gms | German Medical Science

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Klinikweite Implementierung von Shared Decision Making: Ergebnisse des Kieler Innovationsfondsprojekts zum SHARE TO CARE Programm

Meeting Abstract

  • Friedemann Geiger - Sonderprojekt Shared Decision Making, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Claudia Hacke - Sonderprojekt Shared Decision Making, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Constanze Stolz - Sonderprojekt Shared Decision Making, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Hardy Müller - Techniker Krankenkasse, Hamburg, Deutschland
  • Sören Schmidt-Bodenstein - Techniker Krankenkasse, Hamburg, Deutschland
  • Anna Novelli - Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, Technische Universität München, München, Deutschland
  • Daniela Berg - Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Michael Synowitz - Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Leonie Sundmacher - Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, Technische Universität München, München, Deutschland
  • Fülöp Scheibler - Sonderprojekt Shared Decision Making, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Jens Ulrich Rüffer - TakePart Media+Science GmbH, Köln, Deutschland
  • Christine Kuch - Sonderprojekt Shared Decision Making, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Kai Wehkamp - Sonderprojekt Shared Decision Making, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf308

doi: 10.3205/21dkvf308, urn:nbn:de:0183-21dkvf3083

Veröffentlicht: 27. September 2021

© 2021 Geiger et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Shared Decision Making (SDM) ist gesetzlich vorgeschriebener Goldstandard der medizinischen Entscheidungsfindung. Es kann neben der Patientenzufriedenheit auch die Versorgungsqualität, Kosteneffizienz und Patientensicherheit im Gesundheitssystem wirksam erhöhen. Dafür braucht es skalierbare Implementierungsprogramme.

Fragestellung: SDM wird am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel flächendeckend mit dem SHARE TO CARE (S2C)-Programm implementiert. In diesem Beitrag wird dessen Praktikabilität und Effektivität zur Erzeugung von SDM untersucht.

Methode: Das S2C-Programm umfasst

1.
SDM-Training aller Ärzte,
2.
Aktivierung aller Patienten,
3.
Entwicklung und Einsatz von multimedialen Online-Entscheidungshilfen und
4.
Einbindung nicht-ärztlicher Fachkräfte als ‚Decision Coaches‘.

In einem Prä-Post-Design wurden unselektiert Patienten aus dem Neurozentrum des UKSH postalisch eingeschlossen. Das Neurozentrum umfasst die Kliniken für Neurologie und Neurochirurgie.

Primärer Endpunkt war die Skala ‚Entscheidungsteilnahme des Patienten‘ aus dem PICS-Fragebogen (PICSETP). Sekundär wurde die Vorbereitung auf Therapieentscheidungen mit dem PrepDM-Fragebogen erfasst. Für PICSETP wurde zudem a priori ein Schwellenwert von >2,5 als Indikator für SDM festgelegt (PICSETP>2,5). Ferner wurde deskriptiv anhand zusätzlicher Items die Aufklärungsqualität aus Patientensicht untersucht.

Ergebnisse:

Praktikabilität: Die 4 Interventionsmodule des S2C-Programms konnten planmäßig umgesetzt werden. So wurden bis zur Nacherhebung 89% der Ärzte (N=56) in SDM trainiert, 12 Online-Entscheidungshilfen für Patienten entwickelt und in bestehende Behandlungspfade eingebettet, 2 Pflegekräfte zu Decision Coaches geschult sowie die Print- und Filmmedien zur Patientenaktivierung systematisch ab der Erstaufnahme kontinuierlich an Patienten herangetragen.

Effektivität: Die postalische Patientenbefragung (nt0=109; nt1=152, Rücklaufquote 63%/59%) zeigte einen signifikanten Anstieg des subjektiv empfundenen SDM-Levels (PICSETP: Mt0=2,66(SD=0,93); Mt1=3,06(SD=0,75); p=0,019; Effektstärke Hedges‘ g=0,48). Der Anteil von Gesprächen oberhalb des SDM-Schwellenwerts (PICSETP>2,5) erhöhte sich auf 77% (t0=58%, p=0,001). Die Vorbereitung auf Therapieentscheidungen wurde aus Patientenperspektive verbessert (PrepDM: Mt0=3,13(SD=1,04); Mt1=3,55(SD=1,19); p=0,003; Hedges‘ g=0,37). Deskriptiv zeigte sich eine verbesserte Aufklärungsqualität. Die Teilergebnisse in Neurologie und Neurochirurgie waren gleichförmig.

Diskussion: Das SHARE TO CARE-Programm erwies sich als praktikabel und effektiv zur Verbesserung des SDM-Levels, der Vorbereitung auf medizinische Entscheidungen sowie der Aufklärung über Therapieoptionen.

Praktische Implikationen: Aus Sicht von Patienten und Ärzten eröffnet sich damit – auch in Verbindung mit den positiven Erfahrungen in den übrigen Kliniken am UKSH – die Perspektive auf eine skalierbare nationale Implementierung von SDM. Aus Sicht einer Krankenkasse sind die erzielten Ergebnisse von grundlegender Bedeutung für die Beförderung des Praxistransfers.

Appell für die Praxis: Flächendeckendes Shared Decision Making ist möglich!