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Ethik der expliziten Mittelallokation
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Published: | February 12, 2008 |
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Hintergrund
Die gerechtigkeitsethischen Aspekte der Mittelverteilung im Gesundheitswesen sind in allgemeiner Form bereits vielfach diskutiert. Noch fehlen aber konkrete Ansätze, die Allokation knapper medizinischer Ressourcen auf eine explizit-transparente und ethisch akzeptable Art und Weise unter Berücksichtigung von wissenschaftlicher Evidenz zur Effektivität und Kosteneffektivität zu regeln. Ein Modell der expliziten Mittelallokation sind gesetzlich verankerte kostensensible Leitlinien (KSLL). KSLL stellen als Instrumente einer expliziten Leistungsbegrenzung nur dann eine ethisch akzeptable Form der Verteilung knapper Mittel dar, wenn formale und materiale Gerechtigkeitskriterien berücksichtigt werden. Im Vortrag werden diese Kriterien als framework „Ethik der expliziten Mittelallokation“ systematisch vorgestellt und im Hinblick auf die Anwendung bei KSLL kritisch diskutiert.
Methoden
Das framework „Ethik der expliziten Mittelallokation“ unterscheidet zwischen formalen und materialen Gerechtigkeitskriterien. Diese Kriterien werden für die Gesundheitsversorgung allgemein und speziell für die KSLL inhaltlich konkretisiert.
Ergebnisse
Das framework „Ethik der expliziten Mittelallokation“ umfasst folgende formale ethische Kriterien: (a) Transparenz, (b) Konsistenz, (c) Legitimität, (d) Begründung, (e) Evidenzbasierung, (f) Partizipationsmöglichkeiten, (g) Minimierung von Interessenkonflikten, (h) Widerspruchsmöglichkeiten und (i) Regulierung. Hinzu kommen materiale Kriterien einer gerechten Mittelverteilung: (j) Medizinische Bedürftigkeit, (k) Erwarteter medizinischer Nutzen und (l) Kosten-Nutzen-Verhältnis. Als Metakriterium ist überdies der Evidenzgrad des erwarteten Nutzens, des Schadens und der Kosten zu berücksichtigen.
Schlussfolgerung/Implikation
Ethisch am ehesten vertretbar erscheint eine Kombination der drei materialen Verteilungskriterien. Zunächst sollte man auf solche Leistungen verzichten, die im Vergleich zur kostengünstigeren Alternative einen nur geringen Nutzengewinn bei erheblichen Zusatzkosten bieten. Bei fehlender Alternative sollten jedoch auch Leistungen mit einem ungünstigeren Kosten-Nutzen-Verhältnis finanziert werden, um „teure“ Patienten nicht vollständig von der medizinischen Versorgung auszuschließen. Die ethische Herausforderung besteht darin, das relative Gewicht der drei materialen Kriterien bei der Mittelverteilung zu bestimmen und bezüglich der zugrundeliegenden Evidenzqualität kritisch und transparent zu reflektieren. Hier ist eine begründete Abwägung im Einzelfall erforderlich.