gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Qualitätssicherung und -entwicklung der hochschulischen Aus- und Weiterbildung in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften*

Quality assurance and development of higher education in medicine and health sciences

Kommentar/Hypthese Humanmedizin

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GMS Z Med Ausbild 2007;24(1):Doc69

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/zma/2007-24/zma000363.shtml

Received: October 23, 2006
Published: February 16, 2007

© 2007 von Troschke.
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Zusammenfassung

Qualitätssicherung hat in der Medizin eine lange Tradition, die insbesondere ihrem besonderen gesellschaftlichen Auftrag geschuldet ist. Die Medizinischen Fakultäten in Deutschland haben sich schon relativ früh mit Fragen der Hochschuldidaktik befasst, Ansätze zur Qualitätssicherung in der Lehre entwickelt und Reformkonzepte erprobt. Im Kontext der Umsetzung der erst im Jahr 2002 von Gesetzgeber vorgegebenen Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) und der aktuellen Strukturveränderungen an den Universitätskliniken ist die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den neuen BA/MA-Studienkonzepten gering. Aufbauend auf einer kritischen Analyse der vorliegenden Daten und (Akkreditierungs)-Erfahrungen werden erfolgversprechende Ansätze zur Qualitätsverbesserung von Studiengängen in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften aufgezeigt.

Schlüsselwörter: Medizinstudium, Qualitätssicherung der Lehre, Bologna-Prozess, Akkreditierung, Studienreform

Abstract

Quality management has a strong tradition in medicine because of its special responsibility to society. In Germany, medical schools began addressing issues of didactics at a relatively early date, developing new approaches to quality assurance in teaching and concepts for reforming medical education. However, due to the licensing regulations for doctors (Approbationsordnung für Ärzte, ÄAppO), which took effect in 2002, and the current structural changes in university clinics and hospitals, the new B.A. and M.A. study programmes have been met with little interest. Potentially successful approaches for improving the quality of study programmes in medicine and health care that are based on a critical analysis of data and (accreditation) experience will be discussed in this article.

Keywords: Medical education, quality assurance in teaching, Bologna process, accreditation, study reform


Einleitung

Beginnen wir mit einem Zitat: "Das wissenschaftliche Studium an unseren Hochschulen baut heute auf unzureichenden Voraussetzungen auf und führt vielfach zu unzureichenden Erfolgen. Es wird weithin in einer Weise betrieben, die weder die Anforderungen an die Ausbildung des Studenten erfüllt, noch den Aufgaben und Leistungsansprüchen der Hochschule selbst gerecht wird.“ Das Zitat stammt aus einem Gutachten einer Kommission des VDS mit der zeitlich und inhaltlich gesehen die hochschuldidaktische Diskussion in Deutschland begann. Das Erscheinungsjahr war 1962, das Jahr in dem ich mein Medizinstudium begonnen habe. Die Entwicklung der Hochschuldidaktik war in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts außerordentlich dynamisch und führte dazu, dass im Januar 1970 in Hamburg der Arbeitskreis für Hochschuldidaktik in Zusammenarbeit mit dem hochschuldidaktischen Ausschuss der Bundesassistenten-Konferenz und dem Hochschulinformationssystem (HIS) eine Tagung durchführte und anschließend veröffentlicht, in der es um Organisationsmodelle für eine Institutionalisierung der Hochschuldidaktik in Deutschland ging [6]. Insgesamt 12 Modelle wurden diskutiert, u.a. das eines Zentralinstitutes. Allgemeine Leitsätze wurden veröffentlicht, nach denen die Hochschuldidaktik eine Aufgabe ist, die sich nach wissenschaftlichen Prinzipien richtet und Wissenschaft selbst zum Gegenstand hat [4]. In diesem Band findet sich auch ein Beitrag von Hannes Kapuste, dessen, mit Mitteln der Volkswagenstiftung unterstütztes Institut für Ausbildungsforschung in München wesentlich zur Einführung von Multiple-Choice-Prüfungen im Medizinstudium beigetragen hat. Eine Grundlage dafür war die von ihm durchgeführte Befragung von Medizinstudenten "Interviews in Ixburg“, an der ich als Interviewer beteiligt war. Nach meinem Staatsexamen begann ich meine Karriere als Medizinsoziologe an der Reformuniversität Ulm; damals eines der Zentren medizindidaktischer Diskussionen in Deutschland. An der A.-L.-Universität in Freiburg haben wir dann schon in den siebziger Jahren begonnen, alle Lehrveranstaltungen zu evaluieren und neue Unterrichtsformen einzuführen. Im Rückblick kann ich feststellen, dass hochschuldidaktische Fragestellungen mein Berufsleben begleitet haben.


Aussagen

Derzeit sind für die Medizinischen Fakultäten andere Probleme vorrangig

Wir alle wissen: auch die beste Botschaft hat - wenn sie zum falschen Zeitpunkt kommt - keine Chance ernst genommen zu werden. Das gilt für die Qualitätssicherung ebenso wie für die Gesundheit, von der gesagt wird, dass sie den höchsten aller Werte in unserer Gesellschaft repräsentiert. Dazu gibt es eine gute Karikatur. Sie zeigt eine Gruppe junger Menschen in der Pause auf dem Schulhof. Eine Sprechblase visualisiert die Antwort eines der Schüler an den Betrachter des Bildes. Der Schüler sagt: "Ich habe Zoff mit meinem Vater, mein Taschengeld reicht nicht, meine Freundin hat mich verlassen und ich habe gerade eine 5 in Mathe gekriegt und dann kommen Sie mit Ihren Ratschlägen zu Gesundheitsförderung und das noch in der Pause!“ Vergleichbar könnte man für eine Gruppe von Klinikprofessoren in der Pause auf einer Konferenz zur Einführung der DRG's formulieren: "Wir wissen nicht, wie wir die gestiegenen Ärztegehälter finanzieren sollen, ich muss dringend Drittmittel einwerben und meine Impactfaktoren erhöhen, der Studiendekan fordert die Einhaltung der Lehrdeputate und die Umsetzung der neuen Approbationsordnung, die Ergebnisse der Lehrevaluation durch die Studenten sind unbefriedigend, die Assistenten wollen lieber forschen als lehren und dann kommen Sie mit Ihren Ratschlägen zur Umsetzung des Bologna-Prozesses im Medizinstudium!“ Der Zeitpunkt zur Diskussion weitergehender Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -entwicklung im Medizinstudium ist derzeit ungünstig.

Qualitätssicherung hat Tradition in der ärztlichen Profession

Hinzu kommt, dass die ärztliche Profession - wie keine andere - auf eine lange Tradition erfolgreicher Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung zurückblicken kann. Schon frühzeitig bestand ein staatliches Interesse an der Regelung der ärztlichen Berufsausübung. Richtungsweisend für die Entwicklung der Medizin in Europa wurden die Bemühungen einer Ärztegruppe auf der griechischen Insel Kos, die sich u.a. durch die Aufstellung einer eigenständigen Berufsethik von den anderen Gesundheitsberufen abzugrenzen suchte. Die Medizingeschichte lässt sich auch als Prozess der Profilierung und zunehmenden Autonomie des Arztberufes beschreiben. Schon in den ersten Universitäten in Europa gab es Medizinische Fakultäten. Im Kontext der Entwicklung der naturwissenschaftlichen Medizin gelang es den Ärzten im 19. Jahrhundert, ein staatliches Monopol zur Diagnose und Therapie von Krankheiten durchzusetzen und die Grundlagen für eine eigenständige gesetzlich geregelte Ausbildung und Approbation zu legen. So verwundert es nicht, dass der amerikanische Soziologe Talcott Parsons sich bei der Beschreibung der Professionen in der modernen Gesellschaft am Beispiel Arztberufes orientierte.

Die Bemühungen zur Qualitätssicherung im Medizinstudium in den letzten 40 Jahren können, im Vergleich zu anderen hochschulischen Berufsausbildungen, als vorbildlich bewertet werden.

In dem 1913 gegründeten Medizinischen Fakultätentag werden insbesondere seit 1995 fakultätsübergreifende Fragen der Umsetzung der Approbationsordnung diskutiert.

Die staatliche Ausbildungsordnung wurde seit 1970 im Kontext ausführlicher Reformdiskussionen neunmal novelliert.

Die mit der neuen Ausbildungsordnung von 1970 gestärkten psychosozialen Fächer in der Medizin haben sich von Anfang an um die Qualitätssicherung in der Lehre durch die Erarbeitung und Veröffentlichung von Lehrzielen sowie die Einrichtung von fächerübergreifenden Arbeitsgruppen zur Lehrevaluation bemüht. So hat z.B. eine Arbeitsgruppe Psychosoziales Curriculum im Sommersemester 1995 einen von der Havard Medical School adaptierten Fragebogen für den Unterricht in Allgemeinmedizin und den psychosozialen Fächern in einer Studie evaluiert, an der sich 56 Hochschullehrer und 1250 Medizinstudierende beteiligt hatten [11], [12].

In einem staatlichen Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) arbeiten fachkundige Sachverständige an der Erstellung und Aktualisierung von Gegenstandskatalogen sowie der kontinuierlichen Entwicklung von Multiple-Choice-Fragen für die bundesweit einheitlich durchgeführten medizinischen Staatsexamen.

Schon 1985 wurde von der Robert-Bosch-Stiftung ein Arbeitskreis Medizinerausbildung (sog. Murrhardter Kreis) gefördert, der 1989 eine richtungsweisende, intensiv diskutierte Stellungnahme über "künftige Anforderungen an den Arzt, Konsequenzen für die Ausbildung und Wege zur Reform“) vorlegte [10]. Diese Stellungnahme wurde 1995 grundlegend überarbeitet und hat die Überlegungen zur Reform der ärztlichen Ausbildung wesentlich beeinflusst.

Die im Jahr 2002 nach über siebenjähriger Diskussion vom Gesetzgeber beschlossene Ärztliche Approbationsordnung beschreibt erstmals ausführlich das zu erreichende Ausbildungsziel und die dazu verpflichtend vorgeschriebene Lehrveranstaltungen und Prüfungen. Danach ist das "Ziel der ärztlichen Ausbildung ... der wissenschaftlich und praktisch in der Medizin ausgebildete Arzt“. Nach der Beschreibung des Grundlagenwissens der für ärztliches Handeln erforderlichen allgemeinen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten und weiteren Grundkenntnissen und Grundlagen wird festgestellt: "Die Ausbildung soll auch Gesichtspunkte ärztlicher Qualitätssicherung beinhalten ...“ Die im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Verordnung legt fest: "Die Universität vermittelt eine Ausbildung, die den genannten Zielen entspricht und die es den Studierenden ermöglicht, die dazu erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, die in den in dieser Verordnung vorgesehenen Prüfungen gefordert werden“ [1] (BGBL, S. 2406). Darüber hinaus ist im §1 festgelegt: "Das Erreichen dieser Ziele muss von der Universität regelmäßig und systematisch bewertet werden.“

Die Qualität der ärztlichen Ausbildung wird in mehrfacher Weise mit gesetzlichen Vorgaben gesichert, durch:

  • die Festlegung des Zieles der ärztlichen Ausbildung mit einem, im einzelnen geregelten Studium der Medizin von 6 Jahren an einer Universität;
  • die Festlegung der von der Universität durchzuführenden Pflichtveranstaltungen;
  • die Verpflichtung der Universität zur regelmäßigen Evaluation der Lehrveranstaltungen, bezogen auf ihren Erfolg sowie zur regelmäßigen und systematischen Bewertung des Erreichens der in der ärztlichen Approbationsordnung vorgegebenen Ausbildungsziele;
  • durch bundeseinheitliche, schriftliche Staatsexamen, dessen Prüfungsfragen von berufenen Sachverständigen aus der Scientific Community festgelegt werden.

Damit sind sowohl interne wie externe Maßnahmen der Qualitätssicherung vorgegeben. Intern in Bezug auf die Verpflichtung der Medizinischen Fakultät zur Überprüfung der Wirkungen ihrer Lehrleistungen, extern mit der Durchführung einheitlicher, standardisierter, schriftlicher Prüfungen.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen für die Erprobung von Reformstudiengängen, die sich an internationalen Vorbildern orientieren (Privatuniversität Witten-Herdecke, Humboldt-Universität Berlin, LMU München, Universität Heidelberg).

Neue Unterrichtsformen (wie z.B. problemorientiertes Lernen in Kleingruppen sowie E-Learning-Programme) wurden entwickelt und erprobt.

Eine 1978 gegründete Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) (http://www.gesellschaft-medizinische-ausbildung.org) verfolgt als Ziel "die Förderung und Fortentwicklung“ von Lehre und Forschung auf dem Gebiet der medizinischen Ausbildung, insbesondere der ärztlichen Ausbildung (Medizinstudium) sowie der ärztlichen Weiter- und Fortbildung. Hierzu werden regelmäßig Kongresse durchgeführt, eine Internetzeitschrift herausgegeben und aktuelle Fragen der Qualitätsentwicklung in der Lehre erarbeitet. Derzeit hat die GMA 15 Ausschüsse u.a. "Medizinische Ausbildung und Bologna-Prozess“, "Prüfungen“, "Studienreformen“, "Qualitätsmanagement“.

Im Kontext der Einführung von W3-Professuren und der Entwicklung von Kriterien zur leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM) werden auch die Ergebnisse der an den Medizinischen Fakultäten regelmäßig durchgeführten Lehrevaluationen berücksichtigt.

In mehreren Bundesländern wurden Angebote zur medizindidaktischen Fortbildung von Hochschullehrern geschaffen. So haben in Baden-Württemberg 4 Universitäten einen Kooperationsvertrag zur Gründung eines Kompetenzwerkes "Lehre in der Medizin“ geschlossen unter Beteiligung der Kompetenzzentren E-Learning (Universität Ulm), Evaluation (Universität Freiburg), Hochschuldidaktik in der Medizin (Universität Tübingen), Praktisches Jahr in der Medizin (Universität Heidelberg) und Prüfungen (Universität Heidelberg). Das Kompetenznetz hat die Aufgabe die Voraussetzungen zur effektiven Verbesserung von Lehre und Prüfungen in der Medizin zu schaffen und zu gewährleisten sowie die Qualität der Lehre durch die Entwicklung von Leitlinien durch Zertifizierung und Einführung von Prüfsiegeln zu sichern.

Seit 2004 gibt es in Deutschland an der Universität Heidelberg ein Studienangebot zum "Master of Medical Education“ (MME-D), der inzwischen mit der 2. Kohorte erfolgreich durchgeführt wird.

Das Gesamt dieser Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -entwicklung geht z.T. über die vom Akkreditierungsrat als "wesentlich" bewerteten Kriterien für die Akkreditierung von Studiengängen hinaus.

Schwierigkeiten der Definition von Qualität

Der Anspruch der Qualitätssicherung und Entwicklung wird derzeit in vielen Bereichen unserer Gesellschaft mit hohem Engagement gestellt, wobei festzustellen ist, dass der Begriff Qualität in unterschiedlicher Weise verstanden und gebraucht wird. Der Amerikaner R.M. Pirsig [8] hat sich in seinem Buch "Zen oder die Kunst ein Motorrad zu warten“ am Beispiel der Rhetorik mit Fragen der Definierbarkeit von Qualität befasst. Dabei unterscheidet er 2 Zugänge vom Verständnis von Qualität. Einen, den er als "klassisch“ bezeichnet und der darin besteht, Merkmale und Kriterien zu bestimmen und einen anderen, den er als "romantisch“ bezeichnet, bei dem Qualität ganzheitlich erfasst wird, ohne dass man dafür Begründungen angeben könnte. "Man weiß, was es ist und weiß es doch nicht. Das ist ein Widerspruch an sich. Aber manche Dinge sind nun mal besser als andere, d.h. sie haben mehr Qualität. Will man aber definieren, was Qualität an sich ist, abgesehen von den Dingen, die sie besitzen, löst sich alles in Wohlgefallen auf. Es bleibt nichts übrig, worüber man sprechen könnte“ (S. 189). Diese zweite Qualität sieht er bei Kunstwerken gegeben, deren Qualität von Menschen mit hoher Übereinstimmung eingeschätzt werden kann. Die auf Nachfrage gelieferten Begründungen sind dagegen oft wenig überzeugend und weichen stark voneinander ab. Diese beiden Grundpositionen werden häufig als unvereinbar gegeneinander gestellt. Dabei spricht vieles dafür, dass es sich um 2 Seiten eines Phänomens handelt. Der gute Arzt hat Qualitäten, die man anhand von Kriterien messen kann (z.B. Fehlerquote bei medizinischen Eingriffen) und Qualitäten, die sich einer objektivierenden Messung entziehen (z.B. das Gefühl eines Patienten von seinem Arzt angenommen und verstanden zu werden).

Ulrich Teichler [13] hat in einem grundlegenden Beitrag 2006 zur Frage: "Was ist Qualität?“ die Komplexität, der mit diesem Ansatz zur Diskussion gestellten Probleme aufgezeigt. Dementsprechend dient seiner Meinung nach "der Begriff Qualität eher der Verunklarung als der Klarheitsgewinnung über Kriterien des Guten in Hochschule und Wissenschaft“. Die traditionelle Position wird von ihm mit der Aussage beschrieben: "Qualität ist das, was man nicht definieren kann, aber worüber alle übereinstimmen“ (S. 172), wobei er feststellt: "Das alte, naive Qualitätsverständnis wird zugleich entzaubert und immer wieder magisch berufen, weil kein sophistizierter Qualitätskonsens gelingt“ (S. 173).

Bezogen auf die Akzeptanz zur Entwicklung einer Evaluationskultur in Forschung und Lehre, sieht Teichler vielfältige Widerstände, die sich u.a. ergeben durch:

  • die geringe Akzeptanz von Vielfalt, (d.h. der Differenzierung von Hochschule und Wissenschaft),
  • die geringe Akzeptanz von vertikaler Differenzierung von Hochschulen und Wissenschaft, verbunden mit bewertenden Aussagen als "besser“ oder "schlechter“,
  • die geringe Akzeptanz von horizontaler Vielfalt im Sinne der Profilbildung von Hochschulen,
  • die geringe Akzeptanz ungleicher Lehrangebote im Medizinstudium,
  • und schließlich die Prägung von Qualitätsvorstellungen durch die Forschungsfunktionen der Universitäten, d.h. das Vorstellungen von der Qualität in der Forschung §oft auf Lehre und Studium übertragen werden“ (S. 182).

In seinen abschließenden Überlegungen stellt er fest, dass es auf dem Weg zu einer Evaluationskultur wichtig ist "eine Ideologiekritik des vorherrschenden Qualitätsdenkens zu betreiben und ein differenziertes Verstehen von Qualität unter allen Akteuren im Hochschulsystem zu fördern“ (S. 184). Es ist offenkundig, dass wir uns derzeit in einem Prozess befinden, in dem in den unterschiedlichen Handlungsfeldern ausgehandelt wird, was man unter Qualität verstehen soll, wie man diese messen kann und welche Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung effektiv und effizient genutzt werden können.

Unter Aspekten der Strukturprozess- und Ergebnisqualität lassen sich einige, meines Erachtens in der Diskussion bisher vernachlässigte Qualitätskriterien beschreiben (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Von entscheidender Bedeutung ist nicht nur die Kompetenz und das Engagement der Dozenten, sondern auch die Kompetenz sowie die Studien- und Berufsmotivation der Studierenden. Wie in jeder anderen Organisation auch hängen die Prozess- und Ergebnisqualität vor allem davon ab, inwieweit es gelingt, die vorhandenen, positiven Motivationen zu unterstützen und ein positives Studienklima zu generieren, das allen Beteiligten helfen kann, unvermeidbare Frustrationen positiv zu bewältigen.

Grundsätzlich ergeben sich bei der Diskussion von Fragen nach der Qualität Probleme der Messbarkeit. Bei der Beschreibung von Qualitätsanforderungen stellt sich die Frage nach den spezifischen Erwartungen unterschiedlicher Interessengruppen. Die Erwartungen des die Gesellschaft repräsentierenden Gesetzgebers müssen nicht unbedingt übereinstimmen mit den Erwartungen der ärztlichen Berufsverbände, der Professoren an den Medizinischen Fakultäten oder der Medizinstudenten. Sicherlich gibt es ein gemeinsames Vielfaches, bezogen auf die Vermittlung berufsrelevanter Kompetenzen. Dessen ungeachtet dominieren in der Praxis häufig Erwartungen, die sich aus den Interessen der jeweiligen Gruppen herleiten.

Akkreditierung von Studiengängen für Gesundheits- und Sozialberufe

Ein System zur Qualitätsentwicklung von Hochschulstudiengängen ist die Akkreditierung, die in Deutschland von der zu diesem Zweck eingerichteten Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen moderiert wird. Der Akkreditierungsrat erarbeitet und verabschiedet im Kontext internationaler Diskussionen Qualitätskriterien und macht diese für die von ihm akkreditierten Akkreditierungsagenturen verbindlich.

Die normativen Rahmenbedingungen für die Entscheidungen der Akkreditierungsagenturen wurden zuletzt am 22.06.2006 festgelegt. Danach muss die Akkreditierung eines Studienganges ausgesprochen werden, wenn die Qualitätsanforderungen erfüllt sind. Sie muss versagt werden, wenn wesentliche Qualitätsanforderungen nicht erfüllt sind und soll unter Auflagen ausgesprochen werden, wenn Qualitätsanforderungen unwesentlicher Art nicht erfüllt sind und zu erwarten ist, dass die beantragende Hochschule die Mängel in einer, von der Akkreditierungsagentur zu setzenden Frist von höchstens 18 Monaten behebt.

Das Fehlen einer Qualitätsanforderung ist wesentlich, wenn der Mangel von solcher Art ist, dass die Definition, die Regelung, bzw. das Fehlen von Studienzielen, Studienzugang, Curriculum, Lehrorganisation, Lehrgestaltung, Ressourcen oder Prüfung zu erheblichen Nachteilen für Studierende führen. Das Fehlen einer Qualitätsanforderung ist insbesondere in den Fällen unwesentlich, in denen formale Anforderungen nicht erfüllt sind.

Diese Vorgaben legen einerseits den Handlungsrahmen fest, erlauben aber andererseits den Agenturen, die jeweils gegebenen, spezifischen Bedingungen der zu beurteilenden Studiengänge in angemessener Weise zu berücksichtigen.

Bei der AHPGS (Akkreditierungsagentur für Studiengänge im Bereich Heilpädagogik, Pflege, Gesundheit und Soziale Arbeit) geschieht das in einem dreistufigen Qualitätssicherungsverfahren. Grundlage ist ein Akkreditierungsantrag, der von den Hochschulen nach einer vorgegebenen Gliederung zu erstellen ist. Dieser Antrag wird

1.
von der Geschäftsstelle, bezogen auf die Formalkriterien, geprüft. Sind diese erfüllt, wird
2.
eine Gutachterkommission berufen, die eine zweitägige Vor-Ort-Begutachtung durchführt und abschließend eine Empfehlung abgibt. Als letzte Instanz befasst sich
3.
die Akkreditierungskommission der AHPGS mit dem Antrag und fällt eine Entscheidung, die der Hochschule und dem Akkreditierungsrat mitgeteilt wird.

Aus dem Bereich der Medizin und der Gesundheitswissenschaften wurden von der AHPGS bisher 117 Studiengänge akkreditiert. Die Studiengangsbezeichnungen spiegeln die Dynamik der Entwicklung in den Gesundheitsberufen wieder (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

Postgraduiertenstudiengänge in den Gesundheitswissenschaften/Public Health

Im Rahmen eines Forschungsprogramms des Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und des Bundesministeriums für Gesundheit wurden von 1992 bis 1999 insgesamt 5 Forschungsverbünde zum Aufbau von Strukturen zur Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Gesundheitswissenschaften/Public Health mit Bundes- und Landesmitteln gefördert. Dabei wurden insgesamt 8 universitäre postgraduierte Studiengänge mit einer Ausbildungskapazität von ca. 300 Studienplätzen aufgebaut. Die zuständigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und die Deutsche Gesellschaft für Public Health (DGPH) haben sich von Anfang an in der Qualitätssicherung und -entwicklung engagiert; so wurden von Sachverständigengremien Qualitätsstandards für insgesamt 6 Themenbereiche erarbeitet und im Grundlagenstudium einheitlich angewandt. Regelmäßig wurden Verbleibsstudien durchgeführt, deren Ergebnisse zur Adjustierung der Studienprogramme genützt wurden [3]. Im Kontext des Bologna Prozesses sind die Studiengangverantwortlichen derzeit damit befasst, Akkreditierungen nach den Kriterien des Akkreditierungsrates vorzubereiten.

Die Situation der Studiengänge, die den Gesundheitswissenschaften zugeordnet werden können, ist mit der des Medizinstudiums nur bedingt vergleichbar. In Deutschland können die diesen Studiengängen zugeordneten Gesundheitsberufe nur auf Erfahrung in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum der Professionalisierung und Akademisierung aufbauen. Dementsprechend groß ist der innovative Charakter und die Verschiedenartigkeit der Studienangebote zur beruflichen Ausbildung in Bachelor- und konsekutiven Master-Studiengängen sowie in den zumeist berufsbegleitenden MA-Weiterbildungsstudiengängen. Dieser Nachteil konnte z.T. kompensiert werden durch ein hohes Engagement in der Umsetzung der Bologna-Kriterien bei der Konzeption der neuen Studiengänge.

Ein Kriterium der Akkreditierung ist, inwieweit die jeweilige Hochschule interne Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -entwicklung aufgebaut hat. Dabei zeigt sich, dass der Akkreditierungsprozess wesentlich dazu beitragen kann, dass die Hochschulen ihre Maßnahmen zur Qualitätssicherung systematisch überprüfen und weiter ausbauen. Allerdings ist festzustellen, dass die Möglichkeiten zur systematischen Evaluation bisher nur in Ansätzen genutzt werden. Dies gilt vor allem für Absolventenbefragungen.

Bisher hat keine der 36 Medizinischen Fakultäten in Deutschland ihr Medizinstudium auf Bachelor- und Masterabschlüsse umgestellt. Auch Ansätze zur Qualitätsverbesserung durch Modularisierung, ECTS und Kompetenzprüfungen gibt es bisher nur in Ansätzen. Dabei lässt sich feststellen, dass ungeachtet der Frage der Hochschulabschlüsse wesentliche Elemente des Bologna-Prozesses für die Verbesserung der ärztlichen Ausbildung genutzt werden könnten.

Strukturelle Barrieren zur Qualitätsentwicklung der Lehre an Medizinischen Fakultäten

Seit mehr als 20 Jahren wird diskutiert, dass die Organisation der medizinischen Ausbildung an den Medizinischen Fakultäten in Deutschland durch eine Reihe struktureller Barrieren behindert wird (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]).

Das professionelle Selbstverständnis der Medizinprofessoren an den Medizinischen Fakultäten ist i.d.R. vorrangig bestimmt durch klinische Kompetenzen und Erfolge in der Behandlung von Patienten sowie die darauf bezogen durchgeführten Forschungsarbeiten. Diese werden durch die Gesellschaft und die Scientific Community mit Statuszuweisungen honoriert. In Relation dazu wird den Aufgaben der Lehre eine nachgeordnete Bedeutung zugewiesen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass im Kontext der Erfolge der wissenschaftlichen Medizin eine vielfältige Spezialisierung stattgefunden hat, wodurch die Zahl der Fachgebiete kontinuierlich gestiegen ist. Die Fachvertreter erleben sich oft in Konkurrenz zu den anderen Fächern, wodurch eine Kooperation in der Lehre nicht unbedingt gefördert wird. Der aktuelle soziale Wandel in den Strukturen der Universitätskliniken mit der Dominanz betriebswirtschaftlicher Maximen muss sich ebenfalls negativ auf die Organisation der Lehre auswirken.

Die Kapizitätsverordnung (KapVO) schließlich führt dazu, dass die Fakultäten immer wieder Studierende aufnehmen müssen, die sich erfolgreich vor Gericht einen Studienplatz erklagt haben.

Ein besonderes Problem ist die Zentrierung der Lehre auf die Universitätskliniken und Lehrkrankenhäuser mit der weitgehenden Vernachlässigung der ambulanten medizinischen Versorgung, die nur ansatzweise in den Lehrveranstaltungen der Allgemeinmedizin eingebunden wird.

Einlösung des Ausbildungsziels einer Sozialisation für die ärztliche Berufsausbildung

Zur Beurteilung der Praxisrelevanz des Medizinstudiums liegen nur wenige Befragungen vor. In Zusammenarbeit mit den Landesärztekammern hat das Zentrum für Hochschulentwicklung (CHE) die bisher größte bundesweite Befragung von Absolventen der Medizin durchgeführt. Angeschrieben wurden alle Mediziner (ohne Zahnmedizin), die zwischen 1998 und 2003 ihre Approbation erhalten haben. Insgesamt konnten fast 5000 Fragebögen ausgewertet werden. Die meisten der Befragten standen seit 3 bis 5 Jahren im Berufsleben und arbeiteten in Krankenhäusern. Die im Juni 2004 veröffentlichte Untersuchung ist nicht nur interessant bezogen auf den Vergleich der Beurteilungen der Medizinischen Fakultäten in Deutschland. Zugrunde gelegt wurde eine Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (sehr schlecht) (siehe Tabelle 4 [Tab. 4]).

Nur 15% der Medizinischen Hochschulabsolventen gaben an durch das Studium "sehr gut“ oder "gut“ auf das Berufsleben vorbereitet zu sein.

Bei der Bewertung des Studiums fällt auf, dass die Organisation und der Ablauf von Prüfungen am besten bewertet werden, mit einem Mittelwert von 2,4. Der Forschungsbezug des Studiums wird mit 3,6 und der Berufs- und Praxisbezug des Studiums am schlechtesten mit 4,2 bewertet. Nach den Erfahrungen der Studierenden geht es im Medizinstudium offenkundig vor allem um das Bestehen von Prüfungen. Demgegenüber wird der Forschungsbezug des Studiums, d.h. der Anspruch der Einheit von Forschung und Lehre, relativ kritisch beurteilt. Der gesetzliche Auftrag der Ausbildung für die ärztliche Berufsausübung erhält die schlechteste Beurteilung, wobei die Medizinischen Fakultäten unterschiedlich bewertet werden.

Vergleicht man die Bewertung der Kompetenzvermittlung im Studium, dann wird die Vermittlung fachlichen Grundlagenwissens mit einem Durchschnittswert von 2,3 relativ gut, die der fächerübergreifenden Kompetenzvermittlung mit einem Durchschnittswert von 3,7 dagegen sehr viel schlechter beurteilt. Der Ausrichtung des Studiums entsprechend erhält die Vermittlung von Forschungskompetenzen eine Beurteilung von 3,9, die von Kompetenzen für praktische ärztliche Tätigkeiten dagegen nur einen Mittelwert von 4,4. Am schlechtesten wird die Vermittlung psychosozialer Kompetenzen mit einem Mittelwert von 4,5 bewertet. Die befragten Absolventen befanden sich seit einigen Jahren in der Berufspraxis und konnten somit beurteilen, ob und wie viel sie im Studium dafür gelernt hatten.

Die Ergebnisse werden grundsätzlich bestätigt durch eine im Jahr 2002 durchgeführte Fragebogenerhebung [7] bei 671 angehenden Ärzten, die an 7 deutschen Universitäten ihr drittes Staatsexamen abgeschlossen hatten und ihr Medizinstudium rückblickend bewerten sollten. "Nur ein gutes Drittel der angehenden Ärzte fühlte sich nach dem Abschluss des dritten Staatsexamens gut oder sogar sehr gut auf den klinischen Alltag vorbereitet. Die Befragten kritisieren vor allem die mangelnde Praxisorientierung des Medizinstudiums. Eklatante Defizite werden vor allem in der Vermittlung praktischer ärztlicher Fähigkeiten und psychosozialer Kompetenzen im Umgang mit dem Patienten gesehen." (siehe Tabelle 5 [Tab. 5])

In dem Maße, in dem das Studium der Medizin zu einer hochschulischen Berufsausbildung von Ärzten geworden ist, sind auch die Medizinischen Fakultäten gefordert, ihre Lehrangebote am Praxisbedarf der Gesundheitsversorgung auszurichten. Inwieweit die Umsetzung der neuen ÄAppO zur Verbesserung der Ergebnisse beiträgt, lässt sich erst dann klären, wenn die ersten Jahrgänge ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

Studienabbruchquoten als Qualitätsindikatoren

Die Studienabbruchquote wird definiert als Anteil der Studienanfänger eines Studienjahres, die das Studium beenden, ohne es mit einem Examen in einem Erststudium abzuschließen.

Zur Qualität eines Hochschulstudiums gehört auch die angemessene Beratung und Auswahl von Studienbewerbern sowie deren Betreuung während des Studiums, die als Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss gelten können. Das Hochschulinformationssystem HIS hat 2005 eine Studienabbruchstudie veröffentlicht, die die Absolventenjahrgänge 1999 und 2002 für verschiedene Fachgruppen miteinander vergleicht. Dabei konnte eine durchschnittliche Studienabbruchquote von 25% errechnet werden. Interessant ist der Vergleich der Absolventenjahrgänge sowie der männlichen und weiblichen Studierenden (siehe Tabelle 6 [Tab. 6]).

Das Medizinstudium hat traditionell die geringsten Studienabbruchquoten, wofür nach den Recherchen des HIS "Zulassungsbeschränkungen, transparente Studienstrukturen, hohe Studienmotivation und klare Berufsvorstellungen“ beitragen [5]. Demgegenüber scheinen sich „die Enttäuschungen im Studium über Studieninhalte, berufliche Möglichkeiten und auch über das eigene Leistungsvermögen ... in bestimmten Grenzen zu halten“ (S. 20). Auffallend ist eine Steigerung der Studienabbruchquote von 8 auf 11%, die im Kontext der aktuellen Deprofessionalisierungsdiskussion interpretiert werden könnte.

Teaching-Points als Maßstab für Lehrleistungen

Ein Minimalkriterium für die Lehrqualität ist die Durchführung von Lehrveranstaltungen durch die Dozenten bzw. deren Realisierung des Lehrdeputates. Traditionell werden die Lehrleistungen in Deutschland entsprechend den Lehrverpflichtungsordnungen für Hochschullehrer in Semesterwochenstunden (oder auch Lehrverpflichtungsstunden) gemessen [15]. Dabei wurde davon ausgegangen, dass an den Universitäten 28 Semesterwochenstunden und an Fachhochschulen 37 Semesterwochenstunden vorgegeben sind. Der zeitliche Aufwand für die Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen sowie die Durchführung zusätzlicher Lehraufgaben wie Prüfungen, Betreuung von Abschlussarbeiten oder Studierendenberatung wurde nicht gemessen.

Im Kontext des Bologna-Prozesses wurde die Input-Orientierung mit Präsenzzeiten in Form von Semesterwochenstunden abgelöst durch eine Output-Orientierung mit der Erfassung der zum Erlernen von Kompetenzen notwendigen studentischen Arbeitszeit (Study Workload), die mit Credit Points (ECTS) gemessen wird. Für die Hochschullehrer ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer Neuorientierung in der Messung der Lehrleistungen. Orientiert am Modell der von Studenten zu erwerbenden Credit Points hat das Zentrum für Hochschulentwicklung (CHE) im Oktober 2005 ein Konzeptpapier vorgelegt mit dem Vorschlag zur Einführung von Teaching Points als Maßstab für die Lehrleistungen von Dozenten. Diese neue Maßeinheit soll geeignet sein, individuelle Lehrleistungen zu vereinbaren und in ihrer Durchführung zu überprüfen. Bei der Berechnung der Teaching Points sollen neben der Präsenz bei Lehrveranstaltungen auch Vor- und Nachbereitungszeiten, Betreuungsleistungen sowie Prüfungen, bezogen auf verschiedene Lehrformen, Vorlesungen, Seminare, Praxiswochen, Projektarbeit E-Learning etc., berücksichtigt werden.

Wenn auch die Berechnung der Teaching Points im vorliegenden Arbeitspapier des CHE sicherlich einiger Korrekturen bedarf, so ist doch festzustellen, dass eine neue Form der Berechnung der Lehrleistungen von Professoren überfällig ist und geeignet sein könnte zur flexiblen und den jeweiligen Bedürfnissen und Interessen entsprechenden Lehrplanung auch an den Medizinischen Fakultäten.

Potenziale zur Qualitätsentwicklung im Medizinstudium

Aufbauend auf den vielfältigen Bemühungen zur Reform der ärztlichen Ausbildung und den Erkenntnissen im Kontext des Bologna-Prozesses bieten sich für die Medizinischen Fakultäten im Rahmen der geltenden Approbationsordnung Möglichkeiten zur Qualitätsentwicklung (siehe Tabelle 7 [Tab. 7]).

Entwicklungsmöglichkeiten bestehen bezogen auf:

1.
die Umstellung von einer Inputorientierung der Lehre (von fachbezogenen Inhalten) zu einer Outcomeorientierung (mit der Förderung kompetenzvermittelnder Lernprozesse);
2.
die Umstellung von der Konzeption von Lehrveranstaltungen durch Fachvertreter zur studiengangsbezogenen Konzeption und fächerübergreifenden Organisation von Modulen;
3.
die Vermittlung von Grundlagenkompetenzen durch die Entwicklung und Anwendung von Standardmodulen an allen Medizinischen Fakultäten;
4.
die Ermöglichung von Schwerpunktsetzungen und Spezialisierungen im Medizinstudium durch den Ausbau von Wahl-/Pflichtveranstaltungen und deren Beschreibung in einem Diploma supplement;
5.
die arbeitsteilige Organisation der Gesundheitsversorgung, die im Medizinstudium alle Möglichkeiten für gemeinsame Lehrveranstaltungen mit Studenten und Dozenten der anderen Gesundheitsberufe nutzen sollten;
6.
die konsequente Anwendung moderner Unterrichtsformen wie problemorientiertem Lernen (POL) und Blended E-Learning;
7.
die Stärkung der Orientierung der Ausbildung an der Praxis der ärztlichen Berufsausübung durch die konsequente Einbeziehung von Praxisvertretern mit versorgungsbezogenen Lehrveranstaltungen;
8.
jede Medizinische Fakultät sollte ein Alumni-Programm organisieren und regelmäßig repräsentative Befragungen bei den Absolventen durchführen;
9.
die fakultätsbezogene Umsetzung des Anspruches der Einheit von Forschung und Lehre durch die Beteiligung der Studierenden an den Forschungsarbeiten der Hochschule;
10.
an den Hochschulen sollten Evaluationsordnungen beschlossen werden, in denen die Maßnahmen zur regelmäßigen und systematischen Überprüfung des Erreichens der Ausbildungsziele verbindlich geregelt sind.

Zusammenfassend können wir feststellen, dass wir bei der Qualitätsentwicklung im Medizinstudium und den Gesundheitswissenschaften auf einen großen Bestand an Erfahrungen, Reformmodellen und Konzepten aufbauen können. Trotzdem bleibt noch viel zu tun.


Anmerkung

*Manuskript eines Vortrages auf der Tagung der Hochschulrektorenkonferenz zum Thema "Medizinerausbildung in Zukunft!? - Chancen und Herausforderungen nationaler und europäischer Entwicklungen in der Hochschulmedizin" am 06./07.10.2006 in Berlin.


Literatur

1.
Bundesgesetzblatt. 2002:Teil I, Nr. 44;2405-2435.
2.
Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Das Studium der Medizin. Eine Fachmonographie aus studentischer Sicht. Schriftenreihe. 1994;Band 118
3.
Dierks ML, Koppelin F. Public Health-Ausbildungsprofile und Berufsperspektiven in Deutschland. Freiburg: DKGW. 2004:Band 14.
4.
Feest J, Kapuste H. Interviews in Ixburg - Medizinstudenten und ihre klinische Ausbildung. München: Urban & Schwarzenberg; 1970.
5.
Hochschulinformationssystem. Studienabbruch Studie. Hannover: Hochschulinformationssystem; 2005.
6.
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