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Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte 2022

19.08. - 20.08.2022, Münster

Differentialdiagnose Episodischer Schwindel – Karotissinus-Syndrom bei bilateralem carotidealem Paragangliom – ein Fallbericht

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Eric Deuß - Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Stephan Lang - Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Benjamin Kansy - Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland

Vereinigung Westdeutscher HNO-Ärzte. Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Münster, 19.-20.08.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc14

doi: 10.3205/22wdhno14, urn:nbn:de:0183-22wdhno147

Published: August 17, 2022

© 2022 Deuß et al.
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Einleitung: Paragangliome (HNPGL) sind seltene Tumore des extraadrenergen neuroendokrinen Systems mit einer Prävalenz von 1:100.000-1.000.000, die in 3% hormonaktiv imponieren und in 3-14% maligne entarten. Bei Frauen zwischen 40 und 60 Jahren besteht eine gehäufte Inzidenz (4-5:1). Lediglich carotideale Paragangliome zeigen ein gehäuftes Auftreten bei Männern (2:1). Im Kopf-Hals Bereich sind bis zu 80% carotidealen oder jugulären Ursprungs. Die Klassifizierung carotidealer Paragangliome erfolgt nach Shamblin anhand der Lage zur Arteria carotis interna. Eine genetische Untersuchung (SDHx/VHL/NF1/MEN2), serologische Metanephrin-Bestimmung und Ganzkörper 68Ga-DOTA-TOC/-TATE-PET-CT sollten prätherapeutisch zum Ausschluss eines multifokalen/metastasierten Befundes erfolgen. In bis zu 4% der Fälle zeigen sich bilaterale Befunde. Mittels Operation, Radiatio oder kombinierter Ansätze werden lokale Kontrollraten von über 90% erreicht. Allerdings führt die Radiatio neben einem Wachstumsstopp lediglich zu einer Volumenreduktion von bis zu 36%. Bei kleinem Befund und Symptomlosigkeit ist bei einem langsamen Wachstum von 0,2 cm pro Jahr eine watch and wait Strategie zu erwägen, da o.g. Therapien nicht selten mit Nervenschäden einhergehen. Bei Progress oder multifokalem Prozess bestehen zusätzlich medikamentöse Therapieansätze, wie „kalte“ Somatostatin-Analoga SSA (Octreotid) oder „heiße“ Peptid-gekoppelte Radionuklide PRRT (177Lu-/90Y-Oxodotreotid).

Fallbericht: Eine 69-jährige Frau stellte sich mit episodischem Schwindel und Benommenheit bei Reklination und Drehung des Kopfes vor. Die Anfallsdauer lag unter einer Minute, Übelkeit oder Synkopen wurden verneint. Der HNO-ärztliche Spiegelbefund war unauffällig, die peripher vestibuläre Diagnostik (vKIT; SVV; mod. Dix-Hallpike-Manöver) war altersgerecht. Sonographisch fielen bilateral cervikal 3-4cm große Raumforderungen im Bereich der Carotisbifurkation auf, mit positiven Lyer- und Fontaine Zeichen sowie einem Teilumschluss der Arteria carotis interna. In der Farbkodierten Duplexsonographie stellte sich eine Hypervaskularisation dar. Eine 68Ga-DOTA-TOC-PET-CT zeigte neben einer beidseitigen intensiv gesteigerten SSTR-Überexpression carotideal keine weiteren Befunde, serologisch bestätigten sich normwertige Metanephrin-Werte. Eine genetische Testung wurde von der Patientin abgelehnt. Bei Vorliegen eines lokal bilateralen Befundes (Shamblin Grad 2) mit Karotissinus-Syndrom (Charcot-Weiß-Baker-Syndroms) erfolgte die Empfehlung zur Operation nach präoperativer Embolisation. Die Patientin entschied sich für eine konventionell fraktionierte 3D-konformale Radiotherapie von 50 Gy Gesamtdosis, unter der sich nach 6 Monaten ein stabiler Befund bei persistenter Symptomatik zeigte.

Schlussfolgerung: Bei Vorliegen episodischer Schwindelattacken nach Reklination oder Drehung des Kopfes sollte ein Paragangliom-bedingtes Karotissinus-Syndrom neben weiteren vaskulären Genesen ausgeschlossen werden.