Literaturübersicht werden von 1950 bis 1999 insgesamt 1.726 Fälle in der englischsprachigen Literatur aufgelistet. Umso mehr ist das rasche Erkennen dieser schwerwiegenden Erkrankung von Bedeutung, da sie nach wie vor mit einer hohen Mortalitätsrate belastet ist. Diese wird mit 20% bis 50% angegeben [11]. Entgegen der Erstbeschreibung zeigt sich heute, dass die Erkrankung häufiger bei Erwachsenen im Alter zwischen 30 und 60 Jahren auftritt. Zudem wird die Fournier-Gangrän auch bei Frauen beschrieben, wobei das Verhältnis männlich zu weiblich mit etwa 10:1 eingeschätzt wird. Auch sind einzelne Kasuistiken über das Auftreten der Erkrankung bei Kindern veröffentlich worden [11].

Die Fournier-Gangrän erfordert eine sofortige chirurgische Intervention mit anschließender intensivmedizinischer Betreuung. Bei der Inzision entleeren sich größere Mengen an jauchig-putrider Flüssigkeit. Ziel des Eingriffs ist es, sämtliche betroffenen nekrotischen Areale zu entfernen. Bei Befall des Skrotums ist dieses zusammen mit der Penishaut in der Regel zu abladieren. Hoden und Penis können jedoch in der Mehrzahl der Fälle erhalten werden. Häufig sind mehrfach operative Reinterventionen erforderlich, bis das Fortschreiten der Entzündung zum Stillstand kommt. Im Intervall werden plastische rekonstruktive Deckungsplastiken durchgeführt um die Hautdefekte mit Lappen oder Hauttransplantationen zu ersetzten (siehe Abbildung 6 [Abb. 6], Abbildung 7 [Abb. 7] und Abbildung 8 [Abb. 8]).


7 Der Stellenwert der Nesbit-Technik in der chirurgischen Rekonstruktion peniler Deviationen

Bei rund 1% der Männer tritt im Laufe ihres Lebens eine erworbene Penisverkrümmung auf. Die Patienten klagen über schmerzhafte Erektion, Krümmung des Penis und eine schlechte Erektion des distalen Gliedanteils. Die Verbiegung des Penis kann so schwerwiegend sein, dass Geschlechtsverkehr nicht mehr möglich ist. Viele Ursachen werden diskutiert. Der Nachweis einer Fibrose im Bereich des Penisschaftes (Induratio penis plastica) fördert nach Versagen einer medikamentösen und lokalen Therapie die operative Exzision des Plaques und Deckung des Areals (Abbildung 9 [Abb. 9]). Im Fall der Verkrümmung würde die Operation nach Nesbit durchgeführt, hierbei wird die Verbiegung des Penis plastisch korrigiert.

In unserer Klinik wurden in der Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2012 7 Patienten mit Penisverkrümmung operativ und plastisch behandelt. Die Ergebnisse zeigten, dass 4 Patienten eine volle Zufriedenheit, bei 2 Patienten eine teilweise Zufriedenheit und bei 1 Patient keine Zufriedenheit erreicht wurden. Die Operation nach Nesbit zur Begradigung der milden bis moderaten Penisdeviation zeigt zufriedenstellende Ergebnisse. In Anbetracht alternativer Operationsmethoden hat jede Technik ihre Vor- und Nachteile. Daher kommt der Patientenselektion hinsichtlich eines optimalen postoperativen Ergebnisses eine große Bedeutung zu [10], [13].


8 Moderne Therapie der Harninkontinenz bei der Frau und beim Mann

Die Harninkontinenz ist weltweit verbreitet. Der Volksmund spricht auch von „Blasenschwäche“. Es wird definiert als spontanen und unwillkürlichen Verlust von Urin zur ungeeigneten Zeit und Ort. Diese Erkrankung kann beide Geschlechter treffen und hat verschiedene Ursachen, die manchmal alters bedingt, oder infolge iatrogene operative Komplikationen und medikamentöse Einnahme. Bei Versagen der physikalischen und medikamentöse Therapie der männlichen Harninkontinenz wird eine operative plastische Operation bestrebt. Operativ sind verschiedene Operationsmöglichkeiten wie Para-Urethrale Injektionsverfahren, Nicht-Adjustierbare Bänder, adjustierbare Systeme, Artifizieller Sphinkter und Harnableitung möglich. In den letzen Jahren wurde das Sphinkter-System vereinfacht. Das ATOMS-System ist ein perineal implantiertes hydraulisches Sphinkter-Ersatzsystem. Es kommt bei der Aktivierung zur Kompression der bulbomembranösen Harnröhre und die Adjustierung erfolgt über ein Portsystem. Durch 4-Punkt-Fixation wird eine symmetrische Lage um die Urethra geschaffen (siehe Abbildung 10 [Abb. 10]).

Zwischen März 2010–März 2012 haben wir 21 ATOMS-Implantationen durchgeführt. Das mittlere Patientenalter lag bei 74 Jahre. 17 Patienten zeigten eine signifikante Verbesserung der Inkontinenz und der Lebensqualität (81%). Bei 2 Patienten musste das System wegen einer Infektion explantiert werden. Insgesamt stellt das ATOMS-System eine technische Verbesserung in der Behandlung der männlichen Harninkontinenz dar.

Die Harninkontinenz der Frau kann in jedem Alter auftreten. Typische Formen sind Harninkontinenz und Belastungs-, Dranginkontinenz oder eine Mischung beider Formen. Der Erfolg der Therapie ist von einer exakten Diagnostik zur Ermittlung der Ursache der Inkontinenz abhängig. Nach Versagen der medikamentösen und physikalischen Therapieformen haben sich verschiedenen plastische Operationen in den letzten Jahren entwickelt. Es gibt zwei Methoden, ein Band oder eine Schlinge die zur Stabilisierung locker einzusetzen sind (TVT, TOT, tension-free-vaginal tape). Eine Absackung der Organe im Beckenbereich erfordert manchmal eine Hysterektomie, die laparoskopisch erfolgen kann. Bei den männlichen Patienten kann eine Harninkontinenz infolge einer Operation der Prostata oder nach Radiatio auftreten.


9 Andrologie Refertilisierungsoperationen

In Deutschland lassen sich pro Jahr 30.000 Männer sterilisieren. Hiervon besteht bei ca. 5–7% der Patienten nach einigen Jahren der Wunsch die durchgeführte Vasektomie wieder rückgängig zu machen, da ein erneuter Kinderwunsch besteht. Zur Wiederherstellung der Zeugungsfähigkeit des Mannes ist die Refertilisierungsoperation (Vasovasostomie) eine wichtige und besondere Methode geworden.

Nach ausführlicher Diagnostik und Aufklärung des Patienten erfolgt unter dem Mikroskop die Freilegung beider Samenleiter und nach bestimmten Techniken werden beide der durchtrennten Samenleiter wieder anastomisiert. Der Eingriff soll stationär erfolgen und der Patient wird nach 6 Wochen neu bestellt, um eine Untersuchung des Spermiogrammes vorzunehmen.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


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