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Vorhersehen einer Demenz: prognostische Validität der hausärztlichen Einschätzung im Vergleich zu kognitiven Maßen
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Veröffentlicht: | 26. August 2015 |
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Hintergrund: Die frühe Erkennung eines demenziellen Verlaufs ist für die weitere Versorgung von großer Bedeutung. Zur Abschätzung des Demenzrisikos werden subjektive und objektive Maße diskutiert: zu den objektiven gehören leichte kognitive Beeinträchtigungen (MCI) und Kurztests wie MMST, subjektives Maß sind patientenseitig geäußerte Gedächtnisprobleme (SCD). Der Wert der hausärztlichen Einschätzung blieb bislang unberücksichtigt.
Studienfrage: Wie hoch ist die prognostische Validität von MCI, MMST und SCD im Vergleich zum Hausarzturteil für die 3-Jahres-Prognose einer Demenz?
Methoden: Prospektive Kohortenstudie; 3.160 Hausarztpatienten (79,7 ± 3,6 Jahre, 65,3% weiblich), 214 (6,8%) mit Demenz nach 3 Jahren. Neuropsycholog. Untersuchung zur Baseline (T0), nach 1,5 (T1) und 3 Jahren (T2); Demenzdiagnose nach SIDAM, Hausarzturteil zum erwarteten kognitiven Status der Patienten in 3 Jahren. Logist. Regression mit den T0-Prädiktoren Hausarzturteil, MCI, MMST, SCD und dem Zielkriterium ‚Demenz in T1/T2‘; Analyse psychometrischer Güte und klinischen Nutzens (Area under the Curve AUC, Clinical Utility Index CUI).
Ergebnisse: Das Hausarzturteil (AUC 0,72) übertrifft SCD in seiner psychometrischen Güte (AUC 0,66; p=0,003) und unterscheidet sich nicht signifikant von MCI (AUC 0,71) und MMST (AUC 0,76). Die Kombination aus Hausarzt + MMST + SCD erreicht eine AUC=0,80 (p<0,001). Ein klinischer Nutzen zur Fallidentifikation ist für keinen Parameter gegeben (alle +CUI<0,15). Ein Negativurteil anhand jedes einzelnen Parameters wäre zum Ausschluss einer Demenzentwicklung moderat bis gut geeignet (-CUI 0,59-0,79).
Diskussion: Aus klinischer Sicht ist die 3-Jahres-Prognose des Demenzstatus in der Hausarztpraxis mit den untersuchten Parametern nicht möglich. Das prognostische Potenzial des Hausarzturteils ist jedoch gleichwertig mit denen des neuropsychologischen MCI-Konzepts und des MMST. Die Stärken hausärztlicher Einschätzungen sollten in Studien vermehrt berücksichtigt werden, allgemeinmedizinische Expertise in die Entwicklung diagnostischer Konzepte einfließen.