gms | German Medical Science

GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Marketing 2.0 für Medizinbibliotheken

Marketing 2.0 for medical libraries

Fachbeitrag

Suche in Medline nach

  • corresponding author Oliver Obst - Zweigbibliothek Medizin, Universitäts- & Landesbibliothek, Münster, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2007;7(1):Doc05

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/mbi/2007-7/mbi000057.shtml

Veröffentlicht: 26. Juli 2007

© 2007 Obst.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Marketing und Öffentlichkeitsarbeit sind für Medizinbibliotheken essentielle Faktoren, die einen wichtigen Platz in der strategischen Ausrichtung einnehmen und die Einbettung in die Organisation und die Kundenbindung positiv beeinflussen. Der Wegfall des Informationsmonopols, die Informationsflut und der zunehmende Wettbewerb verstärken die Notwendigkeit für Marketingaktivitäten. Grundlegende Prinzipien des Marketings und der Öffentlichkeitsarbeit werden erläutert und mit Beispielen aus der Zweigbibliothek Medizin Münster illustriert. Neue Methoden wie Weblog-Marketing und Virales Marketing werden dargestellt.

Schlüsselwörter: web 2.0, Marketing, Medizinbibliothek, Podcast, RSS, Weblog, Öffentlichkeitsarbeit

Abstract

For medical libraries marketing and public relations are essential factors, which are important for strategic planning. They positively affect the imbedding into the organization and the customer relationship. The decrease of the information monopoly, the flood of information and the increasing competition strengthen the necessity for marketing activities. Fundamental principles of marketing and public relations are described and illustrated with examples from the Branch Library of Medicine at Münster. New methods such as weblog marketing and viral marketing are presented.

Keywords: web 2.0, marketing, medical library, podcast, RSS, blog, public relation, PR


A. Marketing?

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen für Bibliotheksmarketing. Mit Marketing ist beileibe nicht nur das sprichwörtliche Klappern gemeint, das zum Handwerk gehört, sondern vielmehr ein weit darüber hinaus gehender Prozess, der die Gesamtheit der Bibliothek und ihrer Wirkung innerhalb der Fakultät umfasst. Es geht also nicht nur darum, Gutes zu tun und darüber zu reden, sondern vielmehr in einem komplexen Ablauf von Bedürfnis- und Marktanalysen erfolgreiche Informationsprodukte zu erstellen.

Wie in Verwaltung und Klinik ist auch in Bibliotheken das Denken in Arbeitsabläufen und Aufgabenbereiche weitverbreitet. Als Dienstleistungsunternehmen gilt es jedoch – neben der Optimierung der internen Arbeitsabläufe – auch auf die Außenwirkung zu achten. Dabei stellen sich zwei wichtige Fragen: 1. Welche Dienstleistungen werden angeboten? 2. Welche Dienstleistungen werden benötigt? Sich Dienstleistungen als Produkte vorzustellen, die von Bibliothek - ähnlich wie von einer Fabrik - auf einen Bedarf hin hergestellt werden, ist eine wichtige Voraussetzung für eine Bibliothek, die im Stande ist, sich den Informationsbedürfnissen der Kunden flexibel anzupassen.

Bei der Planung von Marketing und Öffentlichkeitsarbeit darf die zeitliche und räumliche Umwelt der Bibliothek keinesfalls vernachlässigt werden, ist es doch oft ausschlaggebend für Erfolg und Misserfolg. Der heutige Kunde hat andere Ansprüche als der Kunde vor zehn Jahren und der Kunde in zehn Jahren will wiederum anders von der Bibliothek bedient und umworben werden. Wenn man sich die Gegenwart anschaut, dann sind hier deutlich zwei Entwicklungen feststellen, die den Bibliotheks-Kundenkontakt (aus dem ja die so wichtige Kundenbindung entsteht) entscheidend prägen wird:

1. Die hoch interaktiven und produktiven Möglichkeiten des Internets, die seit einigen Jahren entstehen, werden von den Nutzern begeistert aufgenommen und färben – bewusst oder unbewusst – ihre Erwartungen an alles, was ihnen die heutige Bibliothek anbietet. Diese „neuen“ Möglichkeiten werden mit den Begriffen Web 2.0 oder Social Software bezeichnet, ihre Markenzeichen heißen Google, YouTube, MySpace, StudiVZ oder del.icio.us.

2. Durch ihre hohe Interaktivität und die Einbeziehung des Nutzers, der diese Dienste selber mitgestalten und schöpferisch ausformen kann, erzeugen sie eine hohe Kundenbindung und dienen damit den bibliothekarischen Marketingprojekten idealerweise als Vorbild. Auf einen kurzen Nenner gebracht, bietet sich im Web 2.0 die Möglichkeit einer gleichwertigen Interaktion zwischen Bibliothekaren und Benutzern mit beiderseitigem Nutzen; die Summe solcher Beziehungen kann eine lebendige Community zwischen Bibliothek und Nutzer entstehen lassen.

Marketing wird selbst für ‚Staatsmonopolbetriebe’ wie Universitätsbibliotheken immer unverzichtbarer. Die Gründe dafür sind vielfältig und naheliegend:

1. Informationsmonopol

Bibliotheken besitzen kein Monopol für Information mehr. Während De-facto-Monopole in Form wissenschaftlicher Zeitschriften existieren, trifft dies für die Informationsverteilung nicht zu. Zeitschriftenartikel und Bücher können direkt beim Autor, in PubMed Central, auf der Homepage des Verlags, bei 38m, bei Amazon, Google, Infotrieve oder einem der vielen Open Access Archive beschafft werden. Die Bibliothek ist nur einer von zahlreichen Vermittlern, wenn vielleicht auch oft noch der kostengünstigste – zumindest für die Benutzer, nicht jedoch für den Unterhaltsträger [1].

Die Bibliothek hat weder ein Monopol auf die Literaturbeschaffung noch auf die Beantwortung von Fragen, die sich unseren Benutzern im Wissenschafts- oder Klinikalltag stellen. Wie man weiß, wird zuallererst ein Kollege oder ein sonstiger Experte konsultiert, erst wenn das nicht hilft oder nicht möglich ist, greift man zu seiner eigenen Sammlung von Textbüchern und Zeitschriften bevor man eine MEDLINE-Recherche macht oder sich den Ressourcen der Bibliothek zuwendet. Das Prinzip lautet, dass die naheliegendste und erfolgversprechendste Informationsquelle benutzt wird, bevor weiter entfernte angezapft werden. Aus Studien zur Zeitschriftenbenutzung kennen wir dasselbe Phänomen: Eine Ressource mit einzigartiger und sonst nicht verfügbarer Information (nur in gedruckten Form vorliegende Zeitschriften) wird nicht mehr benutzt, wenn der Zugang sich subjektiv verschlechtert, d.h. nicht mehr den gestiegenen Ansprüchen (one-click access) genügt.

Wie Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt, hat die Wichtigkeit von bibliothekseigenem (und nur um diesen geht es hier) Inhalt in den letzten Jahren stetig abgenommen. Open Access und Nationallizenzen beschleunigen die Abwärtsbewegung, da immer mehr Content auch ohne eine Bibliothek vor Ort zugänglich wird. Wenn man 1980 mit 100% gleichsetzt, dann beträgt die Wichtigkeit der Bibliotheksinhalte heute nur noch die Hälfte - nach der zugegebenermaßen subjektiven Einschätzung des Autors. (In dieser Kurve sind Abokürzungen aufgrund der Zeitschriftenpreiskrise nicht eingerechnet.)

2. Unübersichtlichkeit

Das Internet ist für eine zunehmende Unübersichtlichkeit bei der Unterscheidung der Informationsanbieter verantwortlich. Wenn ein Fakultätsangehöriger einen Artikel der Zeitschrift Blood sucht, geht er beim ersten Mal vielleicht noch über den Bibliothekskatalog oder die EZB, danach legt er sich aber einen Bookmark auf die Homepage von Blood. Weiß er beim nächsten Zugriff noch, dass er die Artikel dieser Zeitschrift nur deshalb im Volltext herunterladen kann, weil die Medizinbibliothek Blood online abonniert hat? Vielleicht ist ihm dies nicht einmal beim ersten Zugriff klar gewesen. Wozu ist diese Information auch für ihn wichtig? Für die Bibliothek ist es dagegen u.U. lebenswichtig, dass den Kunden und Unterhaltsträgern bewusst ist, dass es die Bibliothek ist und kein anderer, die für die freie Zugänglichkeit dieser Informationsquellen verantwortlich ist. Da die einst enge Beziehung zwischen Informationseinkäufer und Informationsnutzer durch die zunehmende Virtualisierung des Angebots verschwindet, ist eine ebenso verstärkte Öffentlichkeitsarbeit als Gegenbewegung notwendig. Dies ist ein wichtiger Marketingaspekt, der insbesondere durch Informationsprodukte wie die vorgestellten geleistet wird.

3. Enträumlichung

Unsere akademischen Nutzer kommen nicht mehr in die Bibliothek und nutzen die Ressourcen der Bibliothek fast ausschließlich über das Hochschulnetz. Eine von uns durchgeführte Umfragestudie ergab, dass nur die Hälfte unserer Benutzer öfter als einmal im Monat die Bibliothek in der Domagkstraße aufsucht, dagegen 90% die Bibliothek im Internet. Betrachtet man unsere Top-Kunden, wird die Diskrepanz noch deutlicher: Lediglich 3% kommen mehrmals pro Woche in die Bibliothek, dagegen 69% auf unsere Homepage – 36% sogar jeden Tag. Dieser Prozess wird von uns gewünscht und forciert: Wenn die Nutzer nicht in die Bibliothek kommen, bringen wir die Bibliothek halt zu ihnen. Das geschieht, indem wir möglichst viele unserer Angebote ins Internet stellen, aber auch indem wir durch Weblogs, Newsfeeds, Newsletter, Zeitungen, Besuche und jede auch nur mögliche Art der Kommunikation auf unsere Dienstleistungen aufmerksam machen. Hier spielt das Internet eine immer größere Rolle: Bei einer Evaluierung unserer insgesamt 64 verschiedenen Dienstleistungen waren alleine neun der zehn attraktivsten nur über das Internet zugänglich [2].

4. Kundenbindung

Die obigen Entwicklungen - das Verschwinden des Informationsmonopols, die virtuelle Unübersichtlichkeit und die zunehmende Enträumlichung - führen ob man es will oder nicht geradewegs zu dem Horrorszenario für Marketingexperten: dem Verlust der Kundenbindung. Der Begriff Kundenbindung bezieht sich auf „den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung als eine nicht zufällige Folge von Markttransaktionen zwischen Lieferanten und Kunden“ [3].

5. Auf dem Prüfstand

Im Zeitalter knapper Kassen im Gesundheitswesen, steigender Ausgaben für Forschung und Entwicklung, höherer Anforderungen an Qualität und Sicherheit, einer rapide fortschreitenden technologischen Entwicklung und einer stetig wachsender Informationsflut, selbständiger Universitätskliniken und leistungsorientierter Ressourcenvergabe richtet sich der Blick auch vielerorts auf die Medizinbibliotheken. Auch wir stehen zunehmend auf dem Prüfstand und müssen unseren Wert für die jeweilige Mutterorganisation beweisen – wenn nicht heute, so doch morgen.

6. Im Wettbewerb

Innerhalb von Universitäten, Medizinischen Fakultäten und Krankenhäusern konkurrieren Bibliotheken mit anderen Einrichtungen um Ressourcen wie Geld, Raum, Personal oder einfach nur um Aufmerksamkeit. Dass Bibliotheken dabei objektiv im Wettbewerb stehen, scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben. In diesem Sinne ist es wichtig und richtig, auch einmal von Kunden an statt immer nur von „Nutzern“ zu sprechen, da es die Sinne und Wahrnehmung für die Dienstleistungsebene schärft. Teilweise ist aber der Begriff „Kunde“ an sich bereits verpönt [4].

7. Klischees

Nicht zuletzt gilt es den gängigen Klischees, wie Bibliothekare aussehen, was sie sind und welche Arbeit sie üblicherweise verrichten, entgegenzutreten und ein eigenes, modernes Bild unserer Tätigkeiten und Kompetenzen zu vermitteln. Dies ist nicht nur für die Reputation der Bibliothek und die Wahrnehmung der Bibliothekare als kompetente Informationsfachleute immens wichtig, sondern auch für die berufliche Karriere (und für die zukünftigen Stellenangebote, wenn die Bibliothek eines Tages doch mal geschlossen wird ...).


B. Marketing!

Am Anfang war SWOT

Am Beginn jeder Marketingaktivität steht ein detaillierte Analyse der Stärken und Schwächen der Bibliothek bzw. der gegenwärtigen Chancen und Risiken. Die so genannte SWOT-Analyse stellt dafür ein geeignetes Werkzeug dar. SWOT steht für:

1.
Strengths (Stärken)
2.
Weaknesses (Schwächen)
3.
Opportunities (Möglichkeiten)
4.
Threats (Bedrohungen)

Welche Gebiete werden bei einer SWOT-Analyse typischerweise betrachtet?

  • Allgemeine Unternehmenscharakteristika
  • Produkte und Dienstleistungen
  • Vertriebsorganisation
  • Marktkommunikation (Kundenorientierung)
  • Preise und Konditionen
  • Herstellung, Beschaffung
  • Finanzen, Kostenstruktur
  • Personal
  • Management und Organisation
  • Informationsmanagement
  • Kunden(ein)bindung

Eine Analyse der Stärken und Schwächen kann informell z.B. in einer Focus Group oder - formell und statistisch abgesichert - mittels einer Umfrage erfasst werden.

Focus Groups

Daten über Informationsbedürfnisse von Bibliothekskunden werden in Deutschland meistens durch Umfragen gewonnen. Focus Groups stellen einen weiteren erfolgversprechenden Weg dar. 8-10 Ärzte, Wissenschaftler oder Studenten werden zu einer Art Diskussionsrunde eingeladen. Ein Moderator – je neutraler desto besser – stellt ihnen die intern ausgetüftelten Fragen. Der Bibliotheksleiter kann als Protokollant teilnehmen, muss sich aber zurückhalten. In der sich dann meist sehr lebhaft entwickelnden Diskussion werden viele Vorschläge gemacht, Ideen eingebracht sowie Kritik geäußert. Alles sollte unkommentiert bleiben, um das Brainstorming nicht zu stören. Eventuell sollte die Diskussion aufgezeichnet werden, da bei nochmaligen Anhören meist weitere Hinweise auf Nutzerwünsche gefunden werden. Anfangs sollten wohlgesonnene Nutzer eingeladen werden, um das Prinzip möglichst stressfrei zu testen. Den Zeitproblemen gerade im medizinischen Bereich kann durch Einladung zur Mittagszeit und Angebot eines kleinen Imbiss kreativ begegnet werden. Focus Groups stellen ein mächtiges Werkzeug dar, sowohl die Stärken und Schwächen der Bibliothek auszuloten als auch die Kundenbindung zu verbessern [5].

Umfragen

Die Ergebnisse von Umfragen können in einem so genannten Aktionsportfolio zusammengestellt werden (Abbildung 2 [Abb. 2]) [6]. Was ist ein Portfolio? Die abgefragten Dienstleistungen werden nach ihrer Bewertung bezüglich Wichtigkeit und Zufriedenheit in ein Koordinatensystem eingetragen. Dieses erlaubt es nun, die Serviceleistungen in vier Gruppen zu unterscheiden und diesen bestimmte Aktionen zuzuordnen: Diejenigen Angebote, die eine hohe Wichtigkeit aber eine niedrige Zufriedenheit verzeichnen (Rechteck links oben), sind sofort zu verbessern. Diejenigen mit niedriger Wichtigkeit und niedriger Zufriedenheit (Rechteck links unten) sind mittelfristig zu verbessern, während die Angebote mit hoher Wichtigkeit und hoher Zufriedenheit (Rechteck rechts oben) langfristig zu verbessern sind. Dienstleistungen mit niedriger Wichtigkeit aber hoher Zufriedenheit (Rechteck rechts unten) sind zu festigen.

Das Portfolio-Rechteck wird von einer imaginären Diagonalen, die von links unten nach rechts oben verläuft, in zwei gleiche Dreiecke zerschnitten. Dienstleistungen, die in der Nähe dieser Diagonalen liegen, haben den gleichen Grad an Wichtigkeit wie Zufriedenheit. Diese Dienste gelten zunächst als ausgewogen, es besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Dienstleistungen, die unterhalb der Diagonalen liegen, stellen die prinzipiellen Stärken einer Bibliothek dar. Je weiter eine Dienstleistung oberhalb dieser Diagonale liegt, desto unzufriedener sind die Kunden relativ zur Wichtigkeit (=Schwächen) und desto schneller muss gehandelt werden. Bei den studentischen Bedürfnissen betrifft dies insbesondere den Internetzugang in der Bibliothek, die Anzahl der Lern- und Arbeitsplätze, die Lern- und Arbeitsbedingungen, die Lehrbücher und die Kopierer. Diesen fünf Schwachstellen wird die Bibliothek sich als erstes zuwenden müssen.

Seine Feststellungen sollte man stets in Relation zu potentiellen Mitbewerbern setzen. Machen Sie sich dazu eine Übersicht wie Tabelle 1 [Tab. 1] und tragen Sie Ihre Bibliothek sowie Ihre vier wichtigsten Mitbewerber ein, wie hier an einem Beispiel zum Buch- und Zeitschriftenbestand demonstriert.

Dann kam 4P

Neben der SWOT-Analyse gibt es die vier P’s des Marketings. Diese Unterteilung beruht auf der Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Vertriebspolitik: Die vier P’s des Marketing sind Produkt, Preis, Place, Promotion [7]. Manche fügen noch drei weitere Komponenten hinzu: P ersonen, P rozesse und P hysische Erscheinung [8]. Bleiben wir bei den ersten vier Kriterien, stellt sich die Frage, was diese für eine heutige Bibliothek bedeuten – eine Bibliothek eingebettet in und konfrontiert mit Nutzergemeinschaften?

Produkt

Die Bibliotheksinhalte werden immer weniger wichtig (s.o.), die Dienstleistungen dagegen wichtiger. Produkte sind also weniger Massenware, als vielmehr auf den individuellen Nutzer passgenau zurechtzuschneiden. Beispiele: RSS-Feeds von Neuerscheinungen, Newsfeeds zu seinem Doktorthema, zu seiner Einrichtung, Krankheit, etc pp. Dazu braucht man Nutzerprofile, die z.B. mit speziellen Dienstleistungen wie Ausleihe von PDAs und PDA-Anwendungen generiert werden können.

Preis

Bibliotheksprodukte kosten doch nichts, was haben sie also mit „Preis“ zu tun? Das stimmt selbst auf den ersten Blick nicht mehr: Die Zeitschriftenpreiskrise und die zahlreichen Versuche, subito-Preise auf ein marktgerechtes Niveau zu heben, haben der Öffentlichkeit bewusst gemacht, dass auch bibliothekarischen Dienstleistungen etwas kosten. Ist die Bibliothek das Geld wert, das wir in sie stecken?, fragt sich der Unterhaltsträger. Welche geldwerten Vorteile verschafft sie uns?, fragen sich die Kunden. Die Open Access-Diskussion ist ein weiteres Beispiel dafür, wie schnell der Etat von Bibliotheken für andere Zwecke verwendet werden kann - wenn auch nur gedanklich: Statt Zeitschriftenabos sollen aus dem Etat nun Article Publication Charges bezahlt werden [9].

Jeder Benutzer kann sich weltweit ein Bild über die Artikelpreise machen und so die Preise von Bibliotheken, Dokumentlieferanten und Verlagen vergleichen. Er kann also zu den für ihn besten Bedingungen einkaufen. Dies setzt den einzelnen Anbieter enorm unter Druck, denn jetzt muss er der weltweiten Konkurrenz Paroli bieten.

Place

Die Bibliothek ist kein Tanker, der inmitten der Hochschule vor Anker liegt, sondern als Schnellboot ständig in Bewegung, ständig auf der Suche nach dem Ort, wo der Nutzer gerade fragend die Stirn runzelt. Ihn dort abzuholen, wo er sich gerade mit seiner ganz konkreten Fragestellung aufhält, in seinem virtuellen Labor, seiner Online-Community, seiner E-Learning-Plattform, seiner Second Life-Hochschule (die er gerade nicht verlassen kann), macht eine erfolgreiche Bibliothek aus. Dagegen: Nicht geöffnet zu haben, nicht vor Ort zu sein, nicht vielfältig ansprechbar und kontaktbereit zu sein (via Email, IM, Skype, Blog) sind Sargnägel für Bibliotheken. „Alles sofort, jederzeit und kostenlos“ [10] sind die drei Haupt-Schlüsselwörter für zufriedene Kunden.

Promotion

Bereits 1996 hat Oenicke in Online-Marketing die Entwicklung des Web 2.0 vorweg genommen [7]:

Des weiteren wird die Promotion durch die Interaktivität charakterisiert. Das heißt, der Kunde kann selbst als Sender in Aktion treten, was dem gesamten Marktgeschehen einen sehr dynamischen Charakter verleihen wird. Das führt zu einer Massenkommunikation im wortwörtlichen Sinn, denn Massen können von nun an miteinander kommunizieren. Wesentlich für die Online-Marketing-Kommunikation ist, sich dieser Entwicklungen bewusst zu sein und sich ihnen zu stellen. Denn es scheint, dass der Dialog gerade einer den wichtigsten künftigen Erfolgsdeterminanten ist.

Web 2.0 ist Massenkommunikation und Masseninteraktivität, der Nutzer ist Konsument und Produzent von Metainformation, was dem gesamten Bibliotheks-Nutzer-Tandem einen sehr dynamischen Charakter verleiht.

Kundenbindung

Der Verlust der Kundenbindung – wenn auch aus anderen Gründen – wird bereits seit längerer Zeit in öffentlichen Bibliotheken beobachtet. Dort existieren Marketingmodelle und Versuche, den wichtigen Markt der inaktiv gewordenen Kunden wieder zurückzugewinnen.

[Mit einer] Befragung von Kunden, die den Weg zur Bibliotheksnutzung wiederentdeckt haben, [...] soll die Frage beantwortet werden, ob eine Rückeroberung dieser wichtigen Kundengruppe überhaupt möglich ist. Eine Antwort wäre für alle öffentlichen Bibliotheken von Nutzen, die im harten Konkurrenzkampf um die Freizeit der Menschen um ihr Fortbestehen bangen müssen [...]. Allerdings haben gerade diese eine ganz wesentliche Waffe in der Hand: den Zugang zu einem großen und leicht über ihre Mitgliederkarteien erreichbaren Markt – den Markt der inaktiv gewordenen Kunden. In Begriffen des Marketings gesprochen befindet sich diese Zielgruppe in einem »kaufbereiten Zustand«, d.h., es dürfte wesentlich leichter sein, diese Menschen anzusprechen, als solche, die noch nie eine Bibliothek benutzt haben. [11]

Für Medizinbibliotheken geht der große Wettbewerb allerdings nicht um die Freizeit, sondern um die (noch knappere) Arbeitszeit unserer Nutzer. Auch in Medizinbibliotheken gibt es Möglichkeiten, Kunden aus dem Ausleihsystem herauszufiltern, die längere Zeit inaktiv waren, und diese nach Gründen für das Fernbleiben zu befragen. Ebenso kann man die Verwaltung des Klinikums um eine Liste aller Wissenschaftler bitten, die dort angestellt sind, diese eventuell mit anderen Listen (Ausleihe, Fernleihe, usw. – so verfügt die Zweigbibliothek Medizin Münster durch das subito-Projekt der kostenfreien Dokumentenlieferung über eine Liste der aktiven Nutzer von Zeitschriftenaufsätzen) abgleichen oder eine gezielte Umfrage starten: "Haben Sie schon einmal Bibliotheksressourcen benutzt und wenn nein, warum nicht?"

Mittels Content Management Systemen ist es prinzipiell möglich, ein computergestütztes Kundenmanagement oder auch Customer Relationship Management [12] durchzuführen. Bereits jetzt ist es Praxis bei großen Internetunternehmen wie Amazon oder Google, durch Sammeln und Auswerten von Kundendaten detaillierte Einblicke in persönliche, individuelle Entscheidungsprozesse zu erhalten. Datamining und intelligente Filter helfen, aus Nutzer-Tracking und - Profilen Vorhersagen über das zukünftige Informationsverhalten abzuleiten und hochindividuelle Dienstleistungen wie z.B. Current Awareness Dienste, Google AdSense, personalisierte Websuchen [13], usw. anzubieten. Bei dieser Profil-Erstellung helfen die zu profilierenden Nutzer kräftig mit – denn ihnen werden Gegenleistungen dafür versprochen (Google hat dies mit seinen Tools zur Perfektion getrieben).

Auch Bibliotheken können hier mitmischen, wenn auch nicht in einem so großen und professionellen Maßstab: Loggt sich der Nutzer heute in den Karlsruher OPAC ein, erhält er die neuesten Anschaffungen zu seinen Lieblingsthemen angezeigt. Aber auch jeder Fachreferent kann sich Personalisierungs-Tools wie z.B. Bulkmailer bedienen und damit Hunderte oder Tausende von Studenten und Fachwissenschaftler persönlich ansprechen.

„Kundenzufriedenheit erhöht die Wechselbarrieren, persönliche und exklusive Behandlung der Kunden erhöht die Kundenbindung, monetäre Anreize erhöhen die Wechselkosten und immunisieren den Kunden gegen Angebote des Wettbewerbs.“ [14]

"Monetäre Anreize für Kunden" klingt auf den ersten Blick zwar abwegig für stattliche Bibliotheken, sind aber de facto für öffentliche Unternehmen wie den unsrigen, die durch den Steuerzahler finanziert werden, quasi systemimmanent. Im Sinne dieser Definition dürften sich also Bibliotheken, die auf Kundenzufriedenheit sowie eine persönliche und exklusive Behandlung setzen, kaum Sorgen um die Kundenbindung machen.

Öffentlichkeitsarbeit

Wie transportieren Sie Ihre Entscheidungen, sei es über Zeitschriften(ab)bestellungen, über Erweiterungen/Kürzungen von Angeboten oder über (Nicht)Teilnahme an Konsortien in die Öffentlichkeit? Was hat man überhaupt für Möglichkeiten, etwas bekannt zu machen? In der Regel wird die Bibliothekskommission informiert, ein Aushang in der Bibliothek oder neuerdings auf der Homepage gemacht. Eine kurze Mitteilung in der Klinikumspostille oder der Tageszeitung dürfte dagegen schon zur Ausnahme zählen. Generell sollten so viele Kanäle wie möglich genutzt werden, denn die Aufmerksamkeitsspanne (gerade von Klinikärzten) ist doch eher begrenzt und die Konkurrenzsituation mit anderen Broschüren und Personen, die um Aufmerksamkeit buhlen, sehr stark. Aufmerksamkeit kann man durch aktive Mitgestaltung erhöhen, was eine starke Lanze für die Benutzung von interaktiven Web 2.0-Diensten in der Öffentlichkeitsarbeit bricht.

Wie – eher ernüchternde – Untersuchungen der ETH Zürich zeigten, werden durch intensivste Werbung und Ausschöpfung der üblichen Informationskanäle lediglich 40% aller Interessenten erreicht. Bei einer Umfrage zu e-Journals antworteten 80% der Teilnehmer, wie sie denn auf elektronische Zeitschriften aufmerksam geworden wären: „Durch ihre Umfrage!“ [15]

Generell sollten daher weitere Kanäle genutzt werden, wie z.B. Weblogs und RSS. Die in aller Regel zu Widerspruch reizenden Bibliotheksentscheidungen gilt es nicht nur zu verbreiten, sondern vielmehr zu erklären und argumentativ zu untermauern. Argumente werden dann am besten wahrgenommen, wenn man mitdiskutieren kann und wenn man sie von Mitgliedern seiner eigenen Gruppe – den Peers – hört. Mit dem offenen Anspruch von Blogs und ihrer Möglichkeit der Interaktion fühlen sich die Nutzer als gleichwertig akzeptiert und beteiligen sich aktiv. Im Gegenzug erfährt die Bibliothek mehr über ihre Nutzer und ihre Bedürfnisse. Sie wird durch die Nutzerkommentare und -Argumente dazu animiert, ihre eigene Haltung besser, detaillierter und verständlicher darzulegen. Sympathien sollen für die Bibliothek geweckt und Befürworter der Bibliothekspolitik mit Munition versehen werden. Dabei gilt es immer, die Bibliothek als integralen und notwendigen Bestandteil der Mutterorganisation darzustellen, auf Bedürfnisse nicht nur prompt reagierend und diese erledigend, sondern vorausschauend zu befriedigen, noch ehe sich die Kunden selbst deren bewusst geworden sind.

Virales Marketing

Was ist virales Marketing? Wikipedia [16] beschreibt es als Marketingform, die existierende soziale Netzwerke ausnutzt, um Aufmerksamkeit auf Marken, Produkte oder Kampagnen zu lenken, indem Nachrichten sich epidemisch, wie ein Virus ausbreiten. Die Verbreitung der Nachrichten basiert damit also letztlich auf Mundpropaganda, also der Kommunikation zwischen den Kunden oder Konsumenten.

Virales Marketing nutzt die Tatsache aus, dass im Web 2.0 dem Peer das meiste Vertrauen geschenkt wird, nicht der Firma. Wenn der Freund also etwas über Coca-Cola weiß, wird dies eher geglaubt – selbst wenn er es nur als Gerücht aufgeschnappt hat – als wenn Coca-Cola eine Verlautbarung macht. Auch wenn dieses Glaubwürdigkeitsphänomen vielleicht für Bibliotheken nicht so existenziell ist, da es sich hier um eine hochvertrauensvolle Institution handelt, funktionieren diese „neuen“ Marktmechanismen im Bibliotheks-Benutzer-Verhältnis ebenso. Wie leicht lassen sich über die Gerüchteküche, d.h. Mundpropaganda, Serviceangebote verbreiten oder schlecht machen! Wissen über erweiterte Öffnungszeiten werden sich auch ohne großes Zutun der Bibliothek in Windeseile in der Nutzerschaft ausbreiten. Wie kann die Bibliothek diesen passiven Effekt nun im Sinne eines viralen Marketings (VM) aktiv für sich ausnutzen? Beim VM geht es in erster Linie nicht um Kundenempfehlungen, die z.B. aus einem jahrelangen Vertrauensverhältnis zur Bibliothek entstanden sind, sondern es wird versucht, spontane Gelegenheitsempfehlungen zu instrumentalisieren [17]. VM funktioniert theoretisch mit jedem Medium, wird aber fast nur im Internet eingesetzt, da sich dort die Marketing-Gerüchte über Weblogs, Community-Foren, Emails und Podcasts dank einer ultrakurzen Inkubationszeit schnell ausbreiten. S. Langner zählt drei Ziele viraler Kampagnen auf, diese treffen auch für Bibliotheken zu [17]:

1.
Steigerung der Markenbekanntheit
2.
Gewinnung von Kundeninformationen
3.
Erhöhung der Produktnutzung

Das Benzin im Motor einer VM-Kampagne ist typischerweise ein attraktives Empfehlungsobjekt, dass vom Erstnutzer per Knopfdruck an seine Freunde weitergegeben werden kann und in irgendeiner Weise auf die Institution verweist. Wir erinnern uns an die äußerst erfolgreiche Moorhuhn-Spiel/Johnnie Walker-Kampagne. Das Objekt der Begierde muss Idealerweise fünf Bedingungen erfüllen: Es sollte unterhalten sowie neu, nützlich, kostenlos und leicht verteilbar sein [18]. Weiterleitungen (Empfehlungen) können belohnt werden.

Eine Bibliothek wird jetzt sicher kein Ballerspiel verteilen, und der Unterhaltungswert bibliothekarischen Marketings wird sich auch hier in Grenzen halten, aber die übrigen vier Punkte kann man relativ leicht bedienen: Denken wir nur an nützliche Tipps, wie man komplizierte Wege zum Ausweis, zur Literatur genial verkürzen kann, an eine Library Toolbar (s.u.), die das Wetter oder Vorlesungstermine anzeigt oder an die lustigen Werbevideos für Bibliothek in YouTube. Zur Belohnung eignen sich z.B. Fernleihgutscheine oder Einmal-frei-Mahngebühren.

Guerilla-Marketing

Leichter umzusetzen als virales Marketing ist das so genannte „Guerilla-Marketing“. Letzteres bezeichnet laut Wikipedia „die Wahl ungewöhnlicher Aktionen im Marketing, die mit untypisch geringem Mitteleinsatz eine große Wirkung erzielen sollen“ [18]. Felix Holzapfel führt in seinem Weblogbuch Guerilla Marketing: Online, Mobile & Crossmedia [19] aus, dass es sich beim Guerilla Marketing (GM) eher um eine Philosophie handele und nicht um einen festgelegten Katalog bestimmter Maßnahmen oder ein Routine-Vorgehen. GM steht vielmehr für ein bestimmtes Verhalten, eine innewohnende Kreativität des Marketings. GM:

  • Ist überraschend und einfach anders
  • Ist unberechenbar, niemals müde oder träge
  • Heißt handeln entsprechend dem „Maximalprinzip“
  • Heißt gut und präzise planen
  • Bedeutet stets den entscheidenden Schritt voraus sein [20]

Jeder dieser Aussagen könnte auch von Bibliotheken unterschrieben werden. Gerade für eine Institution wie die Bibliothek, die man nicht gerade mit Attributen wie Kreativität, Spontaneität (igitt!), Unberechenbarkeit, Proaktivität in Verbindung bringen würde, könnte GM überraschende Erfolge zeitigen. Das Image der Bibliothek würde sich allerdings vom allzeit berechenbaren Bibliotheksdampfer zu etwas anderem (positiverem!) wandeln, das vielleicht manchem (Mitarbeiter) zu unstet erscheinen mag. (Bei einem Brainstorming an der Zweigbibliothek Medizin Münster wurde als Zukunftsaufgabe der Bibliothek u.a. genannt: „Mal fünf Jahre nichts ändern.“).

Gelungene GM-Kampagnen können als kreative Vorbilder für Bibliotheks-Aktionen dienen und auch im viralen Marketing benutzt werden. GM ist allerdings nicht mit viralem Marketing gleichzusetzen, es stellt eher einen Überbegriff dar und ist medienunabhängiger als jenes. Die Theorie zu GM ist im Guerilla Marketing Buch, fantasievolle Beispiele sind im gleichnamigen Blog zu finden [21].

Image

Nicht nur Werbung für die Bibliothekspolitik zu betreiben, sondern diese auch transparent zu machen, wird von den Kunden positiv wahrgenommen. Benutzt man dazu auch noch die allerneuesten Technologien, sei es virales Marketing, Social Software oder Handheld Computer, dann ist der Aha-Effekt auf Benutzerseite gewiss.

What is the “street value” of your library online? [22]

Ein umsichtig geplantes, koordiniert und professionell ausgeführtes Marketingkonzept bietet die Chance, das Image der Bibliothek als solches immens zu steigern, und dies - wie wir aus der Werbung wissen – unabhängig von der realen Angebotsqualität. In Zeiten knapper Kassen kommt die alte Marketing-Weisheit wieder zum Tragen, dass nicht die objektive Service-Verschlechterung die entscheidende Negativ-Empfindung auslöst, sondern die Art und Weise wie diese Verschlechterung kommuniziert wird: Die Emotionen entstehen nur dann, wenn man keinen Grund für die Verschlechterung erkennen kann und sich als ohnmächtig gegenüber einer großen, undurchsichtig operierenden Organisation ansieht. Macht der Zugführer aber eine Durchsage, in der er sich für die Verspätung entschuldigt und als genauen Grund Gleisarbeiten benennt, dann lässt sich die Wartezeit sehr viel leichter ertragen.

Politik

In einer großen medizinischen Fakultät mit angegliedertem Uniklinikum wie der unsrigen ist eine lediglich informelle Informationspolitik – so nötig wie diese auch ist – doch letztendlich aufgrund der schieren Größe der Klientel zum Scheitern verurteilt. Einzelne wichtige Entscheidungen z.B. der Bibliothekskommission oder des Dekanats kann man so zwar am besten beeinflussen, meist gilt es aber nutzergruppenübergreifend Information zu verteilen und für Verständnis zu werben. Angesichts einer Anzahl von 60 Instituts- und Klinikdirektoren, 120 Professoren, 1.000+ wissenschaftlichen, 5.000 weiteren Mitarbeitern und 3.000 Studenten ist dies selbstredend nur formell zu leisten – und sei es durch den personalisierten Serienbrief per Hauspost oder E-Mail.

Aspekte der Meinungsführerschaft, Nutzungslenkung, Kundenmanipulation und – Einbindung spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Wahl und Intensität von PR-Produkten. Alles in allem gilt es nicht nur wie das Kaninchen auf die Schlange "Benutzerzufriedenheit" zu starren, sondern auch die Unique Selling Points zu beachten, wie John van Loo rät [23] – auch wenn aus seiner Schilderung ein gehöriger Frust über die oft unverständliche und undurchsichtige Art herauszuhören ist, wie Entscheidungen in der Fakultät getroffen werden:

"As already mentioned the library has two publics, its funding source and its users. This is considerably more complex than in the case of a profit making organization. Library revenue and user success are not interdependent. The library may be providing a satisfactory service but not obtaining increased funds and vice versa. It could be that the library's continued financial support will come less from its actual ability or willingness to meet clients needs. It is paid for what it deserves, not what it earns. It is paid for not alienating important clients rather than for satisfying any one group."

C. Informationsprodukte

Als Marketinginstrument für Dienstleistungen und Sprachrohr für eine Informierung des Kunden hat die Zweigbibliothek Medizin ein abgestuftes Angebot von Produkten entwickelt. Dabei spielen die Möglichkeiten des Internets eine zentrale, aber keinesfalls ausschließliche Rolle. Die Kaskade bestand sieben Jahre lang – von 1997 bis 2004 – aus drei Produkten, zu denen sich nach dem Relaunch der Webseite ein tagesaktueller Nachrichtendienst „Aktuelles“ auf der Homepage gesellte, der per RSS abonniert werden konnte. Vor kurzem wurde „Aktuelles“ auf eine Blog-Software portiert und die Informationsinhalte der nun vier Produkte enger miteinander verzahnt, um Synergien besser nutzen zu können. Gleichzeitig kam ein Podcast als wöchentliches „Bibliotheksradio“ hinzu. Bei der Distribution kommen damit insgesamt fünf Medienformen (Print, Email, Homepage, RSS, Podcast) zum Einsatz (Tabelle 2 [Tab. 2]).

Daneben werden noch weitere Informationsprodukte angeboten, die aber nicht aus eigenen Inhalten generiert werden, sondern aus Web-Nachrichtentickern bestehen. Diese sind einzigartig und nirgendwo sonst erhältlich, da sie speziell für die Informationsbedürfnisse unserer Kunden zusammengestellt wurden. Als Beispiele mögen gelten: UKM Aktuelles: die Pressemeldungen der Uniklinikums, MedizinNews: die Nachrichten aus der Tagespresse, PubMed-Artikel: die veröffentlichten Artikel der Fakultät, gemergte RSS-Feeds als SDI-Dienste (s.u.).

Aktuelles

Der Nachrichtendienst „Aktuelles“ wird seit dem Relaunch der Webseite im Jahre 2004 angeboten. Tagesaktuelle News, die nicht auf den Erscheinungstermin des Newsletters am Freitag warten können, gehören hierhin. Darunter zählen z.B. Ausfälle bei den elektronischen Zeitschriften, Ankündigungen über Serverarbeiten, Feiertagsregelungen, Öffnungszeiten, etc. Die News wurden über das Frontend phpMyAdmin direkt in eine mySQL-Datenbank eingegeben. Daraus wurde „on-the-fly“ ein Exzerpt mit dem Titel und einigen angerissenen Wörtern auf der Homepage gesteuert und die Vollanzeige, die sich hinter dem Link verbirgt. Des weiteren wurde aus der Datenbank ein RSS-Feed generiert, der allerdings leider keine Nutzungsstatistik erlaubte. Das Blog „Aktuelles“ wird im nächsten Kapitel besprochen.

Der Newsletter

Seit 1995 informiert die Zweigbibliothek ihre Kunden regelmäßig per Email, seit 1997 per Mailingliste. In den zehn Jahren, die der Newsletter nun besteht, wurden insgesamt 470 Ausgaben verschickt. Der Newsletter versucht die Informationen aus „Bibliothek, Medizin und Fachpresse“ möglichst komprimiert und 'Häppchenweise' zu geben, trotzdem ist er meist länger als drei Druckseiten. Wie wir wissen, entspricht dies nicht ganz den Bedürfnissen unserer Kunden, die gerne einen kürzeren Newsletter hätten.

Für den Brief wurden u.a. der Scout-Report, die ZEIT, die FAZ, die Süddeutsche, idw-online, der Spiegel und viele andere Infoquellen ausgewertet. Dieser Teil des Newsletters wurde bereits Anfang 2007 eingestellt, da zu jedem dieser Angebote mittlerweile RSS-Feeds angeboten wurden.

Für das Marketing von Bibliotheksprodukten ist es besonders wichtig, dass immer wieder neue Ideen und darauf aufbauend Dienstleistungen entwickelt werden. Nach dem so genannten Lifecycle-Management ist ein Produkt nicht als statisch zu betrachten, sondern verändert seine "Marktperformance" mit dem Lebensalter. Nach der Entstehung folgt eine Phase des Wachstums, die zum Reifestadium überleitet. Während das Wachstum von hohen Zuwachsraten gekennzeichnet ist, sinken diese in der Reifephase und verschwinden in Phase 4, der Marktsättigung. Die Bedeutung des Produkts "im Dienstleistungskatalog der Bibliothek sinkt, bis es schließlich aus dem Angebot herausgenommen werden muss und damit seinen Lebenszyklus beendet (Degenerationsphase)" [24]. Offensichtlich ist dies gerade beim Newsletter eingetreten: Seit einigen Jahren stagnieren die Abonnentenzahlen, der Service ist in die Jahre gekommen und kann mit neuen interaktiven Angeboten nicht mehr mithalten. Die Entwicklung eines neuen Produktes (Weblog „Aktuelles“) war also zum einen unverzichtbar, um weiter im Geschäft zu bleiben, zum anderen, um die Bedürfnisse der Kunden wieder besser zu treffen.

med: Zeitschrift

Warum heutzutage noch eine gedruckte Zeitschrift? Ähnlich wie der Papp-Polizist, der mit erhobenem Zeigefinger vor einem veränderten Verkehrsschild steht, bedarf es auch in unserer interaktiven Web 2.0-Welt eines vertrauten Mediums, um erst einmal die Aufmerksamkeit für diese schöne neue Welt zu wecken. Gegenüber und neben der elektronischen Version bietet die Zeitschrift mehrere Vorteile: Auslage in der Bibliothek und in der Personalkantine, dadurch starke physische Präsenz. Sie hat einen hohen Aufmerksamkeitswert, wirkt professioneller, erreicht andere/weitere Nutzergruppen, nimmt Werbeanzeigen auf.

Insgesamt erzeugt eine gedruckte Zeitschrift mit einem gediegenen, vierfarbigen Layout eine höhere Aufmerksamkeit und ein besseres Image als ein Flat-Ascii-Newsletter (2007 wurde die Bibliothekszeitung vollkommen erneuert und ein neuer Name gewählt). Und nicht nur das: Man kann auch mehr damit machen. Man kann die Zeitschrift Nutzern in die Hand drücken, man kann direkt darauf verweisen, neu berufenen Professoren kann man in einer Informationsmappe die letzten drei, vier Ausgaben zuschicken und ihnen damit das gewünschte Bild der Bibliothek vermitteln: professionell, kompetent, engagiert, freundlich.

Als „Aufmacher“ für jedes Heftes wird ein Thema von zentraler Wichtigkeit für unsere Klientel benutzt. Meist wird dabei versucht, Gast-Editoren zu finden, die mit einem Foto abgebildet werden und so einen zusätzlichen Blickfang bilden. Oft dienen zufällige Begegnungen oder Beiträge in Diskussionsgruppen als Anlass, jemanden anzusprechen und um einen Artikel zu bitten. Meistens wird der Bitte gerne entsprochen, es sogar als Ehre empfunden und um Belegexemplare gebeten. Auf diese Art und Weise wird mit einer relativ geringen Eigenleistung zu einer wesentlichen Aufwertung des jeweiligen Heftes beigetragen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf Autoren der eigenen Fakultät gelegt. Diese sind zum einen leicht anzusprechen, zum anderen den Lesern bekannt und können damit eher Qualität versprechen und Interesse wecken.


D. Web 2.0

Bibliotheksmarketing ist ein kontinuierlicher Prozess, der die Gesamtheit der Bibliothek und ihre Wirkung auf die Nutzerschaft umfasst. Die Kommunikation mit dem Nutzer stellt ein zentrales Marketinginstrument dar. Nichts erscheint dafür geeigneter als die neuen Social Software-Anwendungen, die dem Nutzer eine aktive Rolle zuweisen – er soll an den Dienstleistungen teilnehmen und sie mitgestalten. Die Bibliothekskunden sind sowohl Nutzer als auch Produzent von Medien und Dienstleistungen und erwarten, dass diese neue Rolle auch von den Bibliotheken unterstützt wird [22].

Web 2.0 technologies are a disruptive force that’s changing the way that messages about products and brands are delivered and received. The rise of social media powered by Web 2.0 is a dramatic change for marketing just as the printing press was for communications. [23]

Die persönliche Interaktion stellt im Marketing eine conditio sine qua non dar. Gerade im Zeitalter der Enträumlichung von Information und Nutzer ist der persönliche Kontakt von zentraler Bedeutung. Nicht umsonst heißt es: Wen man von Angesicht zu Angesicht kennt, dessen Etat wird man nicht so schnell beschneiden. Im Gegensatz zu Einbahnstraßenverlautbarungen ohne Kommentarmöglichkeit zeugt die Interaktivität des Web 2.0 von einer offenen, nutzerorientierten Mentalität: Die Bibliothek stellt sich dem Nutzer und lädt in zu einer Diskussion und der Erstellung gemeinsamen Contents ein. Als zentrales Erfolgskriterium wird in der Marketingliteratur der Begriff der Kundenbindung hervorgehoben, der als „Aufbau und Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung als eine nicht zufällige Folge von Markttransaktionen zwischen Lieferanten und Kunden“ definiert wird [3]. Das Ziel von Web 2.0 und das Potenzial einer intensiven Interaktivität könnte kaum besser formuliert werden: „Durch ihre hohe Interaktivität und Einbeziehung des Nutzers dienen Web 2.0-Dienste ganz explizit dem Aufbau und der Aufrechterhaltung einer auf gegenseitigen Nutzen ausgerichteten Beziehung als eine nicht zufällige Folge einer persönlichen, Web 2.0-Kommunikation zwischen Bibliothekaren und Benutzern. Eine lebendige Community zwischen Bibliothek und Nutzer besteht aus der Summe solch gleichwertiger Beziehungen.“ Mit ihrem offenen Anspruch und der Möglichkeit der Interaktion fühlen sich die Nutzer als gleichwertig akzeptiert und beteiligen sich aktiv. Im Gegenzug erfährt die Bibliothek mehr über ihre Nutzer und ihre Bedürfnisse. Sie wird durch die Nutzerkommentare und -Argumente dazu animiert, ihre eigene Haltung besser, detaillierter und verständlicher darzulegen.

Weblogs

Ein Weblog ist ein Logbuch im Web – ein Web-Tagebuch, in das man Beiträge aller Art hineinschreiben kann. Ein Weblog (kurz Blog) besteht im Grunde aus ganz „normalen” Webseiten, die im Gegensatz zu den gewohnten statischen HTML-Seiten bei jedem Aufruf dynamisch aus einer Datenbank erzeugt werden. Eine zweite Besonderheit ist aber noch weitaus wichtiger: Weblogs erlauben Interaktivität. Leser können die Weblog-Beiträge kommentieren und dadurch aktiv am Blog teilnehmen. Weblogs erlauben Interaktivität nicht nur, sie ist sogar ein genuiner Bestandteil von Weblogs: Man muss Kommentare manuell ausschalten, will man das Blog nur als Einbahnstraße nutzen. Bibliotheksblogs, die sich an den Benutzer wenden, stellen eine hervorragende Möglichkeit dar, der Bibliothek ein menschliches Gesicht, eine persönliche Stimme zu geben.

Klaus Eck nennt als Erfolgsfaktoren für einen solchen Corporate Blog:

Blog-Beiträge […] sollten kurz und prägnant sein und möglichst schnell zur eigentlichen Botschaft führen. Ein erfolgreiches Blog lebt durch die Authentizität seiner Autoren. Je aktueller und authentischer die Texte eines Blogs sind, desto attraktiver wird das Blog für viele Leser. Ein Blog sollte somit nicht als weitere Plattform für klassische Werbebotschaften genutzt werden. [24]

In der Informationskaskade der Zweigbibliothek Medizin gab es zwei Nachrichtenkanäle, die auf der Homepage miteinander konkurrierten: Über die ganz aktuellen Angelegenheiten informierte die Rubrik „Aktuelles“ auf der Homepage, die wöchentlichen Meldungen waren im Newsletter zu finden. Dies verwirrte Benutzer und Mitarbeiter. Mit der Blog-Software Wordpress wurden nun diese beiden Informationsstränge vereinigt. Ähnlich wie bei der SUB Hamburg werden auf der Bibliothekshomepage Titel und kurze Exzerpte der Blog-Einträge angezeigt und von dort auf den Blog verwiesen. Wie gehabt, können die Meldungen per RSS abonniert werden. Insgesamt lässt sich nun eine deutlich bessere Verzahnung der Informationsprodukte feststellen. Während früher ein mehr oder weniger starkes Nebeneinander der einzelnen Publikationsorgane vorherrschte, zeichnet sich nun auch eine klare chronologische Strukturierung des Informationsflusses ab:

Gestartet wird mit dem Weblog: Zuerst erscheinen die Meldungen (meist mit Bild) im Weblog „Aktuelles“ und damit auch auf der Homepage. Der wöchentliche Newsletter stellt im Wesentlichen lediglich eine Zusammenfassung der Weblog-Einträge der vergangenen Woche dar und ist als solches schnell und einfach zu erstellen. Er wird hauptsächlich nur noch für diejenige Klientel erstellt, die partout auf eine Benachrichtigung per Email bestehen und sich nicht mit RSS auskennen oder es lernen wollen – wahrscheinlich noch die absolute Mehrheit unserer Benutzer (800 Personen haben den Newsletter per Email abonniert, 40 die UKM-News per RSS).

Die Zeitung „med“ stellt dann die wichtigsten Blog-Beiträge zusammen. Neu ist, dass im Heft nur noch kurz auf die Meldungen eingegangen wird – es wird lediglich als Anreißer benutzt – und dann auf die vollständigen und verlinkten Beiträge im Blog verwiesen wird.

Aber es gibt noch weitere Vorteile. Der Blog ermöglicht eine Vereinheitlichung und Vereinfachung. Durch die Einbindung einer Vielzahl von RSS-Feeds kann die Seite sowohl dynamisch gestaltet werden als auch eine Portal-Funktion wahrnehmen. Zentral sind natürlich Newsfeeds wie die Pressemeldungen des Uniklinikums, die Artikel der UKM-Forscher oder die Nachrichten aus der Fachpresse. Der Newsticker von Reuters Health soll ebenfalls eingebunden werden – vermutlich aber erst auf einer untergeordneten Seite. RSS-Feeds werden aber nicht nur vermittelt, sondern auch selber produziert: Die Beiträge und Kommentare des Weblogs, aber auch einzelne Fachkategorien und Tags (Pharmazie, Chirurgie, Open Access) können abonniert werden.

Besonders hervorzuheben ist, dass Bibliotheksmitarbeiter die zugrundeliegende Software bereits durch das interne Blog auskunft sehr gut kennen und darum als Autoren gewonnen werden konnten.

Podcasts

Wieso bieten Zeitschriftenverlage und Nachrichtenagenturen mittlerweile Informationen in Form von Podcasts an? Bei Podcasts handelt es sich um Audio- oder Videodateien, die über das Internet ausgestrahlt werden, daher auch der Begriff Podcast = iPod Broadcasting. Solcherart entstehen Radio- oder Fernsehbeiträge, die nicht zu einer bestimmten Zeit konsumiert werden müssen, sondern auf Abruf bereitstehen. Podcasts lassen sich auch als Newsfeed abonnieren. Die Zweigbibliothek Medizin nutzt dieses Medium, um die Neuigkeiten aus der Bibliothek als kontinuierliche Radiobeiträge in Form eines Wochenrückblicks anzubieten (available from: http://medbib.klinikum.uni-muenster.de/mp3/podcast.xml). Schulungen zur medizinischen Literatursuche oder zum Web 2.0 sollen folgen, ebenso einzelne Vorträge.

Podcast-Marketing ist mittlerweile eine bekannte Form des Online-Marketings [25]. Mit Podcasts können bestimmte Zielgruppen sehr zielgenau erreicht werden, ohne die Marketingkampagne durch Streueffekte zu gefährden. Podcast ist eine Medienform, die – ähnlich wie RSS – immer öfter als Format der Wahl im viralen Marketing eingesetzt wird, da der Unterhaltungs- und Spaßfaktor, insbesondere bei Video-Podcasts, einen großen Empfehlungsanreiz darstellen.

RSS

Ein Weblog kann nicht nur als Webseite direkt besucht werden, sondern lässt sich auch per RSS-Feed abonnieren. Eine derartige Verbreitung von Information nennt man Syndication; eine der vielen Definitionen von RSS lautet auch Really Simple Syndication [26]. Bekannte RSS-Feeds sind die Tagesschau-Nachrichten, die Heise Online News oder Nature Inhaltsverzeichnisse. Auch die aktuellen Bibliotheksinfos der Universitäts- und Landesbibliothek Münster können per RSS abonniert werden [27]. Neuere Versionen von Internetbrowsern erkennen automatisch, wenn auf einer Seite ein Newsfeed angeboten wird und blenden das entsprechende Icon in der Adresszeile ein.

Ist es nicht zu früh für RSS, können unsere Nutzer überhaupt mit diesem Format umgehen? Noch 2005 war RSS unter unseren Newsletter-Abonnenten kaum bekannt und eine Umstellung wäre ein Wagnis geworden [28], doch in diesem Jahr hat bereits die ermutigende Zahl von 40 Personen die Pressemeldungen des UKM über unseren RSS Feed abonniert und durch das dazwischengeschaltete Blog wird die Hemmschwelle weiter verringert.

Als Beispiel für ein innovatives Bibliotheksangebot mögen die Pressemeldungen des Universitätsklinikums Münster (UKM) dienen. Diese Nachrichten werden zwar über eine PHP/mySQL-Anwendung auf der UKM-Homepage angezeigt, ein RSS-Feed wird jedoch nicht angeboten – auch nicht nach beharrlichen Fragen. Mit dem Service Feed43 [29] gelang es, diese Nachrichten von der Eingangsseite des Klinikums zu extrahieren und in einen RSS-Feed zu verwandeln [30]. Nun können diese News universell weiterverwendet, mit anderen Feeds gemischt und jedermann/überall angeboten werden – im Bibliotheksblog, in der Library Toolbar oder in anderen Zusammenstellungen.

Durch Extrahieren und Zusammenführen von Feeds lassen sich thematisch einzigartige Newsfeeds individuell zurechtschneidern, wie z.B. sämtliche Nachrichten über Hyperthyreose aus Reuters Health, bestimmten Wissenschaftsjournalen, der Tageszeitung, Pressemeldungen von Krankenhäusern, PubMed-Suchen usw. – ein Analogon zu den früheren SDI-Diensten der Bibliothek.

Library Toolbar

Die RSS-Feeds werden auch über die Library Toolbar der Bibliothek verbreitet. Seit 2005 setzt die Zweigbibliothek Medizin die frei konfigurierbare Community Toolbar des Anbieters Conduit [31] ein. Sie dockt am Browser des Benutzers an und liefert dem Benutzer alle Angebote der Bibliothek sozusagen frei Haus. Unabhängig davon, wo sich der Benutzer gerade im Web aufhält, kann er mit einem Klick die wichtigsten Bibliotheksdienstleistungen aufrufen, seien es Kataloge, Datenbanken, Nachrichten-Feeds oder Kontaktadressen. Um den Nutzern die Installation der Toolbar schmackhaft zu machen, wurden weitere nützliche Quellen eingebunden: Das deutsche Telefonbuch, das Uni-Telefonbuch, den Google Pagerank, Uni-Newsfeeds, Uni-Publikationen, lokale Wettervorhersagen usw. – die Toolbar erlaubt schier unbegrenzte Erweiterungen [32].


E. Fazit

Das Kerngeschäft einer Bibliothek ist zunächst das Finden, Filtern, Verzeichnen und Archivieren von Informationen. Manche beschränken sich darauf und vergessen, dass die Inhalte und Metadaten, die Frucht ihrer Arbeit, auch an den Mann gebracht – vermittelt - werden müssen. Vermittlung ist Marketing par excellence. Darüber hinaus müssen Bibliotheken auch immer das politische Geschehen beobachten und zu ihren Gunsten beeinflussen – auch dies ist Marketing. Das Soziale Web und seine Werkzeuge stellen mächtige Instrumente zur Unterstützung dieser Aufgaben dar.

Im Zeitalter von Scholarly Skywriting [33] wird es aber auch für den Fachreferenten immer wichtiger, die Nutzer dort aufzusuchen, wo sie sich befinden: In wissenschaftlichen Communities wie Connotea, Nature Network, Ning oder Xing. Der Erfolg des Fachreferenten der Zukunft ist davon abhängig, ob er sich in diesen Communities auskennt und dort nützliche Dienstleistungen anbieten kann.

Blogger stellen mit ihrem Wissen und ihrer Einbettung in die verschiedenen Communities vielleicht bereits die Vorläufer des „Bibliothekars der Zukunft“ dar, der sich – ob mit oder ohne Bibliothek im Hintergrund – als Informationsexperte sicher und gewandt in den Internet-Communities der Nutzer bewegt. Er ist aufgrund seiner Fähigkeiten dazu prädestiniert, Portale und Nutzergemeinschaften aufzubauen und zu betreuen. Bibliothekarische Expertise und Informationskompetenz ist angesichts der Unübersichtlichkeit des Sozialen Webs notwendiger denn je [34].

Darlene Fichter liefert eine schöne Zusammenfassung des zuvor gesagten, weshalb ich ihre Ausführungen gerne an den Schluss stellen möchte [22]. Sie nennt im folgenden sieben Faktoren für erfolgreiche Marketingstrategien im Web 2.0:

1. Learn about social media

Alle Mitarbeiter der Bibliothek müssen im Web 2.0 aktiv werden und es verstehen lernen, um zu begreifen wie die speziellen Angebote (YouTube, del.icio.us, ..) und Suchmaschinen (Technorati) funktionieren. Nur so können sie das Wissen auch weitergeben und den Nutzern helfen.

2. Create a Web 2.0 marketing plan

Auch beim Marketing mit Web 2.0-Werkzeugen gilt: Es will strategisch geplant sein. Dabei gilt es kreativ zu sein und die Benutzer mit einzubeziehen.

3. Participate! Join the conversation

Social Software oder Social Media ist keine Einbahnstraße, auch beim Marketing nicht, die man sich konservativ als typische Einbahnstraße vorstellt. Man kann die Webseite der Bibliothek mit angeboten wie z.B. Weblogs, Wikis, Tagging, Audio- und Video-Podcasts usw. anreichern. Beim allem gilt es zu beachten, dass sich die Benutzer aktiv beteiligen können. Wenn die Benutzer nicht zur Bibliothek kommen, dann kann die Bibliothek die Foren und Communities der Nutzer aufsuchen. Doch dabei ist Achtung geboten, wie Anne Christensen aufzeigt [35]:

Die Einmischung von behördlichen Aufsehernaturen wie unsereinem muss mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und am besten nach vorherigem persönlichen Kontakt erfolgen, wie der ebenfalls sehr interessante Post des ACRL-Blogs mit dem Titel “What students think of authority figures in Facebook” [36] aufzeigt. Eine – zarte Hoffnung auf Chancen zum Mitspielen weckende – Antwort auf die Frage, ob bibliothekarisches Engagement bei Facebook und Co. von der Zielgruppe erwünscht ist: “For the most part, no. I’d much rather they stay out of it. However, I do have one professor who is known for being fairly hip. He’s on Facebook and I have no problem with this because I know he’s not going to abuse that position.”

4. Be remarkable

Da Social Media das virale Marketing unterstützt, gilt es insbesondere mit frischen Ideen und Inhalten in den Nutzergemeinschaften präsent zu sein. Einmal infiziert, breiten sich die Angebote der Bibliothek schon von selber aus.

5. Help your library content travel

Bei der Präsentation der Bibliotheksinhalte gilt es in hohem Masse kreativ und imaginativ zu sein. Die Möglichkeiten des Web 2.0 erscheinen endlos und so kann man auch die Inhalte (als Bookmark, Newsfeed, auf Web 2.0-Seiten wie Flickr, YouTube, usw.) an den Benutzer bringen, seien es nun Neuerwerbungen oder gerade zurückgebrachte Bücher.

Slice and dice your content for dozens of specialized audiences.

6. Be part of the multimedia wave

Audio- und Videomitschnitte von Autorenlesungen oder sonstigen Bibliotheksevents sind leicht zu erstellen und finden bei YouTube eine große Öffentlichkeit.

7. Monitor engagement and learn as you go

Auch Marketing 2.0 sollte evaluiert werden, aber Nutzungszahlen können leicht in die Irre führen, da man auch wissen muss, wie engagiert die Nutzer bei der Sache sind. Trotzdem sollte man wissen, wie viele Leser der Bibliotheksblog hat, wie viele Nutzer schon mal einen Beitrag kommentiert oder als Bookmark angelegt haben, und wer die Bibliothek in welchem Zusammenhang in seinem eigenen Blog zitiert hat.


Literatur

1.
Ceynowa K. Die Stunde à DM 6.860: Betriebswirtschaftliche Steuerung von Hochschulbibliotheken. med info 2000;4(3):1-2.
2.
Obst O. Hits und Nieten in der ZB Medizin. med info. 2001;5(5/6):3.
3.
Peter SI. Kundenbindung als Marketingziel: Identifikation und Analyse zentraler Determinanten. Wiesbaden: Gabler; 1997.
4.
Leskien H. in: Grassmuck, V. Das Urheberrecht vom Kopf auf die Füße stellen. Telepolis [updated 2002 January 12; cited 2007 April 5]. Available from: http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wos/11547/1.html. Externer Link
5.
Glitz B. Focus groups for libraries and librarians. NY: Forbes; 1998.
6.
Ball R. Von Melkkühen, lahmen Pferden und toten Tieren: Bibliotheksdienstleistungen in der Portfolio-Analyse. B.I.T.online. 2001;4(2):139-46.
7.
Oenicke J. Online-Marketing: Kommerzielle Kommunikation im interaktiven Zeitalter. Stuttgart: Schaefer-Poeschel; 1996.
8.
Zollondz HD. Marketing-Mix. Die sieben P's des Marketings. Berlin: Cornelsen; 2005.
9.
Bauer B. Kommerzielle Open Access Publishing-Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand: Ökonomische Zwischenbilanz der "Gold Road to Open Access" an drei österreichischen Universitäten. GMS Med Bibl Inf. 2006;6(3):Doc32 [updated 2007 January 30; cited 2007 April 5]. Available from: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2007-6/mbi000050.shtml. Externer Link
10.
Pianos T. Alles sofort, jederzeit und kostenlos. Bericht über die 9. Inetbib-Tagung in Münster. Bibliotheksdienst. 2006;40(11)1272-80 [updated 2006 November; cited 2007 April 5]. Available from: http://www.zlb.de/aktivitaeten/bd_neu/heftinhalte2006/DigitaleBib021106.pdf. Externer Link
11.
Kerr G. Kundenbindung in öffentlichen Bibliotheken. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung; 1999 [updated 1999 May 29; cited 2007 April 5]. Available from: http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/bst/Kerr_Endfassung_Deutsch.pdf. Externer Link
12.
Besant LX, Sharp D. Upsize this!: libraries need relationship marketing. Information Outlook. 2000;4(3):17-22.
13.
Lewandowski D. Personalisierung – das nächste große Ding in der Websuche [updated 2006 November 11; cited 2007 April 5]. Available from: http://www.bib-bvb.de/bib_schule/Personalisierung-Lewandowski.pdf. Externer Link
14.
Butscher SA, Litfin T. Virtuelle Kundenbindung [updated 2001 June 27; cited 2007 April 5]. Available from: http://www.marketing-marktplatz.de/Relation/VirtuelleKundenbeziehungen.htm. Externer Link
15.
Ciandrini C. Der virtuelle Zeitschriftenbestand der ETH-Bibliothek Zürich: Eine Benutzungsstudie. Zürich: ETH-Bibliothek; 1997.
16.
Virales Marketing. In: Wikipedia [updated 2007 March 16; cited 2007 April 5]. Available from: http://de.wikipedia.org/wiki/Virales_Marketing.
17.
Langner S. Viral Marketing - Mundpropaganda in der integrierten Kommunikation. In: Schwarz T, Braun G, editors. Leitfaden integrierte Kommunikation - Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert. Waghäusel: Absolit, Dr. Schwarz Consulting; 2006. p.215-36.
18.
Guerilla Marketing. In: Wikipedia [updated 2007 April 4; cited 2007 April 5]. Available from: http://de.wikipedia.org/wiki/Guerilla-Marketing. Externer Link
19.
Holzapfel F. Guerilla Marketing: Online, Mobile & Crossmedia [updated 2006 May 11; cited 2007 April 5]. Available from: http://guerillamarketingbuch.com/. Externer Link
20.
Holzapfel F. Guerilla Marketing & Co. - wieso, weshalb, warum. In: Guerilla Marketing: Online, Mobile & Crossmedia [updated 2006 May 11; cited 2007 April 5]. Available from: http://guerillamarketingbuch.com/category/1-guerilla-marketing/. Externer Link
21.
Guerilla Marketing Blog [updated 2007 March 23; cited 2007 April 5]. Available from: http://www.guerilla-marketing-blog.de/. Externer Link
22.
Fichter D. Seven Strategies for Marketing in a Web 2.0 World. Marketing Library Services. 2007;21(2):1 [updated 2007 April 5; cited 2007 April 5]. Available from: http://www.infotoday.com/mls/mar07/Fichter.shtml. Externer Link
23.
Van Loo J. Marketing the library service: lessons from the commercial sector. Health libraries review. 1984;1(1):36-47.
24.
Eck K. Weblogs in der Kundenkommunikation. In: Schwarz T, Braun G, editors. Leitfaden integrierte Kommunikation - Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert. Waghäusel: Absolit, Dr. Schwarz Consulting 2006. p. 201-14.
25.
Straub J. Marketing-Kommunikation mit Klick. Saarbrücken: VDM; 2007.
26.
RSS. In: Wikipedia [updated 2007 January 31; cited 2007 April 4]. Available from: http://de.wikipedia.org/wiki/RSS. Externer Link
27.
RSS-Service [updated 2007 February 1; cited 2007 April 4]. Available from: http://www.uni-muenster.de/ULB/forum/rss-info.html. Externer Link
28.
Obst O. 108 Thieme-Zeitschriften online. ZB MED News 403 [updated 2005 August 26; cited 2007 April 4]. Available from: http://listserv.uni-muenster.de/pipermail/zbmed-news/2005/000122.html. Externer Link
29.
FEED43 [updated 2007; cited 2007 April 4]. Available from: http://feed43.com. Externer Link
30.
UKM-Aktuelles [updated 2007 April 4; cited 2007 April 4]. Available from: http://feeds.feedburner.com/UKM-Aktuelles. Externer Link
31.
conduit connect [updated not known; cited 2007 April 4]. Available from: http://www.conduit.com/Wizard/. Externer Link
32.
Van den Brekel G. New Searches in Library Toolbar: Web of Science, Ovid and LiveTrix. digiCMB [updated 2007 January 31; cited 2007 April 4]. Available from: http://digicmb.blogspot.com/2007/01/new-searches-in-library-toolbar-web-of.html. Externer Link
33.
DFG Unterausschuss für elektronisches Publikationen, DFG Ausschuss für wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme. DFG-Positionspapier Elektronisches Publizieren. DFG: Bonn; 2005 [updated 2007 March; cited 2007 April 4]. Available from: http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/pos_papier_elektron_publizieren_0504.pdf. Externer Link
34.
Obst O. Weblog-Anwendungen in Bibliotheken. Bibliothek in Forschung und Praxis. 2007;31(3) (in press).
35.
Christensen A. Marketing 2.0 nur von hippen Aufsehern. Netbib [updated 2007 March 24; cited 2007 April 4]. Available from: http://log.netbib.de/archives/2007/03/24/marketing-20-nur-von-hippen-aufsehern/. Externer Link
36.
Bell S. What Students Think Of Authority Figures In Facebook. ACRLog [updated 2007 March 19; cited 2007 April 4]. Available from: http://acrlblog.org/2007/03/19/what-students-think-of-authority-figures-in-facebook/. Externer Link