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Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

MEDRAPID.INFO - Die klinische Wissensbank für Praxis, Forschung und Lehre

Mitteilung

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GMS Med Bibl Inf 2006;6(1):Doc04

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/mbi/2006-6/mbi000022.shtml

Veröffentlicht: 31. Mai 2006

© 2006 Finkeissen.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Mit medrapid.info wurde ein System zur raschen und präzisen Kommunikation von klinischem Wissen entwickelt. Der Zugriff auf das medrapid-Wissen ist kostenlos und ohne Anmeldung im Internet möglich.

medrapid besitzt ein Autorensystem zur formalen Repräsentation von Wissen über Krankheitsbilder und deren Wechselwirkung in der medrapid Wissensbank. Das integrierte Qualitätsmanagement unterstützt die Autoren-Community in der Abstimmung der Inhalte zwischen den medizinischen Fachgebieten und führt zur Entwicklung eines gemeinsamen kontrollierten Vokabulars.

Bisher wurden über 5000 Krankheitsbilder im medrapid-System abgebildet, von denen 4400 bereits das Qualitätsmanagement durchlaufen haben. Es wird damit gerechnet, dass gegen Jahresende 98% der klinischen Anfragen beantwortet werden können.


Einleitung

Die Forderung nach einer patientenzentrierten, menschlichen Medizin [1], [2] impliziert den schnellen Zugriff auf das aktuellste klinische Wissen. Bei einem solchen Zugriff sollte daher die langwierige Recherche in den (existierenden) umfangreichen Literaturbeständen vermieden werden. Außerdem sollte der Arzt sofort auf das relevante Wissen zugreifen können.

Praktiker benötigen hauptsächlich handlungsrelevantes Wissen, welches sie über die Symptome zu den Krankheitsbildern bzw. den Therapien führt. Das Wissen sollte dabei auf verlässlichen Quellen basieren, damit das Risiko einer Fehlbehandlung minimiert wird.

Unter der zunehmenden Arbeitsbelastung und dem steigenden finanziellen Druck im Gesundheitswesen [3] sind diese Forderungen für den Arzt immer schwieriger zu erfüllen. Daher sollte die Wissensrecherche im ärztlichen Alltag optimiert werden, um das kostbare Gut Zeit optimal im Sinne der Patientenversorgung nutzen zu können und dabei die Behandlungsqualität zu steigern.

Deshalb sollten die folgenden Anforderungen erfüllt werden:

  • Integration aller Teilabläufe der medizinischen Wissenskommunikation
  • Größtmögliche Verfügbarkeit
  • Größtmögliche Aktualität
  • Eindeutigkeit der Begriff bzw. des Vokabulars
  • Vermeidung von Medienbrüchen
  • Hohes Maß an Vollständigkeit, Konsistenz, Redundanzfreiheit und Korrektheit der Inhalte
  • Integriertes Qualitätsmanagement
  • Weitgehend automatisierte Vorgänge bei der Wissenseingabe und Wissensausgabe
  • Hohe Geschwindigkeit der Wissenskommunikation
  • Hohes Maß an Sensitivität und Spezifität der Recherchefunktionen

Autorenprozess im Medrapid

Um diesen Ansprüchen an eine optimierte Wissenskommunikation in der Medizin zu ermöglichen, wurde 1999 das medrapid-Projekt ins Leben gerufen. medrapid soll selbst kein Wissen produzieren, sondern bei der Erfassung, Strukturierung, Recherche und Kommunikation von vorhandenem medizinischem Wissen unterstützen.

Zu jedem Krankheitsbild (wie z.B. "Otitis media") wird das vorhandene Wissen gesammelt und kompendiumartig zusammengefasst. Doch wie soll man mit den Divergenzen zwischen den einzelnen Quellen oder sogar innerhalb einer Quelle umgehen? Hierfür müssen bei der Zusammenfassung des vorhandenen Wissens klare Regeln gefunden werden.

Deshalb gilt bei medrapid, dass alternative Sichtweisen grundsätzlich nebeneinander gestellt werden. Zwei Krankheitsbilder sind dabei genau dann zu unterscheiden, wenn sich entweder Symptome oder Therapien unterscheiden. Diese systematische Abgrenzung wird in der Literatur üblicherweise nicht vorgenommen, sondern häufig ganze Gruppen ähnlicher Krankheitsbilder miteinander vermengt. Die strukturierte Aufarbeitung in medrapid trägt damit erheblich zur Systematisierung und vollständigen Erfassung des gesamten klinischen Wissens in der Literatur bei. Die Granularität der Krankheitsbilder unterscheidet sich im Ergebnis von herkömmlichen Nachschlagewerken und wird auch deutlich feiner vorgenommen, als es der ICD-10 vorsieht.

Die so entstehende Wissensstruktur kann darüber hinaus für die Indexierung externer Quellen genutzt werden: Eine Quelle kann sich auf ganz bestimmte Krankheitsbilder bzw. auf Teilaspekte wie z.B. Anamese, Befundung, Diagnosestellung oder Therapie beziehen.


Qualitätsmanagement im Medrapid

Das Qualitätsmanagement in medrapid umfasst 4 Schritte:

1.
Der Autor sammelt das klinische Wissen zu einzelnen Krankheitsbildern, strukturiert es, fasst es zusammen und gibt es in das medrapid Autorenwerkzeug ein. Nach der Eingabe wird das Krankheitsbild vom Autor freigegeben und damit automatisch an den Koautoren weitergeleitet.
2.
Jedem Krankheitsbild werden 1…N Koautoren zugeordnet, welche die Inhalte gegenlesen und Hinweise für Verbesserungen in Bezug auf die Fehlerfreiheit als auch die richtige Verwendung des Autorensystems geben. Sind sie mit einer aktuellen Fassung zufrieden, schalten auch sie das Krankheitsbild frei und reichen es damit automatisch an den Editor weiter.
3.
Der Editor prüft noch die Zusammenhänge mit anderen medizinischen Fachgebieten und gibt letztendlich die neuste Fassung des Krankheitsbildes zur Publikation frei.

Nach der Freigabe berechnet das System automatisch die Zusammenhänge zwischen den Krankheitsbildern und optimiert die differentialdiagnostische Suche für das Ausgabesystem (crawling). Damit ist der eigentliche Autorenprozess zwar abgeschlossen, in einer weiteren Stufe können aber weitere wichtige Informationen gesammelt und in den Autorenprozess integriert werden:

4.
Auch die Benutzer von medrapid können dazu beitragen, die Qualität der Wissensbank zu erhöhen. Fällt ihm während der Benutzung ein Fehler bzw. eine Unvollständigkeit auf, kann er ein Formular für Rückmeldungen öffnen und seine Hinweise eintragen. Sie werden automatisch an den zuständigen Autor weitergeleitet, damit er sie prüfen und dann in die Wissensbank einarbeiten kann.

Die zentrale Aufgabe des Recherchewerkzeuges medrapid expert ist die rasche Navigation innerhalb der klinischen Wissensbank. Hier spielt insbesondere die Einschränkung der Menge möglicher Krankheitsbilder in Bezug auf einen Sachverhalt eine wichtige Rolle. Der Arzt gibt wenige und einfache Stichworte in das Suchfeld ein und erhält vom System als Antwort a) die Menge der damit verbundenen Krankheitsbilder (Trefferliste) und b) Auswahllisten zur Einschränkung der letzten Suchanfrage.

Der Benutzer kann ein Krankheitsbild auswählen und erhält detaillierte Informationen dazu, wie z.B. Differentialdiagnosen und Therapieansätze. Sollten diese Informationen nicht ausreichen, hilft medrapid bei der Vermittlung externer Inhalte aus dem Internet (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Durch den automatischen Vergleich beliebiger Krankheitsbilder können sie Profis leicht einen differentialdiagnostischen Überblick über komplexe Sachverhalte verschaffen (Abbildung 2 [Abb. 2]).


Fazit und Ausblick

medrapid ermöglicht durch seine neuartige Systematik erstmals die Abbildung aller bekannten Krankheitsbilder in einer Wissensbank. Enthalten sind alle klinisch relevanten Informationen über die gesamte Breite der Medizin.

Ziel von medrapid ist es, bald alle Krankheitsbilder mit sämtlichen Therapiealternativen aufzuzeigen. Zurzeit wird das kontrollierte Vokabular von medrapid auf Englisch, Französisch und Chinesisch übersetzt. Damit sollten noch dieses Jahr 70% aller Ärzte weltweit erreicht werden.

Bestimmte Zusatzdienste für Profis im Gesundheitswesen sollen in Zukunft kostenpflichtig angeboten werden.


Literatur

1.
Dörner K. Der gute Arzt: Lehrbuch der ärztlichen Grundhaltung. Schriftenreihe der Akademie für Integrierte Medizin. Stuttgart, New York: Schattauer; 2001. p. 78-83.
2.
Grönemeyer D. Mensch bleiben - High-Tech und Herz - eine liebevolle Medizin ist keine Utopie. Freiburg, Basel, Wien: Herder; 2003. p. 158-66.
3.
Rundall TG, Davies HT, Hodges CL. Doctor-manager relationships in the United States and the United Kingdom. J Healthc Manag. 2004;49(4):251-68, discussion 268-70.