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GMS German Medical Science — an Interdisciplinary Journal

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1612-3174

Abheilung chronischer Wunden an einem Unterschenkel durch Hämoglobinspray und Regeneration einer begleitenden Dermatoliposklerose durch intermittierte normobare Sauerstoff-Inhalationen (INBOI): ein Fallbericht

Fallbericht

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GMS Ger Med Sci 2011;9:Doc08

doi: 10.3205/000131, urn:nbn:de:0183-0001314

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/gms/2011-9/000131.shtml

Eingereicht: 30. Juli 2010
Überarbeitet: 20. Februar 2011
Veröffentlicht: 30. März 2011

© 2011 Barnikol et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Anhand einer erfolgreichen Behandlung Therapie-resistenter hypoxischer (praktisch anoxischer) Unterschenkel-Ulzerationen in einem Areal gravierender Dermatoliposklerose wurde ein neues Heil-Verfahren unter Anwendung zuerst von Hämoglobin (intra-ulzeral) und dann von Sauerstoff in Form intermittierter, normobarer Sauerstoff-Inhalationen (INBOI) entwickelt. Hämoglobin kann die Zellen des Wundbodens aus seiner Bindung unter geringem Partialdruck – und somit oxidativ unschädlich – von außen mit Sauerstoff in physiologischer Weise versorgen; eine langzeitige, täglich stundenweise Sauerstoff-Inhalation vermag dies von innen und versorgt darüber hinaus auch die peri-ulzerale Haut.

Unter einer initialen kombinierten Heil-Behandlung kam es innerhalb etwa eines Monats mit Anwendungen der Hämoglobinlösung zum Abheilen der Ulzeration, anschließend unter INBOI innerhalb von etwa 4 weiteren Monaten zu einer Regeneration des umgebenden Gewebes bezüglich des Sauerstoffzustandes: Der peri-ulzerale transkutane Sauerstoffpartialdruck (unter Luftatmung) von ursprünglich null erreichte wieder einen ausreichend hohen Wert (etwa 35 mmHg). Nach 28 Monaten INBOI-Behandlungen war der Sauerstoff-Status der anfangs völlig degenerierten Beinhaut mit absoluter Hypoxie praktisch normalisiert, nämlich 45 mmHg. Sogar die Dermatoliposklerose bildete sich zurück. Die Haut-Regeneration war nachhaltig, was vermutlich auf einer zellulären Gewebe-Regeneration mit Zunahme der Kapillardichte beruht, musste aber durch ständige Sauerstoff-Inhalationen (sprich Nachsorge) aufrecht erhalten werden (INBOI-Erhaltungsbehandlung). Durch unbeabsichtigte intra-individuelle Therapie-Variationen ergab sich der Nachweis, dass die lokale Hypoxie für die Degenerationen ursächlich war: 3 x 1 h Sauerstoff-Inhalation waren zur Heilbehandlung ausreichend; 2 x 1 h genügten für die Erhaltung, 2 x ½ h dagegen nicht mehr.

Das neue Behandlungs-Verfahren ist praktisch risikolos, einfach, preiswert und effektiv. Die Anwendung von Hämoglobin erfordert eine ärztliche Betreuung; die Sauerstoff-Inhalationen können dagegen – nach einer initialen Uberwachung durch einen Arzt – zu Hause erfolgen. Die Therapie-resistente Ulzeration konnte mit dem neuen Verfahren in 5 Monaten geschlossen werden, wovon nur ein Monat täglicher ambulanter Behandlungen (auch mit dem Hämoglobinspray) nötig war. Der Erfolg der Behandlung bezüglich der Regeneration der Sauerstoffversorgung ist durch transkutane Messungen des peri-ulzeralen Sauerstoffpartialdruck (tcPO2) jederzeit überprüfbar, wobei wegen der Inhomogenität der Werte immer wenigstens an zwei verschiedenen Stellen des Wundrandes gemessen werden muss; besser ist die Messung an 4 Hautstellen, bei sehr großen Wunden an 6 Stellen.

Das neue Verfahren eignet sich, neben der Heilbehandlung, insbesondere auch zur Behandlung hypoxisch gefährdeter Haut zur Prävention (prophylaktische INBOI-Behandlung), um eine drohende Ulzeration abzuwenden, wobei peri-ulzeral transkutane Sauerstoff-Partialdrücke unter 10 mmHg als kritisch zu sehen sind und eine Indikation für prophylaktische Sauerstoff-Inhalationen darstellen. Das neue Verfahren kann auch mit Nutzen angewendet werden, wenn der Sauerstoff-Partialdruck noch nicht unter 10 mmHg abgefallen ist.

Vier Nachsorge-Maßnahmen zur Erhaltung einer abgeheilten chronischen Wunde werden vorgeschlagen.

Schlüsselwörter: chronische Wunden, Hypoxie der Haut als Ursache chronischer Wunden, Heilung chronischer Wunden, Hämoglobin, tcPO2 als Maß für den Gewebe-PO2, Gewebe-PO2 als entscheidende Größe für die zelluläre Sauerstoff-Versorgung, peri-ulzeraler Sauerstoffpartialdruck, Gewebe-Regeneration, intermittierte normobare Sauerstoff-Inhalation (INBOI), Dermatoliposklerose, Hemo2spray®, 2 Phasen der Haut-Regeneration, metabolische und zelluläre Hautregeneration, arterielle Okklusion, geringer tcPO2 als Indikator für die Bildung chronischer Wunden, Sauerstoff-Toxizität, mikro-vaskuläre (kapilläre) Regeneration, kontrollierte Wundprophylaxe, kontrollierte Rehabilitation, kontrollierte Erhaltungsbehandlung, PO2-Inhomogenität, Sauerstoff-Substitution


Einleitung

Es gibt chronische, Therapie-refraktäre Wunden, deren peri-ulzerale, transkutan gemessene Sauerstoff-Partialdrücke (wie im vorliegenden Fall) gleich null sind. In gesunder Haut findet man dagegen peri-ulzerale Partialdrücke (tcPO2) größer als 40–50 mmHg. Wir vertreten die Auffassung, dass solche Wunden nur durch eine geeignete Sauerstoff-Substitution erfolgreich behandelt werden können; denn ohne ausreichend Sauerstoff kann kein Gewebe neu aufgebaut werden. Wir haben früher gezeigt, dass sich chronische Wunden mit Sauerstoff-Mangel unter äußerlicher (topischer = intra-ulzeraler) Anwendung von Hämoglobin schließen. Hierbei erfolgte die Heilung umso langsamer, je geringer der peri-ulzerale transkutane Sauerstoff-Partialdruck war [1].

Daher musste im Falle der hier vorliegenden praktisch anoxischen Ulzeration eine andere Verfahrensweise angewandt werden: Wir konzipierten eine Kombination der topischen Anwendung von Hämoglobin (siehe [1]) und intermittierter normobarer Sauerstoff-Inhalationen. Wegen ihrer oxidativen Schädlichkeit und wegen ihres technischen Aufwandes kam für uns die bekannte hyperbare Oxygenation (HBO) nicht in Betracht.

Die neue Therapie-Weise bestand aus zwei Teilen:

(1) zunächst wurde (täglich) in bekannter Weise (siehe [1]) eine Hämoglobin-Lösung in dünnen Schichten zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung von außen intra-ulzeral angewendet, um die Wunde zu beginnender Heilung zu bringen.

(2) Dann erfolgte zur Verbesserung der Sauerstoff-Versorgung von innen eine täglich mehrfache stundenweise intermittierte, normobare Sauerstoff-Inhalation (INBOI) über Monate. Hierdurch wird der Sauerstoff-Partialdruck der peri-ulzeralen Haut (und der Wunde) nachweislich gesteigert [2].

Grundsätzlich sind gereinigte chronische Wunden als hypoxische Zellkulturen anzusehen, die möglichst von innen und außen in physiologischer Weise zusätzlich mit Sauerstoff zu versorgen sind, um sie zur Heilung bringen zu können. Nachfolgend wird das Fallbeispiel für diese Vorgehensweise dargelegt.


Vorgeschichte

Allgemein

Der 174 cm große und 88 kg schwere, 78-jährige Patient (geboren 1927) erlitt 1982 eine Fraktur am rechten Außenknöchel, welche operativ versorgt wurde. Davon blieb eine etwa 15 cm lange Narbe oberhalb des Knöchels. 1997 erlitt der Patient einen Apoplex links mit rechtsseitiger Hemiparese; 1998 wurde eine Carotis-Stenose links operativ behandelt, 2002 eine Carotis-Stenose rechts. Im Laufe der Zeit stellte sich ein Diabetes mellitus Typ 2 mit diabetischer Polyneuropathie und Nephropathie ein (Serum-Creatinin-Gehalt: 2,8 mg/dL, Clearance: 30 mL/dL). Der Blutdruck (RR) war mit 180/90 angegeben. 2004 wurde dann eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) im Stadium IV diagnostiziert. Wegen Verschluss der A. poplitea und der A. tibialis im rechten Bein erfolgte, bei bestehendem Ulcus über dem Außenknöchel in der alten Operationsnarbe, an beiden Arterien eine perkutane transluminale Angioplastie (PTA), eine weitergehende gefäßchirurgische Sanierung erschien nicht mehr möglich. Gegen die starken Dauerschmerzen erhielt der Patient täglich 2 x 20 Tropfen Novalgin®.

Lokal

Eine Ulzeration über dem rechten Außenknöchel wurde seit 1998 in einer dermatologischen Praxis behandelt. Zuvor (1997) war ein Erysipel bei einer ekzematisierten Reaktion aufgetreten. Die Hautdurchblutung wie auch der kutane Sauerstoffpartialdruck verschlechterten sich stetig. Eine stadiengerechte Lokalbehandlung mit rheologischen Maßnahmen und Geh-Training wurde durchgeführt; Anfang 1999 war eine Abheilung der Ulzeration erreicht worden. Im November 2003 lagen aber wieder spontane Ulzerationen am rechten Außenknöchel vor, die im Februar 2004 insgesamt 5 cm lang und jeweils 1 cm breit und tief waren. Eine Ozon-Sauerstoff-Infusionsbehandlung blieb erfolglos.


Befunde und Behandlung

Wir haben den Patienten am 24. Mai 2004 zum ersten Mal gesehen, fanden einen Blutglucose-Gehalt von 122 mg/dL, einen Blutdruck (RR) von 127/82, sowie eine Pulsfrequenz von 58 min–1. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt die fragliche Ulceration oberhalb des rechten Außenknöchels. Eigentlich handelte es sich um zwei Dehiszenzen, welche noch durch eine Gewebe-Brücke getrennt waren. Die distale Ulceration wies eine starke Unterminierung des Randes auf. Es lag weiterhin am Unterschenkel eine ausgeprägte entzündliche Dermatoliposklerose mit starker Schuppung vor: Das Bein war ödematös und erschien wie mumifiziert. Der Patient klagte über sehr starke Dauer-Schmerzen (insbesondere auch nachts), vor allem beim Auftreten, so dass er nicht mehr schlafen konnte und zugleich praktisch völlig immobil geworden war.

Wir begannen nach initialer Reinigung der Wunde mit täglichen Behandlungen gemäß [1]: Beläge wurden mit Harnstoff-Zubereitungen hoher Konzentrationen (30 bis 40%) schonend erweicht und dann ausgespült und evtl. noch mechanisch abgelöst. Eine lokale Desinfektion und kurzzeitige Sauerstoff-Versorgung erfolgte durch 30-minütiges Einbringen des Fußes in eine Sauerstoff-Kammer (Plastikbeutel); diese Art der Desinfektion löst keine allergische Reaktion aus [3]. Der gesäuberte Wundboden wurde täglich mit einer 10%-igen Hämoglobinlösung (Hemo2spray®) durch Aufsprühen dünn beschichtet und mit einer geeigneten Wundauflage (bspw. Chitoskin®, [1]) abgedeckt. Die peri-ulzerale Haut ließ sich durch Vaseline® oder mit einer 10%-igen Harnstoff-Creme gegen Mazeration schützen. Das ödematöse Bein erhielt vor dem Aufstehen eine Wickelung mit Kompressionsbinden derart, dass diese noch als angenehm empfunden wurde.

Die notwendigen üblichen Behandlungsmaßnahmen, die wir zusätzlich zu unserer neuen Heilbehandlung jeweils durchgeführt haben, bestanden also (1) in einer Reinigung mit hochkonzentrierten, chaotrop wirkenden Harnstoff-Gelen, (2) ggf. in einem ergänzenden mechanischen Debridement, wo nötig mit lokaler Anästhesie, (3) in isotonen Spülungen, (4) in einer Sauerstoff-Desinfektion, (5) in einer Befeuchtung des Wundgrundes mit der 10%-igen Hämoglobin-Lösung (die zugleich eine Substrat-Substitution der Wunde mit Aminosäuren bedeutet, da das Hämoglobin von den Metallo-Proteasen in der Wunde hydrolysiert wird), (6) in der Applikation hydroaktiver Wundauflagen (mit großem Wasseraufnahmevermögen), (7) in einem Mazerationsschutz des Wundrandes und (8) in einer angepassten Kompressions-Behandlung.

In Kombination mit der neuen speziellen Sauerstoff-Behandlung (durch die intra-ulzeral applizierte Hämoglobinlösung) war der Patient am 3. Juni 2004 nachts zum ersten Mal schmerzfrei. Am 9. Juni 2004 ergaben Messungen unter Luftatmung, dass der transkutane peri-ulzerale Sauerstoffpartialdruck (vergleiche [1]) kaudal der unteren Dehiszenz über dem Knöchel (Messpunkt M3, vergleiche Abbildung 2 [Abb. 2]) gleich null war, gleichermaßen derjenige dorsal der Gewebe-Brücke (Messpunkt M2). Die Messung der tcPO2-Werte an den verschiedenen Messpunkten konnte nur sukzessiv erfolgen.

Zur Klärung der Frage, ob bei diesem Patienten durch Sauerstoff-Inhalation die peri-ulzerale Haut besser mit Sauerstoff versorgt wird, haben wir dies orientierend untersucht. Während einer Sauerstoff-Inhalation im Sitzen mit einer Mund-Nasen-Maske mit Pufferbeutel und einem Gasstrom von 15 L/min mit Gasüberlauf ließ sich der transkutane Sauerstoff-Partialdruck am Messpunkt M3 (vergleiche Abbildung 2 [Abb. 2]) auf 200 mmHg steigern.

Am 14.06.2004 war der Patient völlig schmerzfrei, konnte wieder beschwerdefrei gehen und machte außerhalb des Hauses Spaziergänge. Abbildung 3 [Abb. 3] zeigt die Ulzeration am 16.06.2004. Man erkennt an beiden offenen Stellen einen frischen Wundboden; die Gewebe-Brücke war re-epithelisiert. Eine professionelle tägliche Wundbehandlung war nun nicht mehr erforderlich; sie konnte durch Angehörige des Patienten zu Hause erfolgen. Die topische Anwendung von Hämoglobin wurde abgesetzt.

Zu dieser Zeit stieg der peri-ulzeral gemessene transkutane Sauerstoff-Partialdruck ventral der Gewebe-Brücke (Messpunkt M1) unter Inhalation des Sauerstoffes aus einem gängigen Sauerstoff-Konzentrator (5 L/min Gasstrom) unter Verwenden einer Atmungsmaske mit Pufferbeutel auf einen normalen Wert von 49 mmHg. Nach Absetzen der Inhalation sank der Wert wieder auf null ab.

Zur therapeutischen vorübergehenden Verbesserung der peri-ulzeralen Sauerstoffversorgung durch die normobare Sauerstoff-Inhalation wurden dem Patienten täglich drei Stunden Inhalation (im ruhigen Sitzen, jeweils eine Stunde morgens, mittags und abends) verordnet, die er regelmäßig zu Hause durchführte.

Am 20.10.2004 (nach 5 Monaten) war die initial praktisch anoxische Ulzeration fast geschlossen (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]), eine Wundpflege war nicht mehr erforderlich; jedoch wurde das Bein weiterhin gewickelt. Unter Luftatmung betrug zu diesem Zeitpunkt der Sauerstoffpartialdruck ventral und dorsal (Messpunkte M1 bzw. M2) der Gewebe-Brücke 18 bzw. 36 mmHg (vergleiche auch Abbildung 5 [Abb. 5]).

Zur vollständigen Abheilung erfolgte weiterhin die therapeutische Sauerstoff-Inhalation (INBOI): Das peri-ulzerale Gewebe hatte sich im Verlauf von etwa 5 Monaten der Sauerstoff-Inhalation regeneriert. Dies war Anlass, die Sauerstoff-Behandlung noch weiter zu führen, um noch eine weitere Steigerung der tcPO2-Werte zu erreichen.

Bis zum 04.05.2005 (nach 11 Monaten) nahm der ventrale Wert unter Luftatmung (Messpunkt M1) weiter auf 39 mmHg zu, der Dorsal-Wert (Messpunkt M2) betrug 31 mmHg (vergleiche auch Abbildung 5 [Abb. 5]); die Sauerstoff-Behandlung wurde daraufhin beendet: Beide Wunden waren vollständig geschlossen, die Umgebungshaut erschien reizlos und fühlte sich wieder weich an, d. h., die Sklerose der Haut war jetzt behoben.

Am 14.10.2005 (nach 17 Monaten) kam der Patient zur Nachkontrolle. Die transkutanen Sauerstoff-Partialdrücke an den Mess-Stellen M1 und M2 unter Luftatmung betrugen jetzt nur noch 5 bzw. 10 mmHg (vergleiche auch Abbildung 5 [Abb. 5]), d.h. der Zustand des peri-ulzeralen Gewebes hatte sich etwa 5½ Monate nach Absetzen der Sauerstoff-Inhalationen wieder verschlechtert. Abbildung 6 [Abb. 6] zeigt, dass es noch nicht wieder zu einer nennenswerten Wundbildung gekommen war, jedoch wurde ein kleiner Hautdefekt sichtbar, die peri-ulzerale Haut war wieder deutlich gerötet. Der Patient nahm daraufhin die regelmäßige intermittierte Sauerstoff-Inhalation – 3 Stunden täglich – ab 21.10.2005 wieder auf.

Einen Monat später, am 21.11.2005 (nach 18 Monaten), wurden an den Mess-Stellen M1 und M2 wieder die transkutanen Sauerstoff-Partialdrücke (tcPO2) ermittelt: Sie betrugen unter Luftatmung 8 und 15 mmHg, hatten also um 3 bzw. 5 mmHg wieder zugenommen (vergleiche auch Abbildung 5 [Abb. 5]). Der Hautdefekt war wieder verheilt und die Rötung deutlich reduziert.

Am 21.12.2005 (nach 19 Monaten) wurden wieder Messungen transkutaner Sauerstoff-Partialdrücke an den Mess-Stellen M1 und M2 vorgenommen. Sie betrugen 30 bzw. 40 mmHg (vergleiche Abbildung 5 [Abb. 5]): es wurden also innerhalb von zwei Monaten wieder die Werte vom 04.05.2005 erreicht. Abbildung 7 [Abb. 7] zeigt die Wunde: Die Entzündung war wieder deutlich abgeklungen.

Am 20.01.2006 (nach 20 Monaten) wurden die transkutanen Sauerstoff-Partialdrücke an den Stellen M1 und M2 erneut vermessen; es ergaben sich 43 bzw. 33 mmHg. Die Rötung hatte sich weiter zurückgebildet. Gegenüber dem 21.12.2005 zeigte sich nur noch eine geringfügige Steigerung des Partialdruckes (vergleiche Abbildung 5 [Abb. 5]).

Nachdem zuvor ohne Behandlung die O2-Partialdrücke abgenommen hatten, war nun eine Erhaltungsbehandlung notwendig geworden: Verordnet wurde eine Sauerstoff-Inhalation von zweimal täglich ½ Stunde morgens und abends.

Die Kontroll-Messung am 21.04.2006 (nach 23 Monaten) ergab für M1 21 mmHg und für M2 9 mmHg (vergleiche auch Abbildung 5 [Abb. 5]), d. h., die Erhaltungsbehandlung von täglich 2 x ½ h Sauerstoff-Inhalationen erwies sich als nicht ausreichend.

Dies zeigt, unter Beibehaltung der Behandlung, als Bestätigung auch die weitere Messung nach 25 Monaten: Die tcPO2-Werte von M1 und M2 betrugen nun 2 bzw. 10 mmHg, hatten also im Mittel weiter abgenommen. Zur erneuten Regeneration wurde deshalb die O2-Inhalation wieder auf 3 x 1 h pro Tag erhöht.

Man sieht (vergleiche Abbildung 5 [Abb. 5]), dass bei abgeheilten Wunden bereits innerhalb von 1 Monat (also nach insgesamt 26 Monaten) M1 und M2 sich auf 43 bzw. 47 mmHg steigern – und unter Beibehalten der Behandlung betragen die entsprechenden Werte nach weiteren 2 Monaten 46 bzw. 43 mmHg, d. h. es erfolgte keine weitere Zunahme mehr. Zur Erhaltung dieses Zustands wurde die O2-Inhalation nunmehr auf 2 x 1 h gesetzt.

Nach weiteren 6 Monaten hatten die Hautstellen M1 und M2 tcPO2-Werte von 44 bzw. 40 mmHg: Sie sind praktisch gleich geblieben.

Offensichtlich reichen 2 x 1 h täglicher inhalativer O2-Inhalation aus, um die tcPO2-Werte der peri-ulzeralen Haut zu erhalten, 2 x ½ h dagegen nicht.

Die gesamte Inhalations-Behandlung dieses Patienten dauerte 34 Monate, also fast 3 Jahre. In 28 Monaten konnte der Sauerstoff-Status der Beinhaut wieder normalisiert werden: Er betrug 45 mmHg.


Epikrise und Diskussion

Der dargelegte Einzelfall zeigt exemplarisch, dass man mit topischer Anwendung von Hämoglobin und mit intermittierten Sauerstoff-Inhalationen hypoxische, Therapie-resistente Wunden heilen kann und dass nach 1-jähriger Behandlung auch die ausgeprägte Dermatoliposklerose der Haut behoben werden konnte. Bekanntlich liegen bei der Dermatoliposklerose und bei schwerer chronisch-venöser Insuffizienz die gravierendsten mikro-vaskulären Degenerationen, nämlich kapilläre Knäuelbildungen, vor ([4] bzw. [5]].

Beide hier durchgeführten Therapie-Maßnahmen verbessern die Sauerstoff-Versorgung. Dies ermöglicht dann unter Epithelisierung die Schließung der Wunde vom Rand her. Über die Reparation des Gewebedefektes hinaus kam es mit dieser Behandlung auch noch zu einer nachhaltigen Erhöhung des Sauerstoff-Partialdrucks und somit zu einer verbesserten Sauerstoff-Versorgung im Hautgebiet und folglich zu einer nachhaltigen Regeneration der ulzeralen Haut.

Die nachgewiesene Verknüpfung der Sauerstoffversorgung (gemessen als tcPO2) mit dem Zustand der peri-ulzeralen Haut (dermatoliposklerotische Veränderungen, Existenz eines Ulkus) ist der Beweis dafür, dass der Sauerstoffmangel hier ursächlich für die Ulzeration war. Dies vor allem deshalb, weil ungewollt die Methode der intra-individuellen Variation zum Tragen kam (ein in der Medizin sonst kaum möglicher Fall): Denn nach der ersten Regeneration degenerierte die Haut noch zweimal und konnte jeweils erneut mittels des neuen Verfahrens wieder regeneriert werden.

Weil die Verringerungen der tcPO2-Werte der Wundbildung vorangehen (vgl. Abbildung 6 [Abb. 6]), sind sie geeignete Früh-Indikatoren der Wundbildung und ermöglichen eine effektive kontrollierte Wund-Prophylaxe.

Für die Ursächlichkeit der Hypoxie für chronische Wunden sprechen auch etliche Behandlungserfolge mit Hilfe der hyperbaren Oxygenation (HBO) [6]. Dagegen gibt es in der Literatur Angaben, dass eine Ulzeration niemals einen Sauerstoffmangel zur Ursache haben könne [7]. Diese Angaben beruhen jedoch auf falschen Voraussetzungen [8].

Für die therapeutischen Konsequenzen ist es notwendig, eine chronische Wunde bezüglich ihres Sauerstoff-Zustandes zu charakterisieren. Hierzu kommt nur der gewebliche Sauerstoff-Partialdruck in Frage, weil dieser die entscheidende treibende Kraft für die Diffusion des Sauerstoffs zu den Mitochondrien der Zellen darstellt (wo primär der Sauerstoff gebraucht wird). Daher ist dieser Partialdruck für die Charakterisierung der zellulären Sauerstoffversorgung eine analytische Endpunktgröße. Ein Maß für diesen Druck ist der transkutan bestimmte Sauerstoff-Partialdruck der Haut (tcPO2).

Zur Erhebung eines nichtinvasiven verlässlichen Sauerstoff-Status einer chronischen Wunde kommen nur peri-ulzerale Messungen in Frage (weil die Ulzeration ein lokales Geschehen ist), und es reichen bereits für „mittelgroße“ Wunden auch zwei Mess-Stellen des tcPO2 nicht aus (und schon gar nicht nur eine einzige Stelle); weit informativer ist die Bestimmung an 4 peri-ulzeralen Hautstellen und bei großen chronischen Wunden sogar 6 peri-ulzerale Mess-Stellen.

Wesentlich für den Erfolg und für die Risiko-Beherrschung der intermittierten O2-Inhalation ist, dass diese sorgfältig und kontrolliert erfolgt. Zur Sicherstellung einer maximalen inspiratorischen O2-Konzentration muss eine Maske, wie in Abbildung 8 [Abb. 8] gezeigt, verwendet werden. Schläuche im Naseneingang (eine so genannte Sauerstoffbrille) zur Beimischung von Sauerstoff zum Atemgas sind für diese Sauerstoff-Therapie nicht ausreichend. Damit keine Raumluft inspiriert wird, muss der O2-Zustrom wenigstens 7 L/min betragen (das ist die normale Ventilation des Menschen), besser sind 10 L/min, damit ein Über-Fluss besteht. Entsprechende O2-Konzentratoren sind kommerziell verfügbar. Trotzdem treten während normaler ruhiger Atmung Momentanflüsse bis 10 L/s auf. Um auch diese abpuffern zu können, ist der gezeigte Beutel notwendig.

Die erste O2-Inhalation muss unbedingt unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Denn es könnte der seltene Fall eines Sauerstoff-abhängigen Atmungsantriebes vorliegen. Eine O2-Inhalation würde dann zum Atmungs-Stillstand führen.

Gleichzeitig muss bei anliegender O2-Elektrode geprüft werden, ob der inhalative Sauerstoff die peri-ulzerale Haut wirklich erreicht, weil sonst kein Erfolg zu erwarten ist [2].

Sollte zukünftig der Sauerstoff-Status Therapie-resistenter Wunden häufiger erhoben werden, wird sich zeigen, wie hoch der Anteil anoxischer oder hypoxischer Wunden ist, vermutlich ist er sehr hoch. Denn sowohl eine mikro-vaskuläre Degeneration, als auch ödematöse Gewebe-Veränderungen führen unmittelbar zur Zell-Hypoxie, da in beiden Fällen der interkapilläre Abstand wächst und sich die ohnehin kritischen Diffusions-Bedingungen des Sauerstoffes verschlechtern.

In Anbetracht der Reaktionen gesunder Gewebe auf Sauerstoff sind die Heilung des Ulkus und die Regeneration der umgebenden Haut bemerkenswert, verschließt sich doch ein regulatorisch intaktes Gewebe (mit Ausnahme der Lunge) durch Gefäßkonstriktion einem überhöhten Sauerstoff-Angebot. Aber ein peri-ulzerales, extrem hypoxisches Gewebe mit Gefäß-Degeneration befindet sich vermutlich in einem funktionell dekompensierten Zustand, in welchem die genannten physiologischen Mechanismen der Sauerstoff-Regulation nicht mehr arbeiten können, weil speziell wohl die Stellglieder dieser Regelung nicht mehr funktionieren. So kommt es günstigerweise zu einer Verschiebung der Durchblutung in das dekompensierte hypoxische Gewebe.

Reiner oder zu hoch konzentrierter Sauerstoff wirkt für jedes Gewebe auf Dauer oxidativ toxisch [1]. Bei der hyperbaren Oxygenation (HBO) prägt man dem Organismus mit einem Überdruck bis zu 2–2,5 bar unter reinem Sauerstoff sehr unphysiologische Sauerstoff-Partialdrücke bis über 2000 mmHg auf; diese verleihen dem Sauerstoff ein sehr großes Oxidationspotential, bspw. zur schädlichen Lipid-Oxidation. Besonders betroffen hiervon ist die Lunge, wo es zu einer Ödembildung und schließlich wegen der pulmonalen Diffusionsstörung paradoxerweise zum systemischen Sauerstoffmangel kommen kann.

Dagegen wird bei unserer Therapie (topische Hämoglobinlösungen und INBOI) der Sauerstoff in einer Weise angeboten, die deutlich weniger unphysiologisch ist: Hämoglobin gibt lokal den Sauerstoff aus seiner Bindung unter üblichem, geringen Partialdruck an die Zellen ab [1] und regeneriert zellulär den Wundboden: Eine Steigerung des Sauerstoffpartialdrucks auf etwa 50–60 mmHg ist zur Wundheilung ausreichend.

Wegen der bekannten Toxizität des Sauerstoffes verbietet sich auch eine allzu starke Verlängerung einer normobaren Sauerstoff-Inhalation insbesondere bei älteren Menschen, welche oft pulmonal geschwächt sind; jedoch haben maximal 3 bis 4 Stunden Behandlung pro Tag nicht zu einer Lungenschädigung geführt; eine Vorsichtsmaßnahme ist die hier angewandte intermittierte Form der Behandlung gegenüber einer Inhalation am Stück.

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von Alleva et al. [9]. Die Autoren haben gefunden, dass sich die Wundheilung bei hyperbarer Therapie (HBO) weiter verbessert, wenn man gleichzeitig eine anti-oxidative Medikation durchführt. Dies weist darauf hin, dass eine hyperbare Therapie neben ihrer Heilwirkung zugleich (oxidativ) schädigt und legt nahe, Therapie-resistente Wunden zunächst mit einer isobaren, physiologischen Sauerstoffbehandlung zu heilen suchen, ehe die kompliziertere, teuerere und risikoreiche hyperbare Oxygenation eingesetzt wird. Vielleicht sollte vorsichtshalber auch im Falle einer normobaren O2-Inhalation präventiv eine anti-oxidative Medikation durchgeführt werden, insbesondere bei polymorbiden Patienten.

Grundsätzlich dürfte wegen der Gefahr eines Pulmonalödems die maximal einem Patienten auf Dauer zumutbare tägliche Inhalationszeit 3 bis 4 Stunden betragen; jedoch können in kritischen Fällen auch Schlafstunden benutzt werden; aber auf jeden Fall muss die O2-Inhalation intermittierend bleiben; auf keinen Fall sollte eine O2-Inhalation länger als 1 Stunde sein.

Das primäre Ziel der intermittierten O2-Inhalation ist es, dem hypoxischen Gewebe gleichsam Heilzeiten mit ausreichender Sauerstoffzufuhr unter möglichst physiologischen Bedingungen zu verschaffen, hier bis zu 3 einzelne Stunden pro Tag. Erstaunlich ist, dass unter einer solchen Behandlung das Gewebe anscheinend auch seine normale Sauerstoff-Versorgung wieder verbesserte. Anders bliebe die Zunahme des peri-ulzeralen Sauerstoffpartialdruckes unter Luftatmung – im dargelegten Falle von 0 auf rund 30 mmHg und schließlich über 40 mmHg – unverständlich.

Während normobarer Langzeit-Behandlung erfolgt also geweblich eine Hilfe zur Selbsthilfe, so dass sich auch außerhalb der Behandlungszeiten allmählich die Sauerstoff-Situation des Ulkus-Gewebes verbessert, was die Heilung wiederum beschleunigt; dies erklärt auch die Effektivität der relativ kurzen Behandlungszeiten von nur einigen Stunden pro Tag. Vermutlich erfolgt zunächst eine Verbesserung der Zell-Funktionen (metabolische Regeneration: 1. Phase der Haut-Regeneration, s. u.).

Der Verlauf der tcPO2-Werte zeigt darüber hinaus (als 2. Phase der Haut-Regeneration) neben den 3 „schnellen“ Steigerungen (über Monate) eine langsame über 28 Monate von etwa 35 auf 45 mmHg (siehe die blau punktierte Gerade in Abbildung 9 [Abb. 9], die dies verdeutlicht), d.h. ¾ des Gesamt-Effekts erfolgte „schnell“ und ¼ langsam.

Eine solche langsame Regeneration erklärt auch, warum die durch die Behandlung induzierten tcPO2-Zunahmen (insgesamt 3, vergleiche Abbildung 5 [Abb. 5]) von Mal zu Mal schneller erfolgten.

Ein ganz ähnliches Verhalten zeigt sich, wenn man die externe Sauerstoff-Zufuhr einer Cellulite-Haut verbessert (3 Behandlungen pro Woche) und kutometrisch die Elastizität vermisst: Eine „schnelle“ relative Zunahme der Elastizität von 40% (⅔) erfolgt in 4 Wochen und eine langsame von 20% (⅓) benötigt 6 Monate [8]. Bekanntlich macht Kollagen rund 80% der Hautmasse aus und bestimmt somit die Haut-Elastizität und bekanntlich ist die Kollagen-Synthese stark Sauerstoff-abhängig [10].

In beiden geschilderten Fällen läuft also eine Haut-Regeneration in 2 Phasen ab: einer „schnellen“ und einer langsamen, allerdings dauert die langsame im Fall der Dermatoliposklerose-Haut 28 Monate. Wir interpretieren die schnelle Regeneration als metabolisch-funktionelle und die langsame als zellulär-strukturelle, z. B. mit Arteriolen- und Kapillar-Wachstum (ein Nachweis dafür wäre eine Verbesserung des Kapillar-Zustandes bezüglich Struktur und Dichte). Der auffällige Unterschied ist, dass bei der Dermatoliposklerose die Haut-Regeneration Jahre dauert, während dies bei der Cellulite schon in Wochen erfolgt.

Insgesamt waren die tcPO2-Zunahmen in unserem Fall jedoch nicht selbst-erhaltend; immer wieder fiel in Zeiten ohne INBOI der peri-ulzerale Sauerstoffpartialdruck unter Luftatmung wieder auf Werte um 5 bis 10 mmHg ab, dabei bildeten sich auch wieder erste Gewebedefekte (vergleiche Abbildung 6 [Abb. 6]); es erfolgte also keine (bleibende) Heilung, sondern (zumindest überwiegend) nur eine funktionelle Kompensation unter Abheilung der Ulzera. Warum die mikro-vaskuläre Regeneration nicht langfristig anhält, ist so zu erklären, dass (in diesem Falle bei einer AVK des Stadiums IV) die makro-vaskuläre Sauerstoff-Versorgung nicht genügt, um die therapeutisch erreichte mikro-vaskuläre Regeneration auf Dauer aufrecht zu erhalten. Denn die makro-vaskuläre Situation wird durch die Sauerstoff-Inhalation wohl nicht verbessert.

Da die Therapie-Effekte nicht selbst-erhaltend sind, benötigte unser Patient eine Erhaltungs-Behandlung mit Sauerstoff, die so bemessen werden sollte, dass sich die Sauerstoff-Versorgung des peri-ulzeralen Gewebes nicht wieder verschlechterte. Mit großer Sicherheit gibt es eine solche abgestufte mittlere (Erhaltungs-)Behandlung, wenn ohne Behandlung sich das Gewebe verschlechtert und sich bei 3-stündiger Behandlung pro Tag verbessert. Bislang ist jedoch nicht bekannt, wie viele Stunden eine Erhaltungsbehandlung erfordert; sicher weniger als die Heil- und Präventiv-Behandlungen. Eine Erhaltungsbehandlung muss wohl individuelll unter Messungen des transkutanen Sauerstoff-Partialdruckes ‚austitriert‘ werden. In unserem Fall erwies sich eine Erhaltungsbehandlung von 2 x ½ h (morgens und abends) als nicht ausreichend, sondern nur eine Behandlung von 2 x 1 h. Auch eine Erhaltungsbehandlung sollte in kritischen Fällen von Zeit zu Zeit (etwa alle 2 Monate) kontrolliert werden.

Sicherlich heilen chronische Wunden, deren Sauerstoff-Partialdrücke noch nicht unter 5 mmHg liegen, auch schneller, wenn das neue Verfahren unterstützend Anwendung findet.

Aus Abbildung 5 [Abb. 5] geht auch hervor, dass von Monat 19 auf 20 und von Monat 26 auf 28 keine Steigerung des peri-ulzeralen Partialdruckes mehr stattfand. Offenbar ist in der gegebenen klinischen Situation mit der eingestellten Behandlung eine weitere Steigerung nicht mehr möglich. Nur langsame zelluläre Regenerationsprozesse, d. h. eine mikro-vaskuläre Gewebe-Regeneration, vermögen dies noch zu bewirken, wie die Steigerung um etwa 7 mmHg von Monat 19 auf 28 zeigt (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]).

Die erfolgreiche Re-Regeneration dieses Fallbeispiels legt darüber hinaus prophylaktische Sauerstoff-Inhalationen als Therapie-Form nahe. Indikation wäre eine hypoxische Haut mit beginnendem Gewebe-Zerfall und auch schon eine braune Pigmentation sowie weiße Atrophie. Offenbar geht eine deutliche Verringerung des peri-ulzeralen Sauerstoff-Partialdrucks der Ulkusbildung voraus (vergleiche Abbildung 6 [Abb. 6]), so dass diese Verringerung als frühes Warnsignal dienen und Anlass für eine solche präventive O2-Inhalation sein kann.

Grundsätzlich ergeben sich also 3 Behandlungsarten für Sauerstoff-Inhalationen mit unterschiedlichen Eingangs-Situationen oder Zielrichtungen: (1) die eigentliche Heil-Behandlung zur Unterstützung der Wundheilung, (2) wenn nötig, eine Erhaltungs-Behandlung mit verringerter Inhalations-Dauer nach Abheilen des Ulcus, sowie (3) eine prophylaktische (Präventiv-) Behandlung bei Hypoxie und drohendem Gewebe-Zerfall, um eine Ulzeration zu verhindern. Alle diese Behandlungen lassen sich (kostengünstig) zu Hause durchführen.

Die intermittierte O2-Inhalation ist möglicherweise für Altersheime von besonderem Interesse, wo es gilt, Prophylaxe gegen den Dekubitus, der durch eine Kompressions-Hypoxie verursacht wird, zu betreiben. Denn kapillarmikroskopisch nachweislich herrschen auch bereits in der Altershaut durch Verformungen der Kapillaren verschlechterte geometrische Diffusionsbedingungen für den Sauerstoff zu den Gewebezellen. Dies muss klinisch noch gezeigt werden.

Bongiovanni et al. berichten, dass sie an 231 Patienten zur Behandlung venöser Ulzera ebenfalls Sauerstoff mit Erfolg eingesetzt haben [11]. Neben einer konsequenten Therapie setzten sie das Bein mit der chronischen Wunde lokal unter 2,5–3,0 bar reinen Sauerstoff und ließen den Patienten gleichzeitig über 4 h täglich reinen Sauerstoff über eine Maske atmen; das Bein befand sich gleichsam in einer lokalen Sauerstoff-Überdruck-Kammer, was auch sehr aufwändig ist. Uns erscheinen 4 h täglicher systemischer und lokaler Sauerstoff-Behandlung am Stück mit Unterbindung der Beindurchblutung und dem folgenden Reperfusions-Schaden eine zu große oxidative Belastung des Organismus.

Schon beim Aufnahme-Befund haben wir bei unserem Patienten, neben der ausgeprägten Dermatoliposklerose, eine deutliche Rötung des gesamten kritischen Hautbereiches festgestellt (vergleiche Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Vorbehandler hatten dies als ekzematisiertes Erysipel klassifiziert. Mit der vollständigen Abheilung der Wunde war die Rötung verschwunden. Sie stellte sich jedoch mit der Verschlechterung der Sauerstoff-Situation bei geschlossener Haut wieder ein (vergleiche Abbildung 6 [Abb. 6]). Durch die Sauerstoff-Inhalation unter Verbesserung der Sauerstoff-Partialdrücke klang die Rötung dann wieder ab (vergleiche Abbildung 7[Abb. 7] ). Es liegt nahe, eine hypoxisch induzierte, nicht-bakterielle Entzündung anzunehmen. Falls dies zutrifft, wäre es ein weiterer Hinweis für eine anti-entzündliche Wirkung des Sauerstoffes, wie sie bereits beobachtet wurde (vergleiche [1]).

Dargestellt ist hier lediglich ein erfolgreicher Einzelfall, dennoch ergibt in diesem Fall die sehr lange Verlaufsbeobachtung und die unbeabsichtigten intra-individuellen Variationen, wie erörtert, eine erhebliche Erkenntnis-Sicherheit. Das neue Verfahren muss noch in weiteren Fallbeispielen und Fallserien erprobt und evaluiert werden. Dennoch können, wenn schwerwiegende Problemfälle in Form Therapie-resistenter, hypoxischer (praktisch anoxischer) Ulzerationen vorliegen, Therapeuten das Verfahren anwenden, weil es in der professionellen Hand praktisch risikolos ist. Im Übrigen fanden wir nach unseren Sauerstoff-Inhalationen bei M. von Ardenne [12] Spekulationen zur Wundheilung mit inhalativer Sauerstoff-Behandlung.

Wenn es gelungen ist, eine Therapie-resistente chronische Wunde mit dem neuen Verfahren zu schließen, müssen je nach Ursache schon während der Behandlung Maßnahmen gegen ein Rezidiv ergriffen werden. Vier Stufen (auch in Kombination) bieten sich an: (1) Hinweisen des Patienten auf Eigenfürsorge (z. B. Diät, Gewichtsreduktion, Bewegung), (2) konsequente Kompression (Binden, Stützstrümpfe) soweit sinnvoll, (3) gefäßchirurgische Sanierung und (4) eine dauernde intermittierte Sauerstoffinhalations-Therapie, wobei entsprechend der Ergebnisse dieses Falles unter Kontrolle des O2-Partialdrucks mit 2 x 1 h täglicher O2-Inhalation zu beginnen ist.

Es ist möglich, dass das beschriebene Verfahren der normobaren Sauerstoff-Inhalation sich auch bei Hypoxien anderer (innerer) Organe, wie Herz, Gehirn, Gehör oder hypoxischem Nierenversagen, erfolgreich anwenden lässt. Es liegt nahe, dies unter jeweils geeigneter Kontrolle zu versuchen. Denn zunächst gibt es keinen Gegengrund für eine metabolische und zelluläre Regeneration auch anderer Gewebe.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Barnikol WK, Teslenko A, Pötzschke H. Eine neue topische Behandlung chronischer Wunden mit Hämoglobin und Sauerstoff: Verfahren und erste Ergebnisse. Z Wundheilung. 2005;10(3):98-108.
2.
Barnikol WK, Pötzschke H. Heilung und Gewebe-Regeneration bei einer therapieresistenten, hypoxischen Bein-Ulzeration mit Hilfe von Hämoglobin und intermittierter systemischer normobarer Oxygenation. Z Wundheilung. 2006;11(4):170-6.
3.
Dissemond J, Körber A, Jansen T, Schneider LA. Sauerstoff in der Therapie des Ulcus cruris. Z Wundheilung 2005,10(6):252-6.
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Howlader MH, Smith PD. Correlation of severity of chronic venous disease with capillary morphology assessed by capillary microscopy. J Vasc Surg. 2006;43(3):563-9. DOI: 10.1016/j.jvs.2005.10.077 Externer Link
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Barnikol WK, Teslenko A, Pötzschke H, Voß W. Nachhaltige starke Steigerung der Elastizität und Hydratation der Haut mit Hilfe kosmetischer Lipoid-Formulierungen. J Prev Med. 2007;3:198-205.
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12.
von Ardenne M. Oxygen multistep therapy - physiological and technical foundations. Translated by Kirby P and Krüger W. Stuttgart, New York: Thieme; 1990.