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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Interkulturelle Kompetenz in der Facharztausbildung von Psychiatern in Deutschland: Ergebnisse einer Umfrage

Intercultural competence in the psychiatric training curriculum in Germany: Results of a survey

Forschungsarbeit/research article Humanmedizin

  • corresponding author Iris Tatjana Calliess - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Hannover, Deutschland
  • author Marc Ziegenbein - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Hannover, Deutschland
  • author Ludmilla Gosman - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Hannover, Deutschland
  • author Max Schmauß - Bezirkskrankenhaus Augsburg, Augsburg, Deutschland
  • author Mathias Berger - Universität Freiburg, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Freiburg, Deutschland
  • author Wielant Machleidt - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Hannover, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2008;25(3):Doc92

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/zma/2008-25/zma000576.shtml

Received: May 1, 2007
Revised: June 23, 2008
Accepted: June 24, 2008
Published: August 15, 2008

© 2008 Calliess et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Ziel der vorliegenden Studie ist die Erhebung des Status quo der Weiterbildungssituation in transkultureller Psychiatrie für den Facharzt in Psychiatrie und Psychotherapie in Deutschland.

Methodik: Es wurde ein semistrukturierter Fragebogen mit 30 Fragen (davon 28 strukturiert, 2 mit Freitextangaben) entwickelt, der sich an den „Local Survey of Realities in Transcultural Psychiatry“ der World Psychiatric Association (APA) anlehnt und für Deutschland modifiziert wurde. Dieser wurde an die Leiter aller psychiatrischen Weiterbildungsinstitutionen in Deutschland verschickt (n=450). Als psychiatrische Weiterbildungsinstitutionen wurden diejenigen klinischen Einrichtungen definiert, deren Leiter über eine Ermächtigung zur Facharztweiterbildung durch die Landesärztekammern verfügen. Der Rücklauf erfolgte nicht anonymisiert.

Ergebnisse: Die Rücklaufquote betrug 25,5% (Gesamt-N=114). In 71,7% der Weiterbildungsinstitutionen (n=81/113 gültige Fälle) wurden in der klinikinternen Weiterbildung Themen aus dem Gebiet der transkulturellen Psychiatrie selten oder gar nicht angesprochen. 83,3% der Weiterbildungsleiter (n=70/84 gültige Fälle) formulierten Bedarf an Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie für die jeweils eigene Institution, 94,5% (n=69/73 gültige Fälle) sahen den Bedarf grundsätzlich auch für das Curriculum der Facharztausbildung in Psychiatrie und Psychotherapie. Die am häufigsten genannten Themen betrafen eine allgemeine Schulung kultureller Kompetenz sowie kulturspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen.

Schlussfolgerungen: Im Rahmen der Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sind aktuell in keinem Bundesland entsprechende Inhalte aus dem Bereich der transkulturellen Psychiatrie verankert. Angesichts des formulierten Bedarfs muss die Implementierung eines entsprechenden Curriculums in die Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie diskutiert werden.

Schlüsselwörter: Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Weiterbildungsordnung, transkulturelle Psychiatrie, kulturelle Kompetenz, psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung von Migranten

Abstract

Background: This study was carried out to assess the situation of and the demand for specific training in transcultural psychiatry as part of the residency program in Germany.

Method: A semistructured questionnaire with 30 questions (28 structured, 2 open) was developed, for which the “Local Survey of Realities in Transcultural Psychiatry” of the World Psychiatric Association (APA) served as a model and was modified accordingly. This questionnaire was sent out to all directors of psychiatric training institutions in Germany (N = 450). The directors of official psychiatric training institutions are authorized for residency training by the state medical associations. The responses were not anonymous.

Results: The return rate was 25.5% (N = 114). In 71.7% of the training institutions (81 out of 113 valid cases), specific training in transcultural psychiatry occurred only rarely or not at all. 83.3% of the directors of psychiatric training institutions (70 out of 84 valid cases) reported a demand for training in transcultural psychiatry in their training institutions; in 94.5% of the cases, the directors of psychiatric training institutions (69 out of 73 valid cases) reported a need for transcultural issues as part of the official curriculum of the psychiatric residency program in Germany. The most frequently reported aspects were teaching of general cultural competence and of culture-specific issues in mental disorders.

Implications: Cultural aspects currently are not a mandatory part of the official training curriculum of the psychiatric residency training in Germany. With respect to the reported need for training in cultural issues of mental disorders, the implementation of transcultural psychiatry within the official curriculum of the psychiatric residency training in Germany should be discussed.

Keywords: Specialty of psychiatry, residency training curriculum, transcultural psychiatry, cultural competence, mental health care of immigrants


Einleitung

Psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung von Migranten und kulturelle Kompetenz

Im Zuge der Globalisierung und fortschreitenden Öffnung unserer Gesellschaft haben Migranten zunehmend Einzug in unsere psychiatrischen-psychotherapeutischen Versorgungssysteme gehalten [1]. Die Öffnung und Qualifizierung des Gesundheitssystems im Bereich der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung erfolgt mit dem Ziel, Migranten mit denselben hohen Qualitätsstandards und Heilerfolgen zu behandeln wie Nicht-Migranten [2]. Es gilt international die Empfehlung, Migranten in die bestehenden Strukturen des psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystems zu integrieren und die bestehenden Dienste zugänglich zu machen; die Einrichtung von Sonderdiensten und andere ausgrenzende Verfahren werden hingegen eher kritisch betrachtet [3], [4], [5]. Die Inanspruchnahme des psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystems in Deutschland von Migranten mit psychischen Störungen ist allerdings noch problematisch: nur etwa die Hälfte der seelisch erkrankten Migranten findet tatsächlich Zugang zum psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssektor unseres Gesundheitssystems [6], [7], [8].

Migranten erkranken gegenüber Nicht-Migranten mit einer in etwa vergleichbaren Häufigkeit an psychotischen Störungen, allerdings um ungefähr ein Drittel häufiger an so genannten Stresserkrankungen wie Anpassungsstörungen, Belastungsreaktionen, Angststörungen oder somatoformen Erkrankungen [9], [10], die sich in der Regel während der Phase der kritischen Anpassung oder Dekompensation im Migrationsprozess manifestieren [11]. Nach wie vor sind jedoch diagnostische Fehleinschätzungen bei Migranten weitaus häufiger als bei Nicht-Migranten [12]. Insbesondere die differentialdiagnostische Abwägung zwischen kulturspezifischen versus migrationsspezifischen Einflussfaktoren auf Pathogenese, Symptomatologie und Verlauf psychischer Störungen bei Migranten gestaltet sich meist besonders problematisch [13], [14].

Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und wenn ja, in welcher Form, transkulturelle Aspekte Inhalt der psychiatrisch-psychotherapeutischen Facharztausbildung in Deutschland sind. In Deutschland sind für alle Angelegenheiten ärztlicher Weiterbildung die Landesärztekammern als Körperschaften des Öffentlichen Rechts zuständig. Die von der Bundesärztekammer erarbeitete (Muster-)Weiterbildungsordnung hat für die Landesärztekammern nur empfehlenden Charakter. In der aktuellen (Muster-) Weiterbildungsordnung (Stand September 2007), die vom 106. Deutschen Ärztetag 2003 beschlossen wurde, finden sich keine curriculären Inhalte aus dem Bereich der transkulturellen Psychiatrie (http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/MWBO_28092007-1.pdf), ebenso wenig in den jeweiligen von den Landesärztekammern umgesetzten verbindlichen Weiterbildungsordnungen (http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=1.128.133). In den USA hingegen beschäftigte man sich bereits Ende der 1970er Jahre mit der Frage der Integration transkulturell-psychiatrischer Aspekte in bestehende Weiterbildungscurricula [15]. Von der American Psychiatric Association wurden mittlerweile curriculäre Weiterbildungsinhalte über kulturspezifische Aspekte seelischer Störungen sogar für einzelne Ethnien formuliert [16], [17]. In Europa ist die Situation heterogen: in Italien werden keine transkulturellen Aspekte während der psychiatrischen Weiterbildung thematisiert, transkulturelle Psychiatrie ist auch kein curriculärer Bestandteil der Weiterbildungsordnung. In Frankreich hat man die Möglichkeit im Sinne eines freiwilligen Angebots, sich über kulturspezifische Themen zu informieren, transkulturelle Aspekte sind jedoch kein offizieller Bestandteil der Weiterbildungsordnung. In Großbritannien werden transkulturelle Aspekte in der Weiterbildung berücksichtigt und sind auch offizieller Bestandteil der Weiterbildungsordnung (persönliche Mitteilungen der Präsidenten der nationalen psychiatrischen Assistentenvereinigungen innerhalb der European Federation of Psychiatric Trainees).

Auch wenn in Deutschland transkulturelle Aspekte kein offizieller Bestandteil der Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sind, so gibt es dennoch Gelegenheiten, sich bei Interesse im Rahmen der Facharztweiterbildung über kulturspezifische Themen zu informieren. Der Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) ist eine überregionale Möglichkeit hierzu, regionale gibt es viele.

Ziel der Studie

Um einen Überblick über den Stand der und den Bedarf an Weiterbildung auf dem Gebiet der transkulturellen Psychiatrie zu erhalten, wurde von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) eine Umfrage durchgeführt. Die Erhebung mittels semi-strukturiertem Fragebogen richtete sich an alle Leiter von psychiatrischen Weiterbilderinstitutionen in Deutschland. Als psychiatrische Weiterbildungsinstitutionen wurden diejenigen klinischen Einrichtungen definiert, deren Leiter über eine entsprechende Ermächtigung zur Facharztweiterbildung durch die Landesärztekammern verfügen. Ziel der Studie war die Erfassung des Status quo der und den Bedarf an Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie. Der der Studie zugrunde liegende Leitgedanke ist, dass Kultursensibilität in Zukunft zu den Kernkompetenzen eines Psychiaters gehören wird.


Methode

Die Umfrage basierte auf einem semistrukturierten Fragebogen, der sich an den „Survey on Local Realities in Transcultural Psychiatry“ der Sektion für Transkulturelle Psychiatrie der World Psychiatric Association (APA) anlehnt und für Deutschland modifiziert wurde (http://www.wpanet.org). Dieses eigens entwickelte Instrument (siehe Abbildungen 1-4 [Abb. 1], [Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4]) besteht aus insgesamt 30 Fragen und ist in 5 Teile gegliedert: Teil I (6 Fragen) bezieht sich auf migrantenspezifische Daten im Dokumentationssystem der Weiterbildungseinrichtung, Teil II (8 Fragen) auf die klinische Versorgung von Migranten in der jeweiligen Institution, Teil III (4 Fragen) auf den aktuellen Stand der Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie an der jeweiligen Weiterbildungseinrichtung, Teil IV (8 Fragen) auf Apekte außerklinischer Versorgungsmöglichkeiten von Migranten und Teil V (4 Fragen) zum einen auf die persönliche Einstellung der Weiterbilder hinsichtlich des Fachs transkulturelle Psychiatrie und zum anderen in einem offenen Antwortteil auf das Handlungswissen der jeweiligen Weiterbildungsinstitution sowie auf die subjektive Einschätzung des Weiterbildungsbedarfs in transkultureller Psychiatrie im Sinne einer Überzeugung für die Disziplin.

Die Stichprobe bestand aus a. allen psychiatrischen Universitätskliniken (Lehrstuhlinhaberkonferenz), b. allen Landeskrankenhäusern (Bundesdirektorenkonferenz) und c. allen psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern (Chefärzte/Abteilungsleiter), die die Gesamtheit der psychiatrisch-psychotherapeutischen Weiterbildungsinstitutionen in Deutschland ausmachen.

Der Fragebogen wurde an alle Leiter dieser psychiatrisch-psychotherapeutischen Weiterbildungsinstitutionen per Post verschickt (n=450); es wurden die aktuellen Verteiler der Fachgesellschaft genutzt. Die Verschickung erfolgte ohne Rückumschlag über die Hauptgeschäftsstelle der Fachgesellschaft. In einem Anschreiben wurden die jeweiligen Leiter der Kliniken um Beantwortung des Fragebogens gebeten mit dem Hinweis, dass dies ca. 15 Minuten in Anspruch nimmt. Die Beantwortung der Fragebögen erfolgte definitionsgemäß durch die Leiter der Weiterbildungseinrichtungen. Die Rücksendung erfolgte nicht anonym per Telefax oder auf dem Postweg. Die Adresse wurde am Ende des Fragebogens genannt. Es wurde eine Erinnerung durchgeführt, die postalisch im Abstand von 6 Monaten zur Erstversendung erfolgte.

Die Daten wurden mithilfe des Statistikprogramms SPSS (Version 14.0) ausgewertet. Die deskriptive Analyse bediente sich der gängigen Maße (Häufigkeiten, Mittelwert, Median, Standardabweichung). Für den Chi-Quadrat-Test wurde das Signifikanzniveau auf 5% festgelegt.


Ergebnisse

Die Rücklaufquote betrug n=114 (25,5%). Hiervon kamen 21,9% der Antworten aus Landeskrankenhäusern (n=23/105 gültige Fälle), 8,6% von psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern (n=9/105 gültige Fälle), 3,8% von Bezirkskrankenhäusern (n=4/105 gültige Fälle), 2,9% von Kreiskrankenhäusern (n=3/105 gültige Fälle) und 11,4% aus Universitätskliniken (n=12/105 gültige Fälle); 51,4% bleiben in der Zuordnung unklar (n=54/105 gültige Fälle).

Migrantenstatistik (klinikinternes Dokumentationssystem)

52,3% der Weiterbildungsinstitutionen verfügen über ein psychiatrisches Basisdokumentationssystem (n=57/109 gültige Fälle), mithilfe dessen Migranten statistisch erfasst werden können. Der prozentuale Migrantenanteil an der allgemeinen Patientenklientel beträgt im Mittel 9,34% (SD=9,14; 100 gültige Fälle). Die Art der Einrichtung (Kreis-, Bezirks-, Landeskrankenhaus, Abteilungspsychiatrie, Universitätsklinik) zeigt keine signifikante Korrelation zu dem prozentualen Migrantenanteil. Die durchschnittliche Behandlungsdauer (Tage/Jahr) von Migranten (M=31, SD=20,1) versus Nicht-Migranten (M=30,3, SD=19,4) unterschied sich nicht wesentlich (62 gültige Fälle). 87,2% der befragten Kliniken gaben an, Migranten der 1. Generation zu behandeln (n=95/109 gültige Fälle), 89,9% der befragten Kliniken Flüchtlinge und Asylanten (n=98/109 gültige Fälle), 85% der befragten Kliniken Migranten der 2. und 3. Generation (n=91/107 gültige Fälle) und 95,4% der befragten Kliniken Spätaussiedler (n=104/109 gültige Fälle) (Mehrfachnennung).

97,3% der befragten Kliniken gaben an, dass sie Migranten aus Osteuropa behandeln (n=107/110 gültige Fälle), 91,8% der befragten Kliniken Migranten aus dem Balkan (n=101/110 gültige Fälle), 87% der befragten Kliniken Migranten aus der Türkei (n=94/108 gültige Fälle), 78,6% der befragten Kliniken Migranten aus Südeuropa (n=77/98 gültige Fälle) und 64,3% der befragten Kliniken Migranten aus den Arabischen Ländern (n=63/98 gültige Fälle) gefolgt von Einzelnennungen bezüglich anderer Kulturkreise (Mehrfachnennung).

Klinische Versorgung (Angaben der Weiterbildungsleiter)

Einen Überblick aus Sicht der Weiterbildungsleiter (110 gültige Fälle) über die Verfügbarkeit von anamnestischen Angaben bei Migranten in ihrer Klinik zu den Aspekten psychiatrische Krankengeschichte (66,4%; n=73), Familienanamnese (65,5%; n=72), Biographie (73,6%; n=81) und Migrationsprozess (47,3%; n=52) (Mehrfachnennung) gibt Abbildung 5 [Abb. 5].

Verständigungsprobleme bei der klinischen Versorgung von Migranten in ihrer Klinik gaben 78,6% (n=88) der befragten Weiterbildungsleiter an (15,2% nein (n=17); 6,3% unklar (n=7)) (112 gültige Fälle).

Folgende Möglichkeiten zur Überwindung der Sprachbarriere in ihren Kliniken wurden von den Weiterbildungsleitern genannt (Mehrfachnennung):

  • Professionelle, psychiatrisch geschulte Dolmetscherdienste: 39,4% (n=41/104 gültige Fälle)
  • Allgemeine Dolmetscherdienste: 75,2% (n=76/101 gültige Fälle)
  • Mitarbeiter aus anderen Kulturkreisen: 87,2% (n=95/109 gültige Fälle)
  • Mitarbeiter des eigenen Kulturkreises mit Fremdsprachenkenntnissen: 85,3% (n=93/109 gültige Fälle)
  • Familienangehörige: 90,2% (n=101/112 gültige Fälle)

Diagnostische Schwierigkeiten bei der Behandlung von Migranten gaben 60,2% (n=68) der befragten Kliniken an, 27,4% (n=31) verneinten dies, bei 12,4% (n=14) der befragten Kliniken blieb es unklar (113 gültige Fälle).

Diagnostische Schwierigkeiten im Einzelnen wurden in erster Linie bei dem Erkennen kulturabhängiger Syndrome (77,7% der befragten Kliniken, n=80/103 gültige Fälle), bei Ausdrucksformen psychischer Erkrankungen in anderen Kulturkreisen (76,2%, n=77/101 gültige Fälle) und dem Differenzieren migrationsspezifischer Störungen (74,8%, n=77/103 gültige Fälle) genannt. Interaktionsprobleme wurden in 60,4% der befragten Kliniken benannt (n=61/101 gültige Fälle). Zeitprobleme bestanden bei 46,5% der befragten Kliniken (n=47/101 gültige Fälle). Das Erkennen transkulturell universell gültiger Kernsymptome wurde lediglich in 41,8% der befragten Kliniken (n=41/98 gültige Fälle) als diagnostische Schwierigkeit benannt (Mehrfachantworten).

Einige Weiterbildungsleiter (n=29) haben die vorhergehende Frage nach diagnostischen Schwierigkeiten bei der Behandlung von Migranten in ihrer Klinik mit „nein“ (n=15) oder „unklar“ (n=14) beantwortet, bei der Frage nach diagnostischen Schwierigkeiten im Einzelnen dann folgendermaßen geantwortet: Differenzieren migrationsspezifischer Störungen (65,5%, n=19/29 gültige Fälle), Ausdrucksformen psychischer Erkrankungen in anderen Kulturkreisen (64%; n=16/25 gültige Fälle), Erkennen kulturabhängiger Syndrome (60,7%; n=17/28 gültige Fälle), Erkennen transkulturell universell gültiger Kernsymptome (45,8%; n=11/24 gültige Fälle), Zeitprobleme (42,3%; n=11/26 gültige Fälle), Interaktionsprobleme (34,6%; n=9/26 gültige Fälle).

18,6% der Befragten gaben an, über spezifische diagnostische Methoden in der Arbeit mit Migranten zu verfügen (n=19/102 gültige Fälle). Als spezifische diagnostische Methoden wurden hauptsächlich Kulturmediatoren genannt, sei es durch Inanspruchnahme von Mitarbeitern aus fremden Kulturkreisen oder fremdsprachigen Mitarbeitern mit spezifischem kulturellem Hintergrundwissen oder durch Konsultation von sog. „key persons“ aus der Migrantenpopulation selbst. Vereinzelt kommen psychodiagnostische Testverfahren in der jeweiligen Muttersprache des Migranten zum Einsatz.

58,2% (n=64) der befragten Weiterbildungsinstitutionen bejahen Probleme im therapeutischen Umgang mit Migranten in den Kliniken, 22,7% (n=25) verneinen dies, für 19,1% (n=21) bleibt es unklar (110 gültige Fälle).

Hinsichtlich therapeutischer Schwierigkeiten im Einzelnen wurden unterschiedliche Erwartungshaltungen von Arzt und Migrant (78,6%; n=81/103 gültige Fälle), unterschiedliche Krankheitsmodelle (76,7%; n=79/103 gültige Fälle) und Umsetzen einer therapeutischen Strategie (73%; n=73/100 gültige Fälle) am häufigsten von den Kliniken genannt, gefolgt von Allgemeiner kultureller Ferne (61,9%; n=60/97 gültige Fälle) und Erarbeiten einer therapeutischen Strategie (58%; n=58/100 gültige Fälle) (Mehrfachnennung).

Wiederum haben einige Weiterbildungsleiter (n=30) die vorhergehende Frage nach Problemen im therapeutischen Umgang mit Migranten in ihrer Klinik mit „nein“ (n=11) oder „unklar“ (n=19) beantwortet, bei der Frage nach Problemen im Einzelnen dann folgendermaßen geantwortet: unterschiedliche Erwartungshaltungen von Arzt und Migrant (80%; n=24/30 gültige Fälle), unterschiedliche Krankheitsmodelle (76,7%; n=23/30 gültige Fälle), Allgemeine kulturelle Ferne (70,4%; n=19/27 gültige Fälle), Umsetzen einer therapeutischen Strategie (67,9%; n=19/28 gültige Fälle), und Erarbeiten einer therapeutischen Strategie (63%; n=17/27 gültige Fälle).

Stand der klinikinternen Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie (Angaben der Weiterbildungsleiter)

In der klinikinternen Weiterbildung wurden unter den befragten Kliniken Themen aus dem Gebiet der transkulturellen Psychiatrie häufig (2,7%; n=3), mittel (25,7%; n=29), selten (54,0%; n=61) oder gar nicht (17,7%; n=20) angesprochen (113 gültige Fälle).

In den Weiterbildungsinstitutionen (n=58), in denen im klinikinternen Weiterbildungscurriculum Themen aus dem Gebiet der transkulturellen Psychiatrie offiziell verankert sind, belief sich der zeitliche Umfang im Mittel auf 8,93 Std./Jahr (SD 15,8).

Wenn transkulturelle Thematik als Weiterbildungsinhalt vermittelt wird, findet dies mehrheitlich mithilfe der gängigen didaktischen Mittel statt, und zwar in Form von klinischer Supervision (70,3%; n=71/101 gültige Fälle), Kasuistiken (79,6%; n=82/103 gültige Fälle) und Seminaren, Vorträgen oder Referaten (74,5%; n=76/102 gültige Fälle). In wenigen Einzelfällen sind transkulturelle Themen Inhalte von patientenzentrierter Selbsterfahrung.

Stellenwert der transkulturellen Psychiatrie für die Facharztausbildung und für das Fach Psychiatrie grundsätzlich (Angaben der Weiterbildungsleiter)

52% (n=57) der Weiterbildungsleiter erachten transkulturelle Psychiatrie als Weiterbildungsbestandteil für die Facharztprüfung als sehr wichtig bis eher wichtig, 48% (n=53) erachten das als eher nicht wichtig bis überhaupt nicht wichtig (110 gültige Fälle) (siehe Abbildung 6 [Abb. 6]). Eine Korrelation mit verschiedenen Kliniktypen aufgeschlüsselt nach Universitätsklinika vs. periphere Häuser ergab sich hierbei nicht.

Die Bedeutung transkultureller Aspekte für das Fach Psychiatrie grundsätzlich wird von den Weiterbildungsleitern in 11,8% (n=13) als gering, in 69,1% (n=76) als mittelgradig und in 19,1% (n= 21) als hoch eingeschätzt (110 gültige Fälle).

Das Interesse am Einfluss kultureller Faktoren auf psychiatrisch-psychotherapeutische Prozesse unter den Weiterbildungsleitern ist in 10,8% (n=12) gering, in 45,9% (n=51) mittel und in 43,2% (n=48) hoch (111 gültige Fälle).

Bedarf an Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie aus Sicht der Weiterbildungsleiter

1. Bedarf in der jeweils eigenen Weiterbildungsinstitution

Die Angaben stellen eine qualitative Analyse aller Antworten dar, die in Form von Freitextkommentaren im Fragebogen angegeben wurden. Von 114 ausgefüllten Formularen lagen zu der Frage „Welchen Bedarf an Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie sehen Sie an Ihrer Klinik?“ 84 auswertbare Antworten vor. Im ersten Schritt wurde nach „Bedarf generell vorhanden/nicht (oder nur marginal) vorhanden“ kodiert. Von den Weiterbildungsleitern (84 gültige Fälle) sahen 16,7% keinen oder nur einen marginalen (n=14) Bedarf an Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie für ihre Einrichtung, 83,3% (n=70) formulierten einen Bedarf, der im zweiten Schritt mithilfe von Clusterbildung hinsichtlich der inhaltlichen Vorstellungen weiter präzisiert wurde. Diesbezüglich gab es 60 Einzelnennungen, 7 Zweifachnennungen und 3 Dreifachnennungen (Gesamt=83 Nennungen). Diese betreffen:

1.
allgemeiner Schulung kultureller Kompetenz durch Wissensvermittlung über Sitten, Religionen und Bräuche von für die jeweilige Klinik besonders relevanten Ethnien: 21 Nennungen;
2.
Kulturspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen (Erscheinungsformen psychischer Störungen in anderen Kulturen, kulturgebundene Syndrome, kulturelle Erklärungsmodelle von Krankheit): 19 Nennungen;
3.
Lehrmethoden (Fall- und Teamsupervision, Intervision, externe Referenten, aktuelle Literatur, Informationsquellen, Weiterbildungscurricula): 18 Nennungen;
4.
Migrationsspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen (Genese, Diagnostik, Therapie): 8 Nennungen;
5.
Besonderheiten der Interaktion zwischen Arzt und Migrant: 5 Nennungen;
6.
Angaben über zeitliche Vorstellungen hinsichtlich des Bedarfs: 5 Nennungen;
7.
Sprachprobleme, Dolmetschereinsatz: 4 Nennungen;
8.
Kooperationen (national/international mit Experten, spezialisierten Einrichtungen): 3 Nennungen

2. Bedarf für die Facharztausbildung generell

Die Angaben stellen eine qualitative Analyse aller Antworten dar, die in Form von Freitextkommentaren im Fragebogen angegeben wurden. Von 114 ausgefüllten Formularen lagen zu der Frage „Welchen Bedarf an Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie sehen Sie grundsätzlich für die Facharztausbildung in Psychiatrie und Psychotherapie?“ 73 Antworten vor. Im ersten Schritt wurde nach „Bedarf generell vorhanden/nicht (oder nur marginal) vorhanden“ kodiert. Von den Weiterbildungsleitern (73 gültige Fälle) sahen 5,5% keinen oder nur einen marginalen (n=4) Bedarf an Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie für die Facharztausbildung in Psychiatrie und Psychotherapie generell, 94,5% (n=69) formulierten einen Bedarf, der im zweiten Schritt mithilfe von Clusterbildung hinsichtlich der inhaltlichen Vorstellungen weiter präzisiert wurde.

Diesbezüglich gab es 61 Einzelnennungen, 5 Zweifachnennungen und 3 Dreifachnennungen (Gesamt=80 Nennungen). Diese betreffen:

1.
allgemeiner Schulung kultureller Kompetenz durch Wissensvermittlung über Sitten, Religionen und Bräuche von für die jeweilige Klinik besonders relevanten Ethnien: 39 Nennungen;
2.
Kulturspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen (Erscheinungsformen psychischer Störungen in anderen Kulturen, kulturgebundene Syndrome, kulturelle Erklärungsmodelle von Krankheit): 10 Nennungen;
3.
Angaben über zeitliche Vorstellungen hinsichtlich des Bedarfs: 8 Nennungen;
4.
Migrationsspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen (Genese, Diagnostik, Therapie, Grundlagen des Migrationsprozesses und rechtliche Gegebenheiten): 6 Nennungen;
5.
Lehrmethoden (Fall- und Teamsupervision, externe Referenten, aktuelle Literatur und Informationsquellen, Austauschprogramme (gefördert durch die Fachgesellschaft): 6 Nennungen;
6.
Verankerung als Curriculum in der Weiterbildungsordnung: 6 Nennungen;
7.
Besonderheiten der Interaktion zwischen Arzt und Migrant: 2 Nennungen;
8.
Sprachprobleme, Dolmetschereinsatz: 2 Nennungen;
9.
kulturspezifische Aspekte von Psychotherapie: 1 Nennung.

Diskussion

Limitationen dieser Studie liegen in erster Linie in einer geringen Rücklaufquote, aufgrund derer die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse deutlich relativiert werden muss. Angesichts des geringen Rücklaufs muss diskutiert werden, ob möglicherweise diejenigen Institutionen, die die Versorgung von Migranten für relevant erachten, vermehrt geantwortet haben. Des Weiteren konnten aufgrund der zu geringen Stichgröße keine soziodemographischen (Stadt/Land, Ballungsräume) und geographischen (neue/alte Bundesländer, Regionen) Korrelationen erstellt werden. Mit diesen Einschränkungen lassen sich die Ergebnisse wie folgt interpretieren.

Der prozentuale Migrantenanteil an der allgemeinen Patientenklientel beträgt im Mittel 9,34%. Dies entspricht näherungsweise dem epidemiologisch geschätzten Anteil von Migranten an der Gesamtbevölkerung in Höhe von 10-15 %, womit sich in dieser Studie für den stationären Bereich der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung von Migranten die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturkreisen in etwa abbilden [2]. Einschränkend muss deutlich gemacht werden, dass möglicherweise im Sinne einer systematischen Verzerrung vorrangig die Institutionen auf den Fragebogen geantwortet haben, für die Migrantenversorgung eher zum klinischen Alltag gehört.

Interessanterweise wurde hinsichtlich der Verfügbarkeit von anamnestischen Angaben bei Migranten in der jeweiligen Klinik im Rahmen der klinischen Versorgung aus Sicht der Weiterbildungsleiter (110 gültige Fälle) lediglich von etwa der Hälfte der Weiterbildungsleiter das Vorliegen von Informationen über den Migrationsprozess bejaht (47,3%; n=52). Dies könnte darauf hindeuten, dass die Differenzierung und Gewichtung migrationsspezifischer vs. kulturspezifischer Aspekte schwierig ist [14].

Verständigungsprobleme bei der klinischen Versorgung von Migranten in ihrer Klinik gab der überwiegende Teil der befragten Weiterbildungsleiter an, die sich nur zu bei einem kleineren Teil der befragten Kliniken mithilfe psychiatrisch geschulter, professioneller Dolmetscher lösen lassen; weitaus am häufigsten geben die Weiterbildungsleiter an, dass Sprachbarrieren mithilfe dolmetschender Familienangehöriger gelöst werden, was den Standards der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung von Migranten nicht entspricht [5]. Ursächlich hierfür könnten neben einer Verfügbarkeit entsprechender Dienste u. a. auch Probleme mit der Kostenübernahme sein [18].

Diagnostische und therapeutische Schwierigkeiten bei der Behandlung von Migranten mit seelischen Störungen bejahen jeweils deutlich über die Hälfte der befragten Weiterbildungsleiter. In knapp dreiviertel der befragten Weiterbildungsinstitutionen werden jedoch Themen aus dem Gebiet der transkulturellen Psychiatrie im klinikinternen Weiterbildungscurriculum nur selten oder gar nicht angesprochen. Entsprechend formuliert die überwiegende Mehrheit der Weiterbildungsleiter einen Bedarf an Weiterbildung in transkultureller Psychiatrie für ihre Klinik; der am häufigsten genannte Bedarf betrifft eine allgemeine Schulung kultureller Kompetenz, kulturspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen einschl. kultureller Erklärungsmodelle und geeignete Lehrmethoden sowie Lehrmaterial. Ebenfalls für die psychiatrisch-psychotherapeutische Facharztausbildung grundsätzlich formuliert die überwiegende Mehrheit der Weiterbildungsleiter einen Bedarf; hier stehen zahlenmäßig ebenfalls eine allgemeine Schulung kultureller Kompetenz und kulturspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen einschl. kultureller Erklärungsmodelle im Vordergrund gefolgt von Angaben über zeitliche Vorstellungen der Verankerung in der Weiterbildungsordnung.

Im Vergleich zu dieser Situation in Deutschland stellt sich die Situation insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum anders dar. Sowohl in USA als auch in Großbritannien sind kultur- und migrationsspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen Teil der praktischen Ausbildung in den Weiterbildungseinrichtungen und fester curricularer Bestandteil der Weiterbildungsordnungen [15], [16], [17], (http://www.psych.org und http://www.rcpsych.ac.uk/docs/Appendix%201%20-%20Syllabic%20content07.doc). Über die Hintergründe, die in Deutschland dazu geführt haben, dass - anders als in den USA und Großbritannien – kultur- und migrationsspezifische Aspekte bislang nicht curricularer Gegenstand der Weiterbildungsordnungen sind. lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise ist dieser Sachverhalt darauf zurückzuführen, dass in dem psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystem in Deutschland im Gegensatz zu USA oder Großbritannien seelisch erkrankte Migranten erst seit kürzerer Zeit zahlenmäßig einen bedeutsameren Anteil ausmachen [1], [3], [5].


Schlussfolgerungen

In der vorliegenden Studie wurde von der überwiegenden Zahl der Weiterbildungsleiter einerseits ein Bedarf an Weiterbildung auf dem Gebiet der transkulturellen Psychiatrie formuliert, andererseits ein Defizit an tatsächlich stattfindender Weiterbildung konstatiert. Der Bedarf an Weiterbildung wurde insbesondere im Hinblick auf eine allgemeine Schulung kultureller Kompetenz als auch auf kulturspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen einschl. kultureller Erklärungsmodelle gesehen. Migrationsspezifische Aspekte wurden von den Weiterbildungsleitern seltener genannt, was u. U. darauf hinweisen könnte, dass hier Differenzierungsprobleme bestehen. In den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern in Deutschland sind kultur- und migrationsspezifische Aspekte seelischer Erkrankungen als fester Bestandteil bisher nicht vorhanden. Im angloamerikanischen Sprachraum hingegen sind Themen der transkulturellen Psychiatrie sowohl Teil der praktischen Ausbildung als auch als Curricula in den Weiterbildungsordnungen verankert.

Qualitätsstandards für die Behandlung von Migranten mit psychischen Erkrankungen in Deutschland sind bereits formuliert worden. Der nötige Wissenstransfer in die Weiterbildungsinstitutionen könnte u. U. verbessert werden. Ein adäquates Maß an Kulturkompetenz und –sensibilität scheint auf dem Hintergrund der demographischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und nicht zuletzt aus Gründen der Kosteneffizienz und des Qualitätsmanagements erforderlich. Die zentrale Basis hierzu scheint eine curriculare Verankerung der kultur- und migrationsspezifischen Einflussfaktoren auf seelische Störungen und deren psychodynamische und therapeutische Prozesse in ihrem gleichberechtigten Stellenwert neben dem biopsychosozialen Bedingtheitsgefüge während der ärztlichen Aus- und Weiterbildung zu sein.


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