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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

„AGMB 2023: Zukunft – jetzt erst recht“. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB) e.V. vom 18. bis 20. September 2023 in Bonn

“AGMB 2023: Future – Now More Than Ever”. Annual meeting of the German Medical Library Association (AGMB), September 18 to 20, 2023 in Bonn

Tagungsbericht AGMB-Jahrestagung in Bonn 2023

  • corresponding author Sabine Hoyer - Johannes Gutenberg Universität Mainz, Universitätsbibliothek, Bereichsbibliothek Universitätsmedizin, Mainz, Deutschland
  • Kerstin Gimpl-Häckelmann - Johannes Gutenberg Universität Mainz, Universitätsbibliothek, Bereichsbibliothek Universitätsmedizin, Mainz, Deutschland
  • Stefanus Schweizer - Johannes Gutenberg Universität Mainz, Universitätsbibliothek, Bereichsbibliothek Universitätsmedizin, Mainz, Deutschland
  • Lorena Cascant Ortolano - Johannes Gutenberg Universität Mainz, Universitätsbibliothek, Bereichsbibliothek Universitätsmedizin, Mainz, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2023;23(2):Doc32

doi: 10.3205/mbi000582, urn:nbn:de:0183-mbi0005820

Veröffentlicht: 19. Dezember 2023

© 2023 Hoyer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Unter dem Motto „AGMB 2023: Zukunft – jetzt erst recht“ fand die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB) vom 18. bis 20. September 2023 in Bonn statt. Die Tagung wurde in Kooperation vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften und der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (ULB) organisiert. Die Vortragsthemen waren u.a. die Sichtbarkeit von Bibliotheken, Predatory Publishing, systematische Literaturrecherchen, Systematic Reviews sowie das Management von Forschungsdaten für personenbezogene Gesundheitsdaten.

Schlüsselwörter: Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen, AGMB, Jahrestagung 2023, Bonn, Medizin, Bibliothek, Sichtbarkeit, Predatory Publishing, systematische Literaturrecherche, Systematic Review, Evidenzbasierte Medizin, Forschungsdatenmanagement, Gesundheitsdaten

Abstract

“AGMB 2023: Future – now more than ever”, this was the theme of the annual conference of the German Medical Library Association (AGMB), held in Bonn from September 18 to 20, 2023. The conference was organized in cooperation by the Federal Institute for Drugs and Medical Devices, ZB MED – Information Center for Life Sciences and Bonn University and State Library. Presentation topics included e.g. library visibility, predatory publishing, systematic literature search, systematic review and management of research data for personal health information.

Keywords: German Medical Library Association, AGMB, annual meeting 2023, Bonn, medicine, library, visibility, predatory publishing, systematic literature search, systematic review, evidence based medicine, data management, health information


Montag, 18.09.2023

Fortbildungsworkshops

Am Montagvormittag fanden zwei Workshops statt.

Workshop 1: Einführung in das Forschungsdatenmanagement für personenbezogene Gesundheitsdaten

Der Workshop von Birte Lindstädt von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften und Julia Fürst von NFDI4Health (Nationale Forschungsdateninfrastruktur für personenbezogene Gesundheitsdaten, https://www.nfdi4health.de/) startete mit einer Einführung in die Grundlagen des Forschungsdatenmanagements. Ein wichtiges Thema waren dabei die FAIR-Data-Prinzipien: Findable (Auffindbar), Accessible (Zugänglich), Interoperable (Interoperabel) und Reusable (Wiederverwendbar).

Danach wurde der Lebenszyklus von Forschungsdaten erläutert – beginnend bei der Planung eines Forschungsprojekts bis hin zur Recherche nach Forschungsdaten und deren Nachnutzung. Die Dozentinnen gaben eine interessante Übersicht über anfallende Rechtsfragen, einschließlich Datenschutz und Lizenzierung. Außerdem wurden disziplinspezifische Lösungen und Beispiele vorgestellt, insbesondere Ergebnisse aus NFDI4Health. Bei den vorgeschlagenen praktischen Übungen konnten die Teilnehmenden mit themenspezifischen Metadaten arbeiten und eine Gesundheitsstudie im German Central Health Study Hub (https://csh.nfdi4health.de/) registrieren.

Workshop 2: Excel-Tipps und -Tricks für den Bibliotheksalltag

In diesem Praxisworkshop gab Susanne Waldmann von der Zentralen Medizinischen Bibliothek Marburg den Teilnehmenden hilfreiche Tipps und Tricks zur Arbeit im Bibliotheksalltag mit Excel. Themen waren u.a.: Große Tabellen übersichtlicher gestalten, hilfreiche Formeln zum Datenabgleich, bedingte Formatierung als optischer Helfer, Dateien importieren und umwandeln sowie erste Schritte mit einer Pivot-Tabelle. Außerdem wurden hilfreiche Tastaturkombinationen vorgestellt. Anhand praktischer Übungen konnte das Gelernte direkt am eigenen Gerät erprobt werden.

Eröffnung und Festvortrag

Die Tagung wurde von der Vorstandsvorsitzenden der AGMB, Dr. Claudia Jirausch, eröffnet. Ihre Begrüßung und ihr Dank richteten sich an die Teilnehmenden, das Ortskomitee, an alle Firmen und Sponsoren sowie alle anderweitig an der Organisation der Tagung beteiligten Personen.

Anschließend wurden vier Grußworte an die Teilnehmenden der Tagung gerichtet.

1.
Dr. Ursula Sautter, Bürgermeisterin der Stadt Bonn, berichtete über die 2000 Jahre alte internationale Stadt Bonn. Bonn ist ein sehr bedeutender Wissenschaftsstandort. Es gibt eine große Anzahl internationaler Studierender, gerade in den Naturwissenschaften. Frau Sautter hob die Rolle der medizinischen Fakultät und des Klinikums der Universität hervor. Sie erwähnte viele Bonner Sehenswürdigkeiten, die es lohnt zu besuchen, betonte die rheinische Lebensfreude und wünschte allen eine schöne Tagung.
2.
Prof. Dr. Harald Enzmann, der Leiter der Stabsstelle EU und Internationales im BfArM, betonte seine Wertschätzung für die Bibliotheken: „Wir sind auf Sie angewiesen, nur durch Ihre Arbeit bekommen wir die korrekte und schnelle Information.“ Er lobte die Bibliotheken für ihren Beitrag zur Sicherheit und Qualität von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland und Europa.
3.
Dr. Ulrich Meyer-Doerpinghaus, der Bibliotheksdirektor der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (ULB), sprach über das gewichtige Thema der Literaturversorgung in der Medizin. Er hob die sehr enge Zusammenarbeit zwischen der ULB und ZB MED hervor, vor allem im Bereich des Forschungsdatenmanagements. Er erläuterte, wie die beiden Bibliotheken gemeinsam die medizinisch Forschenden bei der Erstellung, Verwaltung und Veröffentlichung ihrer Daten unterstützen.
4.
Prof. Dr. Bernd Weber, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn und Vorstandsmitglied des Universitätsklinikums Bonn, erzählte über seine persönliche Erfahrung als ehemaliger Student in Bonn. Er berichtete, wie er für seine Promotion und wissenschaftliche Tätigkeit Abende in der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (ULB) und der Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) verbrachte. Dabei betonte er, wie extrem wichtig es sei, qualitätsgesicherte und zeitnahe Informationen zu bekommen. Er appellierte an die Bibliotheken, für einen barrierefreien Zugang zu Informationen und Open Access zu sorgen. Außerdem sei es für Mediziner:innen wichtig, dass Gesundheitsdaten besser verfügbar sind. Er lobte Bonn als einen exzellenten biomedizinischen Forschungsstandort und kündigte an, dass der Medizinische Fakultätentag (https://medizinische-fakultaeten.de) nächstes Jahr in Bonn stattfinden wird.

Der Festvortrag wurde von Prof. Dr. Harald Enzmann gehalten. Er erläuterte die Aufgaben des BfArM, was Arzneimittelzulassung im Detail bedeutet und wie sie funktioniert. Dabei ging er auch auf das wichtige Thema der Arzneimittelregulation ein. Die Sicherheit der Patient:innen vor unerwünschten Nebenwirkungen von Arzneimitteln müsse gewährleistet werden. Er verwies auf den „Federal Food, Drug and Cosmetic Act“ von 1938 in den USA, der als Reaktion auf einen tragischen Fall von Vergiftungen durch ein Arzneimittel erlassen wurde und nun die Arzneimittelsicherheit in den USA regelt.

Die Bewertung im Rahmen der Marktzulassung ist die erste objektive und unabhängige Bewertung eines Arzneimittels. Das Standardinstrument dafür sind die randomisierten kontrollierten Studien (RCTs), die doppelblind mit einer entsprechenden Kontrollgruppe durchgeführt werden. Manchmal können Studien ohne Kontrollgruppe stattfinden, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ist das Zentralorgan bei der Arzneimittelzulassung in Europa. Sie organisiert und koordiniert die zentralen Zulassungsverfahren. Die nationalen Zulassungsbehörden in den 27 Ländern der EU mit ihren 24 offiziellen Sprachen führen die Bewertung der Arzneimittel durch und leiten ihre Ergebnisse an die EMA weiter. Dort werden alle Ergebnisse zusammengeführt, um einen europäischen Konsens zu formulieren. Die Europäische Kommission setzt diese Mehrheitsentscheidung der EMA in eine Zulassung oder Nichtzulassung um.

Die Dringlichkeit der COVID-19-Pandemie bewirkte einige Veränderungen im Zulassungsprozess. Für eine schnelle Bereitstellung der Impfstoffe gegen COVID-19 wurde dieser deutlich verkürzt. Sind es im Normalfall durchschnittlich 427 Tage, wurde jetzt unter extremen Belastungen aller Beteiligten der Prozess auf 90 Tage reduziert. Dies könne aber nicht der zukünftige Standard sein, da es einen enormen Kraftaufwand für die Mitarbeitenden bedeute und dies nicht dauerhaft leistbar sei. Anderseits sei es nicht mehr vermittelbar, zu den vorherigen Zeiten zurückzukehren. Hier müsse ein dauerhaft belastbarer Mittelweg gefunden werden.

Er schloss seinen Vortrag mit einem Appell an die Bibliotheken, die Verfügbarkeit von wissenschaftlicher Literatur zu verbessern, da diese häufig ein Hemmschuh für die Bewertung von Arzneimitteln sei. Er lobte die Situation in Deutschland, wies aber darauf hin, dass dies nicht für alle Länder gelte. Insbesondere die osteuropäischen Zulassungsbehörden hätten oft keinen guten Zugang zu benötigten Publikationen. Jedes Land habe aber eine Stimme im Zulassungsverfahren und solle daher auf dem gleichen Informationsstand sein.

Arbeitskreissitzungen

Arbeitskreis Hochschulbibliotheken

Der Arbeitskreis Hochschulbibliotheken tagte unter der Leitung von Volker Braun von der Bibliothek der Medizinischen Fakultät Mannheim.

Sabine Hoyer und Dr. Stefanus Schweizer aus Mainz berichteten über den aktuellen Stand der Einführung der neuen Ärztlichen Approbationsordnung und des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs 2.0 der Medizin. Beispielhaft wurde von Umsetzungen in Mainz und Mannheim berichtet. Insgesamt werden die Lernziele als zu umfangreich und zu detailliert angesehen, zumal die Vermittlung in starker zeitlicher Konkurrenz zu anderen Fächern steht. Dr. Martina Semmler-Schmetz aus Mannheim stellte die aktive Beteiligung der Bibliothek im Mannheimer Modellstudiengang vor. Dr. Stefanus Schweizer berichtete von der Umsetzung im Bereich Zahnmedizin in Mainz. Im Bereich Zahnmedizin ist bemerkenswert, dass weder eine schriftliche Arbeit noch verpflichtende Übungen vorgesehen sind. Im Verlauf des Studiums sind lediglich zwei einstündige freiwillige Vorlesungen zu Randzeiten geplant.

An einer AdHoc-Umfrage zur Rolle der Bibliothek nahmen 25 Mitglieder des Arbeitskreises teil:

  • Eine leichte Mehrheit schätzte das Thema Wissenschaftlichkeit in ihrer Institution (z.B. im Fachbereich Medizin) als wichtig ein (Durchschnitt 3,28 bei einer Skala von 1=unwichtig bis 5=sehr wichtig).
  • Die Bibliothek sollte sich intensiv an der Curriuculumsentwicklung und -umsetzung beteiligen (Durchschnitt 4 bei einer Skala von 1=gar nicht bis 5=sehr intensiv). 14 Bibliotheken beteiligen sich aktuell bereits an diesem Prozess, eine rechnet im nächsten Jahr bzw. vier in den nächsten zwei bis vier Jahren damit. Nur fünf sehen keine absehbare Beteiligung.
  • Die meisten Bibliotheken sehen die Chance, die Themen Literaturrecherche (24 von 25) und Literaturverwaltung (23 von 25) einzubringen, aber auch die Bereiche Kritische Literaturbewertung sowie Literaturbeschaffung und Schreibberatung werden als Themen gesehen.

Anschließend wurden noch einige aktuelle Fragen besprochen.

Arbeitskreis Krankenhausbibliotheken

Der Arbeitskreis Krankenhausbibliotheken tagte unter der Leitung von Dr. Christian Vogel vom Ordensklinikum Linz, der nach Wiederwahl diesen Arbeitskreis für weitere zwei Jahre leiten wird. Von den etwa 100 Mitgliedern laut AGMB-Mitgliederverzeichnis nahmen 22 aktiv teil.

Das wichtigste Thema war die Entwicklung von Online-Zeitschriftenlizenzen. Hier steigen nicht nur die Preise laufend, die Nutzung ist oft auch in Relation dazu unbefriedigend und die Anzahl der von den Verlagen angebotenen Open-Access-Inhalte steigt. Ob sich eine Zeitschrift lohnt ist damit häufig fraglich, manchmal werden Zeitschriftenzugänge nach einer Kündigung von den Nutzenden auch gar nicht vermisst. Im Gegenzug steigt die Nachfrage nach Plattformen wie UpToDate und AMBOSS, eRef etc., die mit ihren sehr hohen Kosten (und Preissteigerungen) die Budgets belasten. Die DEAL-Verträge sind ebenfalls ungünstig für die Krankenhausbibliotheken, weil über die Unis damit sehr viele Zeitschriften verfügbar sind und die Berechtigung eigener Lizenzen in Frage steht. ZB MED bietet einen kostenlosen Fernzugriff für Personen mit deutschem Wohnsitz auf die DEAL-Angebote; unklar ist, wie und ob diese Möglichkeit in Krankenhausbibliotheken genutzt werden könnte.

Positiv wurde von einigen Teilnehmenden das steigende Interesse aus dem Pflegebereich genannt (Akademisierung!). Ebenfalls kann als Erfolg gewertet werden, dass Springer inzwischen E-Books für institutionelle Lizenzen auch einzeln anbietet und nicht mehr nur paketweise.

Ein Teilnehmer berichtete auch vom erfolgreichen Unterstützungsangebot der Bibliothek bei der Finanzierung von Open-Access-Publikationen, in diesem Bereich sind Krankenhausbibliotheken allerdings insgesamt noch nicht sehr aktiv.

Krankenhausbibliotheken kämpfen immer um die Aufmerksamkeit in ihren Kliniken. Der Arbeitskreis sammelt auf der Website der AGMB Ideen zur besseren Bewerbung. Eine Teilnehmerin berichtete vom Angebot der gedruckten Roten Liste zur Gratis-Selbstabholung als erfolgreiche Werbemaßnahme.

Auf Nachfrage wurde geklärt, dass im Kreis der Anwesenden keine Bibliothek Single-Sign-On-Lösungen im Einsatz hat, mit denen eine automatische Anmeldung der Nutzenden bei den Verlagsangeboten etwa für Remote Access erfolgen könnte.

Das Thema KI wurde trotz des allgemeinen Trends kaum berührt, die Verwendungsmöglichkeiten in Krankenhausbibliotheken sind wohl aktuell noch sehr begrenzt.

Für die Kommunikation in der Arbeitskreisliste soll eine professionelle Mailingliste zum Einsatz kommen, die die Weiterleitung von E-Mails vereinfacht. Eventuell ergibt sich so eine Möglichkeit mit dem Umzug der AGMB-Website.

Offenes Format

Petra Labriga von ZB MED und Anett Sollmann vom BfArM luden zu einer Fishbowl-Diskussion ein. Das Thema war: „Swimming with Sharks – Science Tracking“. Es ging um die Haie der Verlagsbranche, das Ausmaß von Wissenschaftstracking in Deutschland, was Bibliotheken bereits tun oder tun werden und inwieweit die AGMB-Bibliotheken von diesem Thema betroffen sind.

Diese interaktive Diskussionsmethode, bei der eine kleine Gruppe von Teilnehmenden in einem inneren Kreis (Fishbowl) das Thema diskutiert, während die anderen Teilnehmenden im äußeren Kreis zuhören, bot viel Raum für den Austausch von Informationen, Erfahrungen und Meinungen zu einem Thema, das jetzt auch in die neuen DEAL-Verhandlungen aufgenommen wurde.


Dienstag, 19.09.2023

Mitgliederversammlung der AGMB

Die Mitgliederversammlung fand am Dienstagmorgen statt.

Es wurde ein neuer Vorstand gewählt: Dr. Claudia Jirausch, Sandra Stops, Dr. Miriam Albers, Evamaria Krause und Julia Letow bilden den Vorstand für die Amtszeit 2023–2025.

Posterausstellung

Im Anschluss an die Mitgliederversammlung wurden die Themen der acht Poster in kurzen Vorträgen von den Autorinnen und Autoren präsentiert.

Die Posterausstellung unter Anwesenheit der Autor:innen wurde von vielen Personen besucht und intensiv diskutiert. Auf Grund der starken Praxisorientierung regen die Themen zur Nachnutzung an. Es wurden Kontakte geknüpft und (virtuelle) Informationen dazu gesichert.

  • Poster 1: Charité Open Access Dashboard
    Elena Gandert und Ursula Flitner, Berlin
  • Poster 2: Erweiterte Literaturrecherchemöglichkeiten zu Long COVID
    Herman Kroll, Braunschweig / Katharina Held, Berlin / Lisa Kühnel, Bonn
  • Poster 3: Bestandsnutzung an der neuen Universitätsmedizin Augsburg: Erste Einblicke
    Michaela Beißer und Dr. Evamaria Krause, Augsburg
  • Poster 4: Systematische thematische Erweiterung des Spektrums der Publikationsberatung
    Dr. Jasmin Schmitz, Köln
  • Poster 5: Glossar für die Systematische Literaturrecherche – Ein Wegbegleiter auf der Suche nach Evidenz
    Dr. Marc von Gernler, Bern
  • Poster 6: Die Bibliothek geht in die Klinik – Informationskompetenz an der Bereichsbibliothek Universitätsmedizin Mainz
    Sabine Hoyer, Mainz
  • Poster 7: Mit der Bibliothek zur Promotion
    Kerstin Gimpl-Häckelmann und Lorena Cascant Ortolano, Mainz
  • Poster 8: Konsortialverhandlungen als Aufgabe von ZB MED
    Jonathan Lehmann und Lea Schindler, Köln

Vorträge

Vortrag 1: Die Sichtbarkeit des Unsichtbaren

Ramona Hock von der Helios Zentralbibliothek zeigte, welche Strategien, Maßnahmen und Projekte sie anwenden und planen, um die Helios Zentralbibliothek sichtbarer zu machen. Diese Bibliothek hat die Aufgabe, rund 77.000 Mitarbeitende in über 100 Gebäuden in ganz Deutschland mit Literatur zu versorgen, deren berufliche Tätigkeit oft nicht vor einem Laptop oder Bildschirm stattfindet. Eine Kombination aus 2.0- und 3.0-Strategien soll die Bibliothek sichtbar machen und die Nutzenden an sie binden. Die Strategien reichen von gedruckten Newslettern, E-Mails, Postern, der Teilnahme an Veranstaltungen und noch weiteren Techniken, die in diesem Vortrag vorgestellt wurden.

Vortrag 2: Virtuelle Tour BibMED

Leider musste dieser Vortrag entfallen. Lorena Staiger von der Medizinischen Bibliothek (BibMED) der Universität Bern, die nicht an der AGMB-Tagung teilnehmen konnte, wollte in diesem Vortrag zeigen, wie eine „virtuelle Tour“ (https://youtube.com/playlist?list=PLR6CA6hb03ZSh_wuLM3etjxdpwKTEyULD) durch die BibMED erstellt wurde.

Kurzvorträge

Kurzvortrag 1: Von Predatory Publishing über Paper Mills bis hin zum Kauf von Mitautor:innenschaft und Zitationen – unseriöse Angebote im wissenschaftlichen Publikationswesen, von denen die Medizin betroffen ist

Dr. Jasmin Schmitz von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften in Köln berichtet über negative Entwicklungen im Publikationswesen.

Artikel von angesehenen Autor:innen erscheinen ohne deren Wissen in Raubverlagen. Bereits veröffentlichte Artikel aus seriösen Zeitschriften werden leicht modifiziert und unter neuen Autor:innen- oder Affiliationsnamen in Raubverlagen veröffentlicht.

Schreibfabriken manipulieren den Publikationsprozess, führen gefälschte Peer-Review-Verfahren durch und verstoßen damit gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis. Sie „schreiben“ für Wissenschaftler:innen ohne jegliche Forschungsaktivität und übernehmen die Kommunikation mit der Zeitschrift. Die dafür geforderten Beträge können bis im fünfstelligen Bereich liegen und richten sich nach dem Journal Impact Faktor der Zeitschrift. Es besteht auch die Möglichkeit Co-Autoren:innenschaften zu erwerben, wofür oft ein vierstelliger Betrag gefordert wird.

Die unlautere Steigerung der Zitationsrate gegen Gebühr ist ebenfalls ein Thema. Verlage bezahlen Autor:innen, um Artikel aus ihren Zeitschriften zu zitieren. Als Konsequenz musste z.B. der Hindawi Verlag tausende von Artikeln zurückziehen.

Was können wir dagegen tun? Wir können durch Sensibilisierung und Aufklärung als Bibliothek dazu beitragen, das Bewusstsein für diese Probleme zu schärfen.

Kurzvortrag 2: Wie mit Predatory Practices umgehen – Werkstattbericht des österreichischen Projektes Predatory Publishing

Clara Ginther von der Universitätsbibliothek der Veterinärmedizinischen Universität Wien stellt in einem Werkstattbericht das Projekt vor.

Das Projekt Austrian Transition to Open Access 2 (AT2OA2) erstreckt sich von 2021 bis 2024 und ist in fünf Teilprojekte unterteilt. Eines dieser Teilprojekte widmet sich explizit dem Thema Raubverlage.

Das Projekt umfasst insgesamt vier Ziele und vereint 20 Personen aus 16 verschiedenen Einrichtungen. Diese Ziele beinhalten die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, die Entwicklung bewährter Verfahren zur Bewertung von Zeitschriften, den Aufbau einer österreichweiten Gemeinschaft und die Vernetzung über die Landesgrenzen hinaus sowie die gezielte Wissensvermittlung an verschiedene Zielgruppen.

Zusätzlich zu diesen Zielen gibt es übergreifende Aktivitäten wie das Literature Digest, das eine verteilte Studie der aktuellen Forschungsliteratur ermöglicht. Das Projekt zeigt auch Interesse an Kooperationen, die über die Grenzen Österreichs hinausgehen, um gemeinsam gegen Raubverlagspraktiken vorzugehen.

Kurzvortrag 3: OpenRefine: Ein Hilfsmittel zur systematischen Recherche in Leitliniendatenbanken und Studienregistern

Dr. Helge Knüttel von der Universitätsbibliothek Regensburg stellt seine Erfahrungen mit der Software OpenRefine vor.

In der Problemstellung zeigt sich, dass die Suche nach relevanten Informationen in Leitliniendatenbanken und Studienregistern herausfordernd ist. Insbesondere bei der Eingrenzung von breit gefächerten Themen in der Leitliniensuche sind zahlreiche Suchbegriffe notwendig. Darüber hinaus müssen die durchgeführten Suchanfragen dokumentiert und in anderen Softwareanwendungen weiterverarbeitet werden.

Im Vergleich zur manuellen Suche, die viele Einzelsuchen erfordert und mit einem hohen Maß an Handarbeit verbunden ist, bietet OpenRefine eine Lösung zur Teilautomatisierung dieses Prozesses. Das Ergebnis der Anwendung von OpenRefine zeigt, dass drei der teilautomatisierten Suchanfragen erfolgreich waren, während eine Suche fehlschlug. Die Suchen wurden reproduzierbar dokumentiert.

Darüber hinaus ist die Nachnutzung der entwickelten Methode möglich. Die Dokumentation hierzu findet sich auf GitHub. Feedback sowie Erweiterungen sind ausdrücklich erwünscht und können die Effektivität des Ansatzes weiter verbessern.

Kurzvortrag 4: Wir haben die Kuh – hören wir endlich auf, das Gras zu kaufen und die Milch zu verschenken!

Dr. Christian Vogel vom Ordensklinikum Linz präsentiert in seinem wie immer sehr amüsanten und nicht ganz ernstgemeinten Vortrag das „Kuh-Modell“ der Wissenschaft und dessen Bedeutung.

Er betont die entscheidende Rolle der Bibliotheken, die die Fachliteratur bereitstellen, mit deren Hilfe die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen und diese Ergebnisse dann wiederum publizieren. Diese Publikationen gelangen über Verlage zurück in die Bibliotheken. Die Daten, die in diesem Prozess entstehen, sind das „Milchprodukt“ der Bibliotheken. Durch einen dreistufigen Plan kann die effiziente Nutzung dieser Ressourcen gewährleistet werden:

  • Stufe 1: Die Daten sollten nicht den Verlagen überlassen, sondern könnten verkauft werden, um die Kosten auf Null zu reduzieren.
  • Stufe 2: Die Bibliotheken könnten eigene Angebote über Data Services erstellen.
  • Stufe 3: Die Vision geht weiter zur Transformation des gesamten Gesundheitssystems, das verstärkt auf datenbasierte Entscheidungsprozesse setzt.

Christian Vogel schlägt die Gründung der AG für medizinische Datenverwertung vor, um die Bibliothek zur zentralen Schaltstelle für die Datenverwertung zu machen. Dies könnte die Bibliothek zu einer profitablen Ressource machen, und interessierte Personen werden ermutigt, sich jetzt zu bewerben.

Treffen AGMB

GMS Medizin – Bibliothek – Information

Eine kleine Gruppe nahm am Treffen zu GMS Medizin – Bibliothek – Information (GMS MBI), der Open-Access-Zeitschrift der AGMB, teil. Da es sich bei den Teilnehmenden hauptsächlich um Mitglieder des Editorial Boards handelte, wurde unter anderem besprochen, wie man die Kommunikation der Redaktion mit den Autor:innen im gesamten Publikationsprozess vereinfachen könnte. Weitere Inhalte waren Themenvorschläge für kommende Schwerpunktausgaben sowie die bessere Sichtbarmachung neuer Veröffentlichungen in GMS MBI durch teilbare Beiträge im Twitter-Kanal bzw. zukünftigen alternativen Social-Media-Kanälen der AGMB.

Arbeitsgemeinschaft Evidenzbasierte Medizin (AG-EBM)

In diesem Treffpunkt fand der Sprecher:innenwechsel der AG statt. Evamaria Krause aus Augsburg wurde als neue Sprecherin für die Jahre 2023–2026 begrüßt. Sabine Buroh aus Freiburg wurde für ihre Arbeit in den letzten drei Jahren und ihren Beitrag zur AG-EBM gedankt. Anschließend wurden der Zeitplan und die Inhalte der durchgeführten Journal/Survival Clubs besprochen, das Thema der nächsten Clubs vorgestellt und als Neuerung ein digitaler Kalender (https://kalender.digital/5547a20c73575813cf86) mit allen geplanten Veranstaltungen präsentiert. Außerdem wurde die Zusammenarbeit mit ähnlichen Arbeitsgruppen wie der „European Association for Health Information and Libraries – Evidence Based Information Group“ (https://eahil.eu/sig-2/evidence-based-information-group/) und dem EbM-Netzwerk – Fachbereich Informationsmanagement (https://www.ebm-netzwerk.de/de/fachbereiche/informationsmanagement) diskutiert. Die Ergebnisse der Studie „Forschungsnahe Dienstleistungen in der AG-EBM“, veröffentlicht in GMS MBI, wurden vorgestellt [1]. In der Diskussion standen Themen wie Künstliche Intelligenz, die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk EbM – Fachbereich Informationsmanagement und die Ausweitung von systematischen Reviews auf andere Bereiche wie Psychologie und Wirtschaft.

Konsortialangebote für medizinische Bibliotheken

Die Kolleg:innen von ZB MED stellten ihre bereits bestehenden und neu verhandelten Konsortialangebote vor. In der gut besuchten Veranstaltung wünschten sich vor allem Teilnehmende aus Krankenhausbibliotheken weitere, vor allem deutschsprachige Angebote und machten konkrete Vorschläge für Verhandlungen. Die Referent:innen von ZB MED nahmen die Ideen aus der angeregten Diskussionsrunde gern auf.


Mittwoch, 20.09.2023

Vorträge

Vortrag 3: Systematic Review Kursreihe an der MedBib

In diesem Vortrag stellte Dr. Corina Dressler vor, wie die Medizinische Bibliothek der Charité in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Informatik eine neue Kursreihe für die Unterstützung um die Erarbeitung von systematischen (Scoping) Reviews entwickelt hat.

Dieser Workshop wird hauptsächlich online durchgeführt und besteht aus acht Sessions à 2,5 Stunden. Sie orientieren sich an den klassischen Schritten eines systematischen Reviews:

1.
Reviewtypen und Fragestellungen;
2.
Systematische Literaturrecherche;
3.
Literatursuche und Tools rund um das Literaturmanagement;
4.
Protokoll;
5.
Kritischer Appraisal;
6.
Datenextraktion und -analyse;
7.
Datensynthese und Qualitätsbewertung;
8.
Schreiben und Bewerten eines Reviews.

Für die Koordination, Entwicklung und Durchführung des Workshops wurden insgesamt 168,5 Stunden aufgewendet. Der Workshop wird mit 1,2 European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS)-Punkten abgeschlossen und richtet sich an Mitarbeitende, die bereits über Grundkenntnisse in der Erstellung von systematischen Reviews verfügen.

Vortrag 4: Datenpublikation und Datenzugang zu personenbezogenen Gesundheitsdaten in NFDI4Health

Birte Lindstädt von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften stellte die Arbeit im Konsortium der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur für personenbezogene Gesundheitsdaten (NFDI4health, https://www.nfdi4health.de/) vor. Es ist eines der 26 Konsortien, die auf Empfehlung des Rates für Informationsinfrastrukturen im Rahmen der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) gegründet wurden.

NFDI4Health bringt eine Vielzahl von Akteur:innen zusammen, von Forschungseinrichtungen, die sich mit der Erhebung und Analyse personenbezogener Gesundheitsdaten befassen, über Infrastruktureinrichtungen/Expert:innen für die Entwicklung von Standards und Methoden bis hin zu Einrichtungen, die sich auf die Einbeziehung der Nutzergemeinschaft konzentrieren. Die von NFDI4Health genutzten Daten umfassen epidemiologische und Public-Health-Studien, klinische Studien, Register (z.B. Krebsregister) und administrative Gesundheitsdatenbanken. NFDI4Health ist nur ein kleiner Teil der deutschen Landschaft von Gesundheitsdateninfrastrukturen, zu denen auch Menschliche Omics-Daten, Krankenkassendaten, Gesundheitsregisterdaten sowie Versorgungsdaten der Unikliniken gehören. Sie alle unterscheiden sich in ihren Inhalten, Verantwortlichkeiten und rechtlichen Regelungen.

Die Entwicklungen und Fortschritte der letzten Jahre wurden dargestellt. Ein generisches Metadatenschema zur Beschreibung klinischer und epidemiologischer Studien wurde entwickelt, um die Interoperabilität von Metadaten im Gesundheitsbereich zu erleichtern. Darüber hinaus wurde eine zentrale Plattform „German Central Health Study Hub“ (https://csh.nfdi4health.de/) eingerichtet, auf der nach Studien und Informationen zu den verwendeten Instrumenten oder Fragestellungen gesucht werden kann. Ziel dieses Study Hubs ist es, die Veröffentlichung von Studiendaten/medizinischen Datensätzen als Standard mit entsprechenden Lizenzen zu ermöglichen, einschließlich des Prozesses der Nutzung und des Zugangs zu den Daten.

Der Fokus liegt nun darauf, die Daten maschinenlesbar zu machen und einen zentralen Zugangspunkt für die Beantragung des Zugangs zu personenbezogenen Daten zu schaffen.

Vortrag 5: Zitationssuche im Rahmen von systematischen Literaturrecherchen: ein Scoping Review und eine Delphi-Studie

Thomas Nordhausen vom Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berichtete in seinem Vortrag zum Thema Zitationssuche im Rahmen von systematischen Literaturrecherchen. Über diese Methode wird in Fachkreisen derzeit intensiv diskutiert. Um wissenschaftlich belastbare Empfehlungen zu erarbeiten, führten die Autoren Hirt et al. [2] im ersten Schritt einen Scoping Review durch. Es wurden 47 Studien eingeschlossen, davon führten 56% die Zitationssuche ergänzend und 44% als primäre Recherchemethode durch.

Im Anschluss wurde ein online-basiertes „Experten-Delphi“ in mehreren Schritten durchgeführt. Die im Scoping Review identifizierten Autor:innen, ergänzt durch das Expert:innen-Netzwerk der Autor:innen, wurden kontaktiert. Nach der Festlegung der Terminologie wurden Empfehlungen konsentiert und Themen für weitere Forschung identifiziert. „Citation Searching“ wurde als übergeordneter Begriff festgelegt. Viele Empfehlungen konnten mit breiter Zustimmung ausgesprochen werden, kontroverse Diskussionspunkte waren einfach/schwer zu recherchierende Themen, Nutzung elektronischer Hilfsmittel und die Frage der verfügbaren Ressourcen wie z.B. Anzahl der zu durchsuchenden Indizes oder Anzahl der Iterationen. Die Publikation der Delphi-Studie ist in Vorbereitung.

In der Diskussion wurde vor allem über die verschiedenen elektronischen Tools gesprochen.

Vortrag 6: Der Systematic Review Service (SRS) – Einblicke in die Unterstützung evidenzbasierter Forschung

Dr. Marc von Gernler von der Universitätsbibliothek Bern, Bibliothek Medizin, stellte im Vortrag den gesamten Prozess des Systematic Review Service dar. Die Grundmotivation für den Service ist die nachweisbare Qualitätsverbesserung von Studien, wenn Informationsspezialist:innen beteiligt werden. Die Anfrage soll über das Webformular erfolgen, um die Informationen zur Vorbereitung der Beratung strukturiert abzufragen. Zur Vorbereitung des Erstgesprächs werden vorab die Angaben geprüft, das Thema kursorisch erarbeitet und eine erste orientierende Suche in MEDLINE und in PROSPERO durchgeführt. Im Gespräch werden Ablauf und Zeitrahmen geklärt, die Forschungsfrage besprochen und zentrale Publikationen identifiziert.

Auch für die Protokollerstellung nach den Preferred Reporting Items for Systematic Review and Meta-Analysis Protocols (PRISMA-P) erfolgt Beratung und Unterstützung. Für die initiale Suche werden die Forschungsfrage in Konzepte zerlegt, Suchbegriffe gefunden und die Suchstrategie primär für MEDLINE erstellt und getestet (Wiederfinden der Core Paper). Nach Rücksprache mit den Forschenden und dem Peer Review nach den Peer Review of Electronic Search Strategies (PRESS) wird die Suche modifiziert. Die Suchstrategie wird für verschiedene Datenbanken übersetzt und die finale Suche an einem Stichtag inkl. Export der Treffer nach Endnote durchgeführt. Die Deduplikation in Endnote erfolgt mit Unterstützung des Tools Riskklick. Die Dokumentation der Suche mit PRISMA-S dient primär für den Methodenteil der Publikation. Die Suchstrategie wird entweder als Appendix oder idealerweise über searchRxiv.org verfügbar gemacht. Zum Abschluss wird das Screening (mit Covidence) vorbereitet, d.h. die Daten hochgeladen und die Reviewer eingeladen.

In der regen Diskussion wurde die Frage der Zielgruppe und Kosten erörtert. Es gibt verschiedene Unterstützungsstufen von Kurzberatungen bis zum Fullservice. Vorrangig werden Angehörige der eigenen Organisation bedient, mit gestaffelten Gebühren im Einzelfall auch Externe. Das Personal wird aus verschiedenen Quellen finanziert und ist in der Regel fest angestellt. Die Veröffentlichung der Suchstrategie erfolgt nach der Registrierung des Protokolls in PROSPERO, aber noch vor der eigentlichen Publikation des Systematischen Reviews.

Schlusssession

Berichte

Lorena Cascant Ortolano aus Mainz und Dr. Helge Knüttel aus Regensburg berichteten von der diesjährigen Tagung der European Association for Health Information and Libraries (EAHIL), die vom 12. bis 16. Juni in Trondheim stattfand. Die Tagung stand unter dem Motto „Radical positive change agents“ und hatte in diesem Jahr Workshop-Charakter. Alle Anwesenden wurden eingeladen EAHIL-Mitglied zu werden und die Tagung 2024 (https://eahil2024.rsu.lv/) in Riga zu besuchen. Es gab außerdem die Idee, die Tagung in wenigen Jahren in Deutschland auszurichten.

Dr. Marc von Gernler aus Bern, Lorena Cascant Ortolano und Evamaria Krause aus Augsburg gaben einen Überblick über die Tätigkeiten der AG-EBM im letzten Jahr. Die Kolleg:innen der AG berichteten von ihren online stattfindenden Journal Clubs, ihren Publikationen, ihrer Zusammenarbeit mit der EAHIL Special Interest Group Evidence-Based Information und warben darum, die bereits 80 Mitglieder starke AG zu unterstützen.

Prof. Dietrich Rebholz-Schuhmann, der wissenschaftliche Leiter von ZB MED, stellte Ausblicke auf neue Entwicklungen und Aufgaben der Einrichtung vor, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feierte.

Leuchtturmwettbewerb 2023

Wie im Vorjahr gab es nur eine Bewerberin für den Leuchtturmpreis. Ausgezeichnet wurde die UB Basel zusammen mit dem Campus Muttenz der Bibliothek der FH Nordwestschweiz für ihren Certificate of Advanced Studies (CAS)-Weiterbildungskurs „Systematic Review Information Specialist“. Monika Wechsler aus der Universitätsbibliothek Medizin, Basel nahm den Preis entgegen und stellte den Kurs vor.

Posterprämierung

In diesem Jahr stellten sich acht Poster dem Wettbewerb, die drei Poster mit den meisten Stimmen wurden prämiert.

Den ersten Preis erhielt Dr. Marc von Gernler aus der Universität Bern für sein Poster „Glossar für die Systematische Literaturrecherche – Ein Wegbegleiter auf der Suche nach Evidenz“.

Der zweite Preis ging an Sabine Hoyer aus der Universitätsbibliothek Mainz – Bereichsbibliothek Universitätsmedizin für ihr Poster „Die Bibliothek geht in die Klinik – Informationskompetenz an der Bereichsbibliothek Universitätsmedizin Mainz“.

Den dritten Preis nahm Dr. Jasmin Schmitz von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften aus Köln für ihr Poster „Systematische thematische Erweiterung des Spektrums der Publikationsberatung“ entgegen.

Abschluss

Der Danksagung ans Ortskomitee folgte die Einladung zur nächsten Tagung. Dr. Stefanus Schweizer, Sabine Hoyer und das Team der Bereichsbibliothek Universitätsmedizin luden vom 16. bis 18.09.2024 nach Mainz ein.

Fortbildungsworkshop

Das Ende der Tagung bildete der Workshop Recherche nach wissenschaftlicher Literatur zu Gesundheit und Klima.

Die Referentinnen Maria-Inti Metzendorf und Heidrun Janka vom Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät Düsseldorf stellten Datenbanken und Suchfilter vor, die zur Beantwortung von wissenschaftlichen Fragestellungen rund um das Thema „Gesundheit und Klima“ geeignet sind.

Einführend erläuterte Maria-Inti Metzendorf die Klimatreiber und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken. Dabei wies sie auf Probleme wie die Nutzung fossiler Brennstoffe, Landnutzung, Mobilität sowie die erhöhten Temperaturen hin.

Sie berichtete über das Projekt der Cochrane Group, Suchfilter für Studien zu Klima- und Gesundheit-bezogenen Expositionspfaden zu entwickeln. Es gibt insgesamt sieben solcher Pfade, nämlich Luftqualität, Extremwetterereignisse, Nahrungsmittelversorgung und -sicherheit, Hitzestress, soziale Faktoren, Vektorbasierte Erkrankungen sowie Wasserqualität und -menge.

Heidrun Janka gab einen Überblick über relevante Datenbanken für die Recherche in diesem Bereich. Aufgrund der interdisziplinären Natur des Themas empfiehlt sie eine breite Suche. Zu den Fachdatenbanken für Primärliteratur gehören unter anderem MEDLINE (mit einem in Bearbeitung befindlichen Suchfilter Climate Health), Web of Science und die Global Health Datenbank, die eine bibliographische Datenbank für Forschung und Praxis im Bereich Public Health ist. Heidrun Janka erwähnte auch Metadatenbanken wie das Climate Change and Human Health Literatur Portal, das wissenschaftliche und graue Literatur über gesundheitliche Folgen des Klimawandels seit 2007 umfasst.

Im Anschluss wurden von den Teilnehmenden nach vorgegebenen Kriterien Recherchen im Climate Change and Human Health Literatur Portal (https://tools.niehs.nih.gov/cchhl/) durchgeführt und diskutiert.

Rahmenprogramm

Am Montagmorgen gab es eine faszinierende Führung durch das ehemalige Regierungsviertel. Auf den Spuren deutscher Politiker:innen konnte die Transformation dieses einstigen Regierungsbereichs erlebt werden, von einer westdeutschen Kleinstadt, die über 40 Jahre lang die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland war und auch heute noch politischen Einfluss ausübt, trotz des Regierungsumzugs nach Berlin.

Am geselligen Eröffnungsabend am Montag trafen sich die Teilnehmenden in den Räumlichkeiten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Neben dem Angebot eines reichhaltigen Abendbuffets, bestand die Gelegenheit an Führungen durch die Wissenschaftliche Spezialbibliothek, die Labore und das Archiv des Instituts teilzunehmen. Anett Sollmann vom BfArM präsentierte die umfangreichen Online-Angebote und Dienstleistungen der Bibliothek.

Am Dienstagabend fand das Konferenzdinner im Restaurant Nees statt, das mit seiner Lage direkt neben dem Poppelsdorfer Schloss und einer Terrasse zum Botanischen Garten hin besticht. Die Vorstandsvorsitzende der AGMB, Dr. Claudia Jirausch, eröffnete den Abend und dankte dem Hauptsponsor, der Wolters Kluwer Deutschland GmbH, für ihre großzügige Unterstützung. Nach einem Grußwort des Hauptsponsors bot sich bei vorzüglichem Essen und Getränken reichlich Raum für anregende Gespräche und geselliges Beisammensein.

Zum Abschluss am Mittwochnachmittag wurden Führungen durch den Botanischen Garten sowie durch den Bonner Standort von ZB MED und die Abteilungsbibliothek für Medizin, Naturwissenschaften und Landbau der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn angeboten.


Anmerkungen

ORCIDs der Autorinnen

Interessenkonflikte

Die Autor:innen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Cascant Ortolano L, Buroh S, von Gernler M, Krause E, Härkönen S, Ewald H. Forschungsnahe Dienstleistungen in den Bibliotheken der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Evidenzbasierte Medizin (AG-EBM) der AGMB. GMS Med Bibl Inf. 2023;23(1):Doc12. DOI: 10.3205/mbi000562 Externer Link
2.
Hirt J, Nordhausen T, Appenzeller-Herzog C, Ewald H. Citation tracking for systematic literature searching: A scoping review. Res Synth Methods. Mai 2023;14(3):563-79. DOI: 10.1002/jrsm.1635 Externer Link