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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Sachkunde zur Aufbereitung von Medizinprodukten in der ärztlichen Praxis

Preparation of medical products in the doctor's office

Übersichtsarbeit

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  • corresponding author Klaus-Dieter Zastrow - Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Vivantes Kliniken, Berlin, Deutschland
  • Hans-Jürgen Sernau - Brandenburgisches Bildungswerk für Medizin und Soziales e.V., Potsdam, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2006;1(1):Doc02

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/dgkh/2006-1/dgkh000002.shtml

Published: August 30, 2006

© 2006 Zastrow et al.
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Zusammenfassung

Die Aufbereitung von Medizinprodukten, die bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommen, wird seit Ende des vorigen Jahrhunderts im Krankenhaus zunehmend von speziell geschultem Personal durchgeführt. Die anerkannte Schulung (Fachkundeausbildung) befähigt die oft nicht medizinisch vorgebildeten Mitarbeiter/innen zu qualitätsgerechtem Handeln sowohl im Hinblick auf den Patienten als auch im Hinblick auf die eigene Sicherheit am Arbeitsplatz.

Im Zusammenhang mit der rasanten Entwicklung der ambulanten operativen Versorgung fiel auf, dass für diesen Bereich der Sterilgutversorgung kein adäquat anerkannt sachkundiges Personal zur Verfügung steht. Der seit 2003 angebotene Sachkundelehrgang schließt diese Lücke, indem er auf die spezifische Situation der Praxen/Praxiskliniken eingeht und so die Divergenzen zum Krankenhausbetrieb ausgleicht. Die Implementierung des Sachkundekurses in das Qualitäts-sicherungssystem des niedergelassenen Arztes hilft mit, das Gefahrenpotential durch Hygienemängel auf das für den Patienten und das Personal unvermeidbare Restrisiko zu vermindern.

Schlüsselwörter: Aufbereitung von Medizinprodukten, Sachkundelehrgang, Qualitätssicherung, Patienten- und Personalschutz

Abstract

Since the end of the last century, the preparation of medical products which must be applied in a germ-poor or sterile state has been increasingly done by specially trained staff at the hospital. The certification program (specialist training) enables personnel who often have no prior medical training to safely perform quality work both in terms of the patient and the employee's on-the-job safety.

With the rapid development of out-patient operative care, the lack of adequately trained specialists in this area of sterile materials supply became obvious. The certification program, offered since 2003, closes this gap by focussing on the specific situation of doctor's offices and private-practice clinics, thus equalizing the discrepancies to the hospital situation. The implementation of the certification program in the quality-control system of private practices helps to reduce to an unavoidable minimum the potential risks to patients and staff posed by hygiene deficiencies.


Text

Problemstellung

Die rechtssichere, hygienisch einwandfreie und technisch sachgerechte Aufbereitung von Instrumenten und Materialien, die im Krankenhaus bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung am Patienten kommen müssen, setzt bei den damit beauftragten Mitarbeitern ein definiertes Maß an Wissen und Können voraus, das sie derzeit in mehr als 20 akkreditierten Bildungseinrichtungen für die Fachkundeausbildung erwerben können. Nachdem die Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert Koch-Instituts die Notwendigkeit der Fachkundeausbildung in den 1990iger Jahren initiierte, sensibilisierten im neuen Jahrtausend besonders das Infektionsschutzgesetz, das Medizinproduktegesetz, die Medizinproduktebetreiberverordnung sowie die Hygieneempfehlungen des RKI das Bewusstsein für Hygiene bei den Leistungserbringern und Überwachungsbehörden. Es ist nach mehr als 10-jährigem hartnäckigem Bemühen von Ärzten für Hygiene, Operateuren, Pflegekräften und nicht zuletzt auch von Patienten zu einer Selbstverständlichkeit geworden, dass die Sterilgutaufbereitung von geschultem Personal durchgeführt wird.

Nachdem durch die Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention die Notwendigkeit der Ausbildung begründet und die Inhalte der Ausbildung durch die DGSV festgelegt wurden, fiel auf, dass im Bereich der Aufbereitung von Medizinprodukten als wesentlicher Bereich die Sterilgutversorgung in der Praxis/Praxisklinik des niedergelassenen Arztes unberücksichtig geblieben war. Es war daher dringend geboten, diese Lücke zu schließen.

Einführung des Sachkundelehrgangs zum "Erwerb der Sachkenntnis gemäß § 4(3) der Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBBetreibV) für die Instandhaltung von Medizinprodukten in der ärztlichen Praxis"

Als erstes traten im Herbst 2002 unter dem Eindruck von vCJK die Ophthalmochirurgen an das Brandenburgische Bildungswerk für Medizin und Soziales in Potsdam mit der Bitte heran, differenzierte Bildungsangebote für ihre medizinischen Mitarbeiter zu erstellen. Andere Fachgesellschaften wie der Verband der ambulanten operierenden Chirurgen folgten.

Um diesem Praxisbedürfnis Rechnung zu tragen, wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Vorstand der DGKH, dem Berufsverband der Hygieniker und dem Bildungsausschuss der DGSV von Praktikern und Bildungsexperten ein spezielles Curriculum erarbeitet. Sie gingen dabei von folgenden Voraussetzungen aus:

  • Examinierte Krankenschwestern/-pfleger, Kinderkrankenschwestern/-pfleger sowie berufs-ausgebildete Arzt-/Zahnarzthelferinnen, die in niedergelassenen, operativ tätigen Praxen oder Praxiskliniken mit speziellem Patientenprofil unter direkter Anleitung und Kontrolle eines Facharztes arbeiten, bedürfen nur einer spezialisierten Vermittlung der vom Gesetzgeber geforderten Sachkunde.
  • Im eigenen Betrieb (Praxis/Praxisklinik) ist der Arzt als Betreiber auch für die Organisation des Hygienemanagements verantwortlich. Für die Gestaltung des Hygieneplans, die Aufsicht und Ausführung hygienerelevanter Betriebsabläufe kann er je nach Qualifikation Mitarbeiter delegieren.
  • Nur ausgebildetes Personal, das sein Aufgabengebiet versteht, ist motiviert, möglichst gute Leistungen zu erbringen und damit zum wirtschaftlichen Erfolg der Praxis beizutragen. Der/Die fach- und funktionsspezifisch gebildete Mitarbeiter/in des Arztes "hilft" nicht nur seinem/ihrem Chef; er/sie versteht und unterstützt seine Handlungen; er/sie verbreitet seinen guten Ruf.

Seit dem Jahre 2003 gibt es für die Qualitätssicherung durch sachkundiges Personal in der Sterilgutversorgung der niedergelassenen Ärzteschaft einen von den Vorständen der DGKH, DGSV und des Berufsverbandes der Deutschen Hygieniker gemeinsam getragenen und von den Überwachungsbehörden akzeptierten "Sachkundelehrgang zum Erwerb der Sachkenntnis gemäß § 4(3) der Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBBetreibV) für die Instandhaltung von Medizinprodukten in der ärztlichen Praxis".

In 40 Unterrichtsstunden werden in unterschiedlicher Organisationsform die bereits ausgebildeten medizinischen Fachkräfte mit folgenden Inhalten vertieft vertraut gemacht:

  • Rechtsgrundlagen (Gesetze, Verordnungen, Normen)
  • Grundlagen der Mikrobiologie und Keimzahlverminderung
  • Instrumentenkunde, Pflege und Wartung, Funktionskontrolle
  • Anforderungen an das zu sterilisierende Gut (Reinigung, Desinfektion, Verpackung)
  • Durchführung der Sterilisation
  • Qualitätssicherung und Hygienemanagement

Die anschließende schriftlich/mündlich/praktische Kenntnisprüfung dient dem Nachweis, dass die Teilnehmer die Lehrgangsziele

  • Befähigung zur qualitätsgerechten, sicheren Aufbereitung der in ihrer Fachrichtung eingesetzten Medizinprodukte
  • Befähigung zur Kostensenkung und Vermeidung von Fehlleistungen
  • Befähigung zur strikten Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen (Patienten- und Eigenschutz) sowie zur Vermeidung von Auswirkungen aus Qualitätsmängeln
  • Förderung der Handlungskompetenz und Leistungsfähigkeit, um das Hygiene- und Sterilisationsrisiko gemäß der Bewertungsskala auf das nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft unvermeidbare Restrisiko zu beschränken

erreicht haben.

Resonanz und Akzeptanz in der Praxis

Bislang wurden im Brandenburgischen Bildungswerk und anderen für die Durchführung der Sachkundekurse akkreditierten Bildungseinrichtungen in Deutschland 1660 Mitarbeiter der Arztpraxen/Praxiskliniken erfolgreich fortgebildet.

Die Resonanz ist bei den Überwachungsbehörden durchweg positiv, da die bei einschlägigen Überprüfungen sichtbar werdenden Mängel und Wissenslücken durch Fortbildung behoben werden können.

In der Ärzteschaft wächst die Bereitschaft, trotz finanzieller und personeller Engpässe die angebotenen Kurse zu nutzen.

Die Mitarbeiter empfinden die Fortbildung zunehmend als Hilfestellung bei der Sicherung ihrer Qualitätsanstrengungen. Denn der wesentlichste Punkt der Qualitätssicherung ist die Einbindung des einzelnen Mitarbeiters als verantwortliche Person.

Fort- und Weiterbildung des gesamten Personals sind unerlässlich und ebenso wichtig wie die laufende Kontrolle des Tätigkeitsablaufs, um dem gesetzlich definierten Patientenanspruch auf Behandlung nach dem momentanen Stand der Wissenschaft und Technik gerecht zu werden.

Fazit

Der Erwerb der Sachkunde ist in erster Linie eine Verpflichtung zum Wohle des Patienten, weil es aus Patientensicht keinen Unterschied zwischen industriell gefertigten Produkten und in der niedergelassenen Praxis hergestellten Sterilgütern geben darf.


Literatur

1.
Vorstand der DGKH, Vorstand des Berufsverbandes der Deutschen Hygieniker und Vorstand der DGSV. Gemeinsame Erklärung zum Erwerb der Sachkunde für die Instandhaltung von Medizinprodukten in der ärztlichen Praxis. Hyg Med. 2003;28:408.