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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Die Bibliothek des Karl-Sudhoff-Institutes für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften in Leipzig – ein historischer Abriss

The Library of the Karl Sudhoff Institute for the History of Medicine and Science (Leipzig) – a historical review

Fachbeitrag

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GMS Med Bibl Inf 2012;12(1-2):Doc10

doi: 10.3205/mbi000246, urn:nbn:de:0183-mbi0002468

Veröffentlicht: 6. September 2012

© 2012 Geithner.
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Zusammenfassung

Es wird ein kurzer historischer Abriss der Entwicklung der 1906 durch Karl Sudhoff gegründeten medizinhistorischen Bibliothek in Leipzig gegeben, deren wechselvolle Geschichte eng mit der Entwicklung des ersten Instituts für Medizingeschichte verbunden ist.

Schlüsselwörter: Karl Sudhoff, Henry Sigerist, Walter von Brunn, Medizingeschichte, Leipzig, Kriegsverluste

Abstract

This is a brief outline of the development of the Medico-Historical Library, which was founded by Karl Sudhoff at Leipzig in 1906. The changeful history of this library is closely related to the first Institute of Medical History worldwide.

Keywords: Karl Sudhoff, Henry Sigerist, Walter von Brunn, medical history, Leipzig, war damage


Die Bibliothek des Karl-Sudhoff-Institutes für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften in Leipzig – ein historischer Abriss

Die Zweigstelle Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften ist seit 1994 der Zentralbibliothek Medizin der Universitätsbibliothek Leipzig zugeordnet. Mit einem Bestand von ca. 45.000 Bänden, 19.000 Sonderdrucken und 5.600 Dissertationen gehört sie zu den größten Zweigbibliotheken der UB. Die Geschichte der Bibliothek ist eng mit der Entwicklungsgeschichte des Institutes verknüpft. Mit einem Jahresbudget von 2.000 RM aus Zinsen der „Puschmann-Stiftung“ sollte zunächst ein Seminarbestand aufgebaut und an die Universitätsbibliothek angegliedert werden.

Karl Sudhoff (1853–1938) (Abbildung 1 [Abb. 1]) konnte also 1906 mit der Gründung des Instituts auch den Aufbau einer dazugehörigen Bibliothek betreiben. Für die Bibliothek war kein Bibliothekar vorgesehen und so oblag die Erwerbung und Katalogisierung Sudhoff persönlich (Abbildung 2 [Abb. 2]). Er entwarf einen Gruppenschlagwortkatalog mit 58 Sachgruppen. Einen Autoren- bzw. Sachkatalog gab es noch nicht, wohl aber ein Zugangsbuch. Die Aufstellung der Bücher im damaligen Institut (Talstr. 35) erfolgte in Seminarzimmern und Arbeitsräumen chronologisch nach Entwicklungsetappen. So sind auch die heute noch existierenden Signaturgruppen des Altbestandes (I–X für ehemals z.B. Seminarraum I) zu erklären (Abbildung 3 [Abb. 3], Abbildung 4 [Abb. 4]).

Von 1906 bis 1916 wuchs der Bestand bereits auf 9.000 Bände auf 90 laufenden Regalmetern an. Daraus ergaben sich räumliche Probleme und diese führten zu einem Umzug in die Erdgeschosszone des ehemaligen Taubstummen-Instituts (Talstr. 38). Durch den Ersten Weltkrieg und die nachfolgende Inflation verringerte sich das Stiftungskapital mit der Folge einer erheblichen Reduzierung der Erwerbungsmittel.

Unter dem Direktorat von Henry Sigerist (1891–1957) wurden nach 1925 Zettelkataloge aufgebaut, zunächst von einer Sekretärin und einem Institutsgehilfen. 1928 wurde erstmals eine Bibliothekarstelle eingerichtet, die Sigerist mit 60.000 RM aus seinem Privatvermögen unterstützte.

1935 gelang unter Walter von Brunn (1876–1952) eine Neuordnung der Bibliothek, die zu einer Nutzbarmachung des Alphabetischen Katalogs und des kombinierten Standort-Sachkatalogs führte. Es wurde nach den „Regeln der Preußischen Instruktionen“ (PI) verfahren, allerdings auch mit Platz für „Sachliche Sonderheiten“ (z.B. Kongresse, Namen von Krankenhäusern etc.) Der Umzug des Instituts in das Gebäude des Zoologischen Instituts (Talstr. 33) brachte eine räumliche Erweiterung für die Bibliothek, die inzwischen auf 25.000 Bände angewachsen war.

Walter von Brunn regte 1938 die noch heute verwendete erweiterte Namensgebung „Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften“ an, die auch in einer inhaltlichen Erweiterung der Erwerbungspolitik sichtbar wurde, jedoch bei rückläufigen Zugangszahlen.

Nach Sudhoffs Tod konnte dessen wertvoller Handbestand für das Institut erworben werden, während seine Privatbibliothek in den Besitz des Ärztlichen Vereins München überging. Der alte Handbestand („SN“-Signaturen für „Schlag-nach-Bestand“) bildet bis heute noch das Fundament des alten Handapparates.

Ab 1940 gab es tiefe Einschnitte im Budget des Instituts mit Auswirkungen auf die Erwerbungszahlen. Während des Krieges wurden alle Inkunabeln im Panzerschrank verwahrt und die wertvollsten Bücher in Kisten im Keller deponiert. Am 3. Mai 1943 wurden 144 dieser Kisten gemäß eines Erlasses zum „Schutz einmaliger und schlechthin unersetzlicher Stücke… bzw. bibliothekarischer Seltenheiten und Besonderheiten“ in den Felsenkeller des Mutzschener Schlosses ausgelagert. Nach Kriegsende wurden diese Bestände in die damalige Sowjetunion abtransportiert und gelten seitdem als vermisst.

Ab 1. Juli 1945 übernahm erstmals eine Bibliothekarin für 34 Jahre die Leitung der Bibliothek. Die finanzielle Situation der Nachkriegsjahre war recht schwankend, aber es gab dennoch Zuwächse, z.B. 39 wertvolle Bücher aus der Fürstenschule Grimma, Teil- oder Gesamtbestände aus anderen Bibliotheken, z.B. medizinhistorische Dissertationen aus dem 18. Jahrhundert aus dem Heimatmuseum Herzberg sowie (nach 1990) psychiatrische Literatur aus den aufgelösten Einrichtungen Waldheim und Colditz.

Bei festem Etat pendelte sich die Zahl der Neuzugänge zwischen 1970 bis 1990 auf jährlich 500–700 Publikationen ein, wobei für die Anschaffung von Literatur aus dem nichtsozialistischen Ausland (Kontingentliteratur) die Universitätsbibliothek zuständig war. Der Mangel an Kontingentmitteln brachte in jenen Jahren nur 594 Zugänge an „westlicher“ Literatur. Nach der Wende (1990) konnten durch großzügige Zuwendungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wellcome Trust London erhebliche Lücken geschlossen werden.

Im Jahre 1990 erfolgte der Umzug des Instituts aus dem Medizinischen Viertel in das Hauptgebäude der Universität am Augustusplatz. Räumliche Zwänge machten eine Magazinierung von etwa 75 Prozent des Bestandes in einem Magazinkeller in der Ritterstrasse erforderlich. 1992 wurden der alte systematische Katalog abgebrochen, die Bibliothekssignaturen auf „Numerus Currens“ umgestellt und eine eigene „SUDHOFF-Datenbank“ mittels „AllegroC“-Software aufgebaut. Diese Datenbank wird heute noch zur Erfassung von Sonderdrucken genutzt und steht inzwischen auch „online“ zur Verfügung.

Zwischen 1999 und 2000 wurden im Rahmen eines Projektes der UB zur computertechnischen Erfassung wissenschaftlicher Altbestände bis Erscheinungsjahr 1850 auch die Bestände des Sudhoff-Institutes miterfasst, die somit im OPAC der UB recherchierbar wurden. Diese Entscheidung sollte sich einige Jahre später (Winter 2006/07) als besonders nützlich erweisen, als im Zuge des Umzuges des Institutes und der Bibliothek in ein bis heute währendes Interim (Käthe-Kollwitz-Straße 82, Abbildung 5 [Abb. 5]) alle Bücher mit Erscheinungsjahren vor 1850 in die Universitätsbibliothek umgesetzt wurden. Nun musste nur noch der Standort im Katalog korrigiert werden.

Seit 2000 hat man sich in der UB Leipzig einschließlich aller Zweigstellen für eine Aufstellung der Bücher in den Freihandbereichen nach der Regensburger Verbundklassifikation (RVK) entschieden. Seit zwei Jahren wird auch in der Zweigbibliothek Sudhoff-Institut vermehrt Retrokatalogisierung betrieben, d.h. alle bisher noch nicht im OPAC erfassten Bestände (zwischen 1850 und heute) auf RVK umgestellt, die Titel neu aufgenommen bzw. überprüft. Das macht vor allem Sinn, weil mit der Planung des Baues einer großen Zentralbibliothek „Life Sciences“ im Jahr 2015 an eine Zusammenführung der medizinischen Zweigbibliotheken, der Zweigstelle Biowissenschaften, der Zweigstelle Psychologie u.a. gedacht ist, in welcher dann alle Bestände vereinheitlicht aufgestellt werden können.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Weiser M, Hrsg. Das Leipziger Medizinische Viertel. Leipzig: Lorentz; 1914.