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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Möglichkeiten und Grenzen der Fragebogen-gestützten Erhebung von Soft skills als Zulassungskriterien zum Medizinstudium

Possibilities and limits of questionaire based soft skills evaluation as admission criteria for medical schools

Projekt Humanmedizin

  • author Cornelia Bucksch-Beudt - JWG-Universität Frankfurt/Main, Dekanat des Fachbereiches Medizin, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Anna Büchel - JWG-Universität Frankfurt/Main, Fachbereich Medizin, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Stefan Berkhoff - JWG-Universität Frankfurt/Main, Fachbereich Medizin, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Steffi Janko - JWG-Universität Frankfurt/Main, Fachbereich Medizin, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Andreas Kirchhoff - JWG-Universität Frankfurt/Main, Fachbereich Medizin, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Julia Kompatscher - Medizinische Universität Innsbruck, Fachbereich Medizin, Innsbruck, Österreich
  • author Hans-Georg Kraft - Medizinische Universität Innsbruck, Institut für Medizinische Genetik, Innsbruck, Österreich
  • author Sandy Kujumdshiev - JWG-Universität Frankfurt/Main, Fachbereich Medizin, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Frank Nürnberger - JWG-Universität Frankfurt/Main, Fachbereich Medizin, Studiendekan, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Falk Ochsendorf - JWG-Universität Frankfurt/Main, Dermatologische Klinik, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Moritz Rehner - JWG-Universität Frankfurt/Main, Fachbereich Medizin, Frankfurt/Main, Deutschland
  • corresponding author Johannes Schulze - JWG-Universität Frankfurt/Main, Dekanat des Fachbereiches Medizin, Frankfurt/Main, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2006;23(4):Doc65

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/zma/2006-23/zma000284.shtml

Published: November 15, 2006

© 2006 Bucksch-Beudt et al.
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Zusammenfassung

Mit der Neuregelung der Studienplatzverteilung von 2005 haben die Universitäten in Deutschland die Möglichkeit, bis zu 60% der Studienplätze nach universitätseigenen Kriterien zu vergeben. Implizit wird vom Gesetzgeber und der öffentlichen Meinung gefordert, nicht-leistungsbezogene Kriterien und Persönlichkeitsmerkmale verstärkt zur Bewerberauswahl einzusetzen (Motivation, Identifikation, Vermeidung von Fehlvorstellungen). Da in Anbetracht der Bewerberzahlen mündliche Auswahlgespräche als ungeeignet erscheinen, wurde vom Fachbereich Medizin der Johann Wolfgang Goethe Universität ein Fragebogen entworfen, um nichtschulische Leistungen zu erfassen. Dieser Fragebogen wurde am Beginn des Wintersemesters 2005/2006 von allen Studienanfängern der JWG-Universität Frankfurt und der Medizinischen Universität Innsbruck ausgefüllt. Entgegen der initialen Erwartungen der Verfasser gaben nur etwa 15% Prozent Medizin-spezifische berufliche Vorerfahrungen an (Rettungsdienst, Ausbildung als Krankenschwester/pfleger oder ähnliches); dagegen wurden von etwa 60% angegeben, mindestens ein Musikinstrument zu spielen oder länger sportlich aktiv gewesen zu sein. Die Zusammenstellung der Selbstangaben zeigt, dass Medizin-relevante Vorkenntnisse nur bei einem kleinen Anteil der Studienbewerber in größerem Umfang vorhanden sind. Aufgrund der großen Streuung in der Art und Dauer der angegebenen Vorleistungen sollte die Erhebung von Parametern zur Beurteilung von soft skills, z.B. durch Online-Fragebogen, als (Vor)Selektionsinstrument nur sehr vorsichtig eingesetzt werden.

Schlüsselwörter: Soft skills, Medizinstudium, Zulassungskriterien, Eignungsprüfung

Abstract

Due to a reorganization in the admission procedure for German medical students in 2005 Medical Faculties may admit up to 60% of their students according to specific university criteria. Both legislation and public opinion implicitly require nonacademic criteria and personality traits to be included into the selection criteria (motivation, identification, avoidance of misconceptions). Since interviews appear to be not suitable for the high number of applicants the Medical Faculty of the Johann Wolfgang Goethe University in Frankfurt/Main has developed a questionnaire covering extracurricular achievements. This questionnaire has be answered by first year students of the JWG university Frankfurt and the Medical University Innsbruck at the begin of the winter term 2005/2006. Contrary to initial expectations, only 15% of the students stated specific job experience in a medically related field (emergency service, nurse or similar occupations), whereas more than 60% indicated to play at least one instrument and/or being engaged in sports activities. The summary of these self experiences indicate that only a minority of admitted students have medically related experience to a larger degree. The wide variation in time and duration given for the activities indicate that (online) questionnaires should be treated carefully as a preselection method for medical studies admission.

Keywords: soft skills, medical studies, admission criteria, admission test


Einleitung

Durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (HRGÄndG) vom 28. August 2004 wurde den Universitäten ermöglicht, bis zu 60% der Studienplätze nach internen Kriterien zu vergeben. Neben fachspezifischen Noten und Studierfähigkeitstests wird als geeignetes Kriterium auch ein Auswahlgespräch vorgeschlagen, in welchem Motivation, Identifikation mit dem ärztlichen Beruf sowie die Vorstellungen über das Medizinstudium bewertet werden sollen. Während die Fähigkeit zu Lernen und Wissen über die Abiturnote scheinbar objektiv erfasst werde kann, können diese Faktoren sowie damit verbundene Persönlichkeitsmerkmale, Grundeinstellungen oder Verhaltensweisen kaum objektiv beurteilt werden. Diese werden daher im Folgenden als "soft skills" bezeichnet. Vor allem in der Presse wurde der Ruf laut, neben Abiturleistungen auch diese "soft skills" mit in die Auswahlkriterien einzubeziehen, z.B. im Rahmen von Auswahlgesprächen (z.B. Die Zeit, 2.12.2004, SZ vom 15. 12. 2004).

Zum Wintersemester 2005/2006 haben etwa 41 000 Studienbewerber sich um einen Platz in Humanmedizin beworben. Selbst wenn die Studienbewerber im Durchschnitt nur an drei Universitäten an einem Auswahlgespräch teilnehmen, würde dies für die JWG-Universität bedeuten, etwa 3 000 Auswahlgespräche durchführen zu müssen. Dieser Aufwand erscheint nicht leistbar. Selbst die Bewertung einer entsprechenden Anzahl mehrseitiger Motivationsschreiben ist mit einem vergleichbaren Aufwand verbunden. Daher muss schon aus Praktikabilitätserwägungen ein weniger aufwändiger Auswahlschritt für eine Vorauswahl durchgeführt werden.

Die für die Tätigkeit als Arzt notwendigen soft skills sind nicht validiert; allgemein erwähnt werden Kommunikations- und Teamfähigkeit, Konfliktlösung, Belastbarkeit, Eigenverantwortung, Organisationstalent oder Einfühlungsvermögen. Diese Eigenschaften werden immer wieder in den "Lebensbildern" der Deutschen Medizinischen Wochenschrift als wichtige Faktoren der eigenen Berufsausübung genannt. Für eine Berücksichtigung im Rahmen der Studienzulassung ist es dabei unbedingt erforderlich, eine juristisch nachvollziehbare Bewertung dieser Faktoren zur Erstellung einer Rangliste vorzulegen. Eine reine Berücksichtigung als notwendiges Kriterium, welches jedoch keinen Einfluss auf die Reihung der Bewerber hat, wird sehr schnell unterlaufen werden.

Hintergrund dieser Arbeit war die Überlegung, dass über längere Zeiträume erbrachte Aktivitäten die schwer messbaren Eigenschaften ("soft skills") eines/r Kandidaten/in besser erkennen lassen könnten als ein Auswahlgespräch. Deshalb hat im Rahmen einer Machbarkeitsstudie eine Kommission des Fachbereichs Medizin der Johann Wolfgang-Goethe-Universität (JWG) Frankfurt/Main (Ffm) einen Fragebogen konzipiert, um in den fünf Gebieten "fachspezifische Vorkenntnisse", "akademische herausragende Leistungen", "musische Leistungen", "soziales Engagement" und "sportliche Leistungen" die extracurricularen Leistungen von Studienbewerbern zu erfassen. Dieser Fragebogen soll zuerst im Rahmen einer Statuserhebung die Durchführbarkeit sicherstellen und Informationen liefern, welche Leistungen bei einer Selbstauskunft erwartet werden können. Hierzu wurden alle Studienanfänger der JWG-Universität Frankfurt (Ffm) sowie der Medizinischen Universität Innsbruck (Ibk) befragt. Während in Deutschland die Studienanfänger nach Abiturnoten und Wartezeit zugelassen worden sind, erfolgte zum Wintersemester 2005/2006 in Österreich letztmalig eine Zulassung zum Studium unabhängig von Abiturnote oder Wartezeit. Auf Grund eines EuGH Urteils vom 7.7.2005 wurden die österreichischen Universitäten gezwungen, Studienwerber aus EU Ländern nach den gleichen Kriterien aufzunehmen wie inländische Bewerber. Dies führte zu einem entsprechenden Ansturm von deutschen Studienwerbern, die die NC Hürde nicht geschafft hatten.

Wir stellen hier die Struktur des Erhebungsbogens vor, und geben eine Übersicht über die von den zum WS 2005/2006 zugelassenen Studienanfängern angegebenen Vorleistungen.


Methoden

Initial wurden nach Praktikabilitätskriterien (definierte Tätigkeiten/Kenntnisse, Belegbarkeit dieser Kenntnisse, Nachprüfbarkeit) von einer Arbeitsgruppe der JWG Universität Ffm fünf Bereiche festgelegt, von denen erwartet wurde, dass sie als Indikatoren für soft skills geeignet sein könnten. Nicht berücksichtigt wurden Eigenschaften, Tätigkeiten und Kenntnisse, die sich im Rahmen einer Selbstauskunft nicht zuverlässig erheben lassen, z.B. Motivation. Im Fragebogen wurden die folgenden fünf Felder berücksichtigt:

  • fachspezifische Vorkenntnisse zur Berufsfelderkundung und Einarbeitung in medizinisches Denken und Handeln; Motivation zum Arbeiten im medizinischen Beruf
  • akademische herausragende Leistungen als Parameter für Motivation, Leistungsbereitschaft, zielgerichtetes Handeln, Durchhaltevermögen und Forschungsfähigkeit;
  • musische Leistungen als Parameter für Leistungsbereitschaft, Motivation und Koordinationsfähigkeit;
  • soziales Engagement als Parameter für Empathie, Teamfähigkeit und Menschenkenntnis;
  • sportliche Leistungen als Parameter für Durchsetzungsvermögen, Belastbarkeit, Zielstrebigkeit.

Innerhalb jedes Feldes wurden diejenigen Parameter gezielt abgefragt, bei denen entweder eine hohe Relevanz angenommen wurde (z.B. Ausbildung im medizinischen Beruf) oder angenommen wurde, dass von einem hohen Prozentsatz der Studierenden entsprechende Vorleistungen erbracht worden sind. Der Fragebogen ist in der Abbildung 1 [Abb. 1] wiedergegeben.

Eine Gewichtung wurde im Erhebungsbogen nicht explizit vorgenommen. Auch nicht durch vorgegebene Alternativen abgedeckte Angaben, die als Freitext eingegeben wurden, sind nur qualitativ berücksichtigt; im Rahmen dieser Arbeit wurden Freitextangaben als "in diesem Feld angegebene Leistung" gewertet.

Eine Anonymisierung wurde durch Panelisierung vorgenommen. Hierbei erzeugen die Teilnehmer aus persönlichen Daten einen Schlüssel, der bei wiederholten Befragungen reproduziert werden kann. Durch Verwendung eines identischen Schlüssels können die Ergebnisse dieses Fragebogens mit späteren Studienleistungen korreliert werden.

An der Erhebung nahmen 431 Studierende der Medizin der JWG-Universität Frankfurt sowie 429 Studierende der Medizinischen Universität Innsbruck teil. Die Daten wurden summarisch ausgewertet, d.h. ausgewertet wurde nur die Angabe, dass eine Leistung erbracht worden ist, ohne eine Gewichtung der Intensität dieser Leistung. Für die Teilnehmer der Medizinischen Universität Innsbruck wurden außerdem Untergruppen gebildet aus 172 Studierenden, die ein deutsches Abitur besaßen, und 214 Studierenden mit österreichischer Matura. 45 Studierende besaßen entweder eine Hochschulzugangsberechtigung aus Drittstaaten oder waren nicht eindeutig zuzuordnen. Alle Angaben wurden auf die Gesamtzahl der Gruppen bezogen.


Ergebnisse

Soft skills sind für den Patientenkontakt wesentlich und sollten bereits bei Studienanfängern gut ausgebildet sein. Die Berücksichtigung von Soft skills bei der Bewerberauswahl wird immer wieder gefordert; bisher fehlen im deutschsprachigen Raum jedoch Methoden zur effizienten Erfassung von Parametern, die für soft skills prognostisch valide sind. Im Rahmen einer Vorstudie haben wir versucht, nichtschulische belegbare Aktivitäten zu erheben, die in einer nachfolgenden Studie auf ihre prognostische Eignung für den Studienverlauf weiter untersucht werden könnten. Die im Fragebogen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) enthaltenen Items wurden selektioniert, um häufige, belegbare und eventuell quantifizierbare Aktivitäten zu erheben. Nicht objektiv belegbare (z.B. Interesse am Fach), nicht objektivierbare oder trainierbare Items, sowie Parameter, die eine Präsenztestung erfordern (Motivationsfragebogen), wurden nicht erhoben.

An der Medizinischen Universität Innsbruck wurde für das WS 2005/2006 die Studierendenzahl der Human- und Zahnmedizin erstmals auf 550 begrenzt. Dies wurde durch die hohen Bewerberzahlen vor allem aus Deutschland durch eine Gesetzesänderung vom 8.7.2005 erforderlich. Die Aufnahme wurde durch eine Stichtagsregelung kontrolliert; die ersten 550 Bewerber, die eine komplette Bewerbung abgegeben hatten, wurden aufgenommen. Ausschlusskriterium waren Uhrzeit und Datum des Poststempels. Die Teilnehmer von der Medizinischen Universität Innsbruck stellen damit eine Kohorte dar, bei denen Schulnoten oder andere Leistungen nicht als Zulassungskriterium berücksichtigt wurden. Im Gegensatz dazu stellen die Studienanfänger der JWG-Universität Frankfurt eine nach Noten zugelassene Kohorte dar; Bewerber mit schwächeren schulischen Leistungen sind in dieser Kohorte nur in sehr geringem Umfang vertreten (Wartezeitstudierende). In der Tabelle 1 [Tab. 1] ist die Anzahl der Studienanfänger an den Universitäten nach Herkunftsland aufgeschlüsselt.

Die überwiegende Zahl der Studienanfänger hat ihr Abitur in den Jahren 2005 oder 2004 abgelegt (Ffm: 2004: 98 Studierende = 23%, 2005: 182 Studierende = 42%; Ibk 2004 123 Studierende = 29%; 2005: 198 Studierende = 46%). Der Anteil der Studierenden mit einem länger zurückliegenden Abitur (Zulassung über Wartezeit) ist wechselnd, während in Innsbruck 108 Studierende (25,2%) ihre Hochschulzulassungsberechtigung vor 2004 erworben haben, nur 8 Studierende ein Abitur vor 2001 erworben haben, waren dies in Frankfurt 150 Studierende (34,8%), davon 60 Studierende (14%) vor 2001. Für Frankfurt entsprechen diese Zahlen der gesetzlich vorgegebenen Quote von 20% Zulassungen über die Wartezeit, sowie die Auffüllung nicht besetzter Studienplätze aus der Abiturbestenquote (durch Mehrfachzulassungen freigewordene Plätze wurden aus der Wartezeitquote nachbesetzt). Von den Studienanfängern haben in Frankfurt 228 (53%), in Innsbruck 150 Studierende (35%) ein Krankenpflegepraktikum angegeben, davon 22 (Ibk) bzw. 9 Studierende (Ffm) von 6 Monaten und länger, d.h. wahrscheinlich im Rahmen des Zivildienstes. Auch von den Studierenden mit einem Abitur vor 2004 haben in Frankfurt 75 von 135 Studierenden (55%), in Innsbruck 62 von 106 Studierende (58%) irgendein Krankenpflegepraktikum absolviert. Insgesamt 50 (12%, Ffm) bzw. 96 (22%; Ibk) Studierende haben Rettungsdiensterfahrung, überwiegend (Ffm 23, Ibk 67 Studierende) als Rettungssanitäter. Dagegen hatten nur 19 (Ffm) bzw. 5 Studierende (Ibk) eine Krankenschwestern/pflegerausbildung abgeschlossen bzw. begonnen. Ebenfalls nur 8 Studierende (Ffm: 7, Ibk 1) waren MTA. Insgesamt 330 Studierende (77%, Ibk) bzw. 362 Studierende (84%, Ffm) haben keine Ausbildung oder Erfahrung im Rettungsdienst oder als Krankenschwester/pfleger. 76 (Ffm) bzw. 110 Studierende (Ibk) haben "sonstige Erfahrungen" im medizinischen Bereich, meist als Schnupperpraktika oder im Zivildienst. Dabei gaben 59 (14%, Ffm) bzw. 72 Studierende (17%, Ibk) eine Dauer von 6 Monaten oder länger an (insgesamt 33 Studierende im Rahmen des Zivildienstes oder bei Bundeswehr/Bundesheer).

Deutlichere Unterschiede bestehen zwischen den deutschen und österreichischen Studierenden in Ibk. Während 14% der österreichischen Studierenden ein Krankenpflegepraktikum absolviert haben, trifft dies für 67% der Deutschen zu; dies entspricht dem in D verbindlichen Praktikum. Auffallend ist auch der deutlich höhere Anteil der deutschen Studierenden, die einen Rettungsdienst, Krankenpflege oder andere pflegerische Tätigkeiten angaben. Korrespondierend hierzu gaben 56% der österreichischen Studierenden (zu 15% der Deutschen) keine entsprechende Tätigkeit an.

82 (Ffm) bzw. 47 Studierende (Ibk) haben ein anderes Studium begonnen, davon 18 (Ffm) bzw. 3 Studierende (Ibk) mit Abschluss (in diversen Fächern, keine Häufung); 4 (Ffm) bzw. 9 Studierende erwarben einen Zwischenabschluss, 23 (Ffm) bzw. 10 Studierende (Ibk) haben im Vorstudium keinen Schein erworben. Unter den Studienfächern finden sich in Ibk keine Häufungen, Jura ist mit 5 Nennungen das am öftesten genannte Fach; dagegen gaben in Ffm 19 von 82 Studierende ein Chemie-Vorstudium an. 35 (8%, Ffm) bzw. 18 Studierende (Ibk) haben eine Lehre abgeschlossen, auch hier finden sich (neben der Doppelnennung medizinischer Berufe) keine häufiger genannten Berufe, auch nicht eine Lehre als Zahntechniker bei den Zahnmedizinstudierenden. Die Unterschiede zwischen Ffm und Ibk beruhen im Wesentlichen auf einer geringen Anzahl von Studierenden mit Vorstudium unter den Österreichern.

Als problematisch erwies es sich, weitergehende Sprachkenntnisse als Kriterium abzufragen. Insgesamt gaben 15 (Ffm) bzw. 48 Studierende (Ibk) die Teilnahme an Sprachkursen an, überwiegend in Englisch. Die Dauer der Sprachkurse variierte zwischen einer Woche und 8 Jahren. Andererseits gaben weitere 28 (Ffm) bzw. 47 Studierende (Ibk) unter "Sonstiges" Auslandsaufenthalte zwischen 2 Wochen und 12 Jahren an, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass der Erwerb von Sprachkenntnissen einen wesentlichen Bestandteil dieser Aufenthalte darstellt. Auch wenn die Unterschiede bei diesen Angaben nicht ausgeprägt waren, bestand doch ein deutlicher Unterschied in der Anzahl der Studierenden ohne besondere akademische Leistungen, wiederum vor allem zwischen Deutschen und Österreichern in Ibk.

Ebenfalls problematisch ist die Erfassung von Aktivitäten im musischen Bereich. 206 (48%, Ffm) bzw. 230 Studierende (54%; Ibk) gaben an, ein Musikinstrument zu spielen, 23 (Ffm) bzw. 81 Studierende (Ibk) gaben mehr als ein Instrument an. 164 (Ffm) bzw. 193 Studierende (Ibk) gaben eine Dauer von 5 Jahren und länger an. Dabei wurde der Grad der Beherrschung nicht erfragt, dieses erscheint bei einer Selbstauskunft auch nicht praktikabel.

Im schulischen Bereich wurde sehr häufig angegeben, Klassensprecher gewesen zu sein (Ffm 204 Stud, 47%, Ibk 189 Stud. = 44%). 22 (Ffm) bzw. 54 Studierende (Ibk) gaben an, Schulsprecher gewesen zu sein, ebenfalls ein hoher Anteil. Dagegen ist die Teilnahme an zusätzlichen Schul-Arbeitsgemeinschaften mit 146 Stud. (41%, Ffm) bzw. 116 Stud. (27%, Ibk) sehr variabel, auch in Anbetracht der weiten Möglichkeiten angegebener zusätzlicher Betätigungen. Überraschend war dagegen, dass nur 15 (Ffm) bzw. 14 Studierende (Ibk) ein freiwilliges soziales Jahr absolviert haben.

Teilnahme und Engagement in Vereinen (ohne Sportvereinen) oder Jugendgruppen wurde in beiden Universitäten häufiger angegeben mit jeweils etwa 17%. Obwohl getrennt abgefragt, wurde hier am häufigsten die Beteiligung in Sportvereinen angegeben. Bei der gezielten Abfrage nach Engagement in Sportvereinen gaben 288 (Ffm) bzw. 287 Studierende (Ibk, jeweils 67%) ein überwiegend mehrjähriges Engagement an. Dabei nahmen 37 bzw. 73 Studierende an bundesweiten Wettkämpfen teil, 51 bzw. 64 Studierende gaben eine Beteiligung als Leistungssportler an. Insgesamt 72 bzw. 68 Studierende (17 bzw. 16%) gaben an, als Trainer tätig gewesen zu sein. In Ibk waren in den Bereichen musische und sportliche Leistungen sowie schulisches und soziales Engagement keine ausgeprägten Unterschiede festzustellen. Falls Differenzen zwischen diesen Gruppen bestanden, waren im allgemeinen die deutschen Studierenden in Ibk ihren Kommilitonen in Ffm ähnlicher als den österreichischen Kommilitonen in Ibk. In der Tabelle 2 [Tab. 2] ist qualitativ wiedergegeben, wie viele Studierende einzelne Aussagen des Erhebungsbogens angekreuzt haben.


Diskussion

Die bisherige Zulassung zum Medizinstudium über die ZVS erfolgte in erster Linie über das Kriterium "Abiturnote". Nach den Vorgaben des 7. Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 28.8.2004 sollen die Universitäten 60% der Studierenden in zulassungsbeschränkten Fächern selbst auswählen. Die Durchführung wird dadurch eingeschränkt, dass große Bewerberzahlen in kurzer Zeit mit vertretbarem Aufwand nach nachvollziehbaren, justitiablen Kriterien bewertet werden müssen.

Ziel der Studierendenauswahl in der Medizin ist es, die Kandidaten zu identifizieren, die das Studium schnell und erfolgreich beenden werden. Es macht keinen Sinn Studierende zuzulassen, denen die hierzu notwendige Ausbildung, intellektuelle Fitness, Ehrgeiz, Arbeitsethik, Werte oder persönliche Qualitäten ("soft skills") hierfür fehlen. An die Identifikation guter prädiktiver Faktoren schließt sich dann die Konstruktion geeigneter Testverfahren an.

Zahlreiche Studien zeigen, dass Schulnoten als klares und akzeptiertes Verfahren eine prognostische Relevanz für einen erfolgreichen Studienabschluss haben [1], [2]. Hierbei erklären schulische Vorleistungen zwischen 23% [3] und 55% der Varianz in den Physikumsnoten; daher wird immer betont, dass derzeit praktikable, bessere Kriterien fehlen. Nach dem Physikum ist nur eine marginale Korrelation zwischen den Vorleistungen und den Staatsexamensnoten nachweisbar (Meyer, IMPP 1997; [3]). Von den Persönlichkeitsmerkmalen erwies sich lediglich die Gewissenhaftigkeit ("Conscientiousness") als ein prädiktiver Faktor in britischen [3] und belgischen Studien [4].

Auch Auswahlgespräche sind als Selektionskriterium nicht allgemein akzeptiert. Searle und Harg [5] weisen darauf hin, dass Interviews nur dann einen prädiktiven Wert besitzen, wenn sie strukturiert ablaufen, ein ausführliches Interviewer-Training vorausgeht und eine externe Validierung durchgeführt wird. Für die Universitäten sind sie aufwendig und teuer. Aufgrund der derzeitigen Unwägbarkeiten hinsichtlich der Zulassungskriterien sind zwangsläufig örtliche Lösungen nötig, die soziale, politische und ökonomische Zusammenhänge der Entscheidung berücksichtigen, die Kriterien immer wieder hinterfragen und modifizieren [6].

In Frankfurt sollten Auswahlgespräche wegen ihrer fehlenden Reliabilität und des großen zeitlichen Aufwands vermieden werden. Auf der Suche nach Alternativen entwickelte eine eingesetzte Arbeitsgruppe die Hypothese, dass Parameter in der Biographie der Bewerber als Maß für eine persönliche Eignung herangezogen werden könnten. Mit der vorliegenden Untersuchung haben wir versucht zu erheben, wie viele Studierende bei einer Selbstauskunft Aktivitäten in fünf Bereichen angeben, die als Surrogatparameter für soft skills angesehen werden können. Vergleichbare Untersuchungen sind bisher im deutschsprachigen Bereich nicht durchgeführt worden. Publizierte Untersuchungen zum prädiktiven Wert von soft skills vor allem in Großbritannien, den USA und Australien, fanden in der Mehrzahl der Studien nur für Gewissenhaftigkeit einen prädiktiven Wert, während andere Eigenschaften wie emotionale Stabilität, Extroversion, wissenschaftliche Neugierde oder angenehmes Wesen nicht mit dem präklinischen Studienerfolg korrelierten (Ferguson, 2003).

Den oben genannten soft skills ist gemeinsam, dass sie nur schwer vermittelt oder trainiert werden können; meist fehlt aber auch die Möglichkeit, diese ohne eine sehr ausführliche psychologische Erhebung zu quantifizieren. Die im Fragebogen erfragten Aktivitäten wurden pragmatisch nach der Belegbarkeit ausgewählt, damit sie später ggfs. als Grundlage für eine objektivierbare, jedoch arbeitsintensive Auswahl dienen können. Rationale war dabei, dass die Aktivitäten in den verschiedenen Bereichen die für ein erfolgreiches Studium nötige persönliche Eignung belegen könnten.

Bei der summativen Auswertung der studentischen Angaben ergaben sich einige überraschende Befunde. Erstaunlich war die geringe Anzahl der Studienanfänger, die ein freiwilliges soziales Jahr absolviert haben; auch ein Zivildienst wurde wider Erwarten nur von wenigen Studierenden explizit angegeben. Dem entspricht auch die relativ geringe vorherige Ableistung des Krankenpflegepraktikums der deutschen Studierenden, obwohl die Notwendigkeit bekannt ist und das Krankenpflegepraktikum vor Studienbeginn absolviert werden kann. Hier ist eher überraschend, dass auch 15% der in Innsbruck studierenden österreichischen Studenten ein Krankenpflegepraktikum ohne die Notwendigkeit für das Studium absolviert hatten. Selbst unter den Studienanfängern, bei denen die Hochschulreife vor mehr als zwei Jahren erworben wurde, haben bei den Frankfurter Studierenden etwa 40% kein Krankenpflegepraktikum absolviert. Dem widerspricht auch nicht, dass etwa 25% der Studierenden Rettungssanitäter oder Rettungshelfer sind. Andererseits belegen die Daten, dass die Forderung nach einem Krankenpflegepraktikum durch die deutsche ÄAppO einen größeren Anteil der Studienbewerber dazu ermuntert, dieses auch vor einer Studienplatzzusage abzuleisten, entsprechend einem deutlich formenden Einfluss von definierten Studieneingangserfordernissen.

Als problematisch gestaltete sich die Ermittlung von zusätzlichen Fremdsprachenkenntnissen, insbesondere von Englischkenntnissen. Auch wenn die Notwendigkeit guter Sprachkenntnisse für den Studienerfolg angenommen werden kann, so erscheint die Breite der angegebenen zusätzlichen Kurse zu weit gestreut, um eine zuverlässige Reihung vorzunehmen. Eine Quantifizierung der erworbenen Kenntnisse erscheint nicht möglich, die Angaben schwanken zwischen mehrjährigen Auslandsaufenthalten und Volkshochschulkursen. Eine Beschränkung auf anerkannte Zertifikate (z.B. TOEFL, Cambridge Certificate in advanced English) trifft dagegen nur auf wenige Studierende zu und ist als Unterscheidungskriterium nur begrenzt geeignet (etwa 10 Studierende). Es ist jedoch realistisch anzunehmen, dass entsprechende Zertifikate erworben werden, sobald sie als (zusätzliches) Zugangskriterium definiert würden.

Überraschend sind für die Autoren die Angaben zu herausragenden akademischen Leistungen. Etwa 15% der Studierenden (n = 129) hatten vorher ein anderes universitäres Studium begonnen; nur 21 Studierende hatten dieses jedoch abgeschlossen. Auch bei einem nicht abgeschlossenen Studium waren recht wenige Studierende in Medizin-nahen Studiengängen eingeschrieben (Biologie, Chemie, Pharmazie, Psychologie), während daneben ein breites Spektrum anderer Studiengänge angegeben wurde. Es ist davon auszugehen, dass die große Mehrheit Wartestudenten sind, bei denen der Erwerb eines Abschlusses im Erststudium nicht unbedingt beabsichtigt war. Inwieweit diese Vorstudien günstig für den Erfolg im Medizinstudium sind, muss abgewartet werden.

Wie bei den Angaben zu zusätzlichen Sprachkenntnissen, streuen die Angaben zu Parametern wie zusätzliche musische oder sportliche Betätigungen stark. Ein Teil der angegebenen Aktivitäten kann zwanglos als gesellschaftsspezifisches Phänomen interpretiert werden, z.B. der hohe Anteil an Studierenden, die Musikinstrumente spielen. Hier wären demnach Leistungsnachweise wie die Teilnahme an Wettbewerben (z.B. "Jugend musiziert") zu fordern, um zwanglose von ernsthaften Aktivitäten zu differenzieren. Aus den gemachten Angaben erscheint es jedoch realistisch, die Zahl dieser Studierenden analog zu Sprachzertifikaten eher als niedrig zu erwarten. Schwerer zu interpretieren scheint die Auskunft von 44% der Studierenden, Klassensprecher gewesen zu sein; dem entspricht auch der hohe Anteil der Studierenden, der Aktivitäten in Vereinen oder Jugendgruppen angab.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme, dass eine Fragebogen-gestützte Erhebung von Surrogatparametern für soft skills schwierig ist. Hierbei wird es notwendig sein, eine Balance treffen zu können zwischen der Erfordernis, quantifizierbare, belegbare Aktivitäten zu erfragen, und dem Wunsch, hinreichend viele Studienbewerber anzusprechen, um eine Auswahl bzw. Rangreihung zu ermöglichen. Analog zum Vorgehen von Searl und McHarg (2003) für die Quantifizierung von strukturierten Interviews wäre hier ein qualitativer Ansatz durch Kategorisierung objektivierbarer Leistungen wie z.B. das TOEFL-Examen möglich.

Ersatzweise erscheint es möglich, bei einer engen Auslegung der Parameter Kriterien zu definieren, die - ohne eine Reihung zu benötigen - als Absolutkriterium geeignet sind, da sie nur für eine sehr kleine Anzahl von Bewerbern zutreffen. Diese Kriterien wären aber nicht geeignet, für die Masse der Studienplätze soft skills als bewerbungsrelevante Auswahlkriterien zu berücksichtigen.

Die Daten dieser Erhebung werden genutzt werden, um in einer prospektiven Studie zu evaluieren, welche Eigenschaften gegebenenfalls mit dem Studienerfolg korrelieren. Erst nach dieser Validierungsphase wird es möglich sein, unter den erhobenen Parametern prädiktive Eigenschaften zu identifizieren.


Literatur

1.
McManus IC, Smithers E, Patridge P, Keeling A, Fleming PR. A levels and intelligence as predictors of medical careers in UK doctors: 20 year prospective study. Br Med J. 2003;237(7407):139-142.
2.
Powis DA. Selecting medical students. Med Educ. 2003;37(12):1064-1065.
3.
Ferguson E, James D, Madeley L. Factors associated with success in medical school: systematic review of the literature. Br Med J. 2002;324(7343):952-957.
4.
Lievens F, Coutsier P, de Fruyt F, de Maesener J. Medical students´personality characteristics and academic performance: a five-factor model perspective. Med Educ. 202;36(11):1050-1056.
5.
Searl J, McHarg J. Selection for medical school: just pick the right students and the rest is easy! Med Educ. 2003;37(5):458-463.
6.
McGaghie WC. Student selection. In: Norman GR, van der Vleuten CPM, Newble, DI. International Handbook of research in medical education. Norwell, Massachusetts, USA: Kluwer Academic Publishers. 2002:303-337.