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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Open Access: Transformationsstrategien für lizenzpflichtige Zeitschriften. Bericht von den 8. Open-Access-Tagen in Köln, 8.–9. September 2014

Open access: Transformation strategies for subscription-based journals. Report on the 8th Open Access Days at Cologne, September 8–9 2014

Tagungsbericht

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  • corresponding author Bruno Bauer - Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Wien, Österreich Externer Link

GMS Med Bibl Inf 2014;14(3):Doc19

doi: 10.3205/mbi000316, urn:nbn:de:0183-mbi0003167

Veröffentlicht: 19. Dezember 2014

© 2014 Bauer.
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Zusammenfassung

Der vorliegende Bericht informiert über zwei Sessions der Open-Access-Tage 2014. Die Vorträge wurden über die Transformation von Subskriptionszeitschriften sowie über Open-Access-Perspektiven für Zeitschriften von medizinischen Fachgesellschaften gehalten.

Schlüsselwörter: Open-Access-Tage 2014, Bericht

Abstract

This report contains information about two sessions at the Open Access Days 2014. These speeches were given on transformation strategies for subscription-based journals and on open access perspectives for journals from medical societies.

Keywords: Open Access Days 2014, report


Einleitung

Die Open-Access-Tage 2014 fanden am 8. und 9. September 2014 an der Fachhochschule Köln statt, die (gemeinsam mit ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften und GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften) Gastgeberin der Tagung war. Der Einladung zur größten Fachtagung über Open Access im deutschsprachigen Raum, die seit 2007 jährlich veranstaltet wird, folgten 274 Open-Access-Expertinnen und Experten aus Hochschulen, Forschungsinstituten und Infrastruktureinrichtungen, aus Fördereinrichtungen oder aus dem Verlagsbereich.

In bewährter Manier boten die Plenumsvorträge einen Überblick über die aktuellen Trends der Open-Access-Bewegung. Dem Eröffnungsvortrag von Wolfgang zu Castell (München) zum Thema „Open Science – mehr als nur eine Frage der Kommunikation“ folgten im Laufe der Tagung Plenarvorträge von Bettina Klingbeil (Berlin) über „Open Access in der Digitalen Agenda der Bundesregierung“, Celina Ramjoué (Brüssel) über „Offene Wissenschaft im Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020“, Petra Hätscher (Konstanz) über „Vom Grünen Weg zum Goldenen Weg: Open-Access-Transformationsstrategien aus der Perspektive der Universität Konstanz“, Martin Fenner (Hannover) über „Publikation und Zitierbarkeit wissenschaftlicher Software mit persistenten Identifikatoren“ und Paul Vierkant (Berlin) über „2014 Census of Open Access Repositories in Germany, Austria and Switzerland“.

Im Hinblick auf die mittlerweile schon lange Geschichte von Open Access – die Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen [1] wurde im Oktober 2003 verabschiedet – waren jene zwei von insgesamt neun Sessions, in denen konkrete Transformationsstrategien für lizenzpflichtige Zeitschriften vorgestellt und insbesondere Fragen zu den ökonomischen Auswirkungen der Transformation von lizenzpflichtigen Zeitschriften behandelt wurden (ein Themenkomplex im Kontext von Open Access, der den Berichterstatter schon lange beschäftigt [2], [3]), von besonderem Interesse. Auf der Programmwebsite finden sich Videomitschnitte der meisten Vorträge, leider in den meisten Fällen keine Präsentationen (http://open-access.net/at_de/aktivitaeten/open_access_tage_2013/programm/).


Open Access und Subskription / Transformationsstrategien

Unter dem Titel „Ein Brückenschlag vom Subskriptionsmodell zu Open Access. Das Gold for Gold Projekt der Royal Society of Chemistry” informierte Claudia Heidrich (Berlin) darüber, wie Open Access aus Sicht der RSC mit einem Subskriptionsmodell verbunden werden kann. Unter dem Titel RSC Gold (http://www.rsc.org/publishing/librarians/goldforgold.asp) wurde von der Allianzinitiative mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft das gesamte Zeitschriftenpaket der Royal Society of Chemistry für den Zeitraum 2014 bis 2016 lizenziert. Als Teil des Lizenzvertrages ist vorgesehen, dass den teilnehmenden Einrichtungen von der RSC pro 1.600 GBP an Subskriptionsgebühr ein Gutschein zur Verfügung gestellt wird, der für die Open-Access-Freischaltung konkreter Beiträge eingesetzt werden kann. Die 91 an der Allianzlizenz teilnehmenden Einrichtungen erhielten 951 Open-Access-Gutscheine. 28% der Gutscheine für 2014 waren bis September 2014 bereits für die Open-Access-Freischaltung von Publikationen aufgewendet worden; 48 Einrichtungen, die 406 Gutscheine halten, hatten bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts eingesetzt.

Das neue Open-Access-Modell der RSC wird aber auch weltweit erprobt – so haben sich 2013 650 Institutionen für das Projekt Gold for Gold registriert. In den letzten 24 Monaten wurden von der RSC Gutscheine im Wert von 18 Mio. GBP an subskribierende Institutionen verteilt. Von den 2013 ausgegebenen Gutscheinen wurden 26% eingesetzt, sodass insgesamt 1.104 Artikeln von 187 Institutionen aus 26 Ländern auf diesem Weg Open Access veröffentlicht wurden. Den Autorinnen und Autoren steht es frei, zwischen der CC-BY und der CC-BY-NC zu wählen.

Resümee des Berichterstatters: Das Gold for Gold-Modell der RSC erweist sich in seiner Grundkonzeption – Einbeziehung der Subskriptionsgebühren in ein Transformationsmodell zu Open Access – durchaus als innovativ und zukunftsweisend, allerdings scheint der administrative Aufwand für eine Übertragung dieses Ansatzes auf weitere bzw. alle Verlage problematisch.



„Wissenschaftliche Gesellschaften und ihre Zeitschriften – umwandeln oder neu starten? Optionen und Beispiele aus der Praxis“ – unter diesem Titel berichtete Stefan Busch (Heidelberg), seit 2003 bei BioMed Central u.a. für Society Journals zuständig, über eine Umfrage unter wissenschaftlichen Fachgesellschaften und deren Einschätzung des Open-Access-Publikationsmodells [4]. Während für Gesellschaften ohne Fachzeitschrift und für Gesellschaften mit einer Fachzeitschrift, die keinen Gewinn bringt bzw. sogar einen Kostenfaktor darstellt, Open Access eine Chance darstellt, bedeutet Open Access für Gesellschaften mit einer Fachzeitschrift, die finanziell für die Gesellschaft eine bedeutende Rolle spielt, ein Risiko. Vor diesem Szenario sind drei Varianten, Open Access als Fachgesellschaft zu fördern, möglich. Die bestehende Zeitschrift kann – als Übergangslösung – „hybridisiert“ werden, ein Companion Journal kann als zusätzliche Zeitschrift gegründet werden, oder das bestehende, bisher als Subskriptionszeitschrift geführte Journal kann in eine Open-Access-Zeitschrift umgewandelt werden.

Resümee des Berichterstatters: Gerade die Zeitschriften der Fachgesellschaften sind für die Versorgung vieler Disziplinen mit wissenschaftlicher Information von zentraler Bedeutung; dementsprechend ist die heterogene Entwicklung der betreffenden Zeitschriften in Richtung Hybridisierung, Aufbau von Companion Journals oder Umwandlung in eine Open Access Zeitschrift eine große Herausforderung für die zukünftige Entwicklung des Publikationsmarktes. Für manche Society Journals bietet Open Access auf absehbare Zeit keinen gangbaren Weg.



Alexander Grossmann (Leipzig) referierte zum Thema „Vom Ich zum Wir: Netzwerk-basiertes Publizieren und das ScienceOpen-Modell“. ScienceOpen (https://www.scienceopen.com/home) strebt eine radikale Veränderung des wissenschaftlichen Publikationssystems an. Beim traditionellen wissenschaftlichen Zeitschriftenwesen dient ein in der Regel nicht transparentes Peer Review auch zur Vorhersage der zukünftigen Bedeutung (Impact) eines Artikels. Den Herausgebern kommt die Rolle eines Gatekeepers zu, der die Zahl der angenommenen Artikel durch hohe Ablehnungsquoten reduzieren kann, sodass die Zeitschrift zu einem höheren Impact Factor gelangt.

Seit den 1980er Jahren dominiert die sogenannte Zeitschriftenkrise das wissenschaftliche Publikationswesen, insbesondere des STM-Bereiches. Wissenschaftliche Fachzeitschriften weisen jährlich enorme Preissteiggerungen auf, die nicht durch Inflation bzw. die ca. 5%igen jährlichen Steigerungen des Umfangs der betreffenden Zeitschriften begründet werden können. Aber auch bei Article Processing Charges (APC) für Gold Open Access gibt es mittlerweile enorme Preisanstiege. Die APC-Kosten erstrecken sich von einigen Hundert bis zu 7.000 GBP. Generell ist festzuhalten, dass das traditionelle wissenschaftliche Publizieren zu teuer ist und Open Access nur eine Verlagerung der Kosten von den Bibliotheken zu den Autorinnen und Autoren bedeutet.

Als Alternative zum etablierten Publikationssystem verfolgt ScienceOpen ein Netzwerk-Konzept, bei dem eine Plattform an die Stelle tausender Zeitschriften und einer Vielzahl an Verlagen tritt. Die Qualitätssicherung erfolgt mit einem offenen und öffentlichem Peer Review-System, das unter Nutzung einer Online-Plattform eine Crowd-Sourcing-basierte, nie abgeschlossene Einschätzung des Impacts ermöglicht, weil Qualität und Impact eines einzelnen Artikels von der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft laufend neu bewertet werden können.

Das Geschäftsmodell von ScienceOpen unterscheidet zwischen freien Services (Suchen, Kommentieren, Begutachten) und bezahlten Services (APCs für vollwertige, zitierfähige Veröffentlichung). Die Veröffentlichungskosten für einen Artikel bei ScienceOpen Research betragen 800 USD, für ein Poster bei ScienceOpen Poster 150 USD.

Resümee des Berichterstatters: Auch wenn ScienceOpen derzeit durchaus akzeptable APCs einfordert, so darf man gespannt sein, ob dies längerfristig so bleiben wird, wenn man sich an die Anfänge des Open Access-Publishers BioMed Central und dessen anfänglichen APCs in der Größenordnung von 500 USD erinnert [5]. Hinsichtlich des Konzepts eines Crowd-Sourcing-basierten Peer Reviews ist ebenfalls Skepsis angebracht, wenn man sich vergleichbare Initiativen für offenes Peer Review ansieht und die Probleme bei deren Umsetzung in die Realität in der Vergangenheit in Erinnerung ruft [6].



Der wichtigen Frage „Ist hochwertiges Publizieren in Open Access finanziell haltbar?“ widmete sich Bernd Pulverer (Heidelberg). EMBO (European Molecular Biology Organization), das 1.500 Mitglieder in Europa, USA und Asien zählt, veröffentlicht vier Zeitschriften, wovon zwei als Hybrid-Journale („The EMBO Journal“, „EMBO reports“), zwei als Open-Access-Journals („Molecular Systems Biology“, „EMBO Molecular Medicine“) angeboten werden. Für EMBO stellt sich die entscheidende Frage dahingehend, ob Open Access auch bei High-Level-Journals funktioniert.

Für die Publikation eines Artikels in einer wissenschaftlichen Top-Zeitschrift müssten, um kostendeckend zu sein, sehr hohe APCs verlangt werden; diese werden für „Nature“ auf 30.000 Euro geschätzt, für „eLife“, ein von der Max-Planck-Gesellschaft mitgetragenes Open-Access-Journal, 14.000 Euro und für „EMBO Journal“ 7.000 Euro. Die Innovationen bei den EMBO-Titeln erfolgen über die Trägerzeitschrift „EMBO Journal“; deren Kosten könnten nicht aus den entsprechenden Einnahmen aus den EMBO APCs, die 3.000 EUR betragen, finanziert werden.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass bei den EMBO-Zeitschriften kein Effekt auf die Zitate daraus abzuleiten ist, ob Artikel bei den Open-Access- oder den subskriptionsbasierten EMBO-Titeln veröffentlicht wurden.

Die entscheidende Frage bei Open Access lautet nicht, ob die Masse der Zeitschriften in dieser Form publiziert werden kann; vielmehr lautet die Frage, ob die High-Level-Journale zum Open-Access-Modell transferiert werden können, wenn bei der Qualität der betreffenden Zeitschriften keine Abstriche gemacht werden sollen. Im Hinblick auf die diskutierte Umstellung auf Open Access stellt sich bei einer Ablehnungsquote von 90% die Frage, ob 10% der akzeptierten Autorinnen und Autoren die gesamten Publikationskosten übernehmen sollen bzw. werden.

Resümee des Berichterstatters: Die Frage, welche Preise für APCs adäquat sind bzw. welche Kosten für die Publikation eines Artikels entstehen, begleitet die Open-Access-Debatte seit ihren Anfängen [7]. Eine der grundlegenden Fragen für die zukünftige Entwicklung von Open Access wird auch sein, wie hochkarätige Zeitschriften mittels APC finanziert werden können bzw. ob tragfähige alternative Finanzierungsmodelle gefunden werden können.



Kai Karin Geschuhn (München) stellte „ESAC – Efficiency and Standards for Article Charges“ vor. Vor dem Hintergrund des sich vollziehenden Umbruchs am Publikationsmarkt gewinnt Gold Open Access für die Max-Planck-Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Für Bibliotheken ergibt sich anstelle des bisherigen Geschäftsfeldes „Read Access“ nunmehr „Write Access“. Beginnend mit 2003 erfolgt bei der Max-Planck-Gesellschaft eine zentrale Kostenübernahme in Form von Rahmenverträgen mit Verlagen, was dazu geführt hat, dass Open-Access-Zeitschriften gegenüber den subskriptionsbasierten Zeitschriften etwa von Elsevier oder Springer für Autorinnen und Autoren bei der Max-Planck-Gesellschaft an Bedeutung gewonnen haben. Derzeit übernimmt die Max Planck Digital Library für ca. 600 Artikeln pro Jahr die Kosten. Problematisch erweisen sich für die Bibliothek die gedeckelten Publikationsfonds, falsch ausgestellte Rechnungen, fehlende Angaben und die in machen Fällen schwierig zu leistende Zuordnung von Autorinnen und Autoren. Angestrebt wird eine Reduzierung der Komplexität und eine Vereinfachung der angewendeten Verfahren.

Diesem Ziel widmet sich seit 2013 ESAC (Efficiency and Standards for Article Charges, http://esac-initiative.org/). In dieser informellen Initiative engagiert sich auch die Max Planck Digital Library. ESAC verfolgt das Ziel, die Kosten für Open Access APCs möglichst gering zu halten, die Entwicklung eines transparenten und effizienten Marktes für APCs zu unterstützen und Standards für APCs zu schaffen.

Resümee des Berichterstatters: Bei einem Fortschreiten des Transformationsprozesses des wissenschaftlichen Publikationsmarktes zu Open Access werden die Bibliotheksbudgets, die bisher für die Subskription bzw. Lizenzierung von Zeitschriftenabonnements verwendet wurden, zukünftig für die Finanzierung der Open-Access-Publikationen aufgewendet werden. Nicht zuletzt aufgrund dieser Kostenverschiebung könnte die Aufgabe der APC-Administration in Zukunft von den Bibliotheken zu leisten sein, die bisher Subskriptionen und Lizenzen verwaltet haben. Nachdem sich die bisherigen Modelle für APCs als wenig transparent und in ihrer Verwaltung aufwändig darstellen, sind Initiativen wie die von ESAC sehr begrüßenswert.


Medizinische Fachgesellschaften und Open Access

Joachim Jähne (Hannover/Berlin) informierte über “Open Access und die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH): Herausforderungen bei der Implementierung eines eigenen OA-Journals“. Obwohl die „Berliner Erklärung“ mittlerweile von 496 Wissenschaftsorganisationen unterzeichnet worden ist, gibt es bei vielen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Vorbehalten gegenüber Open Access. Die 1872 gegründete DGCH vereint ca. 20.000 Mitglieder aus zehn chirurgisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Als Ergebnis einer Befragung unter den Mitgliedern wurde u.a. der Wunsch nach einer eigenen Fachzeitschrift ermittelt. Als Gegenargumente zu Open Access werden vielfach der fehlende Impact Factor, das Finanzierungsproblem sowie der bestehende Wildwuchs am Open-Access-Zeitschriftensektor genannt. Sollte sich in der DGCH eine Mehrheit für den Start eines Open-Access-Titels finden und die wichtige Frage der finanziellen Rahmenbedingungen geklärt werden können, ist für Mitte 2015 der Beginn einer Open-Access-Zeitschrift geplant.

Resümee des Berichterstatters: Die innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie bestehenden Vorbehalte hinsichtlich der Gründung einer eigenen Open Access-Zeitschrift – fehlender Impact Factor sowie Finanzierungsprobleme – können generell als die entscheidenden Kriterien genannt werden, die einer nachhaltigen Verankerung von Open Access in vielen Fachgesellschaften und bei deren Mitgliedern entgegenstehen. Demensprechend positiv einzuschätzen ist die Beharrlichkeit, mit der innerhalb der DGCH das Thema mit der Zielsetzung betrieben wird, in Zukunft doch noch eine Open-Access-Zeitschrift zu starten.



Moritz Wente (Tuttlingen) sprach über „Open Access in der operativen Medizin: Status, Chancen und Schwierigkeiten aus Sicht der Industrie“. In der Chirurgie gibt es subskriptionsbasierte und Open-Access-Zeitschriften. Gegenüber letzteren bestehen Vorbehalte, beginnend von der fehlenden Abbildung in Medline und Embase über die fehlende Reputation, den nicht vorhandenen oder nur niedrigen Impact Factor, Copyright-Probleme, Fragen der Auffindbarkeit und der Langzeitarchivierung, Finanzierbarkeit des Author Pays-Modells, Limitationen der akademischen Karriereplanung, erschwerte leistungsorientierte Mittelvergabe bis hin zu Qualitätsvorbehalten. Dem gegenüber stehen bei Open Access die freie und langfristige Verfügbarkeit sowie der schnelle und kostenlose Zugang zu Information. Die Aesculap AG lebt das Prinzip „Sharing Expertise“, weshalb sie für Open Access eintritt. Diese Positionierung erfolgt auf Basis der Einschätzung, dass die Bedeutung des klassischen Impact Factors sinken wird, die Bewertung von Publikationen vielschichtiger wird und Open-Access-Zeitschriften sich etablieren werden.

Resümee des Berichterstatters: Bei Gründung einer neuen Fachzeitschrift fällt zwar gegenüber dem Umstieg von etablierten Journalen zum Open-Access-Publikationsmodell das Risiko, Autorinnen und Autoren und gegebenenfalls den Impact Factor zu halten, weg. Eine große Herausforderung stellt aber auch bei einem Neustart einer Zeitschrift das Einwerben exzellenter Beiträge dar, die essentiell dafür sind, dass ein neues Journal längerfristig einen Impact Factor erlangt.



Anke Berger (Bern) widmete sich dem Thema „Open Access oder doch subscription based? Suche nach einem Geschäftsmodell für das International Journal of Public Health“. Ziel der Swiss School of Public Health (SSPB), einer Vereinigung von acht Universitäten in der Schweiz, war die Umstellung ihrer Fachzeitschrift vom Subskriptions- zum Open-Access-Modell, wobei die Finanzierung eines Editorial Office nachhaltig gesichert sein sollte. Die SSPB ist keine Fachgesellschaft, weshalb eine Finanzierung über Mitgliedsbeiträge nicht möglich ist. Die 1955 unter dem Titel „Sozial- und Präventivmedizin“ gegründete Zeitschrift „International Journal of Public Health“ erschien ab 1999 beim Springer-Verlag. Jährlich erscheinen ca. 100 Artikeln in sechs Heften, der Impact Factor stieg von 0,634 (2008) auf 1,966 (2013). Anforderungen an ein neues Geschäftsmodell waren die Sicherung von Ressourcen zur Qualitätsverbesserung, die Einrichtung eines Editorial Office zur Entlastung der Editorinnen und Editoren sowie Open Access.

Neun Angebote wurden eingeholt. Bezüglich der APCs wurde festgestellt, dass diese vom Impact Factor abhängen; dennoch variieren diese stark (zwischen 700 und 1.950 EUR pro Artikel). Drei Verlage empfahlen aus Kostengründen, das eigene, zwei Personen umfassende Editorial Office einzustellen. Zwei Open-Access-Angebote hätten weiterverhandelt werden können. Allerdings stellte es sich als entscheidendes Problem heraus, dass keine Prognose der Verlage zu der zu erwartenden Submissions-Entwicklung bei einer Zeitschrift mit mittelmäßigem Impact Factor abgeben werden konnte. Vor diesem Hintergrund traf die SSPB die Entscheidung, das bestehende Subskriptionsmodell für die kommenden zwei bis fünf Jahre zu belassen, wobei die Zeitschrift von Springer Basel zu Springer USA wechselte. Das finanzielle Angebot von Springer USA war deutlich besser als die eingelangten Open-Access-Angebote. Einerseits wurde der SSPB eine Garantiesumme und eine Gewinnbeteiligung zugestanden, andererseits die Unterstützung von Springer für einen späteren Wechsel zu Open Access zugesagt. Für die nächsten Monate ist eine Neubewertung geplant.

Resümee des Berichterstatters: Am Beispiel des „International Journal of Public Health” ist festzustellen, dass der Wechsel zu Open Access für eine Mittelklasse-Zeitschrift ein großes Risiko mit sich bringt und die Situation bereits etablierter Zeitschriften hinsichtlich Finanzierung und Reputation zum Schlechteren verändern kann. Der Impact Factor ist auch für Fachgesellschaften und Verlage, die das Open-Access-Modell anbieten, sehr wichtig. Das Beispiel der Swiss School of Public Health und dem von ihr herausgegebenen „International Journal of Public Health“ zeigt, dass trotz des bei den Herausgebern bestehenden großen Interesses, ihre traditionsreiche Publikation als Open-Access-Zeitschrift zu publizieren, ökonomische Gründe gegen einen solchen Schritt sprechen können.



Peter M. Schneider (Köln) berichtete von der „Kooperation der wissenschaftlichen Fachgesellschaft ISFG mit dem Verlag Elsevier zur Herausgabe der Zeitschrift Forensic Science International: Genetics“. Die 1968 gegründete International Society for Forensic Genetics (ISFG) hat ca. 1.200 Mitglieder in mehr als 60 Ländern und veranstaltet regelmäßig im Zweijahresrhythmus Konferenzen. Für das Fachgebiet gab es keine eigene Fachzeitschrift, weshalb seit 2003 Überlegungen für die Gründung eines Journals angestellt worden waren. Für die ISFG war es nicht leicht, einen Partner für das Zeitschriftenprojekt zu finden. Als zu eng wurde das Fachgebiet eingeschätzt, das mit der Zeitschrift abgedeckt werden sollte, als dass ausreichend Beiträge erwartet werden könnten. 2007 konnte mit der Zeitschrift „Forensic Science International: Genetics“ ein Spin-Off von „Forensic Science International“ bei Elsevier begonnen werden. Für „Forensic Science International: Genetics“ werden 300 Artikel pro Jahr eingereicht, die Ablehnungsquote beträgt 55 bis 60 %. Der Impact Factor konnte von 1,347 (2008) auf 3,861 (2012) gesteigert werden. Und auch die Zahl der Downloads von Artikeln entwickelte sich sehr positiv – von ca. 90.000 (2009) auf ca. 190.000 (2013). „Forensic Science International: Genetics“ bietet als hybride Zeitschrift Open Access als Elsevier-Option zum Preis von 2.500 USD an; darüber hinaus kann die ISFG eigene Artikeln (z.B. Empfehlungen) freischalten lassen.

Resümee des Berichterstatters: Für die International Society for Forensic Genetics, die ihre Zeitschrift „FSI: Genetics“ bei Elsevier herausbringt und aus Mitgliedsbeiträgen finanziert, wäre ein Umstieg zu Open Access ein nicht kalkulierbares Risiko, weshalb nur die Open-Access-Option gemäß den Standards eines hybriden Journals angeboten wird.



Unter dem Titel „GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung – Erfolgreiches Journal-Management durch OA“ wurde von Eckhart Hahn (Erlangen) die Fachzeitschrift der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) vorgestellt. Ab 1984 erschien die Zeitschrift der Fachgesellschaft im Selbstverlag, ab 1998 als Supplement „Medizinische Ausbildung“ zu der im Thieme-Verlag herausgegebenen Fachzeitschrift „Das Gesundheitswesen“. Seit 2005 wird die Zeitschrift unter dem Titel „GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung“ im Open Access-Portal German Medical Science herausgeben, wobei die GMA als Herausgeber und ein Konsortium, bestehend aus DIMDI, ZB MED und AWMF, als Verleger auftreten. Die Mitgliederzahl der Gesellschaft stieg von 200 (2005) auf 915 (2013). Die Mitgliedsbeiträge betragen 90 EUR pro Jahr und tragen dazu bei, dass GMA-Mitglieder kostenfrei in „GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung“ publizieren können; Nichtmitglieder zahlen 200 EUR APC für die Veröffentlichung eines Artikels. Die Besonderheit der Zeitschrift liegt darin, dass die Herausgeberrechte bei der GMA liegen, die Autorenrechte bei den Autorinnen und Autoren. Die Beiträge erscheinen sowohl in deutscher als auch englischer Sprache, Text-, Audio- und Videodaten können als Anhang in Beiträge eingebunden werden; angeboten wird auch ein Archiv mit Suchfunktion und es besteht eine Vernetzung der Zeitschrift mit der Gesellschaftsseite. Die Zeitschrift wird seit 2011 auch über PubMed Central angeboten. Der Erfolg der Kooperation der Fachzeitschrift der GMA mit German Medical Science spiegelt sich in der Nutzungsstatistik, die ca. 12.000 Zugriffe pro Jahr ausweist.

Resümee des Berichterstatters: Mit dem 2005 vollzogenen Wechsel der von der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung herausgegebenen Zeitschrift auf die Open-Access-Plattform German Medical Science brachte den Mitgliedern der Fachgesellschart eine attraktive und kostengünstige Publikationsmöglichkeit. Als Schwäche empfunden wird der bisher noch fehlende Impact Factor für „GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung“ sowie die weiteren bei German Medical Science veröffentlichten Zeitschriften.


Fazit

Auch wenn in den beiden Sessions der Open-Access-Tage 2014 in Köln – „Open Access und Subskription / Transformationsstrategien“ sowie „Medizinische Fachgesellschaften und Open Access“ – mehr Fragen aufgeworfen wurden als beantwortet werden konnten, so konnten dennoch bemerkenswerte Erkenntnisse gewonnen werden. Open Access ist mittlerweile ein Thema, das bei den einzelnen Journalen und deren jeweiligen Herausgeberinnen und Herausgebern angelangt ist. Vertreterinnen und Vertreter von Verlagen und wissenschaftlichen Fachgesellschaften bieten derzeit ein sehr heterogenes Bild hinsichtlich der zukünftigen Szenarien für die von ihnen jeweils verantworteten Zeitschriften. Während die American Chemical Society für ihre 44 Zeitschriften mit Gold for Gold ein fundiertes Open-Access-Modell und die European Molecular Biology Organization für ihre vier EMBO-Zeitschriften ein differenziertes Szenario entwickelt haben, verläuft der Transformationsprozess zu Open Access für Fachgesellschaften, die nur eine Fachzeitschrift herausgeben bzw. eine solche planen, viel zurückhaltender. Die von der International Society for Forensic Genetics bei Elsevier herausgegebene Zeitschrift „Forensic Science International: Genetics“ bietet auch weiterhin nur ein hybrides Open-Access-Modell. Ähnliches gilt für das von der Swiss School of Public Health bei Springer herausgegebene „International Journal of Public Health“. Während die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie die Herausgabe eines Open-Access-Journals seit längerem plant, verfügt die Gesellschaft für Medizinische Ausbildung mit „GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung“, die bei German Medical Science erscheint, über eine neubegründete Open-Access-Zeitschrift. Ob Konzepte wie ScienceOpen mit seinem Ansatz, keine Fachzeitschriften, sondern ein Netzwerk zu etablieren, die Idee von Open Access entscheidend stärken, wird erst zu beweisen sein. Jedenfalls sollte die Auseinandersetzung mit Transformationsszenarien auf der in Köln dargestellten Detailebene spätestens bei den Open-Access-Tagen 2015 in Zürich fortgesetzt werden.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen. 22.10.2003. Verfügbar unter: http://openaccess.mpg.de/68053/Berliner_Erklaerung_dt_Version_07-2006.pdf Externer Link
2.
Bauer B. It’s economy stupid! Anmerkungen zu ökonomischen Aspekten des goldenen und des grünen Weges beim Open Access Publishing. Information: Wissenschaft & Praxis. 2009;60(5): 271-8. Verfügbar unter: http://eprints.rclis.org/13592/1/iwp2009_5_bauer.pdf Externer Link
3.
Bauer B. Das virtuelle Archiv. Open Access aus der Perspektive der Bibliotheken. Gegenworte. 2009;(21):12-4. Verfügbar unter: http://edoc.bbaw.de/volltexte/2010/1647/ Externer Link
4.
TBI Communications. Learned Society attitudes towards Open Access. Report on survey results. Oxford; 2014. Verfügbar unter: http://www.edp-open.org/images/stories/doc/EDP_Society_Survey_May_2014_FINAL.pdf Externer Link
5.
Bauer B. Kommerzielle Open Access Publishing-Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand: ökonomische Zwischenbilanz der „Gold Road to Open Access“ an drei österreichischen Universitäten. GMS Med Bibl Inf. 2006;6(3):Doc32. Verfügbar unter: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2007-6/mbi000050.shtml Externer Link
6.
Overview: Nature’s peer review trial. Nature. 2006 Dec. DOI: 10.1038/nature05535 Externer Link
7.
Bauer B. UK Parliament’s Science & Technology Committee Inquiry. Britische Politiker stellen an 23 Vertreter von Verlagen, Fachgesellschaften, Bibliotheken, Wissenschaften und Forschungsorganisationen 428 Fragen über die Zukunft des wissenschaftlichen Publikationswesen. Medizin Bibliothek Information. 4;2004(2):38-43. Verfügbar unter: http://www.agmb.de/mbi/2004_2/bauer38-43.pdf Externer Link